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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920712014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892071201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892071201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-12
- Monat1892-07
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AbmmememtSpretS I» der Hallptexpkdittoa »da den im Etad^ beztrk «ad de» Bororte» errichtete» Aus gabestelle,, «bgetzott: vterteijührltch^tt^O, bei zwrtmalioer täglicha Zu frell» ng in« Ha»« ÜLO. Durch dte Pc » bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ihriich ^ 8.—. Direct» täglich« Kreuzbandsendirag t»« Aollaud: «aaatttch ^ . Di« Morgen.«u«g,b» erfchet»t tiigltch llh^ die Adeub-Ausgab« Wocheotagl b Uhr. Lrdaction «n* Lrpedittoa: Jatzauur-gafle 8. Di» ikrvedition ist Wochentag« »»»nterbrvcheo «täßaei vo» früh , bt« «de»d« 7 Uh». Filiale«: V«, »«««'» e.rti». («ft«» UoiversitttSstrah» I. L«»t» -Ssche, Sekhorinenstr. 1«, «art. «d <Gtt,«platz 7. Morgen-Ansgabe. KipMtr.TagelilM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschilhte, Handels- und Geschäftsverkehr. JnsertionspreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Ps^ Neclamen unter dem Siedactionistrich (<g^ spalten) 50/g, vor den ffamtlienaachrichtei» (Sgripalie») «v^. Größere Schriften laut unterem Prell« verzeichniß. Ladellanscher und Ziffernsay »ach höherem Tarif. Extra-vrilagen (gesalzt), nur mit ist» Morgen-Autgade, ohne Postbesörderuag ^4 S0.—, mit Postbesürdrrung ^l TO.—. Iinnahmeschlnß für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Margen»«u«gabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/,S Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestellen je «Ut« halbe Stund« früher. Inserate sind stet« an di« GhPehitiöN »u richten. Druck und Versag von L. Polz in Leipzig. Dienstag den 12. Juli 1892. 86. Jahrgang 352. Amtliche Bekanntmachungen. Gesucht wird die Kellnerin Johanne Louise Emma ledige Nöske, geboren am 24. Juni 1866 zu Posen, welche zur Fürsorge für ihre hier der öffentlichen Waisenpstege anheimgesalleae Tochter anzuhalten ist. Leipzig, den T. Juli 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. 4. L. IV». 2761. IV». 3667. («rmen-Amt, «bth. IV».) Heutichel. N. Diebstahls-Bekanntmachung. Gestohlen wurde laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine silberne Remontoir-Uhr mit Goldrand, Secnnde und der Gravirung „Ilur UiuLelmkUla 1891", am 4. d. M.; 2) «in Dienstmantel von schwarzem Tuch mit dunkelgrauem Futter und gelben Knöpfen mit Wappen, am 1. d. M.: 3) ein Damen-Ttaubmantel, blaßroth, mit Ueberkragen und der Bezeichnung „Bremen" unter dem Henkel, ein schwarzer Ltroh- hut mit schwarzer Garnirung mit dunklen Rosen und ein Lonnen- schtrm mit grau- und blaugestreiftem Bezug und geradem Stab mit gelbem Ring und blauer Schleife, am 3. d. M.; 4) ein Sesfelgeftell von Mahagoni mit dem Signum „0.8.658", am 20. v. Dt. Etwaige Wahrnehmungen über den Berblicb der gestohlenen Gegenstände oder über die Thätcr sind ungesäumt bei unserer Lrimi- nal-Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, de» 11. Juli 1892. Da« Poltzeiamt der Stadt Leipzig. In Stellvertretung: vr. Schmid. Br. Hiobsposten aus Vahomey und Tonkin. E« sind jetzt neun Jahre vergangen, seit in