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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920716012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892071601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892071601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-16
- Monat1892-07
- Jahr1892
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1.SS7LS. «VOl.Tdb» 2^200. är.w2ö. .' 7,200. LI. 1030. 4«I> «»»«». »liois. I. !. ,«,300. j. «7 r. 3. z. «> m n , 7 tOMVO.SOd- U. .03«lI03,50 0. o. tlwlk Vn' k »l>.»ir. 8S0. k. O. tllvL 13 »rL Slbo«»eme»tSpreiS ti h« hauptetzpebitioa ad« de» iw Stad» bezirk und d» Vororte» errichtet«» >us- gabestelleu » bg « holt: vierteljährlich 4P0, bet zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau« ückO. Durch di« Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: viertel>Sbrltch S.—. Direct« täglich« Kreuzdaudseudung ta» Ausland: maaatlich S.—. Dt« Morgen-Ausgabe «scheint täglich'/.? Uhr, dt« Abend-Ausgab« Wochentags b Uhr. Le-actioa und Lrpeditioa: SatzMttiesgaS« Di» Erve di klon ist Wochentags »»»»terbroche» ^»Snet vo« früh » bis »och« 7 VH» Filiale«: vtta Ll«»«'s Sarlt». (Msrs» -«!»)b UniverfULtsftrntze I, 8«»t» r-fchs, Kathariaenstr. 14. Part, wch Königsplatz 7. Morgen-Ausgabe. WriMMMM Anzeiger. Lrgan für Politik, LocalMichte, Handels- «ud Geschäftsverkehr. JusertiotrSpreiS ^ Die 6gespaltene Petitzeile SO PW Reklamen unter demRedacttoasstrich (4gM spalten) bO^, vor den Familtenaachrichtr» (Sgespaiien) 4V / Größer« Schriften laut unserem VrelAs verzeichniß. Dabellarifch« und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Khtra-Vellage» (gefalzt), nur mit des Morgeu-Ausgabe, ohne Postbefördernn« mit Posibesvrderung ^l 70.-» Annahmeschluß für Znsernte: «bend-Ausgade: vormittag» 1V Uh«. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uh«. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. . Bei den Filialen und Annahmestelle» je «uts halb» Stund« früher. Inserate sind stets an dt« GtAeVlklst» zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Le^ig. ^»36«. Sonnabend den 16. Juli 1892. 88. Jahrgang Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den IV. Juli, Vormittags nur bis */z9 Uhr geöffnet. Lxpeilltlon Ü681,e1pLlxer ^axelrllttte.i. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Die ta unserer Bekanntmachung vom 18. vor. Mts. für den Verkauf von Mineral- und kohlenlauren Wässern an Sonn- und Festtagen zu ^3 festgesetzte Verkaufszeit von II Uhr Vormittags bis 4 Uhr Nachmittags wird nach eingegangener Genehmigung der königlichen Kreishauptmannschast dahin erstreckt, daß dieser Verkauf nebst den dafür erforderlichen Arbeiten, insbesondere der Bereit- stellung der Mineratwasser-BallouS auch nach 4 Uhr Nachmittags unbeschränkt stattfinden darf. Leipzig, den IS. Jult 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. X. 4K52. vr. Tröndlin. Arnold. Bekanntmachung. Die Straßenbau-, Zimmerer-, WafferleitungS- und Steinmetz arbeiten für den Erweiterungsbau der Schwetnemarklhalle auf dem städtischen Btehhose sind vergeben. Die nicht berücksichtigten Bewerber werden deshalb ihrer An gebote hiermit entlassen. Leipzig, am S. Juli 1W2. I». 287 103«. Der Rath der Stadt Leiprlß- vr. Georgs Lindner. Bekanntmachung. Wegen vorzunehmender Umpflasterung wird dom 18. diese- Monats ab die nördliche Fahrstraße des KirchpiaqeS zu L.