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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920705027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-05
- Monat1892-07
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Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. ^ Inserate sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ZW. Dienstag dev 5. Juli 1892. 86. Jahrgang politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Juli. Ter volkervereinigende Charakter der so häufig „Fricdcus- Feste" genannten Weltausstellungen bat sich wieder einmal herrlich offenbart. Aus Projcctcn dieser Art ist eine deulsch-osficiösc Kundgebung herauSgcwachse», wie sic schärfer seit dem Aufenthalte der Kaiserin Friedrich in Paris nicht mehr zu lesen war. In einem zweifellos inspirirten Artikel, in dem zunächst constatirl wird, daß von deutscher Seite der französischen Negierung von dem Projecle einer Berliner Weltausstellung Mitibeilung gemacht worden ist und daß Frankrcich auf diese Mitthcilnng mit Vorbereitungen auf ein gleiches „Friedenswerk" antwortet, heißt eS: „Es kann keinem Zweiset »nteriiegc», dass init diesem a»f- sälligen Schritte, der den Wunsch des Reichskanzlers aufrecht- zeitige Verständigung bei Seite schiebt und mit übertriebener iflie eine feste Thatsache zu schasse» sucht, die Hoffnung vieler deutschen Kreise vereitelt werden soll, die nächste WeltauSstcUung in Berlin slallsinden zu sehen. Ter Reichskanzler hat in Tentschland nicht die Entscheidung darüber, ob eine solche Ausstellung slallsinden soll oder nicht. Sie liegt vielmehr ausschließlich bei Le» verbündete» Regierungen und beim Reichstag. Graf Eaprivi hat sich angesichts der Veränderung der Sachlage beeilt, nuniuchr durch eine Umfrage die Stellungnahme der verbündeten Regierungen kennen zu lernen. Es ist daher jetzt Sache der belheiiigle» Kreise, aufs Schleunigste die einzelnen deutschen Regierungen auf ihre Wünsche und Meinungen in dieser Frage auszu- lüiren. Die bisherige Bewegung zu Gunsten der Weltausstellung ist einstweilen und säst ausschließlich von Berliner streifen und Interessen vertreten und getragen worden. Jetzt ist es Sache aller derjenigen Kreise in den Provinzen, die eine Weltausstellung wünschen, ihre Anschauungen nachdrücklichst geltend zu machen. TaS gilt namentlich für die Vertreter unseres Großgcwerbcs, ohne deren warme und kräftige Unterstützung die Ausführung einer Welt ausstellung unmöglich ist. Wollen in der Thal unsere Groß industriellen noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts, also im Jahre 1897 oder 1898, eine Weltausstellung in Deutschland, so ist es jetzt Zeit, sich zu rühren und Farbe zu bekennen." Die Schlußsätze lauten: „Ans dem jetzigen Verhalte» der französischen Regierung läßt sich schließen, daß sie eine Betheiligung an der Pariser Aus stellung nicht wünscht, Laß also auch eine deutsche Welt ausstellung auf französische Beschickung nicht rechnen lann. Wenn in der Thal eine groß« Anzahl unserer »ennens- werthesten Industriellen sich mit voller Entschiedenheit für die Ver anstaltung einer Weltausstellung in Deutschland aussprechen sollte, jo werden zweifellos die deutsche» Regierungen diesen Wunsch zur Thal umwandeln. Es ist ein seltsamer Zufall, daß die französische Negierung mit einer und derselben Handlung eine Unfreund lichkeit gegen Deutschland begeht und Loch ihre Zu versicht aus dauernden Frieden ausdruckt". Eine so scharfe Sprache gegen unsere westlichen Nachbarn bat man, wie gesagt, seit Jahren in der deutschen ossiciösen Presse nicht vernommen. Und dabei wird man ihr noch immer eine bei diesem Anlaß jedenfalls nicht leicht zu beobachtende Mäßigung nachrühmcn