Pari» die Nachricht eintraf, daß ein französischer Hauptmann mit einer Truppen-Abtheilung in Tonkin in einen Hinterhalt gerathen und mit der ganzen Mannschaft niederaemacht worden sei. Die französische Regierung hat, der öffentlichen Meinung fol gend, die Sache sehr ernst genommen, und r« habe» sich daraus Kämpfe entwickelt, welche sich bis zu einem Kriege mit Ehina au-gedehnt haben. Frankreich hat für Tonkin und Anam viele Millionen an Geld und viele Tausende von Sol daten geopfert, ohne dadurch etwa» erreicht zu haben, als eine stet- offene Wunde an seinem Leibe zu pflegen, denn an Heilung ist nicht zu denken. Seit dem FriedenSschluß mit China haben sich Regierung und Parlament daraus beschränkt, den Besitzstand aufrecht »u erhalten , aber eS kommen all jährlich Meldungen von Zusammenstößen mit „Piraten", aus welchen hervorgeht, daß die Franzosen immer noch nicht die unbestrittenen Herren in Tonkin sind, sondern daß die SismchuSarbeit ,mmer von Neuem begonnen werden muß. Nach der neuesten Meldung ist eine Truppen-Abtheilung auf dem Marsche nach Langson in einen chinesischen Hinter- kalt gefallen und hat dabei den Führer der Marine-Infanterie Bonneau, den Hauptmann der Marine-Artillerie Charpenlicr sowie zehn Mann an Tobten und siebzehn Verwundete ein- gebüßt. ES wird noch al- ein besonders glücklicher AuSgang betrachtet, daß eS gelungen ist, die Tobten und Berwunbelen der Willkür der Anareiser zu entreißen. Die Straße nach Langson hat den Franzosen schon vor einer Reihe von Jahren große Verluste gekostet, dort fand auch der Kamps statt, der zum Kriege mit China führte. Die Sache macht :en Eindruck, als ob sie nicht ohne ernste Folgen bleiben verdc, denn in diesem Falle ist ausnahmsweise nicht von einem Ueberfall durch Piraten, sondern von Chinesen die Rede. Die Kammern werden sich ohne Zweifel mit dem Fall beschäftigen, eS bleibt also abzuwarten, was sich daraus entwickeln wird. Frankreich ist in Bezug aus überseeische Kämpfe weit duldsamer geworden, al» e« früher war, sonst würde die Verwickelung mit Dahomey mit weit größerem Eifer und unter Aufbietung entsprechender Machtmittel be trieben worden sein. Frankreich hatte vor längerer Zeit mit einer gewissen Geringschätzigkeit erklärt, daß der Besitzstand in Dahomey auf recht erhalten werden solle; obwohl aber feststand, daß der König von Dahomey beträchtliche Streitkräfte bei Porto Novo und Kvtonu versammelt hatte, geschah von französischer Seite nicht« von Belang, um dieser Machtentfaltung die Spitze zu bieten. Jetzt liegt die Thatsache der Erstürmung von Badagny bei Porto Novo vor. Dabei haben sechs belgische Patre und drei weiße Schwestern den Tod auf dem Scheiterhaufen erlitten, und wenn auch die Franzosen unter Riou die Dahomeer vertrieben haben, so scheint doch auch dieser Kamps nicht ohne schwere Verluste gewesen zu sein, da Riou selbst sckwer verwundet wurde. DaS' sind die Ergebnisse der Be gründung einer besonderen Colonialarmee und der Bewilligung von ungeheuren Summen für die französische Flotte, für die erst vor wenigen Tagen ein NachtragScredi« von 38 Millionen mit großer Mehrheit gewährt wurde. Aber für die Er- eigniste in Dahomey trägt nicht die Regierung, sondern aus schließlich da- Parlament die Verantwortung, denn diese» zeigte sich so abgeneigt, für Dahomey irgend etwa» zu be willigen, daß die Regierung nicht in der Lage war. Ernstliche- zu unternehmen. Jetzt ernten die Franzosen die Früchte ibrer falschen Po litik in Tonkin wie in Dahomey und wir sie ihnen auch in Madagaskar nicht erspart worden sind. Es zeigt sich auch bei diesem Anlaß wieder, daß dir Franzosen nicht die rechte Mitte zu halten wissen: entweder lasten sie dir Sachen gehen, wie sie gehen wollen, oder sie stürzen sich mit Fruereiser in Schwierigkeiten, denen sie nicht gewachsen sind. Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß sie ip Tonkin ihre Kräfte ebne Notb nutzlos verschwendet hatten» nahmen sie diese Erfahrung zum Muster, um Fehler auf Febler zu begeben und durch Nichtbewilliguna der erforderlichen Mittel Alle» in Frage zu stellen, wa»P« durch langjährige Kämpfe in Tonkin, Dahomey und Madagaskar erreicht ballen. Nachrichten wir aus Porto Novo und Hanoi sink nicht geeignet, Laß Prestige Frankreich« zu erhöhen, man legt sich »itlmebr die Frage vor. we-halb man Besitzungen, die mit ganz unzureichenden Mitteln verlheidigt werben, nicht lieber «s-iebt. Wir sind leider nicht in der Lage, uns triumphirend aus unsere Erfolge in der Colonialpolitik zu berufe», weil wir in Deutsch - Ostasrika ebenfalls Schlappen er litten haben, die als die Folgen einer falschen Politik an zusehen sind, wie die Niederlage Zelcwski's und Bülow'S und der Ueberfall, dem Hauptinann v. Gravenreulb zum Opfer gefallen ,st. Aber alle diese Kämpfe haben keinen Niedergang unserer Hoffnungen auf die Zukunft zur Folge gehabt. Wir betrachten die Amtsführung Soden'S in Dar cS Salaam als einen Ucbcraang, der bald sein Ende erreicht haben wird, und dann knüpfen wir da wieder an, wo der Faden am 1. April l89l abgerissen worden ist. Vorläufig ist unsere Stellung an der Küste gesichert, der Weg nach dem Victoria Nyauza steht offen und da« Zwischenland bcsindel sich fast unbestritten in unseren Hände». Und das haben wir mit sehr geringen Opfern an Geld und unter zwar schmerzlichen, aber doch immerhin nicht beträchtliche» Verluste» an Vorkämpfen für die Sicherstellung der Zukunft unserer ausstchtövollcn Colonie in Ostasrika erreicht. Bei unS liegt der Schwerpunct der auswärtigen ein schließlich der Colonialpolitik in der Regierung, in Frankreich entscheiden die Kammern unter Berufung aus die öffentliche Meinung darüber. Wir ziehen unsere Art, diese Verhältnisse zu bekandeln, entschiedeu der französische» vor, denn auch bei unS ist die öffentliche Meinung nicht ohne Einfluß, sie macht sich nur nicht in so geräuschvoller Form geltend, sondern sie beschränkt sich auf maßvolle Einwendungen, die darum doch nicht ihre Wirkung verfehlen. Frankreich hängt von der augenblicklichen Stimmung der Volksvertretung und di« zu einem gewissen Grade auch der Wähler ab, die Regierung ist Kundgebungen der öffentlichen Meinung gegenüber machtlos. Wenn eine Sache eine ver- hängnißvolle Wendung nimmt, dann muß ein Sünden bock zur Stelle sein, und so wurde denn das Ministerium Ferry gestürzt, als die Nachricht aus Tonkin eintras, daß eine Truppenabtbeilung bei Sonday in eine» Hinterhalt gefallen sei und eine schwere Niederlage erlitten habe. Nach solchen Erfahrungen sollte man meinen, daß auch die jetzt gemeldeten Niederlagen aus Dahomey und Tonkin in den Verhandlungen der Kammer einen breiten Raum