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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920627021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892062702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892062702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-27
- Monat1892-06
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«io« »tk,«r t» 5u r .Nie« t»cti« l*vr. utt"1 li, ^ iULr vu»r :^vw voc8 40 4^ rrr«a 18.L0 ) bi, Sv."l. rder« loco 00.- 7vvl e«o Lver- Idol »suer »euer oker 'ir- — 18.5b. 14.0ö, erbst 7 (^.. .88 8. ^ 8. llsi» oOi- 29.20. L«r» l«81 Lep- ^uit ttvr: loco 'Leu ^Uss. L«n. a»s fLOt- » 6is leea 6ew )»e«o »fUr 7 k t.'«- rots^ 8 s- 8o- Vou ist Usill »rou ireNr urü« our 0,s„. ^»1» »bi« ÄlöomtkMeNlApreiA S, d«r tzanpttMdllto» «G« de» i» Stab^ deztrt nnd d« Vororte» errichteten *»«. «.bestelle» »t,,holt: vchrteljädrlich^IläXI kt »»«tmallß« tlgltcha Znftellaog t»« da»« -« »chL Vnrch dt» Haft be»oq.n für »«»tschlanL »^ Oesterreich: viertel,ä-rlich «—. Direkt» täglich» KreuzbandienLuiig tn» >»1l»»L: «mmtllch T—. '/? uh». bi» AdenL-NiGgech, voehentag» b Uhr. Ledilctt», m»d Lrve-itio»: S»h«»«»»,»-r 8. Abend-Ausgabe. Filistle»: vtt» An»«'« Eorlt«. Mlftchtz H«ß»Ib Unidersttittstraßr 1. Leut» ttsth«. Katharkenstr. 11. MU. «ch «»»kgSplatz 7. ^-325. Das Wiener Gespräch des Fürsten Lismarck. * Man schreibt un- au- Berlin: Da- Wiener Gespräch de- Fürsten Bismarck wird noch lange nachhallen, wenn auch, genau betrachtet, seine politische Bedeutung eigentlich nur darin besteht, daß e- die Unmöglich keit einer Aendcrung de- Verhältnisse- zwischen dem Fürsten und dem Kaiser mit einer jeden Zweifel, jede Hoffnung und jede Befürchtung ausschließenden Klarheit dargetban hat. Die Politiker müssen diese Möglichkeit auS ihren Berechnungen au-schridrn und die Gemülher sich, gern oder ungern, bei dem Unabänderlichen bescheiden. Kein Baumeister wird die gähnende Kluft, über die „alle Brücken abgebrochen sind", irmal- wieder von Neuem Überdrücken. Hoffen wir, daß man sich niemal- gezwungen sieht, Pioniere zu entsenden, um eine Nothbrückr herzustellen. Auf die Geschichte der AmtScntlassung BiSmarck'S wirft sein Wiener Gesvräch ein Schlaglicht, welches die Uebcrzeugung von der Unheilvarkeit des Riffe- noch verstärken muß. Es ist überaus merkwürdig, daß der rasch auffafsende, vielgewandte und wachsame Minister BiSmarck fünf Monate vor seinem Sturze von dem Zaren eine Andeutung über die Möglichkeit dieser Katastrophe erhält und sie nicht versteht. Sowenig gewichtig waren die politischen Momente, welche da- Welt- ereigniß begleiteten. Wa» der Fürst in der Wiener Unterredung an der Politik seine» Nachfolger» bemängelt, betrifft zweisellosüingebungen einer späteren Zeit und zählte nicht zu den Wandlungen, die mit BiSmarck'S Entlassung bewußtermaßen herbeigeführt werden sollten ttprigkrIagcM Anzeiger Organ für Mt»,LocalgrsMe, Handels.»ndGeMsveM § J«serttv«spDttS Die 6 gespaltene Pelitzeile SO Reklamen unter demR»dactt»»sftrlch («g«> spalten) bO^, vor de» ganüllrunachrichte» (b gespalten) 10-ch. Größer» Schriften laut nusaen» drei», verze.chnit. Tabellarischer »nd gtsirrusatz »ach höheren. Torts. Irtr«.vetl«,e» lg»salt0, »», mit »a Moiarn-AuSaab«. ohne Po,ibesördrraag X SO.-, mit Postbesörderung ^ 70.