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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920715028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892071502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892071502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-15
- Monat1892-07
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Manteufsel habe in der zweiten Hälfte der ersten Jahre dem Fürste» Bismarck mitgclheilt: Eaprivi habe ihn gebeten, seinen Einfluß beim Könige gegen den Fürsten Bismarck eltend zu machen, da dieser ein Feind der Armee ei — unwidersprochen. Und das ist »in so merkwürdiger, als cs damals die ultramontancii Hintertreppcnpolitiker waren, die dem Fürsten Bismarck durch solche Borwürse ein Bein zu stellen suchten und an hervorragende militairische Größen sich hcrandrängtcn, um durch sie jene Ber dächtignng an der rechten Stelle anzubringcn. Bei der Vorsicht und Mcnschcnkeimtniß, die den IlltramontaiiismnS von jeher ausgezeichnet haben, erscheint cs für den nun mehrigen Grafen Eaprivi von unserem Standpuncl aus gerade nickt sehr scknicichelbast, daß er schon damals zu den von Herrn Windlhorst mit Bcrtraucn »nd Missionen Beehrten gezählt haben soll. Die nachdrückliche Betonung der Generals- Eigenschaft des Herrn von Eaprivi der siebziger Jabre, die in der Erklärung des „Neichoanzeigers" betreffs der Reichs glocken Coterie eine» starken Eindruck nicht verfehlte, cmpst ngl nunmehr denn doch eine etwas andere Beleuchtung. Freilich, Herrn von Eaprivi wird nachgcsagt, er habe gegen Bismarck als einen „Feind der Armee" gewirkt, und die Interessen der Armee zu vertreten, ist gewiß die Ausgabe eines Ossioiers. Schade nur, daß eö i» Gcmeinschasl mit Eentrumspoliliker» geschehen sein soll, deren Aruieefreniidlichkeit nach den, Augenmaße eines Generals noch um ei» Beträchtliches niedriger stehen mußte, als die des Fürste» Bismarck, dessen Ministerlansbahn ganz vorzugsweise durch Kämpfe für das Heer gekennzeichnet ist und der sich gerate in Kämpfen dieser Art den stärksten Haß zugezogen hat. Es wird hier der Scharfblick des „Eaprivi von früher" in einer Weise bemängelt, daß eine Entgegnung des ja sonst so redseligen „ReichanzcigerS" als entschiede» im Interesse des „Eaprivi von jetzt" gelegen erachlel werden muß. NebrigenS braucht man sich beute um die Mantcusfcl'sche Mitlhciluiig nicht mehr zu lümmcrn, als Fürst Bismarck zu seiner Zeit cs gctha» hat. Was »ns nahe gebt, das ist das gegenwärtige Verhältnis; des gegenwärtigen Reichskanzlers zum Eenlrum. Zufällig kommt u»S ein älterer Artikel des Slöckcr'schcn „Volk" zu Gesicht, in dem mit dürren Worten gesagt wird, Graf Eaprivi sei ans klerikale Empfehlung ins Amt gelangt. Herr Stöcker, dem sehr gute Quellen in hoben Kreisen zu Gebote stehen, theilt also eine immer allgemeiner werdende Anssassung. Tic Be stätigung würde sehr Vieles, wenn nicht Alles aus der inneren Geschichte der letzten zwei Jakre erklären: das preußische Bolksschnlgesetz und die schroffe Behandlung seiner „atheistischen" Gegner, die Polcnpolitik, die taue Bertbei- digung, um nicht zu sagen balle Preisgabe der Politik von 1866 gegenüber einem welsische» Neichölagsabgeordiiele», mit der Graf Eaprivi in nationalen Kreisen ein maßloses Erstaune» bcrvorgerufcn hat ». s. w. Daß das sür die Reichskanzlerschast des Grafen Eaprivi gewissermaßen grund legende Berhältniß zum Ecntrnm