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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920706029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-06
- Monat1892-07
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SSL» 1O2H0 «7.L0 103LL dv,2i 102,— 102.- V7.»0 IVO.- 106,— V7,- 120,— 10«,— 47,— 112,7» 112,2» 82,»0 21»,— 144,— 131 — 1«H— isö^— SO.— «1.7» 1SL- 44^0 ««.— »0.— 204,— 128,7» IVO.— 220,SV 180,2» 28- 3S,Li> 124,2» 32,SV so.— S0,»0 SV — pvv<1» iS 6 »s 8. — 8. - 8. »o d»8. >i>»v. Zb 8. »o 6. — 8. 2» 8. 30 8. »0 8. 7» 8. — 8. so 8. SO 6. S0 8. 2» 8. SV 8. »0 8. 7» 8. so 8, 40 8. SV 8. «nrinottr AbormemerrtSpretS ln der Hauptexpedttiou oder drn im Etad^ bezirk und den Vororten «rrichteren Au-- gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^<4.50; bei zweimaliger täglicher Zust-Uung in» L'an» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viettestädrlich ^l 6.—. Direct» tägliche Krruzbandjendung tu» Ausland: monatlich 8.—. Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich'/,? Uhr, die Abend-AuSgab« Wochentag- b Ühr. Le-artion vn- LrpeLitio«: IohanneSgaffr 8. Die l?n>edition ist Wochentag- ununterbrochen geössnet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Filiale«: ttto Slemm's Eortim. (Nlfre» Hahn). UniversitätSstrab« 1. Louis Lüsche. Lalharinenstr. 1«, pari, und KSiigSplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. JnfertionSpreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg> Reclameu unter demRedaction-strich (Ige- spalten) bO/H. vor den FamUlennacheichieil (6 gespalten) 40. Größere Schriften laut unserem Preis. verzeichaiß. Tabellarischer und Zifserosatz uach höherem Tarif. — Extra-veilasen (gefalzt), nur ml« dir Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Rnnahmtschlvß für Inserate:^ Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morge n-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag- früh V,9 Uhr. Bel den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. ^ Inserate sind stet» an die Ex»,»Mal» ,u richten. Druck uud Verlag vou E. P olz tu Leipzig. Mittwoch dev 6. Juli 1892. 88. Jahrgang i.7» d- ;»o 8 Z.rs 8. 1.7» 6 1,80 8. 2,— 8. 1. ao 8. 3.7» l» »,S0 8. 7S0 8. 8. 7. — 8. 7,2» 8. 2. LV 8. 6. «,— 8. 1.80 8. 8. — 8. «,»0 d-L 8. 8. L L-.uL !7.— L »,-^8. b vro Seiicl. v»i»«r»w»> > StvuL, 7 bös k»>>» »II »werte* V3.pe.wtxe «r-v,«w>xr » -l- 0L0. - 7» - ScLn.Il- »o - l>»mpf«s rt»o»»", S« i lo q««»» 1 «Vl.I», »» - DorU. «m>, let « lr«,rd»r« politische Tagesschau. * Leipzig, 6. Juli. In der heutigen Morgen-AuSgabe haben wir einen Artikel der „Hamb. Nachr." mitgetheilt, der sich mit den Angriffen der „Nordd. Allg. Ztg." auf den Fürsten Bismarck beschäftigt. Er ist, das geht aus der Einleitung und aus dem, wäs der Fürst in Wien über sein Verhältnis; ;u den „Hamburger Nachrichten " mitgetheilt hat hervor, infolge einer Unterredung geschrieben, die der Leiter des Blattes in Kissingen mit dem „Altreichskanzler" gebabt hat. Dieser bat über die Angriffe seines früheren LeibblattcS ganz das nämliche Urtheil gefällt, das wir wiederholt ausgesprochen haben: er hat erklärt, er würbe es für eine Beleidigung des jetzigen Reichskanzlers Hallen, wenn er diesen oder einen seiner preußi scheu Ministercollegen als Verfasser jener Angriffe betrachtete und an sie eine entsprechende Entgegnung richtete. Er bat dann mit einigen kräftigen Worten dasGebahrcn seines ehemaligen Preßdienerö und die Natur der von ihm gebrauchten Waffen gekennzeichnet und dem Besucher anhciingcstcllt, ans den Brocken der Unterredung einen Artikel gegen die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" zusammen zu stellen und nebenbei mit einfließen zu