—. Annahmschlaß fiir Inserate: Nbe»d«Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen «Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Sonn« nud Festtag» früh S Uhr. Vei den Filialen und Nunahmestellea je et»» halb« Stund« früher. Lnserat» find stet« a» dt» Erpehttio» »n richtm. Drnck und Verlag van E. Vol» k» Leipzitz Montag den 27. Juni 1892. Die Gegner BiSmarck'S in der Presse, die ihm vom Be ginn seine» Privatlebens das Recht verkümmern wollten, da» sie für jeden Bezirk-Politiker und jede» Winkelblatt in An spruch nehmen, verargen ihm selbstverständlich auch seine Wiener Auslassungen. Herr Richter insbesondere watet in der „Freisinnigen Zeitung" durch ein Meer von Koth, in dem eitlen Glauben, eS könnte von dem vertrauten Element etwas auf die Gestalt de» großen Feinde- spritzen. Da« beklemmte Gefühl de» Deutschfreisinn» fühlt sich natürlich durch den Umstand verletzt, daß der Fürst un AuSlande an inländischer Politik Kritik geübt. Wir wollen nicht an die deutschfrei- sinnige Mitarbeiterschaft an ausländischen Zeitschriften er innern; durch einen solchen Vergleich geschähe den Herrn Barth und Bamderger zu viel Ehre. Fürst Bismarck sprach in Oesterreich zu Oesterreichern über politische Fragen, die Oesterreich berührten und zu denen man ihm wider bessere» Wisse» eine Stellung angedichtet hat, die er niemals ein genommen. Schon auf der Reise nach Wien und dortselbst hatte der Fürst Gelegenheit zu der Versicherung ge- nommeu, daß er das deutsche Bündniß mit Oester reich noch mit denselben Augen anseht, wie früher. Dir Unterredung mit dem österreichischen Redactrur diente dazu, den Beweis für diese Versicherung zu erbringen Sah er di« Nothwendigkeit dazu vorhanden, so liegt nicht die Schuld an ihm, sondern vor Allem an derjenigen Presse de» In» und Auslandes, die anläßlich seiner Bemerkungen zu den Handelsverträgen und zu dem Verhältniß mit Rußland wider ihn den Vorwurf schleuderten, er arbeite an der Lösung de» Dreibunde». Ein gerüttelte« Maaß der Schuld trifft aber auch die deutsche hochosficiösr Presse, welche sich mehr al« einmal den Anschein gab, al» glaube sie an diese wahn witzige Beschuldigung. Daß die Abneigung gegen einen Handels vertrag mit einem verbündeten Staat nicht gleichzeitig eine Abneigung gegen da» politische Bündniß bedeutet, ist etwas so Selbstverständliche-, daß nur verblendeter Haß das Gegen- thril behaupten kann. Da» Gleiche gilt von dem Satze, baß Staaten mit autonomen Zolltarifen da» innigste politische Verhältniß zu einander unterhalten können. Die Geschichte lehrt r», am eindringlichsten die Geschichte de- — Dreibünde». Wir hatten zwölf Jahre lang da- Bündniß mit Oesterreich ohne Zollvertrag. Wagt Jemand zu behaupten, daß es seit dem 1. Februar d. I. fetter geworden sei oder daß e» in Folge des Abschlüsse» der Zollverträge überhaupt fester werden könnte? Man kann über die Handelsverträge sehr viel ander- denken, al» Fürst Bismarck, aber vernünftiger- und gerechterweise müssen auch die Freunde jener Vertrage der Auffassung ent gegentreten, al» wäre mit ihrer Bekämpfung die Voran«- tehung der Fortdauer de« Dreibundes bekämpft. Nun da» „Wie" de- Vertragsabschlüsse». Daß bei den Verhandlungen in Wien und München die deutschen Unter händler nicht jene