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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920722015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892072201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892072201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-22
- Monat1892-07
- Jahr1892
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Tabellarischer und gtffrrasatz nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur mit dir Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung M—, mit Postbesörderung 70.—t Annahmeschlvß für Inserate: Abeud-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgeu-Lutgab«: Nachmittag» »Uhr. Sonn- uud Festtag» früh '/,v Uhr. Bet Leu Filialen und Annahmestelle!» je «tu» halbe Stund« früher. Inserate sind stet» an di» Gxhrhitt»» zu richten. Drin' und Verlag vo» E. Pol» tu Leipzig. » Kreitag den 22. Juli 1892. 86. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Sekannlmachung. Gemäß 8. 1 Abs. 1 der Marktordnung vom 82. April v. I. wird von Sonnabend, den 33. d. M., ab bi» auf Weiteres ein Theil des Grobhandelsmarktes außer in der Markthalle auch aus dem vor derselben, vor dem Hotel zum grünen Baum und westlich vom Panorama gelegenen Theile deS Roßplatzes und aus dem König-Platze abgehatten werden. Es werden aus diesen Plätzen zum offenen Markte diejenigen Berkäuscr zugelassen werden, welche Kartoffeln, Gurken oder Grün- waaren im Großhandel zu Markte bringen und entweder MonatS- abonnenten von Großhandelsständen in der Markthalle sind oder von auswärts kommen; hiesige Geschäftsinhaber sind dagegen von der Zulassung ausgeschlossen, wenn sie nicht gleichzeitig einen Monatsstand in der Markthalle miethen. Der Großhandel mit Obst wird zwar bis auf Weiteres wie bisher nur in der Markthalle stallfinden, es bleibt aber Vorbehalten, auch von diesem einen Theil auf die freien Plätze zu verweisen. Es gelten tu diesem Falle dir Bestimmungen dieser Bekanntmachung. Diese Stände aus dem offenen Marktplatz werden lediglich als Tagesstände vergeben und es wird dafür 1) von Standinhabern in der Markthalle eine Gebühr von 10 3) von Auswärtigen eine solche von 30 für den Quadratmeter und Tag erhoben. Hiesige Geschäftsinhaber, welche einen Stand tu der Markthalle nehmen, genießen die Ver günstigung zu 1. Die Zeit für die Anfahrt der Wagen zum Markte auf den freien Plätzen und der Marktbcginn wird bis aus Weiteres aus 4 Uhr Morgens, der Schluß des Marktes aus 10 Uhr Vormittags fest- gesetzt. Um diese Zeit müssen die Plätze von allen Waareu und Wagen geräumt werden. Die Anfahrt der Wagen bat zum Roßplatze, soweit der Theil westlich der verlängerten Markthallenstraße in Betracht kommt, von dem Künlgsplatz her, zum König-Platze von der Südseite — Kramer- straße — her zu erfolgen. Zu dem vor dem Pauvraina liegenden Theile de» Roßplatze» haben die Wagen von der Kurprinzstrabe her anzufahren. Bei der Ansahrt, Ausstellung und Abfahrt «st den Weisungen der Markthallenbeamtrn Folge zu geben. Di« Wagen der Einkäufer dürfen auf dir fraglichen Plätze selbst nicht ausfahren, auch ist audereu Personen al» Käufern und Be» käufern der Aufenthalt aus den Plätzen während der Marftzeit nicht gestattet. Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß diese freien Plätze ausschließlich für den Großhandel bestimmt sind und der Verkauf von Waaren unter den nachstehend für sie aufgefiihrten Mindestmengen für den betr. Händler Bestrafung nach 8 33 der Marktordnung (Geldstrafe bi» zu 30 oder entsprechende Hast) nach sich ziehen wird. Die Bedingungen für die Vergebung und Besetzung der Ver- kaussständr sind tu der Markthalleninspection zu erfahren. Im klebrigen finden di« Bestimmungen der Marktordnung auch aus den offenen Markt sinngemäße Anwendung. Die Mtudestmengeu für die einzelnen Waareu sind folgeud«: I. Grknlnaaren für Blumenkohl 8 Köpfe, grüne Bohne» 35 Liter, Wach-bohneu 5 « - Schoten 35 . - Kohlrabi 1 Schock, Wirsingkohl 1 Mandel, - Noihkobl 1 Weißkohl 1 » Spinat 1 Viertel korbweile, Sellerie 1 Mandel, MHSren 1 Bund — 1 Schock, Meerrettlg 8 Stück, Petersilien-Wurzel 1 Mandel, Porree 1 » - Radischen und Rettiae 1 Schock, - weiße und schwarz« Retttg» 1 Mandel, - Zwiebeln, grün«, 1 Bund — 1 Schock, » Perl-, 5 Liter, » getrocknete, 50 lue. 11. Gurken: für Burken, Einlrge, saure 3 Schock - - - Leus- ' ' » » Salat 1 - » »zu Pfeffergurken 5 Liter. III. Kartoffeln: 1 Sack---501-?. IV. Für den Fall, daß der Großhandel mit Obst auf die freien Plätze verwiesen wird, sind folgende Mindcstmengen festgesetzt: »n für Aepfel » Birnen » Pflaumen » Kirschen « Stachelbeeren Originalkörbe, -- Johannisbeeren » Weintraube » Pfirsiche « Aprikose» « Heidelbeere» - Preißelbeerru » Melonen Leipzig, am 30. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. la.SILI. I)r. Tröndlin. Lindner. Körbe von 25 Liter, 35 20 SO 50 Liter, 50 - 4 Stück. Im Namen -es Königs! In der Strafsache gegen den Geschäftsführer und nunmehrigen Restaurateur Franz Wilhelm Krug a»S Cölhen wegen Vergehens gegen 8 14 deS Reichsgcsetzes vom 30. November 1874 hat die 1. Strafkammer des königlichen Landgerichts zu Leipzig in der Sitzung vom 4. Juli 1892, an welcher Theil genommen haben: I) Landgerichtsrath Vieler al» Vorsitzender, Li Landgerichtsrath Sachße, 3) Landgerichtsrath vr. von Aoendroth, 4) Landgerichtsrath l>r. Hücker, 5) Landgerichtsrath Höfsner als Richter, Affeffor Neu mann al« Beamter der Staatsanwaltschaft. Re' De. Schiller als Gerichtsschreiber, für Recht erkannt: Daß der Angeklagte Franz Wilhelm Krug wegen Vergehen« gegen 8. 14 des Reichsgksetze- vom 30. November 1874 mit einer «eidstrafe von 15» — einhundert nn» fünfzig — Mark zu belegen und die Kosten der Untersuchung abzuslatlcn schuldig. Der Verletzten wird die Besugniß zuaesprochen, die Verurtheitung binnen eines von der Zustellung diese« Unheils ab lausenden zwei monatliche» Zeitraums aus Kosten des Lerunhrilte» einmal im »Leipziger Tageblatt" öffentlich bekannt zu machen. Beglaubigt am 13 Juli 1593 Der Rericht-schrrtber der L»ra«kammer l. »e» KSntgl. Landgerlcht» Lechzt,. Actuar Getgenmüller. Zugleich wird beschönigt, daß da» Urthell »om 11. Jul« 1S9L « Rechtskraft übergegangrn ist. LetpztL.de» IS Juli 1SS8. »„»«»tchchfchretder de« «gl. Lnudgrrlcht« LechztL Letn« Getgenmüllsr. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Geschäftsräume bleibt unsere Poltjkieasse Sonnabend, den SS. dtescs Monats, geschloffen. Leipzig, am 20. Juli 1892. Das Polizriamt der Stadt Leipzig. v. R. 2622. Bretschneider. Unger. Gesucht wird der am 31. Mai 1863 zu Altenbnrg geborene Dachdecker Heinrich Müller, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, am 15. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig, Armeuamt. Alfth. II. I. «. ' Refdr. Fincke. Frke. Proceß Leltschew. Der am 30. Inn! begonnene Proceß gegen die Mörder deS bulgarischen FinanzmiiiisterS Bellschew bat durch daS bereit» mitgetbeilte Unheil seinen Abschluß gefunden. Die Berichte über den Verlauf deS ProcesscS sind so zusamiiienbangloS und lückenhaft, daß sie kein klares Bilk der Bei Handlungen gewähren. Man erhalt nur die Vorstellung, daß alle Angeklagten mehr oder weniger bei der Sache betbeiligt sind. Einzelne wichtige Momente, welche daS Tagebuch Milarow'S enthalt, haben wir schon Drüber er wähnt, daS Verhör und die Zeugenaussagen ergänzen die Vorstellung von der Schuld der Angeklagten, obne hinreichende positive Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Vorstellung zu geben. Belastend erscheint die Aussage Staikow'S, daß Gcorgiew ihn aufgcfordert habe, fünf zur Ermordung Stam- bulow'S entschlossene Männer namhaft zu machen, welche von der Partei Karawclow'S reichlich entschädigt werden würden. Der Zeuge Zdcrawkow bekundete, daß Molow und Karawelow die Urheber des Complots zur Ermordung Stambulow'S und deS Prinzen Ferdinand seien. Lepavtew bezeichnete Dimo Tusektschew und Kozarow jalS die Mörder Beltschew'ö. In b-m Tagebuch Milarow'S ist auch eine angebliche Aeußerung des Zaren gegenüber Zankow enthalten, welche lautet: „Ich weiß, daß die Bulgaren mich lieben. Die Angelegenheiten Bulgarien» werden sich ungünstig gestalten und der Evburgcr wird Bulgarien verlassen." Mitakow erklärte, Georgien, habe von ibm lOOÜ FrcS. Vorschuß zur Anwerbung von Mördern des Fürsten und Slambulow'S verlangt, und dir Zeugen Teprrct- scharow und Petrow sagten auS, daß Karagulow dein Petrow sür die Ermordung Stainbulvw'S 2000 Napolconsd'or an geboren bade, wozu die Wittwe Panitza'S 500 und die Partei gänger Karawelow'S 1500 geben sollten. Im Hause Kragu- low's seien 17 Personen zur Besprechung des ComplolS ver einigt gewesen. Das ist daS gesummte Ergcbniß der Zeugenaussagen, wie sie uns durch Telegramme übermittelt worden sind, und man muß gestehen, daß r» sehr knapp gehalten ist. Es genügt aber dennoch, um un» die moralische Ucberzeugung von der Schuld der Angeklagten zu. verschaffen und eS sehr wahr scheinlich zu machen, daß die Richter mit einzelnen Ange klagten, besonders mit Karawelow und Lepawtcw sehr milde verfahren sind. Der Zusammenhang, in welchem daS Com- plok mit der Slawischen WohllbäligkcilS Gesellschaft in St. Petersburg steht, ist durch daS Tagebuch und die Aus sagen Milarow'S außer Zweifel gestellt, und wenn cs noch eines weiteren Beweises der Thatsache bedürfte, baß sich auch amtliche Kreise Rußlands sür die Rcvolliruiig Bulgariens interessiren, so ist er durch die Rechnungslegung der russischen Gesandtschaft in Bukarest über die Verwendung von 762 000 Franc- als Unterstützung bulgarischer Revolutionaire geführt, welche diese Summe in der Zeit