rin- nehmcn und den Eindruck anS Licht bringen werden, den sie im Lande gemacht haben. So erregt wird freilich der Meinungsaustausch nicht sein, wie er vor neun Jahren war, als die Nachricht vom Tode des Hauptmanns Riviöre eintras und eS den Anschein gewann, als solle der Tod dieses Führer» und seiner Leute an dem ganzen Volke von Tonkin und Anam blutig gerächt werden. Wenn man dem Marineminisler Vorwürfe darüber machen sollte, daß König Behancy Badagny erstürmt hat und daß Commandant Riou bei diesem Anlaß schwer verwundet wurde, so kann er sich mit vollem Recht auf die übel angebrachte Sparsamkeit der Kammer berufen, welche die Mittel nicht bewilligen wollte, um solchen Vorfällen entgegen zu wirken. In Dahomey müßte längst die Entscheidung gefallen sein, wenn die Franzosen heule noch so dächten wie vor zebn Jahren. Entweder zieht nian sich au» einem Lande zurück, das man nicht verlheitigen will oder kann, oder man erkämpft sich eine beherrschende Stellung. Diese Lehre können auch wir mit größerer Krastentsaltung in Ostasrika befolgen, als seit länger denn einem Jahre ge schehen ist. * Deutsches Reich. SS. Berlin, 11. Juli. Tein deutschen Patriotismus sind allerneuestenS verschiedene neue und unseres Er achtens nicht ganz leichte Aufgaben gestellt. Es ist nach der Ansicht sich besonders klug dünkender Leute ein Kenn zeichen des Patrioten: l) sich in dem Streite zwischen Bismarck und Caprivi unbedingt auf die Seite des Letzteren zu stellen, 2) zu ignoriren, daß Fürst Bismarck sich auf seiner Reise nach Wien anfänglich auch dort jeder Aeuße- rung gegen die Regierung enthalten hat und daß die dem Prinzen Reuß übermittelte AechtungSurkunde älter ist, als das Wiener Gespräch des Fürsten Bismarck, daß also nicht dieser „angefangen" hat, 3) zu glauben, daß die vom Grasen Caprivi befohlene Mitteilung der AcchlungSnrkunde a» den Grasen Kalnoky kein auf das Audienzgesuch de« Fürsten be züglicher Wink war und sein sollte, 4) dem Fürsten Bismarck anzustnnen, mit gebundenen Händen und versiegeltem Munde inmitten einer Rotte von Kvthwcrsern gleich einem Säulcn- heiligen zu stehen. Daö sind einige, aber »och lange nicht alle Gebote auS dem neueste» patriotischen Katechismus. Wir beneiden Diejenigen, die sie mit peinlicher Ge wissenhaftigkeit beobachten, um ihre Fähigkeit, Neues zu lernen und Altes zu vergessen, nicht aber um ihre politische Einsicht. Sie mögen glauben, zur rascheren Beendigung des gewiß sehr schlimmen Streite« beizutragcn, indem sic den früheren Kanzler, der nun einmal unwiderbringlich der amt lichen Wirksamkeit verloren ist, in» Unrecht setzen und allein lassen. Vielleicht wird er dadurch „intimidirt", um einen Ausdruck der Psychiatrie zu gebrauchen, auS der man ja in Erlassen und Zeitungsartikeln die Waffen gegen die Geistcs- stärksten der Nation holen zu müssen glaubt. Wir unserer seits glauben nicht, daß diese Berechnung sich richtig erweisen wird, noch weniger aber können wir nnS überzeugen lassen, daß die seit mehreren Tagen unter ärgster Brutalisirunz der Logik und Gerechtigkeit — von anderem Abstrakte» zu schweigen — in der Presse grassirende unbedingte Recht fertigung der Regierung dem Lande zum Segen ge reichen kann. Der Grundfehler de» neuen Curie» ist die Ueb erheb ung. Er glaubt Alle« zu dürfen, weil ibn gar kein Zzveifel anwandelt, daß