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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920704016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-04
- Monat1892-07
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Octobrr vorigen Jahres zur Auslegung gelangten Gohlis- Eutritzscher Bebauungspläne ^ vorschriftsmäßig, und zwar vom 25. Mai bis 21. Juni lausenden Jahres ausgclegeu und sind hiergegen Widersprüche nicht an- gemeldet. Es ist souach in Berücksichtigung dieser Tectur D. L. V. 5523 R. -O 5846 die beglaubigte Theilcopie des Plane» D. V. V. 5578 L. 5892 D. 8. V. 484? L. ä.. 5654 angefertigt worden, und hat, da nunmehr für das auf derselben ausgetragene blauumränderte Gelände der Flur Gohlis uud desjenigen Theiles der Flur Eutritzsch, welcher von der Telitzicher und verlängerten Weftstraß« nebst Allstadtflur begrenzt wird, Wider- sprüche nicht mehr vorliegen, aus Grund ß. 22 de» Regulatives, die neuen städtischen Anbaue und die Regulirung der Stroben betreffend, vom 15. November 1867 al» festgestellter Bebauungsplan zu gelten. Leipzig, den 25. Juni 1892. Der Rath der Ttadt Leipzig. Ie. 3235. l)r. Georgi. vr. G. von Fewson, Ass ConcursverflilMil. lieber den Nachlaß de» Agenten und gleichzeitigen Inhabers der im Handelsregister nicht eingetragenen Firma M. Völlig» Nachs. zu Weißens«!-, Otto Willinghausen zu Weibensels, ist heute Nach- mittag SV» Uhr da» ToucurSversahrea eröffnet und der offene Arrest erlassen. ToncurSderwalter: Kaufmann Otto Francke hier. Anmeld«- and Anzeta,fitst bi» zum »». Ee»t««der 18S». Erst, Gliuhiaerversaniniluua a» »v. Hält 18»», -*r»m«^ 1» Uhr. PrüsungSlermiu am 7. Ort ater 18»», v»r«ittag» 1» Uhr. Weißens,l«, de» 1. Juli 1893. Köntgltche« Amtsgericht, Abthl. I. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Juli. Allmälig beginnen die Wogen sich zu legen, welche durch die Reise de- Fürsten Bismarck und seine Auslassungen in Wien und München hervorgerufen worden sind. Der be sonnenere Theil der deutschen Presse gießt Oel in die Bran dung, indem er darlegt, daß iu den vielbesprochenen Bor gängen gar nichts liege, was zu einer so hochgradigen Er- regung Anlaß geben könnte. So sagt die „Weser-Ztg." am Schlug eine- längeren Artikels: „Wir Deutschen — mit Einschluß der CentrumSführer — wissen sehr wohl, daß di« tiefen Zerwürfnisse die Stärke, die Leben-- kraft, den tnueren Zusammenhang des Vaterlandes nicht berühren. Unser« Parteiungen erschüttern die Bieter der Bühne, aber nicht ihr« Fundamente. Die Zerwürfnisse, die zwischen dem Hof und dem Ministerium einerseits und dem Fürsten BiSmarck andererseits obwalten, sind historisch und biographisch aus nehmend merkwürdig und interessant, lehrreich, wa- nion will, aber i t c habe» für dt» Politik nur wenig Bedeutung. Sie haben retrospecttvcn Werth von hohem Range, indem sie Licht zurückwcrfen aus die inhaltvollste Periode der Geschichte Preußen« und Deutschlands und auf deren leitende Personen; sür Gegenwart und Zukunft dagegen fallen sie höchsten» tnjosern ins Gewicht, al« sie möglicher Weise die jetzt maßaebenden Personen — was wir nicht besorgen — aus dem Gleichgewichte bringen könnten." Sehr wesentlich trägt zu dieser ruhigeren Auffassung in conservativen und gemäßigt liberalen Kreisen der Umstand bei, daß die ultramontanen und „ deutsch freisinnigen" Kreise in so grimmiger Weise den Fürsten BiSmarck lediglich deshalb angefallen und für Kaiser und Reich nur deshalb gezittert haben, um sich beim Grafen Caprivi und an einer noch höheren Stelle einzuschmeicheln. Wir haben uns über diesen neuesten Wettlauf der befreundeten Parteien bereits ausgesprochen; heute gebt auch die »Post" auf dieses Thema ein und führt das Folgende auS: „Recht rasch melden sich die Parteien, welche in dem Streit der letzten Tage der Negierung durch Dick und Dünn gefolgt sind, mit ihren Ansprüchen aus Belohnung sür die in der Noch gewährte Unterstützung. Von deutschsreisinniger Seite wird nicht blos die mindestens theilweise Beseitigung der unter Fürst BiSmarck in politische Stellungen berufenen Beamten, sondern auch die Ersetzung derselben durch Deutschfretsinnigc mit iolchem Nachdruck gefordert, daß das osficielle socialdemo- statische Organ, der „Vorwärts", nicht ganz mit Unrecht von Aufdringlichkeit sprechen kann. Auch das Ccntrum hat die Rechnung sür die zunächst freilich nur in gesvrochenen und geschriebenen Worten geleistete Hilfe ausgestellt Man will sich nicht mit den in dem letzten Entwürfe des VolkS- ichulgesetzes vorgesehenen Concessionen mehr begnügen, sondern verlangt die gänzliche Beseitigung der Stmultanschule und die gänzliche Unterordnung der Schule unter die Kirche. Wenn dabei auch nach Art geschickter Handelsleute zunächst stark vorgeschlagen ist, so zeigt sich wenigstens die Richtung, nach welcher Gegenleistungen verlangt werden und nöthigensalls mit dem Reichshebel durchgesetzt werde» solle». Ob dieser rasche Eifer, die Belohnung für die jetzige Heeressolge zu liquidtren, besonder» klug ist, mag dahingestellt sein. Zu nächst gilt noch immer bat alte Sprichwort „man merkt die Absicht und wird verstimmt". Sodann aber ist dieies eifrige LtebeSwerben, indem «1 bi« zu einem gewissen Grad« die Natur d«S Angebot« hat, au« diesem Grunde nicht eben dazu an- gethan, da« Handelsgeschäft ganz nach dem Wunsche zu gestalten. Tie Regierung als die Umworbene bekommt es damit in die Hand, den »u gewährenden Preis zu bestimmen Sie dürfte voraussichtlich um so bessere Geschäft« machen, je mehr sie sich zurückhaltend zeigt und die Dinge an sich kommen läßt. Insofern ist jenes ostensible Llebeswerben vom Etandpuncte d«S Gemeinwohl- nicht zu beklagen." Mit dem Cent rum werden sich Graf Caprivi und die preußische Regierung auch deshalb in Acht nehmen müssen, we,l dasselbe ,m Vatikan in Ungnade gefalle» ist. E« ist bereit« gemeldet worden, daß dir vatikanische Presse sehr scharf gegen den Frhrn. v. Schorlemer-Alst und seine Partei genossen vorgcgaiigeu ist, die an dem Dreibünde trotz ihrer platonische» Liebe für die weltliche Papsthcrrschaft nicht rütteln wollen und die politische Unfehlbarkeit des Papstes anzu- zweifeln sich nnterfangen. Heute liegt im „Berliner Tage- vlatt" folgendes Telegramm vor: Rom, 2. Juli. In einem überaus scharfen Leitartikel wirft der „Moniteur de Rome" sowohl Schorlemer als dem ganzen Ccntrum im Name» Noms den Fehdehandschuh h>». Das Znrückkominen Schoriemcr's aus das Sepie nnat sei ein Beweis seiner Impertinenz, seiner Hohlheit und seines Mangels an Pietät; dies sei ei» ganz plumpes Manöver, da das Centrum damals keineswegs eine schöne Rolle gespielt habe, objchou es dies glaube. Tic Geschichte werde die« dereinst ans Tageslicht bringen. Darum könne der Vatican auch jene lächerlichen, unpassende» Prahlereien leicht ertragen. Der „Moniteur" erklärt alsdann, kein einziges religiöses Blatt, kein einziger unparteiischer Geist vermöge die Attentate des Dreibundes aus die Freiheit des Papst- thums zu leugne», n»d schließt mit der Vehauprung, seit zwei Jahre» sei die Sympathie Europas sür den deutichen KatholicismuS ui fortwährenden! Sinken begriffen. Ans eine Partei sich zu stützen, die von ihrem geistigen Haupte mit solchen Passionsmitteln zu einer schroffen Oppo sition gegen den Dreibund und die Dreibundpolilik Deutsch land« gezwungen werden soll, würde