Rolle spielten, die wir von 1862 bi» rum März 1892 die preußische und deutsche Diplomatie bei internationalen Verhandlungen spielen zu sehen gewohnt waren, das ist rin öffentliche« Geheimniß. E» auszusprechen und eS in Wien — behusS Zurückweisung einer Verdächtigung — wiederholt auszusprechen, sollte doch gerade dem berufensten Kritiker nicht verwehrt sein. Die Dreibundsfreundlichkeit BiSmarck'S War ferner in Zweifel gezogen worden, weil er wiederholt die Ver schlechterung der Beziehungen zu Rußland beklagt und getadelt hatte. In da« Materielle dieser Frage kann die Presse nicht eingehen. denn e» fehlt ihr der Stoff zur Beurtbeilung des Sachverhalt». Wenn aber ein Fürst BiSmarck sagt: das Verhältniß ist schlechter geworden — dann entschlagcn wir un» mit der überwiegenden Mehrheit der deutschen Nation jeden Zweifel-, daß der scharfsinnige Patriot eine durchaus zureichende thatsächliche Unterlage für fein Urtbeil besitzt. Und ein noch viel kleinerer Brucktheil de» deutschen Volke» wird sich — und dieser au» ganz besonderen Gründen — von Denen absondrrn, die ein gutes Ver- däliniß zu Rußland wünschen und in demselben statt der Schwächung die Stärkung der durch den Dreibund an- gestrebtcn unbedingten Frieden«politik erblicken. Deutschland ist der natürliche Vermittler zwischen den Interessen Ruß land- und Oesterreich-, wo fick dieselben widerstreiten» und handelt so zu seinem und de« WelttheilS Heil, wenn eS den Eintritt de» nach dieser Seite im Bündnißvertragc vorge sehenen eaeu« koeäeris hintanzuhalten bemüht ist. Da» darf doch wobl ein Staatsmann erwidern, der ein halbe- Menschenalter hindurch in diesem Sinne gewirkt hat., ES ist — feindseligen Entstellungen gegenüber — hervor- zuheben, daß Fürst Bismarck ausschließlich Fragen der au»- wärti g en Politik in den Kreis seiner Betrachtungen gezogen hat. HLtt»er,wieihmHerrRichteruntcrstellt,wirklichau« „Rachsucht" gesprochen, so würde er in Worten und Thaten ergiebigere Objecte der Kritik gefunden haben. Seine Bemerkungen über die Wand luna i« per polnischen Politik dienten zur Begründung seine« Urtheil» über di« russisch-deutschen Beziehungen, und so bitter Preußen einst um seiner inneren Festigung willen die Nach giebigkeit gegen die Polen zu beklagen haben wird, nach der i»ternationalen Seite ist die Wendung im Osten jeden falls nicht minder bedenklich. Wenigstens ist die polnische „König-treue" nicht die kleinste Mißhelligkeit mit einem Nach barstaat« werth. politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Juni. Der begeisterte Empfang, der dem Fürsten BiSmarck auf seiner Reise überall zu Theil wurde, wo er sich der Be völkerung zeigte, hat natürlich zu der Frage Anlaß gegeben, wie man in den jetzt maßgebenden Kreisen derNeichSbaupt- stadt über diese Ovationen denkt. Es bat nicht an Stimmen gefehlt, die frischweg behaupteten, die so gewaltig angewachsene Popularität des Altreichskanzlers habe in Berlin verstimmt. Erfreulicher Weise wird dieser Behauptung von einem, wie eS scheint direct beauftragtcn Berliner Eorrcspondenten eines süddeutschen Blatte« entgegcngctrctcn. Man schreibt nämlich den „Münchn. Neuest. Nachr/ au« der ReichShanptstadt: „Wir sind in der Lage gewesen, die Ansicht einer hervorragende» Persönlichkeit über die Ovationen für