-Gohlt», sowie im Anschlüsse hieran mit dem Fortschritten der Arbeiten die »veftltche Fahrstraße desselben und später die Leipziger Strotze zu L.-NohliS während der Tauer der Arbeite» nacheinander für allen Fähr verkehr gesprrrt. Leipzig, am 14. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. IX. 12357. vr. Georgi. Stahl. Bekanntmachung. Wegen vorzunehmender ASphaltirung wird vom 18. dieses Monats ab die Hohestratze auf der Strecke zwischen der Bayerischen und Elisenstraße für di» Dauer der Arbeiten sür allen Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 14. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. IX. 12450. vr. Georgi. Stahl. Bekanntmachung. Zu Gunsten der Schwestcru-Lasse des Albert-ZweigvrreinS Leipzig erhielt ich von dem Herrn Friedensrichter C. Schwarzwann hier folgende vom 1. April bis 30. Juni 1892 vereinnahmten Sühnegelder: Sühne in Sachen Pf. '/. M. - . - D. '/. H.s - » - Tr. '/. I. - - « W. '/» N. » » - H. '/. G. - - H '/- N. . . . K.'/-K. - - « H. '/. H. » » » M. « « » S. - « - K. - » » S. '/- - - - B. /. K. - 9 » « » K. Sch. » 5 - - - Sch. '/- W. - 10 - . . Sch. G. - 10 » « » B. H. » 10 . - . K. /. W. - 8 . . . W. /. Pa. - 3 » » « R. '/. H. »5 - - - S. /. H. abschlägl. - 9 ^3 224 dazu aus der Sammelbüchse - 54 >4 278 worüber hierdurch dankend quittire. Leipzig. 13. Juli 1892. Carl Strub«. Rechnungsführer des Albert-ZweigvereinS. l w Die Annahme der Valuta-Vorlagen in Wien und Pest. Die Baluta-Borlagen sind am Donnerstag in Wien mit 190 geegcn 9l Stimmen, in Pest einstimmig angenommen worden. In Pest war die Neigung, dir Vorlagen anzunehmen, von Anfang an allgemeiner verbreitet als in Wien, die Gründe dieser Erscheinung waren aber nationaler, nicht sachlicher Natur. Die Parteiunterschiede im ungarischen Abgeordnetenhaus« sind anderer Art als im österreichischen Parlament; in jenem herrscht das magyarische Element, und eS sind nur die verschiedenen Spielarten dieser Nationalität, die miteinander kämpfen. Als der Sturz TiSza'S mit allen Mitteln von radikaler Seite betrieben wurde, sagten cs seine Gegner offen heraus, daß er nun lange genug Minister gewesen sei. um auch einmal einem Nachfolger Platz zu machen; dieser entsprach aber doch ihren Wünschen nickt weil er einerseits zu conservativ und andererseits zu öster> reichisch oder vielmehr gefammlstaatlick gesinnt ist. Bei der Reorganisation derVerwallung kommen Interessen in Fraqe.und das radikale Magyarmthum hält mit aller Beharrlichkeit an der Lomitats-Wirthschaft fest, die ihm erlaubt, im Trüben zu fischen, während die liberale Partei einen Zustand begünstigt, in welchem Ordnung und Geseü Kerrschen und Ungarn fähig macht, in die Reihe der cirilisirten Staaten im engeren Sinne rinzutreten. Dieser Unterschied kommt bei den Valuta- Borlagen nicht in Betracht, sie haben den Zweck, den Staats« Credit zu verbessern, weil sie der Papicrwirthschast ein Ende machen. Dafür baden die Parteien im ungarischen Abge ordnetenbause volles Vcrständniß, cs kommt allen Ungarn gleicherweise zu Gute, und deshalb haben sie auch einstimmig 9a gesagt, ein Vorgang, der sonst unerhört ist im ungarischen Parlament. Ganz anders liegen die Parteiverhältnisse in Oesterreich. Tort gicbt eS eine Polengruppe, die nur deshalb mit der Regierung geht, weil sie den Polen stets den Willen zu thu» pflegt; es giebl dort ferner Czechen, die durch