vom 15. Dccember 1886 bis zum l. Juni 1887 erhallen baden. Diese Verhältnisse näher zu beleuchten, verbieten gewisse internationale Rücksichten, übrigens bedürfen sie einer Be leuchtung kaum, sie reden eine so klare und eindringliche Sprache, daß sie überall verstanden werden muß. Jede miß liebige Kritik deS Verfahrens von russischer Seite wird stets mit dem Hinweis auf die fehlende Anerkennung der bulgarischen Regierung beantwortet, aber diese Negierung besteht trotz dem seit fünf Jahren und unterhält regelmäßige Beziehungen mit einer Anzahl europäischer Mächte, auch mit dem Ober- lehnSberrn, dem Sultan, steht sie in freundschaftlichem Ver- hällniß und hat schon so viele Zeichen von Lebensfähigkeit gegeben, daß sich z. B. die österreichische Negierung darüber in der anerkennendsten Weise geäußert hat. Solche Tbat- sachen verbieten eS, die bulgarische Regierung als vogelsrei zu bcbandeln. Wenn Rußland sich in seine» Rechten ge schädigt füblt, so mag eS doch den für solche Fälle osse» siebenden Weg betreten und Bulgarien Len Krieg erklären. Aber einen Feind mit solchen Mitteln zu bckämpscn, wie eS Rußland mit Bulgarien thut, ist gegen alle Gesetze der Moral und des Völkerrechts. Rußland hat schon der Vereinigung von Nord- und Süd bulgarien widersprochen, und, als eS mit seinem Widerspruch nicht durchdrang, den Fürsten Alexander im Jahre 1886 durch seine Werkzeuge Grucw und Benderrw in der Nackt auS dem Belle holen und ihn außer Landes schleppen lassen. Nach der Abdankung Alexander'» kam dir Periode der Regent schaft, welche Rußland als Anarchie bezeichnete, und seit dem 14. August 1887 steht Prinz Ferdinand von Eöburg als ge wähltes SlaalSoberhaupt an der Spitze Bulgarien«, fort und fort von Anschlägen gegen sein Leben und da» seiner Minister verfolgt, nur aus dem Grunde, weil Rußland e« nicht in seinem Interesse erachtet, ihm die Bestätigung als Fürst von Bulgarien zu erlbeilen. Auf den Mordanschlag Panitza'S gegen das Leben bcS Prinzen Ferdinant folgte die Ermordung de» FinanzministcrS Brltsckiw und des bulgarischen Agenten Vullowitsch in Konstanlinopel. Beite Processe gegen die Mörder Bellschew S und Vulkowilsch'S haben unzweifelhaft erwiesen, daß die Mörder im Sinne und Aufträge Rußland« bandelten, e» kommen sogar in beiden Processen dieselben Personen vor wie Tusektschew. DaS sind so beispiellos« Begebnisse, daß sie bätlen niemal» geschehen können, ivenn man sich nickt in Europa scheut«, Rußland Gelegenheit z„m Kriege zu geben, wenn die Unterzeichner de« Berliner Frieden» vom lS. Juli 1878 einig waren Rußland gegenüber, dann wäre die Sacke schnell und einfach erledigt, dann würden die Grcgmachle mit Ausnahme Rußlands den Prinzen Ferdinand von Eoburg als Fürsten von Bulgarien anerkennen und Rußland über lassen, wie eS sich zu Bulgarien stellen würde. Die betreffende Bestimmung dc< FriedeuSvcrlrageS verlangt allerdings Ein stimmigkeit der Burgen des Vertrages, aber wenn diese nicht zu erlangen ist, dann dal die Bestätigung von fünf Groß mächten nn Einklang mit dem Sullan, an der eS wohl nicht fehlen würde, iiumcrbiu einen großen moralischen Werth. Sckou als öffentliche Kundgebung für die Gesetzmäßigkeit des i» Bulgarien herrschenden Zustandes würde die Anerkennung des Prinzen Ferdinand als Fürst vo» Bulgarien einen großen Werth haben. Ein solckeS Vorgehen verliert aber seine Be deutung, wenn Frankrcick sich auf die Seite Rußland» stellt, waS uuzweiselhaft geschehen würde. 