künftig eine Lockerung er fahren werde und könne, wäre eine tbörichle Erwartung. Vielmehr ist das Gcgeiitbeil wahrscheinlich. Man erinnere sich nur an das „kein Kind, kein Engel ist so rein", welches Herr vr. Lieber in Köln nebst anderen Uebcrschwänglichkeiten aus den jetzigen Kanzler angewandt bat. Ta unseres Erachtens die Chancen der dem UltramcntanismuS nahe verwandten Extremen innerhalb der conservativen Parteien eher wachsen als abnehmen, so sollte allen übrige» bürgerlichen Parteien der Weg, den sie zu geben haben, allerdings vorgezeichnct sein. Dessen ungeacblct erscheint die kühlste Zurückhaltung geboten, wenn die „Freis. Ztg." heute Feuilleton. Der letzte seines Stammes. I3s Licht- und Schattenbilder von Wolde mar Urban. Ikchtrur »crbo ln>. (Fortsetzung.) Während dessen saß Graf Ecda in dem PrivaKcms.'toir des Herrn Marius und wartete geduldig, bis dieser wieder zur Ruhe kam. Er wollte daS Eilen schmieden, so lange es beiß war, und jetzt schien cS ihm beiß zu sein. Endlich saß ibm der Gehcimratb wieder gegenüber; ein rascher Blick ge nügte, um deni Grafen das Günstige deS Augenblicks zu zeigen. Auch der Gcbeimratk merkte sofort, daß sein Besuch noch etwas Besonderes auf dem Herzen batte. Sie sind noch nicht fertig, Herr Graf. Wa§ haben Sie mir noch sür Neuigkeiten milzntbeilen? Nur keine Um stände, bitte! Mit den Neuigkeiten bin ich für heute allerdings fertig, err Geheimratb, aber cs bleibt doch noch ein wichtiger egenstanb, der inir unendlich wichtiger ist und mir »ickr am Herzen liegt als alle Neuigkeiten dieser Welt. Wenn ich wüßte, fuhr Gras Coda zögernd und mit einem Blick auf den Geheimratb fort, der diesem die Situation sofort klar machte, wenn ich wüßte, daß ich eine glückliche Stunde für mich voraussetzen könnlc, so möchte ich wobl die endliche Er ledigung dieses Gegenstandes jetzt berbeisührcn. Mit dem Scharfblick, den sich jeder einigermaßen auf merksame Mann in der Gesellschaft angewöbnt, sab Geheim rath MariuS, daß sein Schwiegersohn in 5po jetzt den großen Wurf wagen wollte. Daß er vorsichtig einen kleinen balüin ck'esssai steigen ließ, um das Terrain zu erkunden, um sich keinen unnölhigcn Korb zu bolen, koiinte er nickt für un geschickt halten, und da die Sache dock einmal zur Sprache kommen mußte, so antwortete der Geheimratb: Ich sehe gar nicht ein, warum Sie eine glückliche Stunde wieder einmal eine Anwandlung von Abneigung gegen das Ecntrnm zeigt und sogar dieser Partei gegenüber eine Ge meinsamkeit aller Liberalen andeutet. An der Hand, die solches schreibt, klebt noch von dem Gilt, daß sie im schönen Verein mit der „Germania" gegen den Fürste» Bismarck gespritzt bat. Schon daS makiit zur Vor sicht. In der Sache selbst glauben wir. daß Herr Richter nach wie vor ein starkes Ecntrnm will und zu seiner Stärkung wie bisber bereit ist; nur soll cS kein regierniigsfrcnndliches Ecntrnm sein. Tie Erkenntniß, daß die Förderung bcS Ultramontanismus durch Teulschfreisinn, Demokratie und selbst Socialkcmokratie seine heutige starke Position geschaffen bat, ist der deutsch-freisinnigen Parteileitung bis zur Stunde noch nicht aufgegangcn. Daß ein oppositionelles Centrui» sich der aufrichtigsten Unterstützung der „Teulschsreisinnigen" zu erfreuen hat, sehen wir in Baden, und so lange dieses frivole Spiel mit der größten Gefabr, der sich Deutschland gegenüber sichl, Weiler gespielt wird, so lange muß die