die Versöhnungs politik des Grasen Taaffe in das Abgeordnetenhaus hinein- zelockt worden sind, nachdem sie ibm dis zum Jahr l879 ern geblieben waren; eS giebl dort Slowenen, die gleichfalls ihre besonderen Ansprüche erbeben, und endlich besteht dort eine leider gespaltene deutsche Partei, welche an Len Uebcr- lieferungen des OcslerreichcrthumS, an dem einheitlichen StaatSgedankcn festhäll. Die Dcutschlibcralen unter Führung Plener'S verkennen zwar nickt, daß die VersöhnungSpolitik noch keineswegs aufgcgcben ist, trotz des Entgegenkommens der Regierung, deni sie den Minister Kucnburg als Ver treter der deutschen Interessen in der Regierung verdanken; aber ihre Vaterlandsliebe gebietet ihnen, baß sie nicht aus Parteirücksichteil einer Maßregel feindlich entgeacntretcu, welche offenbar dein Wohle des Ganzen zu dienen bestimmt ist. So weitherzig sind die Deutsch-Nationalen nicht gesonnen, ie verlangen eine ausgesprochen deutsch-österreichische Politik, die de» Slawen scinblich gegenübcrtrilt, und außerdem haben sie Berührungspunkte mit den Antisemiten, welche die neulich» Anwesenheit des Fürsten Bismarck in Wien zu Kund gebungen sehr übel angebrachter Art benutzt baden. Die Folgen zeigen sich jetzt in der Auflösung aller deutsch- nationalen Sludcnten-Verbindungen, einer Maßregel, die man vom unbefangenen Standpuncle aus nur billigen kann. ES ist durchaus abzulchnen, daß Studenlen Politik treiben: auf der Stufe der geistigen Entwickelung, in welcher sich junge Leute nach Absolvirung des Gymnasiums befinden, sollen sie nach einem allgemeinen Uebcrblick über das ge lammte Gebiet d«S Wissens streben und sich zugleich auf ihren späteren Lebcnsberuf vorbereiten. Das schließt nicht aus, daß sich in den jugendlichen Gcmüthern politische Grundsätze fcstsetzen und weiter entwickeln, die für da- spä tere Leben maßgebend bleiben, aber dieser Werdeproccß ist nicht dazu geeignet, in das politische Leben als etwas Fertiges selbstständig einzugrcifcn. Wir verwerfen ja gerade die Un reife und Unfertigkeit deS größten ThcilS der Socialkcmo- kraten und bekämpfen deshalb die Erweiterung deS Wahl rechts im Sinne der Festsetzung deS 2l. Lebensjahres als Beginn für die Ausübung dieses Rechtes. Der Bildungsgrad allein entscheidet nicht über den Zeitpunkt, von welchem an politische Rechte ausgeübt werden können, eS bedarf auch einer gewissen Reife des UrtbeilS, die erst nach Ablauf einer weiteren Euiwickelungszeit sich einzusinden pflegt. Der Wortführer der Deutsch-Liberalen in Oesterreich, v. Plcncr, hat bei diesem Anlaß eine Lanze für die clu ut äes- Polilik gebrochen und den Grundsatz aufgestellt, daß seine Partei berechtigt sei, in bestimmten politischen Lagen, auch bei sachlichen Vorlagen politische Fragen auszuwerscn. DaS Wort cko ut eieo-Potilik hat bei uns in Deutschland einen schlimmen Klang, wir denken dabei an die Centrums- parlci, die jedes Zugeständnis an die Negierung von der Gewährung von Sonderrechten für die katholische Kirche abhängig macht. Diese Vergleichung führt aber zu dem Ergcbniß, daß die Deutsch - Liberalen Oester reichs sich in einer ganz andern Lage befinden, als taS Centrum im deutschen Reich. Den Deutsch-Oesterreichern werden Rechte, auf die sie einen bistorischen Anspruch haben, tbeilweise vorcntbalten, um unersättliche Wünsche der Czechen und Slowenen in Erfüllung zu bringe», während das Ceulrum die