dürfen. Es ist in der That ein starkes Stück, wenn daS französische Cabinct es als einen Beweis französischer Friedensliebe darstellt, daß Frank reich Deutschland an den Wagen fährt. Herr Nibot traut den Deutschen übrigens eine viel zu große Naivetät zu, wenn er meint, sie würden in einem Pariser Aus- ftellnngSplan für 1900, mag er nun mit einem Berliner collidiren oder nicht, eine Bürgschaft für das französische Friedensbedürfniß erblicken. Wir wissen: Frankreich in seiner großen Masse ist entschlossen, lcsznbrechen, sobald die europäische Constellation eS gestattet, und wird sich durch die Rücksicht auf etliche für einen Pariser Wcltjahrmarkt aufgewendete Millionen Franken nicht abhalten lassen, wenn ihm vor 1900 der rechte Augenblick gekommen scheint. Der Schluß in der ossiciösen Auslassung, daß eine Regierung, die sich derart unfreundlich gegen Deutschland verhält, die Betheiligung Deutschlands an einer Pariser Ausstellung nicht wünschen kann, ist selbstver ständlich vollkommen richtig. An eine Beschickung einer deutschen Ausstellung durch zahlreiche Franzosen hat ohnehin Niemand geglaubt. ES ist nicht zu verkennen, daß das Berliner Projcct selbst von den Zögernden und Bedenklichen jetzt mit ankeren Augen angcscbcn sein will als bisher. Kühle Rübe und Bcsonncnbcit fordern auch zur Stunde ihr Recht, aber das jetzt endlich in dem von der Regierung ausgehenden ZcilnngSartikcl hcrvortrctente Drängen zu einem Entschlüsse nach der einen oder der ankeren Seile erscheint vollkommen gcrechtfcrligt. Tie Frage, ob wir eine Welt ausstellung in Berlin haben sollen oder nicht, muß nunmehr rasch beantwortet werten. Der Reichskanzler erklärt die Bereitwilligkeit nicht nur des Reichs, sondern auch der Einzcl- staatcn für den Fall, daß eine große Anzahl unserer ncnncnS- wcrthcstcn Industriellen sich mit voller Entschiedenheit für die Beranstaltung einer Weltausstellung in Deutschland auS- sprcchen sollte. Die Industrie also hat daS Wort. DaS Cent rum als Säule der Neichöpolitik — daS ist in diesem Augenblicke mehr als je der Kern aller Reden in ultramontancn Volksversammlungen, aller SitnationS- betrachtnngen in der nltramontancn Presse. Die bedeutendste der neuesten Agitationsveranstaltungen, die am 29. Juni in Köln abaehaltene Bcrsammlnng, hat sogar in einer feierlichen Resolution beschlossen, daß sie sich in dem Kampfe zwischen der Regierung und dem Fürsten Bis marck anf die Seite von Kaiser und Reich stelle. Der unbefangene Beobachter wird sich von dieser Art, tief betaucriichc Vorgänge im Parieiinteresse zu fructisiciren — ein Versuch, bei dem Frivolität und Lächerlichkeit um die Palme ringen — mit Widerwillen abwcndcn; aber daS Ccntrum ist nun einmal, thcils durch seine Stellung inmitten der Parteiverhältnisse dcS gegenwärtigen Reichstags, theilS durch das Prestige, welche» ikm die Regierung durch ein übertrieben entgegenkommendes Verhalten verliehen hat, ein Factor in unserem politischen Leben geworden, dessen Bc- thätignng mit verdoppelter Aufmerksamkeit verfolgt werden muß, wenn er sich als Stütze der NcichSregicrung anbictet und demgemäß die Politik derselben mehr oder weniger zu beeinflußen liefst. Und da ist denn von ganz besonderem Interesse, daß in der Kölner Resolution unmittelbar an schließend an die Erklärung, daß sich das Centrum auf die Seite von Kaiser und Reich stellt, an die Reichsregicrung das Ansinnen gerichtet wird, ihre Stellung im Dreibunde zu benutzen, um ans diplomatischem Wege die territoriale Unabhängigkeit des Papstes zu erlangen. Mit anderen Worten, Deutschland soll durch einen Druck auf Italien dieses zur Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes zwingen. Es ist nicht zu befürchten, daß