deutsch- freisinnige Partei ein Gegenstand des Mißtrauens seitens aller aufrichtigen Liberalen bleiben. Den Ansprachen, die zwischen einem neuernannten Botschafter und dem betreff »den Staatsoberhaupt gewechselt werden, legt man mit Recht in der Regel keine oder doch nur geringe Bedeutung bei. Die beiden von unö bereits er wähnten Rede», die der »me italienische Botschafter in Paris mit dem deutschen Namen Rcßmann und Herr Earnot austanschten, haben aber doch Anspruch ans ein böbercs Interesse, namentlich die dcö Präsidenten ber fran zösischen Republik. Ter italienische Botschafter hatte in seine Rede eine uiiverlennbarc große Wärme gelegt und hätte des halb, da die Gegenrede meist nur eine Umschreibung der zu erst gehaltenen ist, auf eine ähnliche Antwort rechnen können. Diese ist aber auogeblicbcn, und Herr Carnot antwortete so kalt, so kühl bis ans Herz heran, wie er cs nur thnn konnte, ohne unhöflich zn werden. Damit aber über die Absicht ja kein Zweifel bestehen könne, gicbt das Bl-Ut des Herrn Nibot, der „Siöcle", noch einen Eonimentar, in dem cS beißt, daß Herr Earnot sehr recht gethan habe, dem italienischen Bot schafter nicht mit der von diesem beliebten Uebcrschwän,zlich- kcit zu antworten, sondern in kalter und gcschästsmäffiger Weise. DaS sei angemessen gegenüber dem Vertreter einer mit Deutschland verbündeten Regierung, und im klebrigen werde man sich nicht von Italien durch schöne Worte fangen lassen, sondern man erwarte Thatcn. Man darf sich wohl darüber wundern, daß der kluge Herr Neßmann die Gegend nicht vorher besser sondirl und einen so verfehlten Ucbereifcr bekundet hat. Seit den Tagen von Kronstadt ist cS ein heftiger Kummer der Russenfreunde in Frankreich, daß man an der Newa immer bereit ist, unverbindliche Frcundsckiaftsb'c, :.ulngen für Frankreich zu geben und dafür das Gold der dortige» Keinen Sparer buldvollst entgegen zu nehmen, daß man aber sich stets beslimmmt weigert, einen klar festgesetzten Bündinßvcrtrag zu unlerzeicinic». Das Mißtrauen Rußlands und die Ueberlieserung, daß Rußlands Stärke in seiner Un- gebnndenbeit bestehe, haben bisher alle Bemühungen der französischen Regierung, die Freundschaft des Zaren verbrieft und besiegelt zu erhalten, zum Scheitern gebracht. Der von »ns in der Morgenummer milgetbeiltc Schmerzensschrei, welchen der „Figaro" nun ansslößl, nachdem vor Worbe» die „Jnslice" die furchtbaren Zustände in Rußland enthüllt hatte, ist daher vom Slandpnncte des französischen Interesses auS woblbercchtigt; einen Erfolg wird der „Figaro" mit seinem Appell freilich nickt erzielen, welcher am Tage des sran zösischcn Nationalfestes ergebt, daö in diesem Jabre, wie folgender Bericht der „Boss. Ztg." zeigt, im Zeichen Ruß lands gefeiert wird: Paris, 11. Juli. Das hentigcNationalscst ist mindestens ebenso russisch wie französisch, mau sieht säst mehr russische als einheimische Fahnen, das Volk trägt läugsgetheille Cocarden mit den Landesfarlie» rechts und dem russische» Adler links; die nickt vorauSsetzen sollten. Ich bin durchaus zu Ihrer Disposition. Graf Adelmar stand aus und verneigte sich langsam und feierlich. Dann sagte er zögernd und die Worte sorgfältig wählend: Herr Geheimratb, Sie kennen Wohl schon längst meine Wünsche, die ich in Bezug auf Fräulein Mimic hege. Sie sind mir freundschaftlich und herzlich entgegengekommen »nd haben so einer Neigung, die sich rasch und mächtig