den Fürsten BiSmarck in Dresden, München und Wien zu erkunden, und wir können ank den uns gemachten Miltbeilungen da« Folgende wiederqcben: Tie Huldigungen für den Fürsten Bismarck haben in leitenden Kreisen durchaus nicht verstimmt. Tie sind zunächst als der Ausdruck einer erfreulichen national deutschen Gesinnung betrachtet worden, und es ist mit Genug thuung iestgestellt worden daß dte dem Fürst^n d°rg'brachten Ehrenbezeigungen «in. Huldigu g von den Gedanken bedeuten. Dies g ^ Ereignisse m Dresdner und Münchner d)orgänb* »wischen den Wie» anlangt. so wird '"Ang ^ '^k.„den Sympathiekundgebungen der ö» ^ ^ Für Bevölkerung und wüsten a^. 'mM gemach-, das Letztere wird der Fürst biuigertve ' Aushängeschild aber er wird tief bedauert, ^ ,uf von Bestrebungen g'wibbraucht wu de. d^ Swatswesen die Losreißung ganzer Provinzen vom üerr ^^„„er und auSgchen. Die Zusammenstelluna der tz w .„gleich als un- aus Bismarck gilt hier al« beschäm u z 8 sinnig. Tenn Fürst B snw'ck '- ' ^»etvu^g ^ unklarer Schwärmer niemals Pvrschu ü her Schönerer- dargebrachten Ehrenbezeigungen al« H st Auffassung deu-sch-n Gedanken austaßte. Freilich .st m.t d. r AuN°11ung allein noch nickt« bewirkt. E« g'l.t vielmehr, b'esen G n lebcnvig zu erhalten und ihn e'nzuschüchtern du ch sen Liebäugeln m.t Parteien, m denen der deutsche Gedan» wenigsten« bis jetzt noch nicht Wurzel geschlagen ' Eaprivi darf kiberzeuat sein, daß se.ne „VersobnungsPoUtff von ter die Wels-n,' Polen und Ultramontanen den größten Vortbeil gehabt baden, sehr viel zu der begeisterten Ausnahme beigrtragen hat, die seinem Borganger zutheü geworben s Der Tod de« österreichischen ehemaligen liberalen Partei- führers Herbst reißt keine Lücke m die beulsch-Uberale farleu Herbst gehörte schon bei seinen Lebzeiten zu denen, von denen man nicht mebr spricht, und die beranwachs-nbe G-n-rat,°n kennt ibn nicht mehr au« seinen Thaten, sondern ««r auSder Geschichte. Es ist da« Loo« aller Politik, daß nur der Ertolg !br Rech. g.eU u^d daß Prineipien nur dann s.^bal.-n werden sollen und können, wenn sie sich den wandelnden Zt' verhallnissen anzupassen vermögen. Nicht» ist wandelbarer als die Volks- gunst, nicht« ist unbeständig»» als die Mitlel, mit denen man ein Kolk zu Glück uud Frieden führt. WaS heute als richtig erachtet wird, da» kann schon .morgen mcht mehr richtig sein, weil eia anderer Factor m die Beurthciluiig getreten ist, und wa« jahrelang al- ein politische« Apiom gegolten hat, da« kann wieder jahrelang als ein Trugbild bezeichnet werden. Es ist Sache de« Politiker-, mit dieser Wandelbarkeit der Factorcn zu rechnen und sie sich dienst- bar zu machen. Ein Mann hat die» verstanden, bi» der Weg ihm verlegt wurde, und e» ist ein cigenkhümlichc» Zusammentreffen, baß Herbst die letzten Athemzüge that, als der von ihm so oft befehdete Gegner BiSmarck die Huldigung der Vaterstadt de« sterbenden österreichischen Ab geordnete» empsing. . . ^ . Tic leiden,chastlichc Natur Herbst'« kannte ke,n Zurück- weichen, wa« so oft in der Politik eine Notbwendigkcit ist; die Halsstarrigkeit de« Abgeordneten für Schluckmann wollte mit den veränderten Zeitverhältnisscn nicht rechnen und kehrte sich selbst gegen seine besten und treuesten Freunde, als diese in der Occupationspolilik einer