unsere Regierung, selbst bei der größten Neigung, dem Ceutrum gefällig zu sein, diesem Ansinnen irgendwie stattgeben werde. Wer Menschen und Verhältnisse in Italien nur halbwegs kennt, ist nicht darüber in Zweifel, daß jede ernstliche Zumuthnng in dieser Richtung ein BundeSverhältniß mit dem Königreich Italic» sofort unmöglich machen würde. Und weil dies all gemein bekannt ist, so wird weder unsere Regierung an eine solche Zumuthnng denken, »och wird die italienische Regierung eine solche von der unserigen befürchten, Nichtsdestoweniger sind Resolutionen der erwähnten Art nicht gleichgiltig. In Italien besteht daS parlamentarische Regierungssystcm, die Regierungpolitik ist unausweichlich abhängig von der Majorität der Kammer. Nun steht bekanntlich die Neuwahl der letzteren bevor. Bis jetzt hat es nicht den Anschein, daß in dem Wahlkampfe die Gegnerschaft gegen den Dreibund eine so bedrohliche Bedeutung gewinnen werde, wie vor zwei Jahren; aber wenn eine ge schickte Agitation in der Lage wäre, auch nur mit einiger Plausibilität den Anschein zu erwecken, als ob die deutsche Regierung die Bestrebungen des Ccntrums auf Wieder herstellung eines Kirchenstaates begünstigte, so könnte daraus für die Sache des Dreibundes rin unberechenbarer Schaden entstehen. Es würde sich schon verlohnen, wenn die Auf merksamkeit der deutschen NczicrnngSpolemik, statt sich oft recht unbedeutenden Dingen zuzuwenden, einmal auf diese Angelegenheit gelenkt würde. Jedenfalls aber ist eS eine nationale Pflicht der nichtnltramontanen Presse, immer von Neuem zu bekunden, daß die Richtung, welche das Centrnm der Neichspolitik geben möchte, von der großen Mehrheit dcS deutschen Volks verworfen wird. In außerordentlich ruhiger und klarer Weise hat der frühere italienische Ministerpräsident Crispi in einem in der „Rortl, American Review" veröffentlichte» Aussatz über die italienischen Finanzen die vortheilbafte Lage dar- acstcllt, in welcher Italien durch den Anschluß an den Dreibund sich befindet. Zum besseren Verständnis; der Ausführungen Criöpl'S muß bemerkt werden, daß der Heraus geber der New-Borker Zeitschrift an Crispi telcgraphirt hatte, man messe i» Nordamerika die schwierige wirth- schaftliche Lage Italiens der übermäßigen Last der Steuern bei, zu deren Auslegung Italien durch seine Theil- nahme am Dreibünde gcnvlhigt werde. Die „Review" ersuche Erispi um eine Schilderung der wahren Lage dcö Landes und eine Würdigung jener in Amerika verbreiteten Ansicht. Erispi überschrieb seinen Artikel: „Die italienischen Finanzen", aber dieser bescheidene Titel deckt sich durchaus nicht mit dem reichen Inhalt des Aufsatzes, der nicht allein nachweist, daß Italien seine finanzielle Lage durch den Anschluß an de» Dreibund eher verbessert als verschlechtert habe, sondern vor Allem auch über die gesammte politische Lage Europas eine Darstellung von seltener Klarheit und überzeugender Kraft giebt. Besonderes Interesse dürste auch in Europa diejenige Stelle deö Aussatzes erregen, die darlcgt, wie Italien gar nicht anders habe handeln können, als sich an die beiden mitteleuropäischen Kaiscrmächtc anzuschließe». „In unserer Zeit", Hecht cs in dem Artikel, „muß auf unserem alten Evntineiitc jeder Staat eine Partei ergreifen, und wen» Italien, in Erwartung der koinmenden Ereignisse, allein stehen wollte, so müßte es stark genug sei», um an seiner Alpengrcnze je im Westen und im Oste» ein Heer ausstellen zn können und auf seinen Meere», zur Sicherung seiner Küsten, zwei große Flotten zu unterhalten. Bei dem Ausbruche des Krieges — und dieser erscheint mir »nvermcidiich — würde sich Italien unmöglich neutral ver- halten können. Wäre es aber niüglich, so müßten