Macht der Kirche erhöhen will. Noch neulich ist die de» Deutsch - Oesterreichcrn ungünstige Regicruugöpolitik i» der Ernennung von Czechen und Slowenen für einfliiß- reiche Stellungen im Justizdienst hcrvorgetretcn und hat in deutschen Kreisen einen sehr Übeln Eindruck ge macht. Darauf bezieht sich die Bemerkung Plener'S, die übrigens nur die Bedeutung einer Warnung hat, weil die Deutschliberalen trotzdem jür die Va'.uta-Vorlagen gestimmt haben. Dieser Vorgang dient dem Ministerium Taaffe als eine Mah nung, innc zu ballen mit der längst als verfehlt erwiesenen Versöhnungspolitik. Die Dcutsck-Lestcrreicher könne» es nickt dulden, daß ihre angestammleu Rechte zu Gunsten einer Auf lösungspolitik unbeachtet gelassen werden. So sehr eS auch im deutsch-österreichischen Interesse liegt, dem Gesammtwohl dienende Vorlagen in Vollzug setzen zu helfen, so unzweifel haft ist doch die Berechtigung der deutsch-liberalen Partei, gleichzeitig einen Zustand als Grundbedingung fcstzu- haltcn, der dem Teutschthum in Oesterreich die ibm ge bührende Stellung anweist. Der Kaiser Franz Josef ist erst neulich bei seiner Anwesenheit in Mähren darüber aus geklärt worden, daß sich die czechische Bewegung auch nach Gebieten hin Bahn gebrochen bat, wo die nationalen Grund lagen für eine solche Bereinigung fehlen und erst künstlich bergestellt werden müssen. Gegen solchen Mißbrauch der cdcln Absichten des Kaisers helfe» nur RegierungSmaßregeln, die mit der Versöhnungspolitik deS Grafen Taaffe nichts gemein haben. Ein sehr beklagenswerther Vorgang ist die Vergeblichkeit des Annäherungsversuches der Deutsch Liberalen an die Deutsch- Nationalen, es läßt sich daraus entnehmen, daß doch eine tiefe Kluft zwischen beiden Gruppen besteht» die sich kaum ausfüllen läßt. Ob der nationale oder der antisemitische Grundzug der Deutsch-Nationalen die Vereinigung der beiden Gruppen hindert, ist schwer sestzustellen, wahrscheinlich kommen beide Hindernisse in Betracht. Deutsch-national ist eine Bezeichnung, die für eine österreichische Partei völlig un geeignet erscheint, denn die deutsche Ration hat ihren festen Zusammenhang im deutschen Reiche gefunden und kann ihn niwt außerbalb suchen. Leute wie Schönerer haben gar kein Hehl daraus gemacht, daß ihre Sympathien auf Seiten deS deutschen Reiche» stehen, aber ebensowenig haben die Deutschen im Reiche jemals einen Zweifel darüber auskommcn lassen, daß sie mit Herrn v. Schönerer und seinen Anhänger» nichts gemein baden als die deutsche Abkunft. Wenn die Deutsch- Nationalen in Oesterreich trotzdem gegen die Valuta-Vorlagen gestimmt haben, und zum Theil, wie der Abgeordnete Sueß, aus dem Grunde, weil Oesterreichs VolkSwirlhschast nicht auf die Aussicht basirt werden dürfe, daß in Afrika neue Gold felder entdeckt werden, so kann das nur als eine Verirrung betrachtet werden. Gold giebt es auch ohne die Entdeckung neuer Goldfelder in hinreichendem Maße, um Oesterreich- Ungarn mit diesem Metall zum Zweck der Einführung der Goldwährung im vollsten Maße auSzuslatten. Der finanzielle Gesichtspunkt ist in dieser Frage der allein richtige. * Dentsches Reich. * Berlin, 15. Juli. Unter der Ueberschrift „Ein Auf ruf an des Kaisers Herz" veröffentlicht die Münchner „AUgem. Ztg." folgende Zuschrift eines protestantischen Geist lichen in Schwaben, die zweifellos die Gefühle und Gedanke» Weiler Kreise nicht nur in