andern, und wie die Zeit lehrte, besseren Meinung waren. ES ist richtig, die großen Kosten der Occupation der Herzogewina und Bosniens riesen im ganzen Lande einen großen Unwillen hervor, aber die Ungarn waren klüger al« Herbst und GiSkra, indem sie ihren Unwillen meisterten, während die beiten ersteren mir stammenden Worten diese Occupation als eine Schmack bczeickneten und den Krieg gegen Rußland predigte». Gerate Herbst'« Angriffe konnte baS Ministerium Aueriperg nicht auShalten und so trat dieses verfassungstreue Ministerium am 6. Oktober 1878 zurück, um durch ciu Eabinct Prelis dem Grasen Taaffc, der früher mit Herbst Hand i» Hand gegangen war, der aber de» Verhältnissen leider nur zu sehr Rechnung trug, freie Bahn zu lassen. Der Winter 1878/79 war die schlimme Zeit für die vcrsassungSlreue Linke. Fallen sah man Zweig aus Zweig und di« Verwerfung und Mißbilligung de« Berliner Vertrag«, die Herbst predigte, fand im NeichSralh anstatt gegen 200 Stimmen nur 112 uud damit war die Niederlage der Partei unter Herbst'- Führung besiegelt. Taaffe trat als leitender Minister an die Spitze der Regierung und die deutsch-liberale Partei hat heute noch an der Querköpfigkeit ihrer damaligen Führer zu leiden. Wie die Partei selbst an Ein fluß verlor, so auch Herbst, dem der Schmerz nicht erspart blieb, daß sein alter Wahlkreis Schluckenau ihm Pinckert vorzog und er nur nolhdürftig eine Unterkuust in Reichenberg und später in Wien fand. Aber Herbst hat darum doch nicht umsonst gelebt. Er hat auch wacker an dem Wagen des Fortschritte» geschobeu und seine immerhin kurze Ministerthätigkeit weist eine Anzahl Thaten auf, die ihm einen Ehrenplatz in der Geschichte de« österreichischen Staate« sichern. Er war ein unermüdlicher Kämpfer gegen die priestcrliche Uebermacht und gegen da» Eoncvrdat, er war ein bedeutender Jurist, dem da» Land eine neue Civilproeeßordnung dankt. Was Herbst un« aber nahe führt, ist, daß er sich immer seit seinem politischen Auftreten l86l al« guter Deutscher, oder al» Deutsch-Oesterreicher gefühlt hat, daß er mit seiner ganzen Persönlichkeit für die Eentralisation in Oesterreich cingctreten ist und die unglücklichen Absichten Belecredi » mit vereitelte. Er war ein großer Redner und ein fleißiger Parla mentarier, dessen letzte Thäligkeit, wenn auch weniger geräuschvoll als ehedem, von Nutzen für sein Volt war. Unvergessen wird ibm sein mannhaftes Eintreten für da» Deutschthum in Bödmen bleiben und c« ist sein höchster Ruhm, daß er den nationalen Ideen alles Andere unterordnetc, selbst wenn, wir die Geschichte lebrt, die Stiernackigkeit nicht angebracht war Wenn die deutschliberale Partei ihm ihren Lorbeerkranz au! da« Grab legt, so kann sic ihm in die Gruft Nachrufen, da er ihr viel, sehr viel gewesen ist. Die Frage der Neutralität der Schweiz wird gegen wärtig, vornehmlich durch eine in Italien erschienene Schrift angeregt, wieder besonder« lebhaft erörtert. Die Angelegen heit interesstrt allerdings nicht bloS diese« Land selbst, sondern auch die Nachbarstaaten, und zwar nicht etwa den einen oder den anderen, sondern alle inSgesammt, denn sie ist eine Frage de« Völkerrechts. Besonder« eifrig beschäftigen sich unsere französischen Nachbarn mit dieser Frage; in welchem Sinne, läßt sich