'Mau denke sich die Lage, daff Frankrcick, welches an der Spitze der Eivilisalion marsckirt und die Verkündung der Menschenrechte zu seinen stolzesten Thate» rechnet, als Bundesgenosse Rußlands bei der Vernichtung eine» lebenskräftigen VollöstammeS bastelst, zu dessen angeblicher Rettung Rußland im Jahre 1877 gegen die Türkei zu den Waffen gegriffen hat. Der Proceß Bellschew ist ein neuer Beweis für die Unvereinbarkeit der russischen und srauzöji scheu Grulidanschauttngeu. Frankreich sülstl sich als freies StaatSwcscn, das auf der Volkssoitveränctät bcruhl und sich sei» Oberhaupt selbst auf eine Reihe von Jahren wählt, aber es nimmt keinen Anstand, sich mit einer Despotie schlimmster Art zu verbinden, lediglich in der Absicht, seine internationale ^testung zu verbessern. AuS demselben Grunde unterhält die französische Negierung freundschaftliche Beziehungen zum Papst, obwohl die gebildeten Franzosen in der Mehrzahl aus antipaptistischem Standpuncte sieben. Ter Proceß Bellschew ist ein überaus beklagenSwerlheö Zeuguiß sür die Thatsache, daß cs in Europa Interessen giebt, die böber sieben als Recht und Gesittung. Die europäischen Machte schweigen im Interesse der Aufrechthaltuna deS Friedens zu Schandthaten, die unwiderstehlich nach Sühne schreien. * Deutsches Reich. s!>. Berlin, 2l. Juli. Die „Freisinnige Zeitung" druckt heute noch einmal den wesentlichen Inhalt deS wahn witzigen Artikels ab, den der Amerikaner Poultncy Bigelow im April gegen den Fürsten Bismarck in der Londoner „Eoistcmporary Review" hat erscheinen lassen. Wie bekannt, wird in diesem Machwerk dem ersten Kanzler jedes Verdienst um Deutschland abgcsprochen, ibm viclmcbr der Vorwurf gemacht, er habe Deutschland ins Unglück gestürzt. Tie „Freis. Ztg." bat den albernen Erguß sofort bei seinem Erscheinen zuslimmcnd rcproducirt, wenn sie cS heute aber mals thut, steht nian vor der Frage: siebt sich Herr Richter außer Stande, die Beschimpfung BiSmarck'S fürder aus Eigenem zu bestreiten? Wir schätzen das VerunglinipsungS- Talcnt deS deutsch freisinnigen Führer» zu hoch, um eine Bejahung für zulässig zu erachten, und glauben die Motive der journalistisch ganz ungewöhnlichen WicterauSgrabung des englisch-amerikanischen Pamphlet» auf seiner positiven Seite finden zu müsse». Herr Poultncy Bigelow bat näm- lick der Verdammung BiSmarck'S eine überschwängliche Lob preisung deS „neuen Kaisers" gcgenübergestcllt und Herr Richter wandelt schon seit Wochen in Wadenstrümpfen. Das neben parlamentarische Treiben, daS die „Frcis. Ztg." ursprünglich mit gutem Rechte getadelt hat, scheint nun auch unter dem GcsichtSpuucte deS deutschfreisinnigen Partciprofits angesehen zu werden. Es giebt dafür »och andere Auhalte- xuucle als die auffällige wiederholte Wiedergabe der Schmäh schrift Bigclow'S, denen jedenfalls sehr mit Unrecht eine erhöhte Bedeutung aus dem Grunde beigclcgt wurde, weil der Amerikaner ein Easseler Schulfreund deS Kaisers ist. In