lassen, daß er, der Fürst, wenn er der Eitation der „Norddeutschen" folgen und im Reichstage oder im preußischen Herrenhaus«: erscheinen sollte, wahrscheinlich noch etwas schärfer sich würde äußern müssen, als dies in Wien geschehen. Der Hamburger Besucher hat sich seine Notizen gemacht und dann daheim «n seine Tinte einige Tropfen der Galle gemischt, die sich in ihm gegen seinen Vorgänger in der Gunst des Fürsten angcsammcll Kat. Dieser Vorgänger bekommt daher einige recht saftige Ausdrücke an den Kopf geschleudert; aber der Schreiber vergißt doch nicht, daß er nur gegen die „Nord deutsche" polemisiren »nd ausdrücklich erklären soll, Fürst Bismarck suche die Verfasser der gegen ihn gerichteten Artikel nicht im Reichskanzlerpalais oder im preußischen Ministerium, traue auch weder seinem Nachfolger, noch einem der preußischen Minister die abgeschmackte Idee zu, die poli tische Laufbahn des Altreichskanzlers durch eine Anklage zum Abschlüsse zu bringen, Halle vielmehr die Lenker des jetzigen EurseS für einsichtig genug, um den gemeinsamen Ursprung der von verschiedenen Seilen gegen BiSmarck gerichteten An griffe zu erkennen. Dieser Artikel geht ausschließlich die „Norddeutsche Allgemeine" an; weder Graf Caprivi, noch einer seiner preußischen Ministercollegen hat sich darüber zu beklagen. Wird ihnen auch beiläufig zu versteben gegeben, Fürst Viömarck würde von der parlamentarischen Tribüne aus noch energischer gegen sie auftreten müssen, als er eS im Privatgespräche gethan, so haben sie doch keinen Anlaß, für die „Nordd. Allgcm. Ztg." einzulreten oder sich gegen Angriffe zu wehren. Eine ganz andere Situation aber schafft ein heute vorliegender neuer Artikel des Ham burger Blattes, den wir an anderer Stelle mittbeilcn und der zunächst auch nur gegen das frühere Lcibblatt eeS Fürsten und einige irrthümliche Behauptungen desselben sich wendet, dann aber direct zum Angriffe gegen den Grafen Eaprivi übergebt. Wvhlgemcrkl, nicht gegen den Kaiser, dem eine Mitthcilung gemacht wird, die ihn wahrschein lich ebenso überrascht, wie sic weite Kreise überraschen wird: die Miltheilung, daß der jetzige Kanzler schon seit langer Zeit in.engerer Verbindung mit dem Centrum gestanden dabe, der Kanzlercandidat Windthorst's gewesen sei und »ach seiner Erhebung die Hoffnungen jener Kreise auch zu er füllen gesucht habe. Unsere Leser werden sich erinnern, dag wir bereits darauf hingewiesen haben, wie Herr Windthorst beflissen gewesen ist, durch die Legende, Gras Caprivi sei von dem Fürsten selbst dem Kaiser empfohlen worden, in konservativen und liberalen Kreisen Stimmung für den neuen Kanzler und seine Pläne zu machen. Wir haben auch darauf hiiigewiescn, daß eS eine Pflicht des Fürsten gegen sich selbst sei, diese Legende zu zerstören und seine Unschuld an dem Gange dar- zutbun, den die innere preußische und deutsche Politik seit seinem Rücktritte angenommen bat. Wir können daher auch die neue Kundgebung der „Hamb. Nachr." rcsp. de« Fürsten nicht mißbilligen, so sehr wir auch besorgen, daß sie den AuSgangöpunct eines scharfen persönlichen Kampfes zwischen dem Altreichskanzler und seinem Nachfolger bilden wird. Auf die ganze politische Situation, die ganzeKampfesweise des Centrums gegen den Fürsten fällt durch diese Kundgebung ein neues Licht, baS gegeben werden mußte — auch dem Kaiser gegenüber gegeben werden mußtewenn Klarheit in das 'Wirrnis; unserer inneren Politik kommen soll. Das Wort hat jetzt Graf Caprivi selbst; er kann nicht schweigen; hoffentlich ge fällt eö ihm, den „Reichs-Anzeiger" zu seiner Erklärung zu bcnutzcn und dadurch seinen Vorgänger zu veranlassen, auch seinerseits alle Mittelspersonen bei Seite zu lassen und