er der „rechte" ist. Erzeugt man bei ihm — wider bessere» Wissen und nur, weil er eben einmal da ist — die Auffassung, daß er auS dem Kampf mit Bismarck als der Sieger hervorgeht, so wird und muß jene« verhängnißvolle Selbstvertrauen in bedenklicher Weise gesteigert werden E« ist nach dieser Rickitung schon mehr geschehen, al« der Allgemeinheit frommen konnte. Gegen die Schloßfreibeit-öotterit sprach Alle«, wa» gegen spätere ähnliche Pläne einzuwenden war, und noch mehr, da sie da» Fundament für da» Denkmal de- großen National helden Wilhelm l- auS den Verlusten von GlückSspielern zu errichten bestimmt war. Es bestand bei der öffentlichen Meinung und ihren berufenen Vertretern kein Zweifel über die nationale und moralische Unzulässigkeit der Veranstaltung, man ließ sie aber um de» lieben Friedens willen über sich er gehen und — munterte dadurch zu der Schloßplay- Lotterie auf, die nur mit schwerer Mühe zu beseitigen war. Sodann unterwarf sich die bessere Einsicht i» der DenkmalSfrage selbst dem höheren Willen und das Gleiche geschah in der Angelegenheit der inneren Ausschmückung desRcichslagsgebäudes. I» der Frage derReform der höheren Lehranstalten sahen wir gleichfalls die Anerkennung eines absolut maßgebenden RegieruugSwillenS; ma» sügle sich Neuerungen, die von keiner einzigen der widerstreitenden sachverständigen Richtungen erwartet oder für möglich ge halten worden waren. Ter Goßler'sche Schulgesetz en twurf machte dem Zeblitz'schen Platz, nur weil die Regierung cS so wollte, und die Art und Weise, wie dieser fiel, ist von seinen Gegner» sehr wenig staatöinännisch mit einer nicht über das allernächste Ziel hinauSschauenden Be friedigung hingenvmmen worden. Nur zu zahlreiche weitere Fälle ließen sich auführen, in denen die leitenden Kreise sich einer thatsächlich nicht vorhandenen Zustimmung zu falschen und in weitesten Kreisen als falsch erkannte» Schritten ver sichert halten konnten. Die Erregung solcher Irrtbünier muß den großen Gruiidirrthum. daß nämlich die Regierung sich in allen Dingen auf dein rechten Wege befinde, »>s Riesen große anschwellcn lassen. TaS Wort Goelhe's „der Mensch erkennt sich nur im Mensche», und das Leben lehrt jede», was ec sei", gilt auch für die Regierungen, und wenn Vertreter der öffentlichen Meinung diesen Satz ausheben, indem sie ihr eine Maske vorziehen, in der sich ein andere« al« das wahre Gesicht der Negierung wibcrspiegelt, so sind sic der Mit- und Nachwelt für die auS diesen Täuschungen hervor gehenden Selbsttäuschungen verantwortlich. Die Regierung wird auS einer Rechtfertigung ihres Verhaltens gegen de» Fürste» BiSmarck nicht nur eine aufrichtig gemeinte Pilligung eben dieses Verhallens, sondern auch die Zustimmung zu ibrer gesummten, von der de« Vorgänger« abweichenden Politik herauSbören. Dies vielleicht mit Recht, soweit der soeialdcmokratisch - deutschsreisinnig - ultramontan - welfischc Chorus in Betracht kommt, mit Unrecht auS den nationalen und gemäßigten Blättern, welche sich über die Folgen ihrer irreführenden Stellungnahme offenbar nicht klar sind. Die Hatz gegen den Fürsten BiSmarck ist trotz des gegen- theiligen AnlHeinS nur zum kleinsten Theil ein Product des xersönliuien Hasse-, sie gilt den Ereignissen von 1866 und 187«, mit denen sein Name unzertrenn lich verknüpft