wir aus alle Falle die Macht haben, unsere Neutralität zu schützen. Ueher- dics muß Italien nicht allein ays äußer« Feinde bedacht sein, sondern cs hat auch an den inneren Feind zu denken. Wir haben in der Hauptstadt des Königsreich» den Papst, der Ansprüche auf einen weltlichen Thron erhebt, mit den Feinden Italiens Ver bindungen »nterbält und mit aller Macht für den Sieg desjenigen Volkes eintretcn würde, da» dem Königreich Italien den Krieg er klärte. Unsere Vereinsamung schadete uns im Jahre 1878 ans dem Berliner Congressc, insofern unsere beiden Nachbarstaaten aus dem selben Gebietserweiterungen oder doch Stärkung ihre» Einflusses i» der Adria »nd im Mittelländische» Meere davontriigen. Jur Jahre 1881 besetzte Frankreich unter Einwilligung der Großmächte Tunis, zum großen Schaden Italiens: Oesterreich drohte, uns daS Fcstungsviercck wieder z» entreißen, Bismarck schloß mit dem Papste Friede» und hätte nicht verfehlt, dessen Ansprüche zu begünstigen, falls daraus der deutsche» Politik Vorthcilc erwachsen wären. Seit dem Oktober 1879 hatten sich Oesterreich und Deutschland zn gemeinsamer Ver- theidignng verbündet. Später, im Februar 1882, bemühte sich Italien um de» Anschluß an dieses Bünduiß und ward auch nach langen Unterhandlungen zugelaffc». Ter Vertrag, welchen 1887 Gras von Robilant und >89l Marchese di Rndiiii er neuerten , hat znm ausschließlichen Zweck die Vertheidigung und gewährleistet nur die Unversehrtheit des Ländergebiels der drei Monarchie». Die Gegner des Dreibundes haben aus- gestrent, das; der Bündnißvertrag gewisse militairischc Verbind lichkeiten auserlege und zu besonderen Rüstungen verpflichte. Nichts von alledem ist wahr, und falsch ist auch die Behauptung, daß nach dem Jahre 1882, in Folge des Bündnisses mit den zwei Kaiser- Mächte», in Italien zn Rüstungszwecken die Steuern erhöht worden seien. Während dcS vergangenen Jahrzehnts hat das Parlament keine neue Steuer anscrlegt, wohl aber manche abgeschafft. Tic mißliche finanziclle Lage, die übrigens bei Weitem nicht so gefährlich ist, wie man sic schildert, liegt i» der wirthschaftliche» Krisis des Landes begründet und mnß vor Allem auch den Jrrthumcrn im Steuersystem beigclegt werden." In England haben', wie bereits gemeldet, gestern die allgemeinen ParlamentSwablen begonnen. Man wird erst in einigen Tagen ein Bild gewinnen können, auf wessen Seite der Sieg sich zuneigt, lieber die Wahlergebnisse des gestrigen Tages meldet von heute ein Telegramm auö London, daß gewählt sind bis jetzt 47 Conservalive, 7 Unionistcn und .97 Gladstoneaner. Die Conservalive» gewannen danach 3 und die Gladstoneaner 9 Sitze. Die Letzteren haben somit einen kleinen Erfolg errungen, er fällt aber numerisch nicht so sehr in das Gewicht, um daraus die Aussichten für den weiteren Verlauf dcö Wahlkampfes bemessen zu können. In Norwegen verwirrt die Krisis in Folge der Haltung der Rabicalen sich immer mehr. Der König ver handelt andauernd mit dem früheren conservativen StaatS- minister Stang und mit Jakob Sverdrup, dem Neffen dcS verstorbenen „moderaten" Staatsministerö Johann Sverdrup; einen Auftrag zur CabinclSbildnng erhielt jedoch bis jetzt keiner von Beiden. Im Lande bilden sich Bereine mit unverhüllt republikanischer Tendenz. Ver schlimmert wird die Krisis durch die Bukgetfrage, indem ein großer Thcil des Etats noch unerledigt ist und am l. d. M. ein neues EtatSjakr begonnen hat. Wie cs scheint, hat gerade deshalb daS Ministerium Steen am 29. Juni seine Entlassung gcnoinmcn und ani Tage darauf das Großthing sich vertagen lassen. Loyal wird man eine solche Taktik schwerlich nennen können und ob sie wohl überlegt war, das kann nur der Ansgang der Krisis