mit seinem Namen offen in die Schranke zu treten. Auch der Streit im preußischen konservativen Lager nimmt nachgerade Formen an, die eS begreiflich er scheinen lassen, wenn hüben und drüben mit aller Kraft ans die Sckcibunz hingearbeitct wird. Reinlich wird diese frei lich wohl kaum werden. Die „Kreuzzcitung" schreibt jetzt von dem „Eonscrrativcii Wochenblatt" des Herrn von Helldorff, daß es keinen anderen Zweck habe, als Herrn von Helldorff zu glorificiren. Zu diesem Zwecke arbeite es mit den bekannten Mitteln der Verdächtigung der conservativcn Partei und der Deckung der eigenen Partei durch den Monarchen. Den Anlaß zu dieser Kanonade hat die Behauptung des „Eonservativcu Wochenblattes" gegeben, daß die Agrarier dem Reichskanzler die Handelsverträge nie verzeihen und, wenn seine Stunde gekommen sein sollte, ihren nicht unbedeutenden Einfluß gegen ihn in die Waagschale werfen würde». Herr von Helldorf wird seine Pappenheimer wohl kennen, und wenn die „Kreuzzeitung" auch versichert, die Agrarier rechneten mit drn Handelsverträgen als mit einer zwar nicht erfreulichen, aber unabänderlichen Thatsache, so fügt sie doch hinzu, daß die Agrarier von dem Reichskanzler erwarteten, er werde Alles daran setzen, um der deutschen Land- wirthschaft für die schweren Opfer, die ibr im Dccember 18stl anserlegt worden, wenigstens annähernd gleich- werthigc Compensationen auf anderen Gebieten zu gewahren. Was geschehen wird, wenn diese Compen sationen auSbleibcn, darüber schweigt die „Krcnzzcitung", vielleicht aber hat an diese Eventualität gerade das Hell dorff'sche Blatt gedacht. In der nächsten Zeit werben, wie schon gemeldet, die Urheber der Dynamit-Attentate, welche in Lüttich i» de» Monaten März, April und Mai kurz nach einander statt gefunden, vor Gericht erscheinen. Tie belgischen Zeitungen veröffentlichten schon vor einigen Tagen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, welche man als ein lehrreiches Teitcnstück zu dem Pariser Ravachol-Proccß bezeichne» darf. Hier wie dort handelt es sich ui» Attentate, die an geblich den Zweck haben sollten, Richter und Bürger cinzuschüchtern, Erregung und Angst überall kcrvorzurufcn und so einen günstigen Boden für einen allgemeinen Arbeiter aufstand herzustcUcn. Von den 10 armseligen Bcthörtcn, die sich in dieses verderbliche Spiel haben verwickeln lassen, schwören Alle, daß sic keinen persönlichen Grund des Hasses gegen Privatpersonen, oder mörderische Absichten gebabt Kälten. Alle behaupten, daß sic von ihrer Tbat eine Ver besserung der verderbten Gcscllschast erwarteten. Cie sind alle sogenannte ileclasiss», Ausgcstoßcnc, die keine Aufnahme in der sccialistischcn Partei gesunde» hatten. Die Staats- anwalschaft erhebt gegen alle die Klage auf Verschwörung gegen die bestehende Ordnung. Was die Thal fachen selbst anbelaugt, so bat die Untersuchung unwider leglich festgestellt, daß die seit dem vorigen Jahre ver- Feuilleton. Der Letzte seines Stammes. 5s Licht- und Schattenbilder von Woldemar Urban. Nachtrur «erboten. (Fortsetzung.) Ein Schrei der Entrüstung ging durch den Schwarm junger Mädchen, ein lautes Durcheinander entstand, wodurch Fräulein MariuS veranlaßt wurde, nähcrzutrcten und zu fragen, was sich Schreckliches zugetragen habe. Wir haben kein feines Gefühl, keine Beanlagung, keine Begabung! Ah, empörend! — schallte cS ihr von allen Seiten entgegen. Dabei kicherten und lachten sie verstohlen hinter dem Rücken des Herrn Gernot, der rubig dastand, die eine Hand in der Fracktasche, die andere aufmerksam musternd und die sorgfältig-gepflegten Nägel besehend. - Ein Schatten flog über das jugendfrische Gesicht bcS Fräulein MariuS. Die Situation schien ibr zu