ist. Particularistcn, Klerikale, Demokraten ballen den Zeiipunct für eine Revision des damals gefällten weltgeschichtlichen UrthcilS für gekommen und in der Riesengestalt des große» Vollstreckers erblicken sic daö größte, wenn nicht einzige Hinderniß für die Erfüllung ihrer Wünsche. Die Natur säumt ihnen zu lange mit seiner Ent fernung, deshalb gilt cs, ibn durch Infamirung zu beseitigen. Die Regierung bat für diesen Sachverhalt kein Verständnis;, denn nach Graf Caprivi sind alle Parteien „national". Um so erstaunlicher, daß ein angesehener Theil der wirklich nationälgesinnten Presse ihrer Sache zu nützen glaubt, indem sie aushört, jenem Ansturm und dieser Täuschung entgegen zu treten. * Berlin, 1l. Juli. (Telegramms Dem „Berliner Tageblatt" wird folgende Meldung des „Wiener Tageblattes" lclegraphirt: „In hiesigen unterrichteten Kreisen erbtickt man in der Veröffentlichung der Note des deutschen Reichskanzlers an den deutschen Botschafter Prinzen Reuß in Wien, betreffend die Instruction sur den Aufentbalt deö Fürsten BiSmarck in Wien, einen Wink an den Prinzen, seinen Abschied zu nehmen. Man erwartet, daß der Prinz diesen Wink verstehen werde, da seine Stellung als Vertreter des Kaiser« Wilhelm eine unhaltbare geworden ist. Man beschuldigt den Prinzen und insbesondere die Prinzessin Neuß, daß sie nicht im Sinne jener Instruction ehandelt hätten, wenn auch der Wortlaut der Instruction esolgt worden sei, da die Prinzessin Reuß bei den HochzcitS- fcierlichkeiten des Grafen Herbert BiSmarck nicht persönlich erschien. Man weiß hier aber, daß die Prinzessin Reuß dennoch an den Feierlichkeiten gewissermaßen activen Antheil genommen bat, da sie den Besuch der Braut empfing und das ihr bis dahin unbekannte Elterupaar der Brau», den Grafe» und die Gräfin HoyoS, bei sich sah. Weiter empfing die Prinzessin Reuß den Fürsten BiSmarck und führte ibn an das Belt des erkrankte» Botschafters. Endlich erwiderte die Prinzessin Reuß persönlich den Besuch des cbcmaligcu Reichskanzlers im Palais Palffy und machte lein Hehl daraus, daß sic sich nur an den Wortlaut der In struction, nicht aber an den Sinn derselben halten werde. Es ist hier bekanitt. daß die Prinzesstin Neuß wiederhol, den verschiedensten Leuten gegenüber bcmerkl hat: „Ich freue mich wieder einmal, den Fürsten BiSmarck zu sprechen. Ich lasse mich nicht von Berlin a»S commaiidircn; denn ich bi» selbst die Tochter eines souvcraiuen Fürsten. Auch ist cS hier bekannt, das; die Prinzessin Reuß ihrem Gatten uuter- sagt(I) hat, Wien zu verlassen, und daß der allerdings leidende Zustand des Prinzen kein solcher war. daß er einen Auffchub der Abreise nöthig gemacht kätte; denn die Krankheit des Prinzen Reuß ist eine chronische und sie hätte ihm gestattet, schon vor 3 Woche» seine Reise anzu treten. Alle diese Umstände haben in den leitenden Kreisen Berlin» eine große Mißstimmung hervorgebracht, als deren Ausdruck die Veröffentlichung der Noten ini „RcichSanzeiger" angesehen wird. Man ist hier gespannt daraus, ob Prinz Reuß die Consequcnzen dieser Publikation und aus den ibn, bekannt geworrenen Acußerunacn des Kaiser« Wilhelm über sein und seiner Gattin Verbalien während der BiSniarcktage in Wien ziehe» wird." TaS „Berliner Tageblatt" fügt dieser Meldung hinzu: „Die Prinzesst» Reuß itt eine Tochter des Groß Herzogs von