lehren. Zur Lage liegt folgendes neueste Telegramm vor: Christiania, 5. Juli. Der König genehmigte den ihm von den Conservativen angebotencu BoikSaufzng und erklärte sich bereit, eine Deputation zu empfangen. Heute wird das Storthing über eine Resol ution bcrathen, welche sich gegen die Weigerung des Königs richtet, den Beschluß wegen Errichtung eines eigenen »vrwegijchcn Eor.julaiwesens zu janctioniren. ES unterliegt keinem Hweifel, daß die Berichte, welche bisher von russischer «Leite über die Ausbreitung der Cholera in Kaukasicn, insbesondere in der Hafenstadt Baku, veröffentlicht wurden, den wahren Znstand daselbst zu vertuschen suchten. Tie Verhältnisse dort liegen in Wirklichkeit weit schlimmer, als bis jetzt zugestandcn wurde. Es herrschen in Baku geradezu trostlose Zustände, so wird in der bereits telegraphisch signalisirtcn Meldung der „Köln. Zeit." aus Petersburg, die heute im Wortlaut vorlieg«, scharf hcrvorgehobcn. Wie immer, sind eS die Mißstände der russische» öffentlichen Verwaltung, welche den Stand der Tinge so gefährlich machen unk die größten Gefahren heraufbeschwören. Es heißt in der Mittheilung des rheinischen Blattes: Tie Berichte kaukasischer Blätter über die trostlosen Zustände in Baku klage» besonders das „Stadtaint" an, das vorher nichts gethan und jetzt den Kopf verloren habe. Der unsagbare Schmutz wurde nicht sortgerämnt. Mehrere schlechte Brunne» wurden jetzt erst geschlossen und die Eholcra-Ablbeilung im Krankcnhaulc wurde erst fertiggcstellt, als bereits Eholerasälle vorgekominen waren. Tragbahren und besondere Krankenwagen sind nicht vorhanden, zur Beförderung der Kranken werde» allgemein Micthdroschken benutzt. A» Tcsinsectionsinittcl» mangelt es gänzlich. In de» Apotheken ist nicht einmal Carbol zu haben. Ein Mikroskop für den Sanitätsarzt mußte das Stadthanpt nachträglich in Moskau bestelle». Einige Acrztc weigerten sich an geblich, Ehvlcrakranke zu behandeln. Als BciveiS der völligen Kovslosigkeit sührt die Zeitung „Kaspi" an, daß in einer öffent lichen Badestube die Waschung einer Leiche vorgenoinme» wurde und daß im Krankenhaus,: in Verwesung übergcgangene Leichen liegen sollen. In Petersburg geht das Gerücht, Deutschland, Oesterreich »nd Ruuiänie» würde» in Anbetracht der Unzuverlässigkeit der russischen SanitälSmaßregctn sehr bald kurzen Proccß machen und ihre Grenzen gegen Rußland vollständig abjperrcn. Von der Ober- Medicinalbehörde soll hier eine besondere Sanitätscommission unter Geh. Rath I>r. Hermann, einem altbewährten Arzt, eingesetzt werden. In völliger Ucbcreiiistiinmuiig mit den vorstehenden Mit- theilungen dcsindet sich der Inhalt eines hierher gelangte» Schreibens, von einem Geschäftshaus in Baku ausgehend Fenilletsn. Der Letzte seines Stammes. 4s Licht- und Schattenbilder von Wolde mar Urban. NaHdru«! verbot!». (Fortsetzung.) II. Die Abendgesellschaften des GebeimratbS Marius, des „Millionen-MariuS", wie ihn der VclkSmund zur Unterschei dung von Gleichnamigen bezeichncte, waren immer sehr stark und sehr gern besucht. Es herrschte dabei ei» durchaus un gezwungener, fast familiärer To»; der gesellschaftliche Tact der Frau Gehcimräthin war eine zuverlässige Bürgschaft für eine anregende, heitere Unterhaltung, eine Sichervcit gegen Alles, was steif, ceremoniell, langweilig oder protzig war. Diese wohlthuende Eigenschaft der Hausfrau erstreckte sich auch anf die Einrichtung der SalonS; La war nichts von der plundrigen Pracht kunterbunter CabinetSstücke, nichts von ab normen oder zwecklosen Prunkstücken zu sehen, nichts fiel ans dcni geschmackvollen Ensemble der Einrichlnng durch Eigenart, durch bizarre GcschniackSrichtung heraus, überall sab man die solide, geschmackvolle