in meinem Herzen zn Fräulein Äiimie entwickelt hat, cbcr den Weg geebnet, als verhindert. Deshalb wird es Sie auch nicht allzusehr befremden, wenn ich Sic hicrinit »in die Hand Ihrer Tochter bitte. Als Ehrenmann und als Edelmann verspreche ick Ihnen, nach bestem Können sür das Glück Ihrer Tochter sorge» zu wollen. Alles klang herzlich, freundlich, aufrichtig, und Alles schien sick> böslich, formgewandt und zu aller Beteiligten Glück und Zufriedenheit abzuwickelu. Herr Graf, seien Sie versichert, daß ich die Ehre, die Sic durch Ihre Werbung mir und meiner Familie angedeiben lassen, voll und ganz würdige. WaS die Beantwortung Ihrer Werbung meinerseits anlangt, so erkläre ich Ihnen mit Vergnügen, daß mir die Verbindung durchaus erwünscht scheint, und glaube damit auch im Sinne meiner Frau zu sprechen; dahingegen muß ich cs Ihnen überlassen, daS Ja wort von meiner Tochter selbst einzubolen. Es enlsprichl daS einem alten bürgerliche» Herkommen, daS ich anderen Gepflogenheiten gegenüber sür richtig kalte; und da r.iir der Erfolg Ihrer Werbung bei meiner Tochter durchaus nicht zweifelhaft erscheint — ich habe natürlich bereits gekund schaftet —. so mag cS auch für diesmal bei diesem Her kommen bleibe». Der Gras stand erregt auf. Zur Feier deS Augenblicks stand der Geheimratb auck aus Tie waren Beide sehr gerührt und glaubten Wunder welche Dinge zu Stande gebracht zu haben. Herr Geheimratb, es ist dies Alles, WaS ich in meinen kühnsten Träumen nur hoffen konnte. Ich würde eine Ver- Musiker auf den Tanzplätzen spielen die Zarenhpmne u. s. w. Gestern Abend bei der Beleuchtung war über der Sülinkirche von Montmatre ein Feuerkreuz ausgerichtet, das die Freidenkenden an scheinend sehr ärgerie, da sie sich im Boraus bitischrisllich au Len Stadirath gewandt hatten, damit er diese „Herausforderung" ver hindere Tie Patriotentiga wallfahrte heute nicht blos zur Bildsäule der Stadt Straßburg und dem Jeaunc d'Arc-Teukmal, sonder» auch zur Gambclia-Pyinmide im Louvrehose. Wenn sie den kreis ihrer vaterländischen Pilgerzüge derart alljährlich aus- dehitt, wird ihr Nativnalsesitagewerk bald äußerst mühselig werden. Das Wetier begünstigt das heutige Fest nicht; der Hinunct ist schwer bewölkt und ein heftiger Regenguß wahrscheinlich; die übliche Massen- slucht der Wohlhabende» aus Paris erfolgte auch gestern. Der Sieg der Gladstoneaner kann nach den neuesten Mitthciluiigcn über die englischen Parlamentswahlen als entschieden betrachtet werden. Tie Lage würde damit sofort geklärt sein, wenn die Sieger im Wahlkampfe, wie es im Jahre 1886 in Bezug aus die cvnservative Partei der Fall war, eine einzige geschlossene Masse von gleichartiger Zusammensetzung bitketen. Daö gerade Gcgenthcit indessen ist der Fall. Alttilcrale Whigs, Radicale neuerer und neuester Observanz, Gladstoneaner aus persönlicher Neigung, ferner Homcrulemänner englischer wie irischer Provenienz, die Iren selbst wieder gespalten in Parnelliten und Antiparnelliten, endlich einige socialdeinokralische Arbeitervertrelcr — dieses bunt zusamuiengewiirfclte Gemisch von Parteien und Partei-Embryos hat vor bisherigen englischen Parlamentsmehrheit Len Garaus gemacht und teilt, altem Brauch gemäß, in der neuen Legis laturperiode die Erbschaft der conseroativ-liberalen Regierung an. Mit diesen disparaten Elementen eine politische Action ins Werl zu setzcn, wird nun die Aufgabe sein, deren Lösung