der Berliner Oberbürgermeister-Angelegenheit ist etwa- nickt ganz richtig. Herr Rickter bat schon darauf bezügliche Verhandlungen mit RcgierungSmäiinern aus eine a» ibm gar nicht gewohnte Weise „vcrdcscndirt". Jetzt schreibt der Berliner Eorrcspondcnt der „Frantf. Zeitung" seinem Blatte: „Tie allgemeine politische Lage muß cS der Regierung nabe legen, nicht eine» Eonslict zu provoclrcn (durch Nichtbestätigung eines dciitschfrcisinnigcii Oberbürger meisters), der alle freisinnigen Elemente im Lande gegen sie ausbringt, und deSbalb mag der Regierung diese Frage vielleicht einiges Kopfzerbrechen machen, dem sic gewiß gern auSwichc. ES ist keine Aussicht, daß ihr dies gelingen wird. Es wird »ur ein Freisinniger gewählt werden, und Sacke der Minister wird cS dann sein, a» der entscheidenden Stelle die Gründe zur Geltung zu bringen, die einen Eonslict mit den Freisinnigen, noch dazu vor den Wahlen, als einen großen politischen Fehler erscheine» lassen. Es ist vor Allem zu bemerken, daß der Berliner Eorrespontcnt der „Franks Ztg." enge Fühlung mit Herrn Richter unter hält, ein Verhättiiiß, das von de» üblichen Häkeleien der „Freis. Ztg." mit dem demokratischen Franlsurler Blatt immer unberührt geblieben ist. Der Eorrespoudent weiß offenbar, WaS er sagt, uud er sagt, daß nunmehr nicht nur die Rickert und Goldsckmirt, sondern auch Herr Richter zu einer clo-ul-clos-Politik gegenüber der Regierung bereit sind, lieber den Ebarakter der Regierung ist sich die „Freis. Ztg." voll kommen klar. Ha! sie doch neuerdings wiederholt ancrkannt, baßder neue Eours sich vorzugsweise aus daS Ecutrum zu stützen gewillt ist. Räch nun der Deutschfrcisiiiu dieser Regierung, durch Nachgiebigkeit i» der Oberbürgermeister-Angelegenheit eiiienEcn- flicl mit ibm zu vermeiden, unk verweist er dabei ans die Wahlen, jo emstrbt die zweite Frage, gegen wen will Herr Richter die Regierung bei den Wahlen schützen? Die Exlrcmconscrvaliven können nicht gemeint sein, denn sie sind — vergleiche da» Schulgesetz und den Programm-Artikel der „Krcuzzcitung" — aus der Seite Desjenigen, der beim Centrum steht. Gegen die Socialdemokratie die dei»sck>freifl»nige Hilfe anznbicten, wäre lächerlich, denn guts eustockivt eustoilo»? ES bleiben also »ur die Mittelpartcie» und vor Allen, die Nationalliberalen, denen Gras Eaprwi ja die schmcichelbasteste Antipatbie entgegenbringl. Der Haß gegen Bismarck, die Kisstngeii-Fabrten der süddeutschen Nationalliberalen und vor Allem die traditionelle Hinneiguna de« Drutschfreistnn« zum radicalen Ultrrmoutanilmu» erklären die zum Mindesten zweideutig« Haltung de« deulschfreisinnize» Führer» vollauf. Die Nationalliberalen im Wahlkreise Sagan-Sprottau, die dem Parteigenossen deS Herr» Richter ihre Stimme gebe» sollen, thätcn gut, sich deö Näheren zu erkundigen. 