01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920706010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-06
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WlS>oNReme>tö^re1G K der Hauptexpedition «d« de» im 8tad^ bezirk und de» Bororten errichteten Aus gabestellen «bgeholt: vierteljährlich ^t4H<X bei zweimnliger täglicher Zustellung tu» Hau» » üchü. Durch di« Post bezogen für Dentschland »nd Oesterreich: vierteljährlich -» 6.—. Dirert» täglich« Kreuzbandieuduag int Ausland: «auatUch -M st.—. Di« Morgen-Außgabr erscheint täglich'/,? Uhr^ die Abend-AuSgad« Wochentag» L Uhr. Ledarkion vnd Lrpedittoa: AehauueSgassr 8. Di» krpedttion ist Wochentag« »nnntrrbrochen ^Stznet von früh 8 bi» «bach» 7 llitz». Filiale»: Vit« Me««'« e-rtt«. lAN»«G tzai»^ llnIversitätSstrai» 1, Lant» Lisch». -aiharinenstr. 14, Part, »nd »^gSplatz 7. Morgen-2lnsffave MMer.TWMiÄ Anzeiger. Organ für Politik, LocalgesWte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. JnsertionSpreiK Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Reclamen unter dem Redactionsstrich (4g«l spalten) 50^j, vor den Famtlieuuachrichtea (6 gespalten) 40-E. Gröbere Schristen laut unserem Preis- verzeichlliß. Tabellarischer und Zifferasatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Poslbesördecnng ^ 70.—. Ännahmeschlnß flr Inserate: Abend-AuSgab«: Bormittag- 10 Uhr. Morgrn-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stunde früher. - , Inserat» find stet« au die Expetzttisn zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Amtliche Bekanntmachungen. Lekamttmachung. Da« überhandnehmende Schnellfahren von Lastfuhrwerk bezw. solchen Wagen, welch« dem gewerblichen Verkehr dienen, veranlaßt uns, die Betheiligten auf die Gefahren hinzuweisen, welche für das Publikum aus dem Schnellsahren, insbesondere an Straßenkreuzungen und verkehrsreichen Fahrbahnen entstehen. Wir bringen deshalb den 8. 37 des Straßen-Polizei-Negulattv« für di« Stadt Leipzig hier mit wiederholt tn Erinnerung: §. 37. Trab- und Lchrittfahrrn. Mit krtnerlei Fuhrwerk, außer den nach einer Brandstelle ab rückenden Fahrzeugen der Feuerwehr, darf schneller als im Trab gefahren werden. Inmitten , ine» beengenden Berkehrs, wie beim Zusammentreffen einer größerer Anzahl von Fußgängern oder Wagen, sowie nament lich beim Passiren stark belebter Straßenkreuzungen und -biegungen, ingleichen beim Ein- und AuSfahren nach und aus den an Straßen gelegenen Grundstücken darf nur im Schritt gesahren werden. Lastfuhrwerk, sowie Rollfuhrwerk und solche- Fuhrwerk, welches beim Schnellsahren einen ungewöhnlichen Lärm verursacht, darf, gleichviel ob beladen oder und,laden, überhaupt nur tu» Schritt fahren. Wir fordern die Vetheiligten auf, diesen Bestimmungen genau nachzukommen, widrigenfalls strengst« Ahndung erfolgen wird. Leipzig, am 16. Juni 1892. Der Math unb das Paltzetamt der Stadt Leipzig. vr. Georgi. In Stellvertretung: IX. 10533. vr. Schmid. Stahl. Mittwoch den «. Juli 1892. 88. Jahrgang iVekauntmachnn-. Wegen vorzunehmeuder Neupflasterung wird vom 7. dieses Monat» ab dt» Hohe Strah« auf der Streck« von der Zeitzer Straße bis zur Elisenstraße, wäh rend der Dauer der Arbeiten für allen Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am b. Juli 1893. IX. 116öS. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi.Stahl. Lekaimtmachuug. Dt« Leuchtkraft de» städtische» Leuchtgase» betrug in der gelt vom 37. Juni bi» g. Juli 18SL im Argandbrenner bei 150 Litern stündlichem Eonsum da» 18,8 fache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von VO Millimeter Ylammenhöh«. Da» fpecififche Gewicht stellt sich im Mittel auf 0,44S. Leipzig, am 4. Juli 1893. De» Rath« Deputation »«» den Gasanstalte«». Lekanntmachung. Bon dem Unterzeichneten Armenarmte sollen Donnrr-tag, den 7. Init 18V2, vormittag« von S Uhr an, t« Stadthaus« allhicr, verschiedene Gegenständ«, ai«: Möbel, Betten, Wäsche. UletdnngS stücke, Han»- und Süchengeräth« u. A. m. öffentlich versteigert werden. Leipzig, am S. Juli 1892. Da» Armenamt. Hentschel. ArtuS. Lekanntmachung. Der von der Lagerhofverwaltung am 35. Mai d. I. ausgestellte, auf Frau Pauline Sparig lautende Lagerschein Nr. 11058 über 3 Fässer Speiseöl, gez. ?. k. H 2/4., wovon noch 1 Faß gez. ?. k. U gew. 353,5 lcxx am Lager befindlich, ist nach Anzeige de- Herrn Ioh. Earl Sreb» dem Letzteren verloren gegangen. Wir fordern den Inhaber d«S Lagerschein- hierdurch aus, sich mit demselben binnen 3 Monaten und spätesten» bis zum 1«. vctoher L8V2 bei Verlust jeglichen Anspruchs an die Lagerhofverwaltung iu der Lagerhos-Lxpedition zu melden. Erfolgt keine Meldung, so wird der Lagerschein für erloschen und unwirksam erklärt und ein neuer Lagerschein ausgesertigt werden. Leipzig, dea 5. Juli 1892. Lagerhos der Stadt Leipzig. Gether. Lekanntmachung. Nachdem die tu unserer Bekanntmachung vom 33. März d. I. alS verloren angezeigten Lagerscheine Nr. 10433 und 10425 nicht etngeltesert worden, erklären wir dieselbea hiermit für erloschen und unwirksam. Leipzig, den S. Juli 1892. Lagerhof Per Stadt Leipzig. Gether. Marte Louise Clara Weitzbrod aus Schleusingen hat hier angezeigt, daß ihr von der Polizeiverwaltung daselbst am 8. Februar 1889 ausgestelltes Dienstbuch verloren gegangen ist. DaS Buch ist im Ausfindungsfalle an uns abzulieser». Leipzig, den 1. Juli 1892. Das Polizeiamt der Stabt Leipzig. In Stellvertretung: IV. 3800. vr. Schmid. M Obstverpachtung. Die diesjährige Obstnutzung (Aepsel, Birnen und Pflaumen) an den fiskalischen Straße» de« BauverwaltereiberirkS Leipzig soll Dienstag, bei, 12 laus. Mo», Vor« Ist Uhr i« Saale be» hiesigen SchuhmachertnnungShauseS, Schlatz gassr Rr. Ist, mriftbielenb gegen sofortige vaarzahlnng und unter den im Termine bekannt zu machendeu Bedingungen ver pachtet werden. Die iu Frage kommende» Etraßenabtheilunae» bez. Unter abtheilungen, ingleicheu die Anzahl der darauf anstehenden Bäume find vor dem Termiue aus in den Händen der Herren AmtSftroßen- meister and der Straßeuwärter de» Bezirk» befindliche» Verzeichnissen zu ersehen. Leipzig, am 4. Juli 1892. Rbatal. Strotzen- «nb -Sntgl. Wasserbauinspertton. Vanverwalterei. Infolge freiwilligen Abgänge» der derzeitige» Inhaberin ist am 1. August diese» Jahre« die Stell« einer kraukenwärtert« im hiesigen Stadtkraukeuhause anderweit zu besetzen. Mit derselbeu ist außer freier Station eiu JahreSgehalt von 300 ^l verbünde». Geetguet» Bewerberinnen haben ihr, Gesuche unter Beifügung do» Zeugnisse» bi» e»m 17. HO. Mt», bei uns «tnzureichen. Lunbach. am ». Jult 1893. D»r Stabtrath. vr. Salbender». Kircheu-Neubliu