Herrn Glarstone obliegt und welcher er nicht aus dem Wege gehen darf, bei Beriueidung der Ungnade irgend einer der Parteien, die ihm zum Siege vcrhotsen haben und deren Abkehr von seinem Sckiicksalsstcrn ihn im Nu um die Frucht seiner langjährigen Bemühungen bringen könnte. Homcrnlc und Achtstunoenbill sliiv die beite» inner- politischen Probleme, mit denen sich ein Ministerium Glarstone wohl oder übel auf guten Fuß wird bringen müssen, wenn es seine Existenz nicht schon gleich beim erste» Austreten cvuipromitlirt sehen will — vorbehaltlich des Programms der auswärtigen Politik, welch letztere, nach den Andeutungen der Glaoswne scheu Rete in Peniouik, chensalls mit aller Sorgfalt gepflegt werten soll. Gewählt sind »ach dem neuesten Telegramm aus London 213 Eoliservative, 44 Uniomsicii, 235 G-atstoncancr, 7 ParneUile», 51 AiNiparneUiten. Es sichen somit nur noch 00 Wahlen aus. An dem Erfolge Englands in Marokko ist nicht mehr zu zweifeln. Alle vorliegenden Nachrichten aus franzö sischer, spanischer und britischer Quelle bestätigen das voll ständige Gelingen der Mission Sir Eva» Sinilh'ü. Es scheint, als ob die dem Gouverneur von Fez zur Last gelegte Auf hetzung des Pöbels und die am 5. d. M. erfolgte Miß handlung des dortigen englischen Eonsular-Agcnten, sowie die Bctrobung der englischen Gcsanrlschaft entscheidend aus die Entschlüsse des Sultans eingewirkt hätten. Das entschiedene Auftreten des britischen Gesandten, die ver langte und sofort erreichte Geiiugthuuug scheinen den maurischen Ratbzebcrn des Sultans zum Bewußtsein gebracht zu haben, daß die Zeiten vorüber seien, wo Fremde sich im Innern Marokkos auch die unwürdigste Be handlung gcsallcn lassen mußte». Deutschland hal sich, wie Pariser Blätter betonen, von Anbeginn ber Berkanblungeii an ganz auf die Seite Englands gestellt. Wie weit die Forderungen des britischen Vertreters gingen und wie weit sie angenommen wurden, ist noch nicht genau bekannt, darüber wird erst nach der "Ankunft Sir Evan Smith'S in Tanger genauere Ausklärung erfolgen. Mlltelu»" zwischen mir und Fräulein Mimic eher verbitten als wünia.en. Es genügt mir, Ihre Erlaubnis; zur dircctcn Werbung und Ihre Zusage im günstigen Falle zu habe». Nehmen Sie, Herr Geheimrath, dafür meinen tiefgefühltesten, heißen Tank Sie schüttelten sich die Hände mit einem beträchtliche» Kraftaufwand, wie zwei Leute, die sich seit zwanzig Jahren nicht gesehen baden oder sich fürs Leben Adieu sagen, schaute» sich mit einer beängstigenden Festigkeit in die Augen, woraus sie sich wieder setzten. Indessen batte der luxuriöse Aufwand an Gcmülk augen scheinlich Beiden sehr wohlgctba», und wie erleichtert, frischer und nnbesangencr plauderten sie weiter: Sie wissen ja, Herr Gras, daß ich Ihnen in dieser Be ziehung stets freie Hand gelassen habe, warum sollte ick, cS >cyt ans einmal nicht niebr tbun? Ich kenne Sic als einen Edelmann, alle Welt kennt Sic als einen solchen, warum sollten Sie es allein meiner Tochter gegenüber nickt sei»? Ob, sagen Sie Nichts, ick, bin überzeugt, daß Sie meinem Kinde stets so viel Rücksicht unk Interesse enlgegenbriiigen werten, als sie zn ihrem Glück bedarf. Und weiter braucbt's Nichts. Alles Uebrigc, Herr Gras, ist Nebensache. Sie wissen das! Alles — ick, sage ausdrücklich, alles Uebrige! Graf Adelmar läckclle. Auch er suhlte sich außerordcnt lick, erleichtert und glücklick,. Er hatte wirklich eine