Süddeutschland, sondern in allen Thcilen de« Reiches getreu wiedergiebt: „„In der nationalen Politik ist das Herz noch stärker als der Verstand." Dieses Wort, das Bismarck oin 10. Juli z» den Schwaben sprach, die ihn in Kijsinqen besuchten, erinnert daran, Laß auch die Politik mit dem Herzen zu rechne» hat. Auch in der Hinsicht ist die Politik eine psychologische Kunst, als sie sich auf den Herzschlag, das tiesinnerste Empfinden des Volksgemülhs verstehen muß. Nun ist es eine Thatsache, die Niemand leugnen kann: Fürst Bismarck ist einem quanlitativ und qualilativ beträchtlichen Theile des deutsche» Volkes ans Herz gewachst»; er ist sozusagen ein Element des deutsch - nationalen Eiiivsindciis geworden. Tragen die gegenwärtigen Machibaber dieser Thalsache Rechnung? Bedenken sie, daß durch die Kränkungen, die Bismarck zugefügt werden, Millionen von deutschen Herzen mit- getroffc» werden ? Meine» sie denn, durch Artikel, wie sie die „Nordd. Allg. Ztg." gebracht, durch Maßregeln, wie die Sendung des Aechlungsedicts nach Wien, Bismarck auS dem Herzen des deutsche» Volkes reißen zu können? Die gegenwärtigen Machthaber waschen freilich bet dem Unheil, das sie aiigerichtet haben und das sie, wie es scheint, ins Un- gemessene noch zu vermehren gedenken, ihre Hände in Unschuld. DaS bitterböse Verhalten Bismarcks seit seiner Entlassung soll an Allem schuld sein! Sir können es nicht begreifen, daß der Mann, der groß, übergroß geworden ist, nicht aus Eommando klein werden will, daß der Meiste« det Staatskunst sich nicht plötzlich in einen Knaben verwandelt, der hübsch artig und still auf der Schulbank sitzt. Sie sind vor Entrüstung äußerlich, daß Bismarck mit seiner Entlassung nicht sofort aus seiner eigenen Haut gcsahren ist, »m eine andere Natur anzuziehen. Sie schlagen die Hände über den Kops zusammen, daß auch der aus allen seinen Aemtern Entlassene noch soctsäbrt, Eigenschasten zu ossenbarcn, ohne die sich seine Grüße und seine Erfolge gar nicht denke» lassen, z. B. einen unbeugsamen Starrsinn im Feuhallen dessen, was er als heil- sain für das Reich erkannt hat, einen rücksichtslosen Drang, das auch geltend zu machen, die tcmperament- und phantasicvolle Art der Aus- iprache re. Sie nehmen cs ihm schwer übel, wenn der Mann, der Jahrzehnte lang die Fäden der Weltpolitik in seinen Händen ge halten hat, auch nach seine», Abgang »och das Vedürsniß fühlt, auch noch vor dem Forum Europas zu sprechen. Ueber die tadellose Correctheit aller Worte und Maßregeln Bismarcks vor und nach seinem Abgang mag mit Pedanten rechten, wer will. Ein Tbeil des deutschen Volkes, der sich nicht als guaatitö aktstureadle behandeln läßt, glaubt von den in Deutschland Regierenden ver langen zu dürfen, daß man den Großen auch mit großem Maß- stab mißt, daß man ihm das Recht zuerkennt, das zu sein, was er ist. Es muß ausgesprochen werden, und es darf von Denen, die das Lhr Sr. Majestät des Kaiser haben, auch dein Kaiser nicht vcrschiviegcu werden: die Wunde, die der deutschen Volks- seele durch die Behandlung des Fürsten Bismarck geschlagen worden ist, darf nicht »och weiter aufgerisscn werden. So traurig cs ist, so wahr ist es; es droht eine förmliche Ver- gistung des deutschen GemüthS. Mögen die Nltramontaue» und Demokraten immerhin lästern — erstere könnten iich vom Papst Leo XIII. über die persönliche Größe Bismarcks eines Besseren belehren