einem Selbstmorde gleichen. Jedenfalls kann cS bei der jetzigen Slimmung im Vatican nicht befremden, daß der preußische Gesandte v. Schlözer sich entschlossen hat, in de» wohlverdienlen Ruhestand zu treten. Sein Nachfolger ist jcbensalls um seine Ausgabe nicht zu beneiden. Nach einer gleichfalls schon mitgetheilten Meldung auö Therapia ist der deutsche Botschafter bei der Pforte, Herr von Radowiy, zum Nachfolger deS Frbr». v. Stumm in Madrid bestimmt. Herr v. Radowiy, der für einen unserer tüchtigsten Diplomaten gilt, hat den Posten in Konstantinopel seit November 1882 innc. Vorher war er als Gesandter in Athen listig. JnlereWnMer noch ist die Meldung, daß an seiner Stelle der Overst-Triubseß Fürst v. Nadolin, »ach Konstantiuopcl gehen solle. Er ist hem diplomatische» Dienst nicht fremd, denn er ist früher bereit- Gesandter gewesen und verließ diesen Posten erst, gl» er in den achtziger Jahre» in vroHofstaat desdan-akgenKivnprinzrn, des späteren Kaiser« Friedrich, beevft» wurde. Schon nach dem Tote Liese« Kaiser-, der den früheren Grasen in den erb- lichen Fürstenstand erhoben batte, hieß e«, Laß Fürst Nadolin in den diplomatischen Dienst zurückkckrcn wolle. Es verlobnt sich Wohl, hieran zu erinnern, da der Botschafter- Wechsel in Konstantinopel in Rußland gewiß mit argwöhni schem Auge verfolgt werden wird. Der Fürst ist polnischer Herkunft und gilt wegen der Beziehungen, in die er durch seine erste Gemahlin, eine Tochter des Oberstlicutcnants Howard Wakefield, zu England getreten ist, für einen „Anglo- phileu". Die panslawistischc Presse wird diese Thatsache wohl ausgreifen. Da aber, wie schon oben bemerkl ist, der Wieder eintritt deS Fürsten in den diplomatischen Dienst schon längst feststand, so würde es völlig verfehlt sein, seiner Entsendung nach Konstantinopcl eine besondere Bedeutung beizumcsse» oder gar aus ihr auf eine Bcränderung unserer Orienipolitik schließen zu wollen. Der neueste Anlauf der deutschen Pateien in Oester reich zu einer Opposition gegen den Grafen Taaffe scheint auSgeben zu wollen wie das Hornberger Schieße». Wenigstens führt die laue Sprache der „N. Fr. Pr." zu dem Schlüsse, daß die Liberale» sehr ungern auf den Pfaden wandeln, in die sie vr. Steinwcnder, das Haupt der Nationalen, getrieben hat. Das Blatt sagt nämlich: „Wenn der Ministerpräsident nur jenes Maß von Entgegen kommen zeigt, weiches unbedingt erforderlich ist, um das tiej ein- gewuczelle Mißtrauen gegen seine Politik wieder ein wenig zu mildern und die Sliiiliiiuiig zu beruhigen; wenn er der Linken be weist, daß die Idee, die ihm bei der Auflösung des Abgeordneten- Hause- im Vorjahre vorschwebte, jetzt »och für die innere Richtung bestimmend ist, und daß er nicht daran Lenkt, die Neutratitäl der Deutschen zu ihren Ungunsle» a»szun»tzen; wenn er als Staats- mann erkennt, daß cs plycholvgische Momente giebt, bei denen das kühle Raisouneinent jede Macht verliert, so wird die gegenwärtige Episode rasch vorüberraujchc» und die parlamentarische Situation wenigstens sür einige Zeit wieder geordnet sei». Tie Vereinigle Linke hat die sricdicrtigste Gesinnung, und ihre Führer kennen die unermeßliche Verantwortung, die mit dem Auf werfen der politischen Frage bei der Valiila-Resorm verknüpft wäre. In der Vereinigten Linken besteht nicht der mindeste Hang, den dornigen und rauhen Pfad der Opposition wieder zu betreten und als ohnmächtige Minorität nur eine» negativen Einfluß aus die Gestaltung des Reiches auszuübe»." Gras Taaffe wird sich »ach dieser Erklärung schwerlich zu einer Concession herbeilassen; er weiß, daß er der Bereinigten Linken alles bieten darf, obne befürchten zu müsse», sic „auf den dornigen und rauhen Pfad der Opposition" zu drängen. Sie sind zufrieden damit, daß sie „Ja" sagen dürfen und für ibr Ja genau so behandelt werden, als ob sie in der schroffsten Opposition ständen. Der große belgisckcDynamitproceß, welcher gegen die Urheber der Lütticher Eprengattentatc während der Monate März-April-Mai angestrengt worden, gelangt am l8. d. M. vor den Lütticher Assisen zur öffentliche» Berhand- lung. Angeklagt sind nicht weniger als l6 Personen, und zwar der bandenmäßige» Begebung von Verbrechen wider Leben nnd Eigrntbum harmloser Staatsbürger, auS dem Beweggründe des HafleS unk Neides gegen die besitzenden Elasten zu dem Zwecke der Einschüchterung der öffentlichen Meinung. In der, mehrere Drnckspalte» der „Jndep. beige" füllenden Anklageschrift de- Oberstaatsanwalts am Lütticher Criminal- gerichtShose wird Eingangs daraus hiligewiesen, wie bereits .seit Jahren die Dynamitfrevel in beunruhigendem Maße Zu nahmen. Man batte sie bis in die alleriicueste Zeit aus Regungen persönlicher Gebässigkeit erklären zu können gemeint, indeß die Vorfälle vom 1. uud 2. Mai, anläßlich des sog. „ArbeiierfesttageS", stellten es außer Zweifel, was übrigen- auch von den aus frischer Thal ertappten Dynaintt- bolden mit cynischer Frechbeit eingestanden wurde, daß e« sich dabei gar nicht um Schädigung einzelner bestimmter Personen handelte, sondern um Terroristrung der Ge- sammtheit. Aber mit diesem Hauptmotiv ging regelmäßig die hochgradigste Animosität gegen die besitzenden Elasten al« solche und gegen die bestellten Hüter de« Gesetze« einher. Die Anklageschrift geht ferner auf die Details der einzelnen, den Verschworenen zur Last gelegten Frevel ein und entwickelt dabei ein Bild moralischer Verkommenheit und Verwilderung, in welchem man umsonst »ach einem auch nur mildernden, geschweige denn versöhnenden Zuac sucht. Ileberall starrt den» Blicke ein abscheuerregendcS Gemisch der verächtlichsten Triebe der Menschennatur entgegen. Man alhmet nach Durchlesuiig deS Actenstnckes ordentlich erleichtert auf bei dem Gedanken, daß binnen wenigen Tagen die Vcrbrecherbandc abgeuribeilt und hoffenilich mit der vollen Strenge des Gesetzes bestraft werden wird. Die anfänglich übermütbige Stimmung in Portugal über den mit seltener Dreistigkeit uniernominenen Versuch, einen sibiiiipslichcn Bankerott unter unerhörter Benachtheiligung namentlich der auswärtigen Gläubiger zu itisecilirc», ist nach und nach ins Gegenthcil umgeschlagen. Ter Katzenjammer stellt sich ein wie bei dem Bankeroltirer, den noch eben recht zeitig der Staatsanwalt beim Krage» genommen hat. Tie moralischen Reken, die ein so gepackter Sünder sübrt, er regen freilich kaum die beabsichtigte Wirkung, und so wird man sich auch in Portugal nicht beklagen können, wen» man anderswo die verspäteten Anwandelungen einer immerhin noch ziemlich brüchigen Gewissenhastigkeit nicht aus sittliche Motive, sondern auf sehr materielle Beweggründe zurücksührl. Vielleicht hat dabei nicht so sehr da- ernste »»d feind selige Austreten der Regierungen und der öffentlichen Meinung des Auslandes mitgewirkt als die betrübsame Er wägung, daß sür einen späteren portugiesischen Pump das europäische Capital nicht mebr zu habe» sein wird- Wie dem auch sein mag, eine ernste ministerieNe Krisis ist in Lissabon auögcbrochen, unb man redet davon, daß die sinanzicllen Bedrängnisse des kleinen, an sich nickt armen, aber erbärmlich verwalteten Landes, nicht auf dem Wege be seitigt werden dürsten, den das gegenwärtige Cabinct ein- znschlagen sür gut befunden hat. Ob die umgeschlagene Stimmung so weit Vorhalten wird, um das Ministerium deS StaatSbankerotls