Leipzig-Volkmarsdorf. Submission sür Tischlerarbeiten. Die zum Bau ersorderlichen Arbeiten sollen vergeben werden. Blanquet» sind im Baubureau gegen 0,50 zu entnehmen. Be dingungen »nd Zeichnungen sind daselbst einzusehen. Die Offerten sind bis 1l. Juli 1892 Abends 6 Uhr aus ge nanntem Baubureau versiegelt und mit der Ausschrist ..Submission sür Tischlerarbeiten znm «irchen-Neubau in Leipzig-Volk- marsdors" versehen elnzureichen. Der Kirchenvorstand behält sich die Auswahl unter den Sub mittenten, sowie das Recht vor, einzelne Arbeiten anderweitig ver geben zu können. Leipzig-BolkmarSdorf, den 5. Juli 1892. Der Kirchenvorstanb. Pastor Weicksel. Lekalllltmachung. Der Grsammlporftanb des ParochialvrreiiiS sür kirchliche Pemetndepfirgr besteht außer dem Unterzeichneten Pfarrer als Vorsitzendem und den Herren Diakonen 8eli>iilc und Itlcliter, aus den Herren Ephoraiiecretair I'Isbueli, Rechtsanwalt 8eI>oulNor, Lehrer Max Neliailclt, Schuldirector lrllkvr, Bez.-Steuertnspecior Xreutner, Sckmidireclor AlS VrzirkSvorstäntzr walten für den I. Bezirk die Herren Diak. 8vl>1nli, Fabrikbesitzer lllolvliert, Lehrer 8cI»»I«lt, Kaufmann Ikoeb, für den 2. Bezirk die Herren Pastor vr. 8ez«lol, vr mack. veelltr, Rechtsanwalt 8eI>ouKIci, Kaufmann Georg 8elirv«ler, für den 3. Bezirk dir Herren Diak. Illodtvr, Kausmann Emil kalke, Eph.-Secretoir kledaeb, Lehrer Bruno 8eb«IIe»derp. Lelpzig-GohltS. 4. Jult 1893. vr. IV. Berckel, ?. parochialverein zu Leipzig-Gohlis. Die geehrten Mitglieder des Parochialvereins für kirchliche Gemeindrvflege werden zu der DomikrStai,, de» 7. Juli, AbrndS ' ,st Uhr im Saale des hiesigen Schillerschlößchens statlsindenden ersten Versammlung freundlich etnaeladen. Freunde und Gönner der guten Sache find herzlich willkommen. Der Vorstand, vr. IV. Lexckel, Pastor, Vorsitzender. LeklUlutmachllilg. Da» ToncurSversahren über dar Vermögen de» GasthofSpächlerS wurde zusolae rcchtskrästig bestätigten vom Heutigen ausgehoben. Richard lkutschback in Hof r Zwang-Vergleich» mit Belchluß den 8. Juls l8W. Gertcht»schrctberet de» känigl. Amtsgericht»^ Mtllttzer, k. Secretair. Der Anarchistenproceß gegen Höver und Genossen. AuS den UrthrilSgriindcn des am 4. Juli vom Reichs gericht gefällten Spruches gegen Höver und Genossen geht hervor, daß London der Sitz einer anarchistischen Vereinigung ist, welche die Verpflanzung der anarchistischen Bewegung nach Deutschland zu ihrer Aufgabe gemacht hat. Das Mittel sollte die Zeitschrift „Autonomie" gewähren, welche in deutscher Sprache unter Redaction von Joseph Schütz in London erscheint und durch Personen verbreitet wurde, die in Deutschland ihren Wohnsitz haben. In der „Autonomie" wird zur Ermordung des deutschen Kaisers und zur Be seitigung der Verfassung des deutschen Reiches, sowie der Verfassungen der Einzelstaaten aufgesordert, »m an Stelle derselben anarchistische Zustände aufzurichlen. Daö Uribeil de- RcichSgericktS kann leidstverständllch nur die aus die Angeklagten bezüglichen, ihm bekannt gewordene That- sachen erörtern, es gebt aber auS dem ganzen Sachverhalt hervor, daß außer den Angeklagten auch noch andere, bisher nicht ermittelte Personen die gleiche Thätizkcit auSgcübt haben und wahrscheinlich noch ausüben, und daö ist eine sehr ernste Angelegenheit, welcher