mißfallen. Wenn uns Herr Gernot alle diese schönen Sachen ab- spricht, so muß eS wokl seine Richtigkeit haben und wir müssen uns über diesen Mangel trösten Herr Gernot aber bat bann nach meiner Meinung die Pflicht, wenn er uns aus diesem Mangel einen Vorwurf macht, diese Eigenschaften um so mebr zu bcthätigen, damit wir von ihm profitiren können. Das scheint bisher zu meinem Bedauern in nicht übermäßiger Weise geschehen zu sein. Das Unternehmen wäre schwierig und der Erfolg unsicher. Um so würdiger ist eS eines ganzen Mannes. Herr Gernot sah Fräulein MariuS wieder einen Augen blick lang an. Dann sagte er in cigenthümlicher Weise: Halten Sie mich für einen halben? > "hEinen Moment trafen sich ihre Augen. ES war wie ein I Blitz, wie ein fast erschrecktes Aufftackcrn; bann lächelte ' Fräulein MariuS etwas gezwungen und sagte leichthin, wie um eine innere Bewegung zu verbergen: Ei ei! Herr Gernot, mon fragt in einem Salon nicht so geradezu. DaS gehört nicht zum feinen Gcfükl. Ich hoffe aber, baß Sic mir eine verneinende Antwort aus diese Frage von selbst ertheilen werben. Dann wandte sie sich leicht um, Weil sie herannabenbc Tritte hörte, und fuhr mit sicherem gesellschaftlichen Tact fort: Ab, sich da, Graf Coda! Ich habe Sie gestern beim Rennen vergeblich zu begrüßen versucht. Sic waren so im Zuschauen und im Beobachten vertieft, daß sie mich nicht be merkten. Ich mußte vor den Pferden zurücktreteu. Was ich sehr bedauere, gnädiges Fräulein. Aber cS war in der Thal ein außerordentlich interessantes Rennen, was mir hoffentlich zur Entschuldigung dient, äußerte Graf Eoda verbindlich. Besinnen Sie sich noch auf das Pferd, das der gclbschwarze Jockey ritt, der Sieger dcS zweiten RcnncnS? Wie sollt' ich nicht? Das Pferd gehört zu den besten beS Landes. Und bemerkten Sie, wie merkwürdig langsam, fast müde cS einsetzte, um dann plötzlich — nach dem ersten Pcitschcn- säilag mit einer geisterhaften Geschwindigkeit an seinen Neben buhlern vorbcizuschießen? Gewiß! Es war ein höchst interessantes Rennen und der Sieger obne Zweifel ein Pferd von großer Zukünft. Fräulein MariuS wandte sich rasch wieder nach Herrn Gernot um. WaS solch' ein Peitschenschlag manchmal zu tbun vermag! Es ist merkwürdig, daß sich auch unter den Menschen Naturen befinden, die eines Peitschcnschlages, eines Antriebes von außer halb zu bedürfen scheinen, um sich ibrcr Kraft und Leistungs fähigkeit zu erinnern, um gleichsam spielend als Sieger aus dem Lebenskampf hervorzugehen. Waö meinen Sie dazu, Herr Gernot? Herr Gernot zuckte die Achseln und schien eine spöttische Antwort aus der Zunge zu baden; er unterdrückte sie aber und jagte noch ziemlich artig: Mein Fräulein, ich bin kein Physiologe, glaube aber, daß die Berübrungspunctc zwischen der menschlichen Natur und einer Pferdenatnr denn dock» anders geartet sind, als Sic vorauSzusctzen scheinen. Mir persönlich wenigstens würde eö tnlichicvcn unsympathisch sein, mit einer Pserbcnatur übten sieben Dynamitattentate von denselben Personen aus geführt worden sind. Am 2. Mai ereignete sich am Hause eines OfficicrS der Bürgergarbe baS letzte der Attentate. Schon am Abend vorher batte die Polizei ein wichtiges Beweisstück in Händen, nämlich das gemalte Papier, wie eS die Tapezierer gebrauchen und in welches die Patrone cin- acwickelt war. Eö wäbrle nickt lange, bis die Polizei den Besitzer dieses Papiers aufgcfuntcn hatte — cs war der Maler Guillaume Beanjou, bei dem auch nach einer genauen Haussuchung Sprengstoffe vorgefundcn wurden. Beaujon konnte nicht leugnen, das Papier entsprach genau einem Blatte, welches aus einem bei ihm Vorgefundenen Muslerbcfte auSzcrissen worden war. Er legte bald ein voll ständiges