lassen! — sie folgen damit einem Trieb, der leider ja auch tief im deutschen Wesen sitzt: der Abneigung, wirkliche Größe anzuerkennen und sich gemeinsam vor ihr zu beuge». Die Anderen danke» Gott, daß ihnen in Bismarck wieder einmal ei» nationaler Heros gegeben ist, für den sie sich einmüthig begeistern können. Die Huldigungen, die Bismarck dargebracht werden, sind eine nat irnothweiidige Reaction des nationalen Empsindeiis gegen die schmerzliche Gewalt, die diesem Empfinde» angelhon worden ist, ein mit Leidenschaft ergriffenes Mittel, um die Wunde, an der inan krankt, »u lindern — freilich nicht blos die Wunde im eigenen Herze», sondern auch die im Herzen Bismarck's. Man empfindet es weithin: Bismarck ist ein tief im Innern verwundeter Mann. Er ist um so tiefer verwundet, als bei ihm immer das Herz neben dem Verstand an entscheidender Stelle stand. Nur das, daß bei seinen Worten und Thaten stets die Resonanz eines tief angelegte» Gcmüths vernehmlich mitgetönt hat, macht das Wunder unvergleichlicher Bolksthümlichkeit dieses „Diplomalcn" bei den Deutschen begreiflich. Gewiß, er leidet — durchaus natürlicher weise — auch darunter, daß er, dein das Herrschen zur Natur geworden ist, zum Zuschauer geworden. Aber weit mehr leidet er unter der schneidenden Disharmonie, die durch die Art seines Abgangs »nd seines Verhältnisse«, zu seinem jungen kaiserlichen Herrn in sein Leben gekommen ist. Ein englisches Blatt hatte die Frechheit, an- läßlich der Wiener Kundgebungen Bismarcks von einer „Art von moralischer Entartung" zu reden, di« bei dem Fürsten eingetreten sei. Nun, um Bismarcks Moral brauchen sich die Engländer nicht abzusorgen. Tie „Nordd. Allg. Ztg." hat mit Schrecken wahrgenommen, daß die Erinnerungen des Fürsten sich zu Ivenvirren beginnen. Sie wandelt damit aus den Spuren, die schon vor zwei Jahren z. B ein demokratisches Blatt Schwabens in freilich weit plumperer Weise getreten bat. Das öffentliche Auftreten Bismarcks ist auch deswegen nolhwendig, um derartigem Gerede die Spitze abzubrechen. Der Eindruck, den Unbefangene gewinnen, ist der, daß in den Verstand, der Bismarck in seinem hohen Alter geblieben ist, mehrere Minister sich noch reichlich Iheilen könnten. Tie wunde Stelle im geistigen Orga- nismus Bismarcks liegt im Gemüth. Wer kann sich anmaßen, Bismarck oorschreiben zu wollen, wie tief er das empfinden dürfe, was ihm widerfahren ist? Und das deutsche Volk hat die Pflicht, die Stimmung des Mannes, dem es unermeßlichen Dank schuldet, zu würdige». DeS Kaisers gegenwärtige Beratber erweisen sich, sowohl dem deutschen Volk als Biemarck gegenüber, als bedauerlich schlechte Psvchologen. Rur mit der tiefsten Betrubniß und mit den weilestgedenden Besorgnissen kann der Patriot die gegenwärtig« geistige Lage der Dinge in Deutschland ansehen. Erlass«, wie die von Laprivi veröffentlichten, zeigen Alle- in einem noch weit schlimmeren Licht, als mau geahnt hatte. DaS kann man nicht mehr Tragik nennen, wie eS mit Bismarck gegangen ist. Ta» ist «ine fratzenhafte Verzerrung der deutschen GeschichteI Es ist Pflicht, zu begreifen, daß eS so nicht weiter gehen kann. Es ist Pflicht, die Größe eines einzigartigen Mannes auch dann noch zu tragen, wenn sie Einem unbequem wird. Auch Luther'» Größe hatte für seine evangelischen Freunde oft etwas Unbequemes. Diese habe» darum nicht die Distinclion aufgebracht