die SicherhcitSbehördcn un zweifelhaft ihre unausgesetzte Aufmerksamkeit widmen. Bei dem Angeklagten Nuss sind EainmclbonS der „All gemeinen anarchistisch-kommunistischen Propaganda" gefunden worden, welche wohl als Ausgangspunkt sür weitere Er mittelungen gedient haben, und rö ist zu wünschen und zu hoffen, daß diese nickt ohne Ergebniß bleiben werden. Be kanntlich sind auch die Urheber der Explosion im Restaurant Very in Paris nach London geflüchtet und haben sich dort bisher de» Nachforschungen der französischen und englischen Polizisten zu entziehen vermocht. Daß der „Socialdcmokrat", daö Organ der deutschen Socialisten, bis zur Aufhebung des SocialistengesetzeS ebenfalls in London erschien, nachdem seine Herstellung inZnrick verboten worden war, sei nur beiläufig erwähnt. Jedenfalls geht au- diesen Thatsachen hervor, daß London, wenn nicht der eigentliche Sitz der anarckistisch- communistisch-socialistischen Bewegung, so dock ein Haupl- sammelplatz dieser staatSgefährlichen Thätigkcit ist. Da Asylrccht, daS schon so viele Anfechtungen erfahren hat, ist immer noch die sichere Grundlage für Verschwörungen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit des Auslandes, und man darf nicht ruhen in der Bekämpfung dieses Uebel- standeS, bis er endlich abgestcllt ist und England die be rechtigte Klage entkräftet, daß eö den Umsturz-Bestrebungen in der ganzen civilisirten Welt eine Zuflucht bietet. Wie ist eS möglich, daß in London unbehindert eine periodische Zeitschrift gedruckt und von dort ans verbreitet wird, welche zur Ermordung deS Enkels der Königin von England und zum Umsturz der bestehenden Staats- und Rechtsordnung deS deutschen Reiches als Ganzes sowohl wie seiner Theile ausfordert? ES kommt dabei gar nicht in Betracht, daß die Auf forderung unsinnig ist und daß sich nicht leickt Jemand finden wird, der in Folge davon die Ausführung unternimmt; aber in solchen Dingen genügt schon die erkennbare Absicht, um sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen. Undenk bar wäre cS übrigen- durchaus nickt, daß irgend ein verrückter Fanatiker sich dadurch bewogen fühlte, nach den Anregungen der „Autonomie" zu verfahren, soweit es sich um einen Än- griff gegen da» Leben der geheiligten Person des Kaiser» handelt, liegen doch leider Beispiele aus der Vergangenheit vor, daß Mörder wie Hödel und Nobiling selbst vor einem Anschläge auf da- Leben des greisen Kaiser« Wilhelm s l. nicht zurückschreckten. Der Versuck, die Verfassung dc« deutschru Reiche« und der einzelnen Bundesstaaten, sowie di« zum Schutz de» EigenthumS erlassenen Gesetze außer Kraft zu setze», wird aber schwerlich von den Lesern der „Auto nomie" unternommen, dazu reicht die verbrecherische Ge- innung einer geringen Anzahl von Personen nicht aus, eS ist vielmehr nothig, daß sich die Anarchisten im Besitz der Mackt befinden, wenn sie solche Dinge anSführcn wollen. Die Gefahr des Anarchismus liegt überhaupt nicht aus dem Gebiete, wo die ÄuSsübrung der verbrecherischen Pläne sich abspielcn könnte, sondern in dem Schaden, den die von vornherein gänzlich aussichtslose» Versuche anrichten. Die anarchistischen Verbrechen, deren Schauplatz vor einiger Zeit Paris war, haben die Verwirklichung der Absichten der Anarchisten auch nicht »m Haaresbreite