zu stürzen und ein anderes, einer ehrlichere» Handlungsweise zugeneigieS an- Ruder zu bringen, ist eine Frage, die vorläufig noch nicht mit Zuversicht zu bejahen sein dürfte. Zur norwegischen Krise liegen einige neue Daten vor. König Oskar II. hat sich privatim dahin geäußert, er beklage da- Entlassungsgesuch deS Ministerium» namentlich deSbalb, weil ihm dasselbe unmöglich gemacht bade, die Motive für seine ablehnende Haltung gegenüber dem ConsulatSantrage der Regierung officiell dem Volke bekannt zu geben. Noch am Abend des 29. Juni empfing der König den conser- vativen früheren Staatsminister Slang in Audienz; einen Auftrag zur Bildung eines neuen Ministeriums sprach er aber nicht a»S. Der „Arbeiterverein" der Hauptstadt wollte am Abend des 1. Juli eine Versammlung veranstalte» und eine Adresse an den König richten, ebenso sollte an, 3. d. M. ein großer VolkSanfzug stattsindc», der Zutritt zu». Schloß ist demselben bekanntlich untersagt worden. An dem Vertrauensvotum für das bisherige Ministerium Steen vom 30. hat in der Tbat ein Theil der „Moderaten" mitgewirkt, die Mehrheit für dasselbe bestand au- 63 radikalen und 6 „moderaten" Stimmen. Der König soll sein Verbleiben in Christiania vorläufig für die Dauer des Monats Juli angekündigt haben, das würde darauf bindeuten, daß er einen langsamen Verlauf der Krise Voraussicht. Die indische Negierung beginnt mit dem Emir Ab- durrahman von Afghanistan ernstlich unzufrieden zu werden. Das Vorgehen der Engländer in de» Zwischcngebicten bat ihn offenbar bewogen, statt nur an Puncten, wo es die Eng länder gern sehen würde», den Russen gegenüber daö Prä- venire zu spielen, mit jenen selbst in Concurrcnz zu trelen. Die englisch-indische Negierung bat ihn, wie bereits in, gestrigen Morflenblalte gemeldet worden ist, jetzt ernstlich ermahnt, von seinen hartnäckigen Versuchen, Badschanr unter werfe» zu wollen, abznstehen und ebenso die AsridiS, OrakzaiS nnd andere Grcnzstämme im Osten seines eigenen Gebietes möglichst im Frieden zu lassen. Inzwischen bat der Emir aber zwei Jnfaiiterieregimenter und ein CavaUcricregiincnt mit sechs Kanonen von der turkmenischen Grenze nach Kabul, also ohne Zweifel ebenfalls zur Verwendung an der Ost- grcnze, beordert, und diese Truppen haben unterwegs unter den Tamazan HazaraS, durch deren Gebiet sie kamen, mit Feuer und Schwert gehaust. Hierdurch dürste die Lage schwerlich gebessert sein. Deutsches Reich. Berlin, 3. Juli. In einem Blatte tauchten kürzlich bei einer Besprechung socialpolitischer Studien eines Amerikaner« Klagen über die Simulation unter den Arbeitern aus. DaS Blatt nannte diese Thatsache einen wunden Punct in der staatlichen Arbcitcrversickerung, glaubte jedoch sich ihr gegenüber damit berubigen zu können, daß eS sie als ein notkwcndigeS Uebel bezeichnet«. Simulation wird allerdings stets mit einer Einrichtung verknüpft sein, welche, wie die Versicherung, dem Einzelnen durch Vor spiegelung falscher Tbatsacben Gelegenheit zur Erlangung von Vorlbeilen bietet. Aber wenn man annimint. daß eS keine Mittel giebt, welche die Simulation weniaste»« einschränkcn, so irrt man. Leider hat gerade die Mehrheit des Reichstag« in der letzten Session dazu beigetragen, eines der Hauptbollwcrke gehen die Simulation über den Haufen zu werfen. Die verbündeten Regierungen hatten in den Entwurf zur Krankencassennovelle, dem von verschiedenen Seiten an sie gerichteten Drängen nachgebcnd, eine Bestimmung ausgenommen, durch welche eS den einzelnen Krankencaffe» möglich gemacht wurde, die dreitägige Earenzzeit sür ibre Mit- ßlictcrailfzuheben.TieJnansrrnchnabmc tieicrBesugniß wurde icdoch,seiten- der verbündeten