Geständnis; ab, und aus Furcht, als der einzige Thätcr verurthcilt zu werben, nannte er seine Mitsckultigen. So war nach einigen Haussuchungen, schon am -1. Mai, die ganze Bande verhaftet. Drei der angeklagten Anarchisten scheinen besonders bei den verschiedenen Sprengungen tbälig gewesen zu sein: Bcaujou, der Maler, sein Freund Moiucaup und Nosient. Sie gestehen Alle mehr oder weniger offen ihre Schuld ein, suchen sich aber gegenseitig kieUrheberschafl der Thal zuzuschieben. Ter Eine verfertigte die Patronen, der Andere trug sie a» den Platz, der Dritte zündete sie an. Alle Anderen sind angeklagt, an Diebstählen von Dynamit in Flcmalle und Ombret Theil genommen oder die gestohlenen Sachen ver steckt und den Hauptthätern ausgeliefcrt, oder bei der An fertigung der Bomben sich bctheiligt zu bade». Die 10 An geklagten werden am 18. Juli vor den Lütticher Assisen er scheinen. Ter erste Präsident des GericktShofes hat bereits alle Maßregeln getroffen, um die kleinen Räume beS Lütticher Geschworncngerickts diesem wichtigen Proces; aiizupassen, und es sind auch die strengsten Maßregeln getroffen, um etwaigen Streichen der Anarchisten vorzubcugen. Ungarn steht unter dem Eindruck einer großen Rede, welche am Montag der Fürstprimas LaSzary im Pcster Lbcrhausc über die Frage der Wegtausungen gehalten hat. Damit bat die seil lange angekündigte große Action des ungarischen Episkopats und der klerikalen Mag naten begonnen. In der Hauptsache handelt cs sich bei den Wcgtausc» um eine Auslegung des Gesetzes vom 'Jahre 1868, welckcS das religiöse Bekcnntniß der Kinder auS gemischten Ehen betrifft. Tie Regierung batte erklärt, daß sie in eine Acndcrung dcS Gesetzartikels nickt willigen könne. Taraushin lange Verhandlungen zwischen FürslprimaS und beiligcm Stuick und endlich die Rede, die eine allgemeine Enttäuschung brachte. Der Fürst- primaS erklärt, das; für kirckliche Angelegenheiten in Sachen dcS Glaubens und der Moral der bcilige Stubl allein maß gebend sei, und was die Curie in dieser Hinsicht für unmög lich erklärt, könne die Negierung nicht für möglich batten. Die Gcsetzbcstiinuiuiig über die Confessio» der auü Misch ehen stammenden Kinder verstoße gegen die katholischen Dogmen und die Regierung müsse dieselben ändern oder anders interprctircn, denn die bisherige Anwendung und Auslegung verstoße gegen das natürliche Recht, gegen die Gleichberechtigung der Confessionc» wie gegen die Freiheit. Ter Cultusniinister Graf Csaky erklärte, der vom Fürst- Primas angeregte Modus sei unannehmbar, doch würde die angeregte Auslegung des Gesetzes vom Jahre 1868 bei der Codisication des Familicnrcchtcs Berücksichtigung finden. Die ungarischen Blätter stimmen darin überein, die Nebe des Fürstprimas habe den ersehnten FriedcnSschlnß nicht gebracht, sondern im Gegentbcil den Streit nur noch mehr zugcspitzt. Inzwischen endete am Dienstag die Berathung im Oberhausc versöhnlicher, als am Tage vorher erwartet werden konnte, und die am ersten VcrhandlungStag kriegerisch an gehauchte Stimmung schien gestern erheblich gcmitdert. Cs wurde keinerlei Bcschlußantrag cingebracht. Offenbar trugen die klerikalen Magnaten Bedenken, ihren Standpniiet durch eine Niederlage bloßzustellcn. Viel trug zur Milderung verglichen zu werden. Sie werden das auch nicht beabsichtigt haben. Fräulein MariuS schob mit einer gewissen Lebhaftig keit ihren Arm in den deS Künstlers und ging mit ihm auf und ab. Dabei sagte sie mit einer hastig flüsternden, woblmeiuenden, fast bemutternden Stimme, die ihr sehr gut ansland: Aber Herr Gernot, aber Herr Gernot! Warum fragen Sic immer so direct und noch dazu mitten in der Gesellschaft. Wenn wir allein sind — ja, dann können