gefordert, sie haben Paris und die ganze Welt in Erregung gebracht, überall Abscheu und Entrüstung zur Folge gehabt, aber irgend ein Ergebniß, das sich als anarchsitische Errungeiischasl ver- werthen ließe, haben sic nickt erreicht. Der Anarchismus erscheint als eine ncue Form von Geisteskrankheit, seine Vertreter handeln unter dem Einsluß verworrener Be griffe, die mehr und mehr an Boden zu gewinnen scheinen. Wenn schon der socialistische Staat als eine Ausgeburt unserer kranken socialen Zustände anzuscben ist, die vor dem Richterstuhl der Vernunft nicht bestehe» kann, so ist erst gar der Anarchismus eine Form des Wahnsinns, sür die leider die Heilmethode noch nicht aufgefunden ist. Alles Bestehende zerstöre», der Herrschaft der menschliche» Triebe und Lcidenschastc» ohne schützende Gesetze sckrankcn- los die gegenwärtige Stufe der Eivilisalion preiSgcben, uni dann etwas angcblick Bessere- an die Stelle ver alteter und angeblich nicht mehr lebensfähiger Einrichtungen zu setzen, dazu gehört eine Geistesverfassung, die nur durch Anlegung der Zwangsjacke in Sckrankcn gehalten werden kann. So stehen wir denn heute der anarchistische» Bewegung als der Frucht einer aus Noth, verbncchcriscker Gesinnung und geistiger und seelischer Verirrung hcrvorgegangenen Erscheinung gegenüber. Nur durch die strenge und rück sichtslose Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen gegen die Kundgebungen des Anarchismus können wir ihm Zügel anlegen und die anarchistischen GesetzeSverächtcr zur Erkcnntniß der Folgen ihrer Handlungweisc zwingen. Ravachol hatte sein Leben durch seine Schandthaten längst verwirkt, bevor er eS unternahm, sich durch da- Be- kenntniß zum Anarchismus mit dem RubmeSkranz» de« MärtyrerthumS zu schmücken. Wenn man einen Einblick in da» Vorleben der meisten Anarchisten gewinnt, so wird man sich überzeugen, daß eS lauter zu Grunde gerichtete Existenzen sind, die sich dem Dienste dieser Bewegung weihen. Bose- Beispiel und Verführung mögen auch ihren Antbeil an der Verbreitung beS UebelS haben, aber der richtige Anarchist soll wohl noch gefunden werden, der, cmS gesicherter Lebensstellung heran-, sich diesem Trugbilde zn eigen giebt in der Ueber- zeugung, dadurch zum Weltverbesserer zu werden. Leute wie RScluS, vvn dem unten in der Berliner Ei Eorrespondenz die Rede ist, gehören einer ganz besonderen Gattung von geistigen Halbkranken an. Die vcrurtheilten Angeklagten deS ProcesseS Höver und Genossen nahmen das Unheil, welches sie längeren Zuchthaus strafen überliefert, anscheinend glcichmüthig hin, weil sie viel leicht noch auf Schlimmeres geiaht waren: daS beweist aber nur, daß sie sich der Gefährlichkeit ihrer Handlungsweise be wußt waren. Tie Sache wird kaum mit dieser Vernrthci- lung abgethan sein, cs werden sich daran voraussichtlich weitere Proccsse gleicher Art reihen und die ösfciitliche Aufmerksamkeit wird sich auch den persönlichen Verhält nissen der Verurtheiltc» znwcnden. Auch Reinsdorfs und Genossen hatten die Ermordung Kaiser Wilhelm'S I. und aller bei der Einweihung des NiedcrwalddcnkmalS ver sammelten deutschen Fürsten geplant, der Gedanke dcö FürsteiimordcS als Einleitung zu einer großen allgemeinen Umwälzung aller staatlickcn und gesellschaftlichen Verhältnisse ist also nickt neu. In Rußland sind