Negierungen von der Zustimmung der in der Lasse vertretenen und mit einem Trillcl zu den Beiträge-, steuernden Arbeitgeber abhängig gemacht. Damit war wenigsten- einem Mißbrauche der Vorschrift vor- gebengt. Dir Reich-tag-mehrheit glaubte jedoch im Interesse der Arbeiter »och weiter gehen zu müssen nnd milderte die Bedingung dahin ab, daß die Aufhebung der Carenzzeit auch schon nach Ansammlung des vor- gcschriebeiicn Reservefonds angeordnet werden kann. In dieser Fassung ist die betreffende Vorschrift Gesetz geworden. Eö ist klar, daß nunmcbr von der Ermächtigung zur Beseitigung der Carenzzeit ei» umfassender Gebrauch gemacht, ebenso klar aber ist es auch, daß dann die Simulation außerordentlich gesteigert werben wird. Die Aussicht, drei Tage ohne Unterstützung und Krankengeld binbringen zu müssen, hielt dock bisher Manchen von der Simulation zurück. Jetzt wird auch diese Schranke bald beseitigt sein und eine noch viel umfassendere Simulation wird zu Tage treten. Das Blatt, welches die Klagen über die letztere auSstieß, gehörte zu einer der damaiigen Mehrheitsparteien des NcickStageS. Seme jetzigen Klagen kommen zu spät. Das neue Krankenversicherungsgesetz wird am 1. Januar 1893 völlig in Kraft treten, und eS kann »unniehr nur noch gewünscht werden, daß die Arbeitgeber eS sich angelegen sein lassen, wenn einzeliieCasse» ibreNeservesonks angesammclthaben,dieArbeiter im Casscnvorstande über die Schattenseiten der Aushebung der Carrenzzeit bezüglich der Simulation, die doch auch die Interessen der ehrlichen Arbeiter gefährden, auszuklären. — DaS Reichs te ersiehe rung Sa int hat in den wenigen Jahren seines Bestehens seinen Umfang entsprechend der Ausdehnung der Arbeitcrversicheruiig beträchtlich erweitert. Noch im Etat für l889/9ü war sür dasselbe nur eine Summe von 366 525 angescyt. Der Etat für 1892/93 wirft sür dieselbe Behörde nicht weniger als t 022 710 auS. In vier Jahren haben sich demnach die sür das NeichSversichernngöamt bcnöthigten Kosten nabezu verdreifacht. DaS in dieser Behörde gegenwärtig wirkende Personal ist denn auch ein zahlreiches. Nach dem Stande vom 1. Juli 1892 ist daö Neichoversicherungöamt zusammengesetzt aus einem Präsidenten, 4 vom BnndeSrathe auS seiner Milte gewählten nichtständigen Mitgliedern, 2 Tircctcren sür die Ahthcilnngcn sür Unfallversicherung, sowie für Invalidität«- und Altersversicherung, 27 ständigen Mitgliedern, 26 richterlichen Mitgliedern und Hilfsrichtern, l2 nichtständigen Mitgliedern, welche auf Grund der ver schiedenen Unsallvcrsicherungsgesehc aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewählt sind, 30 Stellvertretern derselben, sowie endlich aus 10 comniissarisch beschäftigten Assessoren, NegierungSbaumeistern rc. * Berlin, 3. Juli. Der BnndeSrath wird vor seiner Vertagung u. A. auch noch den Entwurf eines Gesetzes über das AuSwanberungSwesen feststellen, mit dem sich bis jetzt die Ausschüsse für Handel und Verkehr beschäftigt haben. Ter Antrag der letzteren liegt vor und bezieht sich auf l2 Paragraphen deS Gesetzes, in denen überwiegend FassungSälideruiigen eintrctcn solle». Sachlich ist der Justiz- auSscbuß dem Ausschuß sür Handel und Verkehr bezüglich deS Gesetzes beigcsellt. Ferner sind folgende Zusätze an verschiedenen Stellen beschlossen: „Der Uiiterncbmer kann seine Befugnisse zum Geschäftsbetriebe durch Stell vertreter auSllbcn; auch kann nach dem Tode deS Unternehmers, sowie im Falle einer Curatcl der Ge schäftsbetrieb noch längstens sechs Monate durch Stellver treter fortgesetzt werden; die Bestellung deS Stellvertreters bedarf der Gciiehmigung des Reichskanzlers." Ferner: „Gegen die von der höheren Verwaltungsbehörde