au« folgender Zufchrift ersehen, die der „Polit. Eorr." aus Pari« zuaeht: „In den hiesigen politischen Kreisen erklärt man, diese Neutralität bi« an die äußerste Grenze de» Mögliche» respeettrea zu wollen, um so mehr, al« ja di« Schweiz ein« Republik ist. Frankreich hat keinerlei aggressiv« Absichten und «» denkt daher auch nicht daran, die Neutralität der Ltogeuossenfchaft zu bedrohen. Für den Fall aber, al» aus dem Wege durch bi« Schweiz rin Uebersall aus Frankreich versucht werden und «rstere trotz ihrer aufrichtigen Bemühungen nicht in, Stande sein sollt», ihre bedroht« Neutralität zu schütze», könnte sie sich sehr wohl mit Frankreich verständigen und mit letzterem ge- meinsam Vorgehen oder Frankreich könntet» derVchwetz jene Maßnahmen treffen, weich» ihm die Sorge für setue Berthcidigung vorschriebc. Da« könnt« allerdings für die Schweiz gegenwärtig keine Frage einer förmlichen Allianz sei». Um ihre» internationalen Verpflichtungen zu entsprechen, muh die Eidgmossenichast so lange neutral bleiben, bl» dt« Gefahr in uninitielbare Nähe gerückt wäre. Nun, diese Gefahr wird in unmittelbare Nähe nie kommen, denn Niemand denkt daran, durch die Schweiz einen Uebersall aus Frankreich zu versuchen. Aber schon die lebhafte Er örterung der Frage in Frankreich beweist, welch« Gedanken, Wünsche und Hoffnungen die französischen Politiker hegen und welche Rolle in ihren Träumen der neutralen Schweiz zu- gewiesen wird. Daß Rußland sich in einem Zustande befindet, der jede» active Vorgehen in großen politischen Fragen unmöglich macht, wird durch die Ereignisse von Tag zu Tag neu bestätigt. Ja, e» scheint, als solle der Nothstand de- vorigen Jahre» eine neue, schlimmere Auflage erleben. Der vom „Regierungs- Anzeiger" veröffentlichte Bericht Uber di« ErntrauSsichten muß zugestehrn, daß iu den Gouvernement» Tula, KurSk, Woroorsch, 0 Fcirilleton. Nach- Ist siißl >t>7. «ra. Hmnor«»k« vou Marian« Sell. „Wie gefällt e» Ihnen bei UN»I" so lautete die Frage, die mau in der guten Stadt Lindenburg an jeden Fremden richtete, in der Erwartung, daß die Antwort unbedingt heißen würde: ^Au-geuichnet! Liabenburg ist ein Paradie»!" Die Stadl hatte in der Thal manchen Bora aufzuweiscn; gutgepflegte Promenaden umrahmten freundlich den düster» winkeligen Kern der alten Handel-stadt, und breite, mit Bäumen bepflanzte Straßen fübrten nach allen Richtungen zu den Vorstädten, und von da au» zu idyllisch gelegenen Dörfer», wo die reichen Bürger schattige Garten und reizende Sommerwohnungen besaßen. Nach Süden und Westen grenzten an die Stadtflur groß«, ebene Flächen mit Getreide und Obst bebaut, und nach Norden und Osten umschloß in schöngeschwunge- nem Bogen, halb krei«förmig ein« bewaldete Bergkette die Stavt, die im Winter die kalten Winde abhielt. E» gab viel Reich thum in Lindrnbura, Handel und Gewerbe blühten, auch Künste und Wissenschaften wurden kräftigst unterstützt, aber am stolzesten waren vir Linbenburger aus ihr Theater. .Nicht wahr, ein bessere» Theater giebt'» in ganz Deutsch land nicht?" fragten sie wohlgefällig den Fremden, der in ihren Geficht-Irei» trat, und wenn er etwa» zögernd ent gegnet«, daß er in Berlin und München im Theater gewesen uud daß man dort, ganz selbstverständlich, an den großen Hofbübnen noch mehr geboten