die den Anarchisten verwandten Nihilisten im Jahre l88l sogar zur Thal ge schritten durch Ermordung Alexanders II.; mit welcher Wirkung, hat die nachfolgende Regierung Alexanders III gezeigt, die den Absolutismus in der schroffsten Form zur Richtschnur gewählt hat. Auf Erfolg haben die Anarchisten bei Verwirklichung ihrer Pläne niemals z» rechnen, die Grundformen der Staats- und Gesellschaftsordnung könne» durch ihre ohnmächtigen Bestrebungen niemals erschüttert Werden. * Deutsches Reich. * Berlin, 5. Juli. (Telegramm.) Der Kaiser bat den Präsidenten von Guatemala General Barriot als im Besitze des RegierungSgewalt anerkannt. — DaS „Militair Wochenblatt" meldet: Generalfcldmarschall Gras Blumen thal ist als Gcneraliiispcctcur von der IV. zur lll. Jnspcction versetzt; dem Prinzen Leopold von Bayern ist die Stellung eine» GeneralinspcctcurS der IV. Armcc-Inspeclion übertragen worden. — Das „Berliner Tageblatt" meldet ans Paris über die Versetzung deS Botschafters v. RadvWitz nach Madrid, man fühle sich ni diplomatisckc» Kreisen Frank reichs durch die Ernennung von Radowitz's zum Botschafter in Madrid bennrubigt und bringe diese Frage in Zusammenhang mit der marokkanischen Frage. Man glaubt nämlich, Deutschland, England und Spanien hätten sich zu einer sür Frankreich nachthciligen Lösung der marokkanischen Frage ver einigt. Hierzu schreibt das genannte Blatt: Vielleicht süblc» sich die Franzosen ein wenig beruhigt, wenn sic die folgenden uns von gutnntcrrichtetcr Seite zugebenden Mitthcillingcn lesen. Konstanlinoprl ist neben London, Paris und Peters bürg unter den Diplomaten als einer der thcucrften Plätze verschrieen. Herr vvn Radvwitz besitzt kein oder nur un bedeutende« Vermögen. Da- Gehalt eines Botschafter- in Konstantinopel beträgt einscklicßlich der RepräseiitativnSgclder 120 000 -Ol Diese reicht nicht auS, um in glänzender Weise zu repräsentier». Dies bat auch Herr von Radvwitz nicht gclhan. Ein großer Empfang am NcujahrStacze oder am Geburtstage de« Kaiser« und einige Diner- im Hahre waren alles. Wiederholt ist von den am Bosporus lebenden Deutschen über diese nickt glänzende Repräsentativ» de- deutschen Botschafter- gesprochen worden. Die anderen Bot schaster waren vollkommene Grandseigneurs oder hatten ein enorme« Gehalt. Z» den für Diplomaten billigsten Plätzen gehört nun auch Madrid. ES scheint daher der Schluß be rechtigt, daß die Versetzung de- Herrn von Radvwitz keine politische Bedeutung hat, sondern daß er gern Konstantinopel mit einem Ort vertauschen wollte, wo da« Leben billiger ist. Die Versetzung deS Herrn von Radvwitz von Konstantinopcl »ach Madrid hat nicht nur in Paris, sondern auch in Deutschland und in ankeren Staaten Aussehen erregt. Man schreibt dar über dem „Hamburg. Eorr." auö Berlin: „Herr v. Nadowiy verläßt den Konstantinopclcr Posten ebenso plötzlich, wie er einer Zeit mit ihm betraut wurde. Anfang der achtziger Jahre vertauschte Herr v. Radvwitz seine Stellung im Aus wärtigen Amt als Vortragender Rath für die orientalischen Angelegenheiten mit dem Gesandtenposten in Athen. I» Wirtlichkeit aber wurde dieser Posten mit geringen Unter brechungen durch einen Gesandtschafts-Secretair versehen, wahrend Herr v. Radvwitz im Auswärtigen Amt als Hilfs arbeiter fungirte. Als »ach dem Weggang