getroffenen Ver fügungen ist nur Beschwerde an die Vorgesetzte Behörde zu- iäjsig; die Beschwerte bat keine aufschicbende Wirkung." So dann: „Die Rückerstattung des UedcrfahrtögeldeS kann auch dann verlangt werte», wenn der Auswanderer oder einer der ihn begleitende» Familienangehörigen vor Antritt der Seereise stirbt oder nachweislich Lurch Krankheit oder durch sonstige außer seiner Macht liegende Zwischenfälle am Antritt der Seereise verhindert wird; das Gleiche gilt, wenn in Fällen d-S tz. 26 Absatz 2 die Verbinderung im überseeischen Be stimmungshafen eintritt rncksichllich deS den Weitcrbesör- dcrungskostcn entsprechenden ThcilS deS UcbcrfahrtSgcldeS. Die Hälfte des UebcrfahrtögeldcS kann zurückvcrlangt werden, wenn der Auswanderer vor Antritt der Reise auS anderen Gründen von dem Vertrage zurücktritt. In den Hafcnortcn übt der Reichskanzler die Aussicht über das AuSwandcrungS- wese» durch von ibm bestellte Eommissare auS." Endlich: „Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Bezeich nung: Höhere Verwaltungsbehörde, Polizeibehörde, OrtS- polizcibehördc zu verstehen sind, wird von der Ccntralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht." — Prinz Albrecht von Preußen traf in Berlin ein, »m den bier stallsindendc» Sitzungen der LandeSverlhcidigungö- Coniniissivn zu präsidircn. — Zur Reise des CulliiSministcr« vr. Bosse nach Posen wird den „Hamb.Nachr." auS parlamentarischen Kreise» geschrieben: „Die Reise des CultuSniinIsterS I>r. Vosse nach Posen macht in den politische» Kreisen, welche der Ansicht sind, daß das Deutsch- Ihuiii in der dortigen Provinz schon jetzt durch die Zugeständnisse an das Polenthuui gefährdet sei, einen bc »»ruhige» den Ein- druck. Man ivar von vornherein, als diese Reise angeknndigt wurde, erstaunt, welche zwingende Veranlassung sür dieictve vorliegen könnte. Daß es sich, nachdem man den Polen einen ihrer streitbarsten Känivser zni» Erzbischos gegeben, »m noch weitere Eoncessionen handeln sollte, schien uinsomehr ausgc- schlosse», als man annehmen mußte, daß der Vorgänger des Herrn Bosse, Gras Zedlitz, der doch auch ein Interesse a» der parlamenta rischen Unierniltziing der Polen hatte, denselben bereits Alles ge- währt hatte, was er nach der ihm aus seiner früheren Stellung als Obcrpräsidenl von Posen beiwohnende» Kenntniß der Ver hältnisse gewähren zu können glaubte. Eher war inan zu der Verniiiihung geneigt, daß der neue Minister sich insormiren wolle, ob in den Zugeständnissen nicht vielleicht über die im Interesse des TeulschihuniS einzuhaltende Grenze binausgeqangen sei. Nuilinebr aber ist der Eindruck, welche» man über den Verlauf der Reise des Ministers erhält, derjenige, daß die Polen mit Be stimmtheit neue Einräumungen, insbesondere in Bezug aus den Ge» brauch der polnischen Sprache im Schulunterricht, von Herrn Bosse, bczw. vom StaatSministeriiim erwarten! Herr Bosse ist freilich ein Muster in allgemeinen Redewendungen, die bei Licht besehen, zu Nicht- verpflichten, »nd sicherlich hat Niemand für diese Seite seines Wesens einen schärfere» Blick al« der gegenwärtige Posener Erzbischos von StadlewSki. Deshalb mahnt denn auch der „Kuryer Poznansft" sehr zur Reserve. Aber höchst bemerkenswerlh bleibt unter allen Umständen, daß die erst« größere Aciioo de« Herrn Bosse aus die Befriedigung der Pole» gerichtet ist. Diese Thatsache, zusammenaehalte» mit den Vertrauensvoten, welche dem neuen Minister jetzt in den Volksversammlungen der deutschen Ultramontanen ertheilt werden, ist allerdings geeignet, ander« gesinnte politisch« Kreis« zur. Wachsamkeit »u ermahnen.
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