zwischen einem früheren großen und einem spälcren kleinen Luther! Lassen die Berathcr Seiner Majestät den schmerzlichen Auf schrei ungezählter deutscher Herzen zum likaiser dringen? Es wäre geradezu slaatsgesährlich, aus falscher Ehrfurcht zu verbergen, was Thatsache ist: daß das deutsche Volk in Millionen Inner Glieder den schroffen Zwiespalt als etwas tief Beänstigende« empfindet, in den der Kaiser durch den Wechsel seines Verhaltens zu Bismarck sich mit sich selbst gesetzt! hat. Ist eS nicht Unter- thanenpflicht, so laut und eindringlich als möglich vor einem Weg zu warnen, dessen Fortsetzung nur unter Anrichtung einer mora lischen Verheerung im deutschen Volk möglich ist? Möge doch der Kaiser aus den überwältigenden Huldigungen, die dem ersten Reichskanzler dargcbracht werden, nicht bloS die Opposition heraus- hören, sondern auch den inständigen Appell treuer Unter» thanen an sein eigenes HerzI" * Berlin, 15. Juli. (Telegramm.) Der aus Stock holm hier einqctroffene General-Consul Eckhardt ist in der handelspolitischen Ablhciluiig des auswärtigen Amtes mit der Sammlung von Material für eine größere Arbeit beschäftigt. Eine Verlrclung in der pol i tischen Ablheilung durch General- Consul Eckhardt ist nach einer Mittheilung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" nickt in Aussicht genommen. — Wie die „Köln. Zeitung" auS bester Ouelle erfährt, ist die Nachricht der „Allgemeinen Zeitung" durchaus un begründet, daß dem Reichstag in der nächsten Tagung der Entwurf einer neuen Militairstrafproceßordnung zugehc» soll. Im Gegen theil lasse sich mit großer Sicherheit jchon heute sagen, daß die nächste RcichStagStagung sich noch keinesfalls mit diesem noch in den ersten BerathuugSstusea befindlichen Entwürfe zu beschäftigen haben werde. — Der vom preußischen HandelSminister den wirthsckaft- lichen Vereinen zur Versendung an ihre Mitglieder zur Ver fügung gestellte Fragebogen in Sachen der geplanten Welt ausstellung in Berlin enthält nach den „Berliner Politischen Nachrichten" lediglich die beiden Fragen, ob der betreffende Großindustrielle die Berliner Weltausstellung als im Interesse seines Betriebes liegend erachte, und ob er gewillt sei, sich au derselben zu bethcilige». — Die Reform des Sanitätsdienste« im Kriege steht seit den großartigen Verbesserungen der Schußwaffen auf der Tagesordnung. BcachtcnSwerthe Vorschläge haben bekanntlich bereits ärztliche Autoritäten erste» Range- gemacht, ein englischer Brigadc-Arzt, vr. Williams, macht jetzt aus einen Mangel des SaniiätSdiensteS besonders bei den be rittenen Truppen aufinerksam. Diese Ausführungen de- eng lischen ArztcS sind besonders interessant, weil diese letzteren Truppengattungen in einem nächsten Kriege mehr wie früher zu Detachirungei, verwandt werden und in einzelnen kleinen Abheilungen Werden fechten müssen, mithin die Wohlthat ordentlicher Feld-Lazarclhe oft entbehren müssen. Der englische Arzt meint nun mit Recht, daß bei einem Cavallerie Regiment mindestens drei Aerzte zugegen sein müssen. Tie Krankenträger mußten der Truppe überall hin folgen können, selbst bei Gewaltmärschen, sie müßten also sammtlich beritte» sein. Ilnberittene Krankenträger genügten nicht, wie der egyplischc Feldzug 1882 dargcthan habe, wo gerade verwundete Cavalleristen lange Zeit ohne Pflege liegen blieben. Die Krankentragen für berittene Krankenträger sollten