0. II. Berlin, 2l. Juli. Die ReichStagScommission fürArbeiterstatistik hat bekanntlich beschlossen, statistische Erbcbungc.i über die Dauer der Beschäftigung der Arbeiter in den Bäckereien, Eouditoreie» und im HandelSgewerbe, in Müllereien rc. vorzunebmeu. Die Socialbemokraten sind nun Willens, in den nächsten Tagen überall Versammlungen abzuhalten, in bene» auf den Werth dieser Statistiken hin- gewicscn werden soll. Es sollen ferner Eommisstoiicn ernannt werden, welche sich mit den Behörden in Verbindung setzen und für „wahrheitsgetreue" Angaben der Fragebogen Sorge tragen sollen. Die Svcialdciiwkratc» glauben nämlich, daß diese Fragebogen hauptsächlich in solche Betriebe komme», i» denen die besten Zustände herrschen, und daß sie ferner znm Tbeil von solchen Arbeitern beantwortet Werden, welche in einer Art Abhängigkeitsverhältniß zu den Meistern sieben. Gewiß ist cö hocherfreulich, wenn sich die Social- demokraten rege an dieser Arbeiterstatistik betheiligen; aber nimmermehr darf die Socialdemokratie, wie es einzelne Agitatoren bereits ausgesprochen haben, diese Erhebungen bezüglich der Arbeiter vollständig in di« Hand bekommen: denn mit den „wahrheitsgetreuen" Angaben im Geiste der Fachvcrcinc dürste eS denn doch nicht allzuweit her sein; gewiß herrschen, leider »amciillich im Bäckcreiaewcrbr (und auch in den socialdcmokratischcn GciiosscnschaftSbäckerelen), recht beklagcnswcrthe Uebelsläude, aber die Socialdemokraten baden bekanntlich die keineswegs empseblcuSwerthe Eigen schaft, als Statistiker uurichlig zu verallgemeinern und zu übertreiben (immer natürlich in Bezug auf ihre eigenen Schöpfungen ausgenommen); mit einem gewissen Mißtrauen sind alle socialdemokralischcn Angaben aufzuncbmen, und bei dem rationelle» Vorgehen der NcichSIagScommission bezüglich der Fragebogen dürften die Socialdemokraten wohl schwerlich in die Lage kommcu, diese Enquote bezüglich der Angaben der Arbeiter vollständig zu beherrschen. >. * Berlin, 2l. Juli. (Telegramm.) Die „Post" schreibt: Der Kaiser hat in Rücksicht auf die bevorstehende Ent bindung der Kaiserin besohlen, daß die kirchlichen Fürbitten für eine glückliche Entbindung Soiintag, 24. d. M., ihren Anfang nehmen. Der evangelische Ober- kirchcnrath bat in dieser Beziehung die erforderlichen Au- ordnungen ergehen lassen. — lieber die künftigen Militairvorlagen wird der „Magdcb. Zlg." geschrieben: Ob die i» Vorbereitung begriffene große Militairvorlage dem Reichstage bereit« in der nächste» Tagung zugehe» soll, wird bekanntlich erst nach der Rückkehr des Kaisers von der NordlandS- reise entschiede» werden. Als sicher ist aber schon jetzt zu betrachten, daß einige Militairvorlage» vo» minderer Bedeutung dem Reich-Iage iin Herbst zugehen werden. Tahin ist zunächst der ln der verflossene» Tagung gänzlich unerledigt gebliebene Gejetzeniwurf über den Bctrath intlitairischcr Geheimnisse zu rechnen. Der Reichstag konnte bei der Fülle de» sich am Schlüsse der letzten Tagung anhäuscndcn Stoffe» nicht einmal in die erste Lesung diese» Entwurss eintrclen, dessen Wiedervorlegung mit Bestimmtheit zu erwarten ist, obwohl sich noch vor der parlamentarische» Erörterung sehr wichtige Bedenke» gegen verschiedene Bestimmungen dieses Gesetz entwurfs erhoben hatte» und die unveränderte Annahme im Reichs tage schwerlich erfolgen dürfte. Ferner befindet sich eine Vorlage über den Schutz der MNItairbrtestauben in der Ausarbeitung, die aller Voraussicht nach ebenfalls bereits im Herbst an den Bundesrath und Reichstag gelangen wird. In künftigen Kriegen dürste» die Brieftauben eine so wichtige Nolle