Eleganz eines vornehmen Bürger hauses. Alles hatte Zweck und Sinn. Ein häufiger und wegen seiner gesellschaftlichen Begabung auch gern gesehener Gast war im Hause dcS Herrn Gcbeim- ratb Marius Herr Walter Gerne«. Es war ein junger, interessanter Mann von etwa sünsundzwanzig Iabrcn, von dem die Welt und auch er selbst behauptete, er sei ein Maler, wenngleich sich diese Behauptung auf keine nennenSwertbe Leistung deS Herrn Gernot stützen konnte. Auch prcssirtc eS Herrn Gernot augenscheinlich durchaus nicht, seine Meister werke zu schaffen. Er lebte sorglos in den Tag hinein, tändelte mit seiner und mit anderen Künsten — er spielte ausgezeichnet Clavier — wohl in graziöser, unter haltender und geistreicher Weise, aber schließlich war eS doch tveikr nichts, als eben eine Tändelei. Er konnte sich zu einem bedeutenden Werk, zu einer seiner Anlage wirklich ent sprechenden Geistesarbeit nicht aufrasfcn. Bo» Hause aus etwas träumerisch angelegt, drohten seine ohne Zweifel her vorragenden Talente an einer Energielosigkeit, an einem vor nehm glcichgiltigcn Cichgcbenlassen zu Grunde zu gehe». Anf eine» anfincrksamen Beobachter machte Herr Waller Gernot etwa den Eindruck, als ob die Kunstwerke, die er zu schassen berufen war, fix und fertig in seinem Kopfe stänken, als ob sie jeden Tag geboren werden könnten, als ob Herr Gernot >:ur die Welt, die ihn umgab, noch nicht für würdig genug halte, sie zu empfangen. Dabei war Herr Gernot trotz seiner außerordentlich eleganten Erscheinung »icbt etwa reich. Im Gegcntheil batte er oft mit den rabiatesten Geldverlegen heiten zu kämpfen, half sich aber mit einer angeborenen genialen Sorglosigkeit und mit seiner unleugbaren geistigen Elasticität und Vielseitigkeit darüber binwcg. Er war biibsch. Dunkle schwarze Augen, lebhafte, scbarf- geschnittene Züge »nd schwarzes Haar, das er ebenfalls wie den Bart, der auch schwarz war und nur am Kinn eine etwas rotbbraune Färbung hatte, ganz kurz verschnitten trug. Herr Gernot, Herr Gernot, ries ihn plötzlich Fräulein Mimic Marius an, die sich nur mit einiger Anstrengung aus einer Wolke liebenswürdiger und hartnäckiger Verehrer loS- mackite: richtig, da siebt er wieder ganz allein und träumt melancholisch vor sich hin. Was haben Sie, mein lieber Freund? Oder sollte ich etwa fragen, was fehlt Ihnen? Sie müssen lustig sein, Herr Gernot. Wer sagt Ihnen denn, daß ich es nicht bin, gnädige- Fräulein? Ei, Sie sehen nicht so auS Sie haben gewiß wieder unangenehme Gedanken. Verscheuä'en Sie dieselben, zer streuen Sie sie, kommen Sie, spielen Sie unS etwas vor. Ganz zn Ihrem Vefebl, mein Fräulein. tb, nicht doch! Eine Kunstleistnng giebt man nicht anf Befebl, sondern freiwillig und wenn Sic uns nickt frei willig etwas bieten wollen, so möchte ich lieber, ich hätte Sie nicht darum gebeten. Herr Gernot sab sie an. Die sonst träumerischen, nach denkliche» Augen blitzten in einer leuchtenden Erregung auf und gaben der gesckmcitigen und zierlichen Gestalt eine fast unheimlich kräftige Genialität. Tann ging er ohne Weiteres an de» Flügel, der in dem kleinen Seitensalon stand und fing an zu spielen. Es war ein etwas confuseS, mystisch verschwommenes Motiv, das er zum Vortrag brachte, aber bald wurde es im Salon still und Alles lauschte dem originellen Mnsikstiick. Man fühlte sofort heraus, daß es sich in Bezug auf Feinheit des Vortrags, auf Präcision des Ausdrucks und ninsikalischen Gcdankenganges nm eine Knnstlcistung >m besten Sinne des Wortes handelte. Auch Fräulein MariuS hörte nicht bloS mit convcntioncller Aufmerksamkeit, sondern wirklich gespannt zu. Tie Musik des Herrn Gernot ging ihr immer mit einer wnnderbc-ren Gewalt zu Herzen, sic mußte seinen Ideen