Sie so fragen, so viel Sie wollen, und ich werde nach Möglichkeit antworten, aber was hätten all' die Leute, die dort um uns hcrumstanden, wieder gelacht und gespöttelt, wenn ich auf Ihre Frage gc antwortet, daß (ch allerdings auf einen Vergleich zwischen Ilmen und jenem edlen Reniipferd augcspiclt bättc. Und ick will nicht, daß man über Sie lacht und spöttelt, ich will, daß die Welt Sie endlich für ernst nimmt und das; auch Sie die Welt für ernst ncbmcn. Herr Gernot, Herr Gernot! Sie haben so schöne Talente und arbeiten so wenig! Sie sind so außerordentlich begabt, daß Sie Hunderten und Tausenden den Rang ablaufen könnten und leisten nichts! Wissen Sie nicht, daß das eine Sünde ist? Wissen Sie nicht, daß mau sein Lickt nickt unter den Scheffel stellen soll? Haben Cie nickt das Gefühl, bas; eS — das; eS verächtlich ist, wenn ein Mann im Leben gar nichts leistet? Ich möchte Sie so gern groß und berühmt und geachtet sehen, ich möchte Sie so gern nach Ihrem wahren Verdienst geschätzt wissen »nd Sie Aber Herr Gernot, Herr Gernot! Was baben Sie den»? Hören Sic denn gar nicht, was ich sage? Woran denken Sie denn? Nein! Herr Gernot hörte die neunzehnjährige Frau Weisheit nicht und wußte in Folge dessen nicht, wovon die Rede war. Er war plötzlich stehen geblieben und seine Augen lagen mit einer wunderbare» Ausdauer und Ein dringlichkeit auf der Gestalt seiner Begleiterin. Jetzt ließ er ibren Arm los und trat von ihr fort, »m ihre Formen von Weitem bester ins Auge fasten zu können. Thun Sie mir den Gefallen, Fräulein Mimik, und bleiben Sie einen Augenblick rubig so sieben, sagte er fast bittend uud musterte sie mit einer durchaus »nsalonmäßigen Aus- die Rede des Ministerpräsidenten Szapary bei, welcher erklärte, die Regierung wolle keinerlei Gewissenszwang auS- üben, doch sei heute die Stimmung allzu erregt, um eine Lösung der kirchcnpolitischen Frage jetzt vorzunehmen. Solche- werde später bei ruhiger Stimmung mit besserem Erfolge versucht werden können. Auch Szapary hielt an der Ein führung des EivilstankSregisterS für Mischehen fest. DaS Oberhaus nahm einstimmig den Staatshaushaltsplan an» waö einen bedeutenden Erfolg für die Regierung bedeutet."" Wenn der erste Wahltag in England den dortigen Liberalen bcz. den Anhängern Gladstone'S einige Erfolge brachte, so daß deutsche liberale Blätter daran schon allerlei frohe Hoffnungen für ein weitere« günstiges Resultat im Sinne der Glatstoneaner knüpften, so scheint der gestrige zweite Wahltag einen Strich durch diese Rechnung gemacht zu baben und eS wird nun abzuwartcn sein, wie sich die Wablergcbnisse in den nächsten Tagen gestalten werden. Ein Telegramm aus London meldet, daß b,S jetzt gewählt sind 8!» Conscrvative, 11 Unionislen und 61 Gladstoneaner. Diese Zablcn bedeuten, daß gestern die conscrvative Partei in England und die mit ihr verbündete» Unionistcn unbe streitbar große Erfolge davon getragen haben, denn während die Differenz zwischen beiden kämpfenden Parteien am Tage vorder 26 war, beträgt sie nach dem Ergebniß des gestrigen Tages 40. Nach einer beute vorliegenden Meldung sollen übrigens die Aussichten für Glad- stone selbst, den Oranck olck man, nicht gerade glänzend sein. Man glaubt allgemein, daß er dies Mal schwerlich eine so große Menge von Stimmen in seinem Wahlkreise Mitlothian erkalten werte, wie in früheren Zabrcn, wo die Gegenpartei überhaupt keinen Eandidaten aufstellte. DaS letzte Mal war dies der Fall im Jahre 1885. Seil der Zeit sind viele einflußreiche Männer zu den liberalen Unionistcn übergegangcn. Auch dürste die Haltung Gladstone's in der Arbeitcrsrage ibm eine nicht unbedeutende Anzahl Bergleute abtrünnig gemacht haben. Es steht nunmehr