von leichtem Segeltuch, l,83 m laug und 0,51 m breit sein, die Tragstangen von BambuS, 2,13 m lang, auS zwei Thcilen bestehend und durch eine metallene (rostfreie) Buchse in der Mitte verbunden sein. Eine solche Trage würde ver packt wenig über 1 m lang bei etwa 20 cm Durchmesser und nicht über 5>/z kz schwer sein. Außer dem etat-mäßigen Operationösack sollten ein Medicinalsack und ein Paar Sacke mit Verbandmittcln für Kncchenbrüche cingcführt werden. Ein leichter Ambulanzwagen von besonderer Bauart sollte stets bei der Truppe bleiben. Wenn diese Vorschläge auch unmittelbar sich auf englische Verhältnisse beziehen, so kann doch auch der deutsche Sanitätsdienst Manches daraus lernen. — Bei der Jnvaliditäts- und AlterS-BersicherangS- anstalt Berti» sind in dem Vierteljahr vom 1. April 1892 bi« 30. Juni 1892 229 Anträge auf Altersrente anhängig gewesen, davon sind anerkannt 110, abgcwiescu 39, am Schluffe deS Viertel- jahrs unerledigt verblieben 80 Anträge. In dem gleichen Zeitraum sind anhängig gcweien 169 Anträge auf Bewilligung von Invaliden- renten. Hiervon sind anerkannt 46, abgewiesen 67, zurückgezogen 3, am Schlüsse des Vierteljahres unerledigt verblieben 53 Anträge. Seit dem I. Januar 1891 sind Anträge gestellt worden auf Be willigung von Altersrente 2157, davon sind anerkannt 1388; auf Bewilligung von Invalidenrente 298, davon sind anerkannt 63. — Schon wieder werden von socialdemokratischer Seite „Führer" beschuldigt, die ihnen anvertrauten Ver trauensstellungen nur im persönlichen Interesse auS- gcnutzt zu haben. Diesmal handelt eS sich um ein Stück der in Erfurt zur Parteisachc erklärten Gewerkschaftsbewegung, und zwar um die sogenannte „Freie Vereinigung der CivilberusSmusiker". Ueber eine am DieuStag hier abgehallene außerordentliche Generalversammlung wird be richtet: „Tie „Freie Vereinigung der Eivil « BerusSmasikcr" hatte den Zweck, die socialdemokralische» Berussmusiker von den „Groß- Musikanten" unabhängig zu machen, und es war zu diesem Behuf eine auS den Musikern E. Rieck und W. Schulz bestehend« Lom- miffion gewählt worden, welche die Aufträge aut musikalisch« Ver anstaltungen sür die Vereinigung vermitteln sollten. In der Ver sammlung wurde gegen beide Genossen der Vorwurf erhoben, daß sie die Geschäfte lediglich sür ihre eigene Tasche ver mittelt haben. Hunderte von dem Verein zuaedachten Geschäften hätten sie privatim abgemacht, und die an den Vorstand gerichtete» briesltchen Austräge seien von ihnen einfach unterschlagen. Häufig hätten sie es gar nicht der Mühe sür werth erachtet, eines etngegangenen Auf trags wegen die nölhigen Gänge zu machen, obglerch sie dazu ver- pflichtet gewesen wären, da sie sich nicht gescheut hätten, eine monat liche Getdentichädigung gerade sür solche Arbeiten in Empfang zu nehmen. TicS Gebühren der VertraiienScommilsion fand ta der Versammlung eine sehr scharfe Verurtheilung. Es gelangte eine Resolution zur Annahme, welche ousspricht, daß die Betreffenden ihre Aufgabe nicht erfüllt, sondern ihren Posten nur ta ihrem persönlichen Interesse ansgenntzt haben und ihnen daher das entgegengebrachie Vertrauen zu entziehen und sie tn Zukunft isede» Amtes für unwürdig zu halten sind. Zugleich wurde da« Mitglied Schulz aus dem Verein ausgeschloffen. Es ist doch sehr merkwürdig, daß dir Socialdrmokratie, 'kr
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