glückliche Stunde — und seine Gläubiger auch! Gott im Himmel, wie atkmete es sich freier und leichter — das erste Mal seit so vielen Jakren wieder ohne Schulde»! Da saß der Mann, der Alles aus seinen breiten Rücken nahm ; er war trotz seines Zwcicentnergewichls ei» Engel, wenigstens kam er dem Grafen Adelmar in diesem Augenblicke >o vor. Er hätte ihn auf der Stelle umarmen mögen. Herr Gebrimrath, sagte er im Vollgefühl seiner Seligkeit »nd seiner — Scbiiltenlosigkeit, Sic sind der loyalste, liebenswürdigste unk nobelste aller Schwiegerväter. Glauben Sie übrigens nickt, daß mein Kcrbbolz so groß ist — Lassen Sie daS gut sein, Herr Graf, eS ist wirklich Nebensache' Deutsches Reich. * Leipzig, 15. Juli. An den Fürsten BiSmarck ist gestern nach Kissingen folgende Zuschrift von hier abgegangen: Durchlauchtigster Fürst! Der hiesige Ortsausschuß des natioaalliberalen Vereins sür das Königreich Sachsen hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, an Ew. Durchlaucht die ehrerbietige Bitte zu richien, aus der Rückreise von Kissingen auch Leipzig berühren und hier einige Zeit verweilen zu wollen. Als Vorsitzender des genannten Ausschusses bin ich beauftragt worden, Ew. Durchlaucht diese Bitte zu übermitteln und sür den Fall der Zusage ihrer Erfüllung daS Weitere zu veranlassen. Wir glauben von unserer Stadt sagen zu dürfen, daß in der selben der nationale Gedanke alle Zeit hoch gehalten worden ist. Wir haben auch jetzt keinen sehnlicheren Wunsch, als den, Ew. Durchlaucht persönlich zeigen zu dürfen, daß Leipzigs Verehrung und Dankbarkeit für Ew. Durchlaucht, Len Schöpfer unlerer nationalen Einheit, unverändert dieselben geblieben sind und dieselben bleiben werden. Ew. Durchlaucht würden daher durch Erfüllung unserer Bitte nicht nur unserer Stadt eine hohe Ehre, sondern auch Taufen- de» der treuesten Anhänger des nationalen Gedankens und damit Ew. Durchlaucht die innigste Freude bereiten. In tiefster Ehrerbietung Ew. Durchlaucht ergebenster Rechtsanwalt Or. Georg Liebe. " Verl!«, 14. Juli Für den ReichstagswahlkreiS Sagan-Sprottau haben bekanntlich dieDeulschfreisinnigcn den Herausgeber des m Glogau erscheinenden „Nieder schlesischen Anzeigers", Herrn I)r. I. Müller, als Candi- taten ausgcstellt. DaS genannte Blatt hat sich den Ruf erworben, zur Verschärfung der Gegensätze unter den liberaler. Parteien in Schlesien nächst dem Hirschberger „Boten auS dein Riesengebirge" am ergiebigsten beigetragen zu haben; doch wird uns aus Schlesien berichtet, daß jene ver- betzcnde Thätigkcit insbesondere nur von dem früheren Redactcur des Blattes betrieben worden sei. Die Cen- lrums - Organe halten mit ihren Erklärungen noch sehr hinterm Berge, sie berühren einstweilen nur den Um stand, daß der freisinnige Bewerber im Verdacht cultur- kämpferischer Neigungen stehe. Vermuthlich würde sich dieser Verdacht in Wohlgefallen auslösen, wenn etwa die Conser- vativcn im Wahlkreise auf mittclparteiliche Wege zurückkehrcn wollte», er würde aber zur unüberwindlichen Abneigung auch gegen diesen Liberalen als einen „Feind der Kirche und deS Ckristenaottcs, einen Feind des Papstes und aller autori tativen Mächte" rc. sich verstärken, sofern die Conservativen eine von Herrn v. Hammerstein approbirtc Richtung wählen würden. Vorläufig ist Letzteres das Wahrscheinlichere. ^ Vcrlin, 14. Juli. Mit ihren offenen und versteckten Angriffen auf die „ObstructionSpolitik" des Herrn v. Hell- dvrf, welche der Einberufung und energischen Vorbereitung des conservativen Parteitags unüberwindliche Hindernisse bereite, hat die „Kreuzreitnng" wenig Glück gehabt. Die cvnservative Parteileitung, die für diese „ObstructionSpolitik" in Wirklichkeit die Verantwortung trägt, läßt sich in ihrer sommerlichen Ruhe nickt weiter stören, auf die Gefahr hin, daß die Siöckeriancr im Minden RavenSberger Land ihre Drohung wahr machen und sich als besondere Partei der (antisemitischen) Ebristlich-Socialen austhun. Um nun den Aufruhr im Acheron nicht in sich zusammenbrechen zu lassen, versucht es die „Kreuzztg." mit dem Unternehmen, die Pro grammsrage vor der Ocffcntlichkeit zur Erörterung zu bringen. Ware das nur von vornbcrein geschehen! Statt ber unabsehbaren Fluth von Verdächtigungen und Borwürfen, mit denen man die Revisionsbewegung emgelcitet hat, hätte man daS Verlangen »ach einem neuen Programm damit be gründen sollen, daß man einigermaßen entwickelte, was eigentlich Inhalt und Ziel des Programms sein sollte. Jetzt endlich gicbt die „Krcuzzeitung" ihre Ansichten darüber zum Besten, und die parlamentarischen Vertreter der conservativen Partei, wie der Vorstand können sich nun überlegen, wo das hinaus will und ob sie dazu die Hand bieten dürfen. Denn die „Kreuzztg." ist, man muß cS ihr lassen, offenherzig genug, um darüber, was sie am letzten Ende erreichen will, keine Sie werden ohne Zweifel schon mit Markwald t darüber verhandelt haben — Natürlich! Geheimratb MarinS hat mit dem Sachwalter des Herrn Grafen bereits Alles besprochen. Auch Graf Coda hat ja bereits darüber mit Markwaldt gesprochen und ihm das Vorkaufsrecht auf Marienborf, woran dem Justizratb nun einmal sehr viel zu liegen schien, für den Fall, daß Alles gut geht, verschrieben. Was kümmerten ihn nun alle Mariendörfer der Welt? Jetzt, als Schwiegersohn deS Millionen-MariuS? Gewiß! Ich werde das mit Markwaldt ordnen, sorgen Sie sich nur nickt. Diesmal umarmte Gras Coda ihn aber wirklich, und zwei Tbränen glänzten in seinen Augen. Konnte der Gebcimratb nun noch an dem zukünftigen Glück seiner — Gräfin Tockler zweifeln? Zwei gräfliche Tbränen! "WaS machte cS dagegen auS, baß Graf Coda viel leicht 56» Mal mehr Tckulden batte als — Herr Gernot und daß erstcrer 5,66 Mal weniger erwerbsfähig und leistungs fähig war als Herr Gernot? Diese Verhältnisse verstanden sich ganz von selbst und alle Welt fand sic in Ordnung. Tas Glück Fräulein Mimie'S war sichcrgestcllt, soweit menschliche Voraussicht daö Glück eines sterblichen Wesens sicher stellen konnte, sowohl in Hinsicht auf de» Grasen Coda als auch in Hinsicht auf seine achtundachtzig Ahnen und auf den neun zigsten Coda. Nachdem also die beiden Herren sich noch öfter dir Hände geschüttelt batten und einen außerortentlicken Aufwand mit Gefühl, Herzlichkeit und Glückseligkeit getrieben hatten, ver abschiedete» sie sich, in der richtigen Erkenntniß, daß man auch Las Glücklichsein nicht übertreiben dürfe. Der Gehcimrath wandte sich wieder seinen Briefe» und Depeschen zu, der Graf aber stieg eine Treppe in dem Mariiis'schen Haufe höher, wo Frau »nd Tochter ihre Zimmer hatten War einmal sein Glück beute aut gelaunt, so sollte eS auch ausgiebig kür ihn auSfallen. Er konnte nun nach seiner Meinung nie früh genug zum Siege kommen. (Fortsetzung folgt.)
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