fest, daß die Cholera nunmehr auch in Astrachan ausgebrochen ist und von dort in die Um gegend, unter anderm nach der Hafenstadt Petrowsk, sich weiter verbreitet hat. Unter solchen Umständen war die Frage dringend, was aus der zu Ende d. M. (den 27. Juli) beginnenden g roßenN ishninowgoroderMesse werden soll, die den Binnenhandel des Reiches beherrscht und von Hundert- tauscndcn von Menschen aus Asien und dem europäischen Rußland (aber auch aus Westeuropa) besucht wird. Allerdings würde ein Aufschieben ober AuSsetzcn dieser Messe, auf die sür Hunderte von Millionen Rubel Waaren angefahren und verlaust werden uud wo sämmtliche Creditgeschafte von der Messe dcS Vorjahres zu reguliren sind, die größten Schwierigkeiten haben; andererseits aber muß durch die aus den verseuchten Gegenden stammenden Waaren, sowie durch die zur Messe sich begebenden und von ihr kommenden Menschen die Cholera nothwcndig die allerweitcste Verbreitung finde». Die russischen Blätter erörtern die Frage mit be greiflicher Spannung; auch die Regierung ist bereits in ihre Erwägung eingelreten. Ein Telegramm, vatirt St. Peters burg, 4. Juli, meldet: Die yeutigc Conserenz der Vertreter sSmmtlicher Ministerien beschloß, die 'Abhaltung der Messe zuzulassen. Zolldirector Zabuzin ist Keule nach Moskau abgereist, um mit der dortigen Kaufmann- jchast die Maßregeln zur Erleichterung des WaannverkehrL zu berathcn. Wie aus Baku, über besten sanitäre Verbältniffc die russischen Blätter wahrhaft ekelerregende Schilderungen bringen, so hat nunmehr auch aus Astrachan, wo die Ver hältnisse vielleicht nicht sehr viel günstiger liegen, als in Baku, die Flucht der Bewohner in andere Orte begonnen, wodurch die Krankheit natürlich weiter verbreitet wird. dauer. Er ging langsam um sie herum, war vor Staunen stumm und tbat, als ob er Fräulein Marius soeben zum ersten Male sähe. Fräulein MariuS war eine sogenannte strenge Schönheit von regelmäßigen aber knappen Formen; sicwar aber auch nicht schlank, sondern eher rundlich gegliedert. Waö den Maler jetzt so plötzlich gefesselt hatte, war die äußerst seltene Ebenmäßigkeit, durch die sich ihr Bau auSzeicbnelc. Nirgends ein Zuviel, nirgends ein Zuwenig, nur das Gesicht schien zu einer gewissen Fülle zu neigen, die aber auch noch ein Ueberbleibscl der Jugend sein konnte. Das Kinn war voll und von vornehmer Rundung, der Hals weich und geschmeidig in der Form, das Auge groß, ruhig dunkel-schwarz. Tic schönen, vollen und ebenfalls schwarzen Haare trug sie aufgelöst und nur mit einer rolhcn Schleife geknotet über den Rücken herabhängcnd. Der erste Eindruck ihrer Gestalt mochte, obwohl ein netter und freundlicher, doch ein unbedeutender sein; erst bei näherer Prüfung der Verhältnisse und Linien leuchteten die Form seinheilen durch und machten aus ein kundiges Auge den Eindruck ruhiger, schöner, ebenmäßiger Elassicität. Unter diesem Eindruck war auch Herr Gernot gefangen, erstaunt und bezaubert. Ein schneidiger Lieutenant, der der Gruppe von Weitem zugcsehcn hatte, trat näher und sagte: Aber, Herr Gernot, wir sind doch hier nicht in einem Atelier! Würden Sie auch nicht binpasten, antwortete der Maler flüchtig. — Fräulein MariuS biß sich auf die Kippe, um nicht zu lachen, dann sagte sic wie ungeduldig: Jetzt aber lassen Sie Ihre Allotria, Herr Gernot, und antworten Sie endlich auf meine Frage. Herr Gernot näherte sich ibr rasch und gab ihr mit ausgesucht zarter und graziöser Liebenswürdigkeit und einer gewissen fröhlichen Aufgeräumtheit den Arm. Fräulein MariuS war erstaunt darüber, aber sehr angenehm davon berührt. Sie hatte ihn noch nie so gesehen. (Fortsetzung folgt.)
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