deS Fürsten zu Hohenlohe»Schillingsfürst (deS jetzigen Statthalter« in Elsaß Lothringen), der eine Zeit lang als „Vorstand" de« AttSwärligcu Amts den Reichskanzler vertrat, die Wieder- beseyung des StaatösccrctairpostenS in Frage kam, hatte Herr von Radvwitz daS Unglück, daß in den Zeitungen sein Name genannt wurde. Man zglaubte damals, daß Fürst BiSinarck Herrn vvn Radvwitz in Verdacht gehabt chabe, »ach Höbcrcm zn strebe», und so wurde er zuerst nach Athen zurückgcschickt und dann auf de» Kvnstantinopeler Posten be fördert, den er nur seiner verhältnißmäßigen Jugend wegen nicht schon früher erhalten hatte. Daß er jetzt nach mehr als I2jähriger Thätigkcit am Goldenen Horn auf den jüngsten Botschaftcrpvstc» in Madrid versetzt wird, ist nach diplo matischen Begriffen so ziemlich da« Gegentheil einer Be förderung, selbst wenn, wie anaedeutct wird, dir GehaltS- disferenz demiiächst durch eine Erhöhung dcö Madrider Gehalts um 20 000 ausgeglichen werden sollte. Es ist also nicht zu verwundern, wenn i» der auswärtigen Presse davon ge sprochen wird, daß Herr v. Radvwitz in Ungnade gefallen sei. Daß u. A. auch daran erinnert wird, Herr v. Radvwitz sei mit einer Russin, einer Tochter de« früheren russischen Botschafters v. Brunnow, vcrhcirathet, ist wohl nur zu fällig. Immerhin ist man auf eine Aufklärung deS über raschenden Vorgangs gespannt." D. Red.) E) Berlin, 5. Jult. Tie socialdemokratischen Blätter, voran da» Tentralorgau „Borwärt»", sind stolz darauf, daß einer der „Ihrigen", ein „Sociatdemokral", ihr „Parteigenosse", der bekannt« französische Geograph Eltste Stsclu», von dem socialdemokratischen Rector vr. Deni» tn Brüssel an die dortige Universität al» ordent- ltcher Professor berufen worden sei. Die Soclaldemokraten haben aber, sofern sie mit Recht einen Unterschied zwischen sich und den Anarchisten mache», keine Veranlassung, auf diese Berufung stolz zu fein, denn Recln», der frühere Eommunard und Deputlrte, steht seit langen Jahren schon tm anarchistischen Lager, auch ist er, gleich Krapotkin, Most, Malatosta und anderen bekannten Anarchisten, Mitarbeiter anarchistischer Blätter. Wenn freilich die Herren Social demokraten zwischen sich und den Anarchisten keinen Unterschied finden, so mögen sie auch Herrn Reclus zu ihren Genossen zählen. — Die socialdcmokrattfche „Bolksslimme" in Magdeburg, die vor zwei Jahren gegründet worden, hat während dieser Zeit die Gesetze dergestalt respectirt, daß sie sich folgend« Untersuchungen und Strasen zugezogen: 18 Haussuchungen, 12 Beschlagnahmen, 80 Vernehmungen, Strafmandate über ivsgesammt 3000 ^l (haupt sächlich wegen Bertreibens dcr„Volksstimme" ohne Gewerbeschein beider Landagitation). In 37 Fällen wurde da- Strafverfahren eingeleitet und zwar wegen Gotteslästerung einmal, wegen MajeslätSbeleidrgung drei mal, wegen Beleidigung des Richterstandes und der Osficier« dreimal, wegen Verächtlichmachung von Staatseinrichtungen, Aufreizung zum Elasseuhaß ». s. w. — Wie vor Kurzem Bebel in London eine den deutschen Kaiser verherrlichende Rede gehalten, so hat jetzt von Bolimar einen Aufsatz ähnlichen Inhalts in der „kevuo politique et iitteraire" veröffentlicht. Er behauptet darin, daß der Kaiser sich nicht aus die Seite der Unterdrücker, der Ausbeuter stelle und daß er dem Arbeiter