folgen, sie mochte wollen oder nicht. Ihr Athcm ging rascher und hastiger, wenn er spielte, ihre Augen wurde» starrer, ihre Züge aufgeregter. Auch heute fesselte sic daS Spiel dcS Herr» Gernot in ganz ungewöhnlicher Weise. DaS träumerische Mondsckeinmvtiv, das er an geschlagen batlt, führte er mit prächtiger Erfindung und glänzender Technik durch das ganze Stück, waS sonst seiner etwas flatterhaften Unbeständigkeit wegen nicht immer der Fall war. Fräulein MariuS glaubte oft etwas schon Be kanntes zu hören und war doch sicher, eS »och nie gekört zu haben. Sie glaubte, es mit einer Phantasie des Herr» Gernot selbst zu thun zu haben, und als er nach einigen Minuten geendet hatte, sagte sie rasch zu ihm: Ader diesmal müfscn Sie mir daS Stück aufschreiben, Herr Gernot, und wenn eS Ihnen noch so umständlich wäre. Sie hielt ihm dankend die Hand hin, die er galant küßte. TaS ist nicht nöthia, gnädiges Fräulein. DaS Stück ist längst gedruckt. Ich habe eS oft in Madrid gehört und aus rem Gedächtniß nackzespiclt. Ter Titel lautet: 8orste -pagnuol«', der Componist ist ein Italiener, dessen Namen ich vergesse» habe. Jeder Musikalienhändler wird eS Ihnen geben können. Da sich Fräulein MariuS de» Titel ausschrieb, so kielten es etwa ein Dutzend andere Zuhörer und Zuhörerinnen für nöthig, eS ebenfalls zn thnn. Selbstverständlich war der liebenswürdige, interessante Herr Gernot für alle in de», kleinen Salon anwesenden Damen Gegenstand der leb haftesten Ovationen. Daß die Ovationen etwa- reichhaltig und stürmisch anSfielcn, batte wohl seinen Grund darin, daß die jungen Damen in erster Linie nicht zn fürchten hatten, sich durch eine etwas lebhafte Liebenswürdigkeit mit Herrn Gernot zn compromittiren. Herr Gernot, der Thunichts, der Habenichts, der -Künstler obnc Stellung, ohne Namen, konnte dock un möglich ernst genommen werde». Sie drückten ihm verstohlen die Hand, streichelte» ilnn Wohl gar freundlich die Wange, was fick die jungen Damen mit einem ernsthaften Bewerber gewiß nicht erlauben würden. Herr Gernot war aber ganz und gar nicht gefährlich, man konnte seine» Muthwillcn schon ein mal ohne Gefahr an ihm auölasscn. Herr Gernot war eben interessant, Weiler aber auch nichts. Und wenn seine Augen, die allseitig sehr hübsch gefunden wurden, auch Feuer zn sprnbeu schienen, — waS that daS? Lachend über ihren Erfolg sprangen dann die jungen Rehchen davou — eS hatte durchaus Nichts zu sagen. So war er, nachdem er seinen Claviervortrag beendet hatte, wieder von einer ganzen Schaar solcher hübscher Plage geister umlagert, deren oft gewagten Complimenten er aber nur zerstreut und träumerisch zubörte. Verstohlen schweifte sein Blick durch den Salon, um Fräulein Marius zu ent decken, die wahrscheinlich wieder irgend ein speculativer Lieute nant oder ein angehender Bismarck in Beschlag genommen hatte. Er sah sie nicht, und da die ihn umgebenden Damen in Fragen und Liebenswürdigkeiten mit einer trostlosen Aus dauer verharrten, ihn in seiner Knnstlereigenschaft um sein Unheil über eine Haartour, über eine Farbcnzusammen- stellung und sonstigen Putzkram fragten, so beschloß er eine» Gewaltstreich, um Fräulein Minne bcrbcizuzaubern. Ich will nicht sage», plauderte er leichthin, daß Sie, meine Damen, keinen Geschmack hätten, das würde vielleicht eine Grobheit sein, aber Ihr Geschmack beschränkt sich leider zu sehr aus die Nachahmung; der wahre Geschmack aber, daS seine Gesübl für daS Schöne, die Begabung, die natürliche Anlage documentirt sich in der freien Erfindung hübscher Sachen, schöner Formen und Farben. Alles daS läßt sich nicht anlernen und Alles das fehlt Ihne»! (Fortsetzung folgt.)
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