Weimar." (Schon der Umstand, daß die Prinzessin Reuß eine Tochter des Großherzog« von Weimar, also eine nabe Anverwandte des Kaiser« ist, hätte dem Wiener und dem Berliner Blatte sagen »iüssen, daß da« angeblich in Wien umlaufende Gerücht aus eine irrige Voraus setzung sich gründet Eine Tochter de» Großherzog« von Weimar und Gemahlin eines deutschen Botschafter- bemerkt nicht „den verschiedensten Leuten gegenüber", sie kaffe sich von Berlin au« nicht coiumandiren, und untersagt (!) auch nicht ihrem Gatten eine Reise, die er au« politischen Gründen unternehmen will oder soll. Auch darf bezweifelt werden, daß in Berlin an maßgebender Stelle eine Miß stimmung gegen den Botschafter und seine Gemahlin herrsche. Was die letztere während der Anwesenheit des Fürsten BiSmarck in Wien gcthan, ist vollständig vereinbar mit der Instruction vom 9. Juni, in der es wörtlich heißt: „Falls der Fürst oder seine Familie sich Ew. Durchlaucht Hause nähern sollten, ersuche ich Sie, sich auf die Erwide rung der conventionellcn Formen zu beschränken, einer etwaigen Einladung zur Hochzeit jedoch auSzuweicheu." Das ist geschehen; daß ein deutscher Botschafter und seine Gemabliu bei» „Herzog von Lauenburg" und seiner Familie u »höflich und unartig begegnen sollten, kann Graf Cavrivi »»möglich gewünscht haben, geschweige denn der Kaiser. Das ganze Gerücht ist höchst wahrscheinlich nur erfunden, um den Prinzen Reuß und seine Gemahlin, die gewissen Kreisen in Wien und Berlin ebenso sehr im Wege sind, wie Alles, was nicht in daS VerdammungSurtheil gegen de» Fürsten Bismarck eiiistinimt, anzuschwärzcn und zu verdäch tigen. Daß dieser saubere Plan von Erfolg sein werde, be zweifeln wir zunächst. Jedenfalls ist der Klatsch Wasser auf die Mühle de« Herrn Eugen Richter und beweist dem Grasen Caprivi, was man ihm in diesen Kreisen -„traut. D. Red.) — Nach einer weiteren Meldung de« „Berl. Tagebl." auS Wien verlautet gerüchtweise, ein Besuch des deutschen Kaiser« am Ischler Hoflager werde im August stattfinden. — Der „Staatsanzeiger" publicirt einen königlichen Erlaß, wodurch der Ausschuß zur Herbeiführung einer Reform des höheren Unterricht-Wesen« aufgelöst und der wärmste Dank des Königs den Mitgliedern vc« AuSschuffeS ausgesprochen wird. — Ueber die Unterredung, die der Bürgermeister Zelle mit dem Reichskanzler über die Frage der Berliner Welt ausstellung hatte, wird berichtet, daß der Reichskanzler sich dem Plaue günstig gezeigt bade und dem Kaiser über den Stand der Sache zu WilbclmShaven am 26. dS. Bortrag zu halten gedenke. Jedenfalls aber wird der Reichskanzler, ebe er sich endgiltig entscheidet, das Ergebniß der angeord- ueten Erhebungen abwarlen. Ob sich bis zu dem genanntrn Zeitpunct der Verlauf der jetzt innerhalb der gewerblichen Well angcstrebkkn Bemühungen übersehen und die Stellung nahme der verbündete» Negierungen schon irgendwie berechnen lasten wird, dürfte jedoch fraglich sein. Eine Entscheidung in dieser Beziehung ist vor Mule August schwerlich zu erwarten. * Braunschweig, lO. Juli. Gestern und vorgestern tagte hier der Deutsche Brauer-Verband (Arbeit nehmer), zu welche», 19 Tclegirte aus Hannover, Kiel, Hauiburg, Berlin, Nürnberg, Fraiiksurt a. M, Stuttgart, Mannheim -c. anwesend si»d, welche 2600 Brauer vertreten. In der ersten Sitzung wurde u. A. beschlossen, die