eine bessere Existenz wünsche. So, wie die Braudcnburgischen Markgrafen den Adel zähmten, so wolle der Kaiser dem Capitalismus seine unabhängige Macht im Staat und über de» Staat selbst nehmen. Er, Vollmar, sei dem Staat-- socialismus geneigt, ja er constatire, daß eine Annäherung an den Staalssocialismus in der Sociaidemokrane vorhanden sei, weshalb auch der betreffende Passus im neuen Parteiprogramm gestrichen worden. Vollmar, das entänt torribls in der socialdemokratischen Partei, dürste gelegentlich ebenso sang- und klanglos aus derselben verschwinde», wie der Herr KammergcrichtS-Reserendara.D. Viereck, der s. Z. ähnliche „Bockjprünge" machte. — Die in Hamburg ge plante socialdciuokratijchc Genossenschasts-Braue ret kommt nicht zu Stande, denn die Gencral-Versammlung hat die Auslösung der Genossenschaft beschlossen, weil einerseits die Betheiligung eine ungenügende, andererseits Zwistigkeiten im Vorstand vorgekomme» seien, die zur Ausschließung des Vorsitzenden gesührt hätten. Wahr scheinlich werden die Geiiojjenschaster ihre Einzahlungen völlig cin- büßcn, da daS Geld so ziemlich verpulvert ist. Einzelne Mitglieder sollen erhebliche Einzahlungen gemacht haben. Diese Gründung liefert abermals einen Beweis sür die Tüchtigkeit und Bravheit der socialdcmokralische» Weltverbesserer. — Daß der preußische Gesandte beim päpstlichen Stuhle, v. Schlözcr, lediglich seines hohen Alters wegen von seinem Posten zurücktrcten wolle, fällt begreiflicherweise gerade solchen Kreisen schwer, in denen man die jetzt im Vatican herrschende Strömung genau zn verfolgen vermag. In Rom legt man sich daher, wie der „N. Fr. Presse" berichtet wird, die AmtS- müdigkeit de« Herrn v. Schlözcr folgendermaßen zurecht: Ter bevorstehenden Abberufung des preußischen Gesandten v. Schlözcr steht die letzte Wandlung nicht ferne, welche die vom Eardinal Rampvlla geleitete vaticanijche Politik erfahren hat. Herr v Schlözer hat im Verein mit einem päpstlichen Diplomaten, welcher, obwohl noch in Amt und Würden, seit längerer Zeit nicht mehr das Ohr des Papstes hat, Alles ausgebotcn, um da- lleberhaiidiiehincn jener Elemente zu verhindern, welche die Lurie in da- Getriebe der europäischen Politik direct etngreisen lassen wollte», in der ausgesprochenen Absicht, au- dem Widerstreite der Inleresscn eineu Nutzen nicht sowohl sür die Kirche als sür die weltlichen Ansprüche de- Papste- herauSzu- schlagen. Herr v. Schlözer und sein treuer Freund sind in ihren Bemühungen unterlegen. Im Vatican treibt man, seit Herr Lessbvr« de Vshaine den Cardinal Rampolla und den Papst von der Mög lichkeit »euer Oc-st» vei per b'ruuco» überzeugt hat, unverhohlen französische Politik und strebt mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Schwächung des Dreibundes an. Die Sach« ist so weit gediehen, daß die klerikalen Vereine angewielen wurden, bei den im Herbste stattfindendc» Parlament-Wahlen überall, wo ein dreibundseindlicher Candidat mit einer Aussicht aus Erfolg in die Schranken treten sollte, für denselben trotz de« amtlichen Xvu erz>e<lit unter der Hand etnzutreten. Daß Herr v. Schlözer, welcher seiner Zeit al« Frteden«legat nach Rom gekommen war nub dem Lulturkampf« eia End« setzt«, unter sothauea Umstände» da»
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