bade — da wurden die Lindenburger ernstlich böse. „Haben Tie unsere Eäcilie ge sehen? Dir große Eäcilie Romano?" »Neinl* »So, dann sind Sir entschuldigt, dann haben Ti« überhaupt noch gar nicht» bei un« grseyen! Sie wird «arg» al» De-demona auflrrten; versäumen Sie diesen H»ch,r»»ß nicht! Ti, werden'» un« danke», daß wir Sie »>f««ksiun gmnacht haben!" „Ick mag keine Trauerspiele, ick sehe lieber etwa» Lustige-!" „Wir auch! Aber wenn Eäcilie Romano spielt, so ist da« etwas ganz Andere»!" Auch über den schauerlichsten Vorgang aus der Bühne aießt sie einen verklärenden Schimmer, und die traurigsten Machwerk« der modernen Dichter werden durch sie zu wahren Meisterstücken I" So sprachen die Enthusiasten, aber auch die ruhigeren Naturen gaben zu, daß Eäcilie eine bedeutende Künstlerin sei, eine bescheidene und liebenswürdige Eollegin, unv eine Schönheit ersten Range«. Hohe, schlanke Gestalt, aschblonde- Haar, dunkle Augen, edle Züge, einen kleinen, reizenden Mund, und dazu ein volle-, biegsame« Organ, da« alle Em- pfindungen an Schmerz und Freude, vom wilden Rackeschrei bi« rum leisen LiebeSgeflüster vollkommen rum Ausdruck brachte. Auch in pekuniärer Hinsicht war Eäcilie Romano für Viele ein wahrer Segen. Der Dircctor des Stadt-Theater« hatte sich bereit« ge- nöthigt gesehen, einen neuen feuerfesten Geldschrank anzu- schaffrn, um seine Ersparnisse sicher zu verwnbren, und ging mit dem Gedanken um, sich rin Rittergut zu kaufen, war dock da« Hau« jederzeit auSverkauft, sobald Eäcilie spielte; obgleich sich drei neue Blumenläden ihretwegen in ter Nähe de« Tbeater» aufgethan hatten, machten auch die alten brillante Geschäfte, denn, ob man Eäcilie bir.ler den Eoulissen ent hauptet oder erdrosselt hatte, ob sie ihr Leben durch Gift oder Dolch au-gehaucht, da» begeisterte Publicum rief sie durch wahre Beifallsstürme so oft wieder hervor, al» sie gesonnen war zu erscheinen, und streute über seinen Liebling eine solche Fülle von Lorbeer« und kostbaren Blumen au», baß e« regelmäßig einiger mächtigen Wäschekörbe bedurfte, um die Kinder Flora'» wegzusckaffen. Auch anßerhalb der Tbeatermauern fühlte man ein leb haftes Interesse für die geistreiche Künstlerin. Die Schülerinnen der höheren Töchterschule liefen ihr nach, wenn sie Mittag« au« der Probe kam, und Abend« warteten die Gymnasiasten Stunden lang auf sie am Eingang zum Bübnenraum und stritten sich um den Vorzug, für sie di« Waaenibüre zu öffnen. Ei» erfindungsreicher Esaditor verkaufte Eäcilienbrezeln und ein Seifensieder Nomanoseife, und ein der Neclame bedürftige« Modcwaarenbau« gab bei jedem 20 betragenden Einkauf ein Bild von Eäcilie Noiuano zu. Der Schuhmacher, dem sie einen Auftrag ertheilt hatte, kain freudestrahlend zu seiner Frau gestürmt, mit den Worten: „Hurrahl Wir baden da« große Loo« gewonnen! Frl. Romano bat sich bei mir ein Paar Knopsstiefel bestellt!" und daß Schneiderin unk Putzmacherin den Vorzug, für sie zu arbeiten, dazu benutzen, ihren übrigen Kunden doppelte Preise anzu schreiben, verstand sich ganz von selbst. Auch das Ha,,«, in dem sie mit ihrer Tante und Pflege mutter, Fräulein Ottilie Römer, da« Parterre bewohnte, war allen Lintenburgern im höchsten Grade anziehend. Es lag an der Kastanicnstraße, die von ter inneren Stadt zu einem