spielen, daß der Wunsch der Heeresverwaltung, Ihne», soweit sie mllitalrischen Zwecken dienen, schon in Friedenszeffen einen umfaffenden Schutz angedeihen zu lasse», nur selbstverständlich erscheint. Daß sich der Reichstag in seiner bevorstehende» Tagung bereits mit der geplanten neuen Militairstrasproeeßordnung beschäftigen wird, ist sehr un- wahrscheinlich. ES ist kürzlich schon festgesiellt worden, daß sich dieser Entwurf noch stark im Rückstände befindet. ES wäre ja nun allerdings möglich, ibn derart zu fördern, daß er im Frühjahr beim Bundesrath und Reichstag Angebracht werden könnte, zumal da über die Grundlage unter den maßgebende» Vundesregierungen allem Anschein »ach ein volles Einversiändniß erzielt ist. Ta aber der nächste Reichstag ohnehin mit wichtigen mililairischen Angelegen- heilen übergenug besetzt sein wird, dürste man diesen Entwurf für die solgende Tagung zurückstellen. * kiel, 2l. Juli. (Telegramm.) Der Minister deS Innern Hrrrfurth ist beule hier eingelroffen. Derselbe wurde von dem Oberpräsidcntc» v. Steinmann und dem Regierungspräsidenten Zimmcrmann empfangen und wird sich von hier »ach Soudcrburg und Flensburg begeben. * Hamburg, 2l. Juli. Die „Hamb. Nachr." bringen heute folgende Notiz: „Tie „Kreuz-Ztg." behauptet, Fitrs! Bismarck habe sich beim Könige von Sachse» entschuldigt, daß er um eine Audien» nicht »achgesncht habe. Ta» ist insosern ungenau, al- Fürst Bismarck an Seine Majestät schon von Frtedrichsrüh aus geschrieben Halle, daß er wegen Kürze jeineS Dresdner Aufenthalte« eine Audienz nicht nachjuchen würde." In einem längeren Artikel, „Fürst Bismarck »nd Gras Eaprivi" überschriebe», wiedcrbolt daS Blatt seine frühere Behauptung, baß daS Eentrum daran gearbeitet bade, den Kanzlerposteu sür Herrn von Eaprivi frei zu machen, der ein Kanzler nach dem Herzen de« Eentrum» sei. Dann heißt eS Weiler: „Wenn mir nicht glauben, daß Gras Eaprivi den Kanzlcrpvsien erstrebt hat, so sind wir dagegen der Ansicht, daß er ihn jetzt scsthält und mit Schärse gegen jede Möglichkeit einer Aendrrung elntritt. Dabei scheint sich Graf Eaprivi In dem Irrlhnm zu befinden, daß Fürst Bismarck danach strebe, wiederum sei» Nachfolger zu werden. Gras Eaprivi wird durch jede» Symptom, das bei Hoje in der Richtung einer kaiserliche» Annäherung an den früheren Kanzler stattfindet, empfindlich berührt; in der osficiösen Presse wird dann regelmäßig, um die Verstimmungen de» Kaisers neu zu beleben, gesagt, di« Opposition de» Fürsten Bismarck richte sich direct gegen den Thron, während die Thatsache doch nur die ist, daß politische Ambitionen, bei denen Fürst Bismarck unbelhetligt ist, um die Gunst de» Kaiser» mtt einander kämpfen. Der jetzige Kanzler will seine Stellung nicht verlieren und hat dabei fett Jahren unzutreffend angenommen, daß er von Seiten des Fürsten Bismarck in derselben bedroht oder gefährdet werde. Dlrjer Argwohn hat ihn schon im Mai 1890 »u dem graheu Eircular nach auswärt«, daun zu verschiedenen unprovoctrte» versönllchen Spitzen gegen den srlihereu Relch»ka»tlir im Parlament, namentlich aber b«l jedem Anschetn» katserltcher versöhnllchkett zu Schritt»» »»ia»l»t»,
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