lose Organisation auszugeden und einen „Centralverband deutscher Brauer" zu gründen. Der Titel deö VerbandS- organS „Deutsche Brauer-Zeitung" soll in „Eentralorgan der deutschen Brauer" geändert werden. E» wurde vor läufig abgclehnt, die Brauereiarbeiter in den Verband auszuuehnieii, und beschlossen, auf Beseitigung de- Schlas st ellenwesenS für Brauer hinzuwirkcn. tk. Jena, 10. Juli. Das hiesige Organ de- Abgeord neten Harmening ist auf die Ankündigung der Reise einer Deputation aus Jena zu dem Fürsten BiSmarck ganz außer sich gerathen; in einem mit Gift geschriebenen Artikel entrüstet eS sich über die Reise und fordert seine Gesinnungs genossen auf. ja zu Hause zu bleibe», falls der Fürst seinen Weg über Jena nehmen sollte, eine Aufforderung, die ihren Ursprung in der Angst hat, denn eS ist sicher, daß, falls Fürst BiSmarck wirklich Jena berührt, auch ein ansehnlicher Theil unserer Freisinnigen zum Empfang erscheinen wird. Große Heiterkeit erregt hier die Bemerkung des Harmening'- schen Blattes, daß doch die Stadt Schiller'«, Goethes, Oiiken's, Haeckel's sich nicht durch die Begrüßung Biömarck'S blamiren sollte. Als das Blatt diesen schönen Satz schrieb, wußte cS nämlich noch nicht, daß Haeckel, unser berühmter Universitätslehrer, an der Spitze der Deputation stand, die sich nach Kissingen begeben hat. * Ems, ll. Juli. (Telegramm.) Der König Alexander von Serbien traf gestern Nachmittag um 3 Uhr 45 Min. hier ein. Der Exkönig Milan, welcher bereits Vormittags u»i 10 Uhr 25 Min. angekoiiimen war, reiste seinem Sohne bi« Oberlahnstein entgegen. Abend» er schienen Vater und Sohn mit Gefolge auf der Promenade. * Mainz. 10. Juli. Nach einem früheren Beschluß der socialbcmokratischen Partei im Großhcrzogthum Hesse» sollte im Juli d. I. eine „LandeSconferenz" stattfinden. Wie das LandeScomilS bekannt giebt, erachtet es diese Zusammenkunft für „überflüssig" und verschiebt sie deshalb auf den Herbst. 1 Karlsruhe, 10. Juli. Wie der König von Württem berg. so hat auch der Großherzog von Baden durch sein Gcheimcabinet dem Verfasser der beiden Broschüren „Der Jude wirb verbrannt" und „Neueste Iudenslintrn", Herrn William Schöppe in Dresden, für die Einsendung dieser seiner Schriften danken lassen. Es ist freilich längst bekannt, wie unser Großherzog über den AntisemiliSmu« denkt und wie scharf er diese ebenso unchristliche wie zweckwidrige Verirrung verurtheilt. * Kissingen, 11. Juli. (Telegramm.) Di» dem Fürsten BiSmarck seiten« der deutschen Partei in Württemberg zugedachte Ovation hat. wir schon kurz gemeldet, gestern Mittag stattgefunden. Ueber 600 Herren »nd Damen aus Hcilbronn, Stuttgart und Ulm waren mit dem Exlrazug eingetrvffen und begrüßten den Fürsten bei der oberen Saline mit stürmischen Hochrufen. Der Fürst erwiderte mit einem Hoch auf de» König von Württemberg und erklärte, die erneuten Ovationen diente» ihm als Beweis, daß die Mehrzahl seiner Landsleute nicht mit den Angriffen ans ibn einverstanden sei. Unsere vornehmste Pflicht sei die Erhaltung des Frieden», die nach Osten hin auch möglich sei. Nach der Rede entstand ein ungeheurer Jubel und die Ovationen wollten kein Ende nehmen. Der Fürst sah ungemein wohl und kräftig auS. — Die Festtheclnehmer kehrten Abend- mit dem Exlrazug» zurück.
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