sclir stark bevölkerten Vororte führte, und von den Vorübergeben- den versäumte Keiner, einen Blick nach den wohlbekannten, m,t Spltzenvorbängen verhüllten Fenstern zu tbun. oder zwischen den hoben Oleander- und Lorbeerbäumen, die die geräumige Veranda einsam,iten, nach der Gestalt der Schauspielerin zu spähen, die oft bei schönen Sommertagen hier draußen saß und la« oder lernte. Kur, und gut — Eäcilie war die berühmteste Person in Lindenburg. m«'"'öcr.. Zeit batte Eäcilie Romano einen Nebenbuhler in der öffentlichen Gunst, besten Verdienste freilich auf ganz anderem Gebiete lagen. Der Baron Franz von Häbnchcn war», der gar nicht ,n vindenburg selbst Meile entfernt auf dem Halmenberg. L'nk'nburg umschließenden Bergkette Schloß Hahn.nstein war ebedem eine alte Ritterburg gewesen- Si7n iungcn Baron- gar ke.nen ^.inn sür Romantik besaßen und ihr Lebe» lieber in der Residenz und auf Reisen verbrachten, so war da- Familien- Menschenaltern gründlich ver- » ^ ^ ^ "uf seinen alten Namen, aus sein dreibunder,Ihrige« «dnenschloß. und berief deshalb e,neu Zumeist,r, der ihm dasselbe zu einem behagliche» Wohnsitz umfchaffen sollte. Di« Ausgabe war in Zeit von wenigen Iabren trefflich gelöst worden. Wie der Pbönip au« der Asche aufsteigt, batte sich die verwitterte Ruine in ein herrliche« Schloß in, edelsten Renaifsancestyl ver wandelt, mit bunten GlaSfenstern, Erkern, Söller und Altan reich verziert, und von dem seitwärts stehenden hohen Warttburm, der durch eine steinerne Galerie mit bei» Schlosse in Verbindung stand, wehte stolz die Flagge de« Hauses, so lange brr Schloßherr auf Hahnen- stem weilte. Die Bürger von Lindenbura hatten mit dem größten Interesse den wcitbin sichtbaren Schloßba» verfolgt, und al- auch zu der inneren Ausstattung der Räume ge schritten wurde und der Baron in Lindenbura bedeutende Einkäufe und Bestellungen machte, vernahm man S mit großer Befriedigung. Da» war ein Edelmann, wie man ihn nur wünschen konnte I Der legte da« Geld nicht auf die hohe Kante, der gab« au« und ließ auch Ander» etwa« zu kommen. Auch die Neigung de» Baron», sich durch Absonder lichkeiten bemerklich zu machen, dir Aufmerksamkeit brr Leute ans seine Person zu lenken, konnte ihm beim Publicum nur nützlich sein; bald knüpften sich eine ganze Reihe von-Sagen an seine Person, und kein Gerücht war so abenteuerlich, daß man » nicht willig geglaubt hätte, wenn eS den Herrn Baron von Hähnchen zum Gegenstand hatte. Er sorgte stet« für lieber- raschungen; beute kam er vierspännig in großer Gala mit Vor- rciter zur Stadt und morgen im kleinen, mit einem Esel bespannten Kordwäaelcken; er trug mit Vorliebe schneeweiße Anzüge und war fogar im Winter auf dem Lindraburger Teich in einem solchen Schlittschuh gefahren, der zwar nicht au» weißer Leinwand, sondern au« einem dicken wollnen Stoff bestand und Kragen und AermelaussHläge vom gell de« Eisbären batte. Auch unter der Schuffugend war er »ngrbeuer populär; schon oft hatte er im Borübergihrn aus btni Lbstmarktc die Vorräthc der Verkäuferinnen ausgrkauft und sofort der au« dem Schulthor in die Freiheit strömenden Jugend überlassen, die da« unerwartete Geschenk mit unge heurem Jubel und Geschrei empfingen. t Fortsetzung solgtI
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