Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920723017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892072301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892072301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-07
- Tag1892-07-23
- Monat1892-07
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
AbonuemeirtSpreiS t» d«r Hauptexpedition od« den im Stad» bezirk and den Bororte« errichteten Lot- oabestellen ab geholt: vierteljährlich ^14^0, vei zweimaliger täglicher Zustellung int Haut 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliäbrlich ^l S—. Direkte täglich» itreuzbandjenduag tat Lutlaad, maaatlich 9.—. Di« Morgen-Ausgab« erscheint täglich'/,? Uhr, die Abeud-Lutgab« Wocheatagt b IU>r. Lrdactioa und Erprditio«: JadaaaetHaßr 8. Die Expedition ist Wocheatagt naantrrbrocha» tettznet von früh 8 bi« Lbeadt 7 Uhr. /Male«: Vtt» «em«'« Eorti«. iLIsr«» Universitättstrah» 1. L»«i« Lösche. Kathartllenstr. 1t, Part, »d «tnigtpla» V. Morgen-Ausgabe ttMerIagMÜ Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. JnsertionSprelSk Die 6 gespaltene Petitzeile 80 Reklamen unter demRedactiontstrich («ge spalten) bO/H. vor den Familiennachrtchte» (kgespaiien) 40/^. Größere Schriften laut unserem Prrit- verzcichlllß. Tabellarischer und gtsferusatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage« (gesalzt), ave mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderun- W.—, mit Postbesärderung ^l 70.—. ^ Ännahmeschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Lutgab«: Nachmtttagt «UhL Sonn- und Festlag» früh '/,8 Uhr. Lei de» Filialen und Annahmestellen je fiat halb« Gtuud« früher. Inserat« sind stet» an die zu richten. Druck und Verlag von L Polt t» L^pjtg. 373. Tonnabend den 23 Juli 1892. 86. Jahrgang' Zur gefälligen Seachtuug. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 24. Juli, Vormittags nur bis Vsv Uhr geöffnet. LxpeMlon <168 I,e1pLlxer I'rircedllMe». Amtliche Bekanntmachungen. Lekaimlmackung. Bon Michaeli- dt. I. ab ist da« Riedel von Löwenstern'sche Stipendium im Betrage von jährlich 81 05 ^ aus 2 Jahre an ktuen aus BreSIau oder sonst au« Schlesien gebürtigen Studirenden zu vergeben. Wir fordern diejenigen Herren Studirenden, welche sich in vor- gedachter Eigenichasl um dieicS Slipendium bewerben wollen, aus, ihre Besuche schriftlich unter Beifügung der erforderlichen Zeugnisse bis zum 30. September d, I. bei un« einzureichen, und bemerken, daß später eingehende Besuche unberücksichtigt bleiben müssen. Leipzig, den 1b. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. I». Tröndlin. Wagner. Lekanntmachung. Da» von Ricalaus Lchlautttz, Bürger zu Leipzig, im Jahre 1bl2 gestiftete Stipendium von jährlich 39 63 ist von Michaelis l>. I. ab an einen Studirenden au» dem Geschleckte der Schlautitz, in deren Ermangelung an hiesige BürgerSsöhne von uns auf zwei Jahre zu vergeben. Diejenigen Herren Studirenden, welche sich um diese« Stipen dium bewerben wollen, veranlassen wir, ihr« Gesuche nebst den er- forderlichen Bescheinigungen bit zum 30. September d. I. schriftlich bei unt einzureichen. . Spätere Gesuche könnn, Berücksichtigung nicht finden. Leipzig, den IS. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Wagner. Lekarmtmachung. Ein von Adam Müller (ooer Möller), Bürger zu Leipzig, 1524 gestiftetes Stipendium von 40>l 97 jährlich ist an hiesige Studircnde, und zwar zunächst an Verwandte des Stifters, in deren Ermangelung an Merseburger Stadtkinder, und wenn deren keine die hiesige Universität besuchen, beliebig aus 2 Jahr« von und mit Michaelis d. I. ab zu vergeben. Wir fordern diejenigen Herren Studirenden, welche sich in einer der angegebenen Eigenschaften um dieses Stipendium bewerben wollen, hierdurch auf, ihre Gesuche mit den erforderlichen Bescheini- gangen bis zum 30. September d. I. schriftlich bei uns einzureichen. Später eingehend« Bewerbungen können Berücksichtigung nicht finden. Leipzig, a» IS. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Wagner. Gesucht wird der am 4. April 18S7 zu Dresden geboren« Holzbildhauer Moritz Ferdinand Amatus Prather, toelcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhaltru ist. Leipzig, am 14. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig, Arinenamt, Abth. II. Ludwig Wolf. Steher. Die polnische Frage im österreichischen Äbgeor-netenhanse. Äm österreichischen Abgeordnetenhaus« ist et am Mittwoch zu interessanten Auseinandersetzungen zwischen dem Polen SzczepanowSki und dem Czechen Vasaty gekommen. Dieser batte behauvtet, daß die Polen nur auS Haß gegen Rußland für die Valutavorlagen gestimmt hätten und die Monarchie in einen Krieg verwickeln wollten. SzczepanowSki entwarf darauf eine Schilderung der russischen Zustände und verglich die Stellung der Polen in Rußland mit derjenigen, welche die Czechen in Oesterreich einnehmen. In Russisch-Polen werden nur Russen alt Bahnbeamte aiigestellt, alle Arbeiten, welche Unternehmer vergeben, dürfen nur von Groß Russen auSgeführt werden, die Polen haben nicht daS Recht, in den lithauischen und ruthenischen Provinzen Grundeigentbum zu erwerben, jeder Grundbesitzer mutz dort seine» Besitz ver kaufen, wenn ihm direkte Erben fehlen. Durch diesen UkaS und durch ConfiScationen haben die Polen in Ruß land in 30 Jahren IS Millionen Joch verloren, da» heißt, ein größere« Gebiet alt Böhmen, Mähren und Schlesien betragen. In Rußland ist die Preßfreiheit so groß, daß ein Volk von 20 Millionen, die Rulhenen, nicht ein einziges Preßorgan in ihrer Sprache besitzt. Die polnischen Hoch schulen seien bi« auf Warschau verschwunden und dieser Ueberrest diene Rußland nur dazu, um das Werk der Russificirung zu vollenden. Stehe dem Grafen Taafse etwa rin Sibirien zu Gebot« und habe Vasath je von einer Be- völkerung gehört, die von den Tröstungen ihrer eigenen Religion ausgeschlossen ist und keine Geistlichkeit hat, um in ihrer Sprache Sacramente zu empfangen? Wenn man damit da- Schicksal der Polen in Oesterreich vergleiche, so sei c- unmöglich, anzunehmen, daß di« Polen in Oesterreich diese« Land, dessen vollberechtigte Bürger sie sind, in einen Krieg mit Rußland verwickeln konnten, der noch dazu aus polnischem Grund und Boden geführt werden würde. Der Redner schloß mit den Worten: .Wenn die Stunde der Activn kommen wird, werden wir unsere Pflicht lhun, aber bei allen Entscheidungen ist für unt da« Wohl de« Staate« maßgebend, dessen ehrliche, loyale Bürger wir sein wollen." Die Erwiderung Vasath't wurde unter dem schallenden Gelachter des ganzen Hauset anaebört, und di« Polen riesen ihm zu: »Sie könne» ia nach Rußland geben und dort di« Frettzit genieße».' Ei»« solch« »bferti-una. wie st, Vasaty durch de» Pal« Szez«pa»,»«ki erhalte, hat, hat kaum eia Seite». stück in der Geschickte der Parlamente, und wenn die Czechen überhaupt sachgemäßen Auseinandersetzungen zugänglich wären, dann müßten sie durch die Rede SzczepanowSki'S von der Tborheit ihrer russenfrcundlicben Empfindungen ein für alle Mal geheilt sein. In der Tbat haben die Polen in Galizien alle Ursache, mit ihrem Loose zufrieden zu sein, vor allen Dingen aber nicht niit Rußland zu liebäugeln. Die Ruthenen sind nicht so günstig gestellt in Oesterreich wie die Polen, aber sie erkenne» doch an, daß sie ihre Nationalität und ihre Sprache und Literatur pflegen können. Die Polen sine an der RechtSunglcichbeit, au welcher die Rulhenen in Galizien leiden, hauptsächlich schuld, diese würden z. B. ihre Interessen im Reicksratbe wirksamer vertreten können, wenn sic nicht durch die Wahlumlriebe der Polen daran verhindert würden, aber im Ganzen und Großen ist in neuerer Zeit geschehen, was möglich war, um auch den Wünschen der Rulhenen in Oesterreich gerecht zu werden. TaS gehört in das Capilcl der slawischen Politik des Grafen Taaffc, aber hier ist die Nationalitätenpolitik einmal auSnabmSweise be rechtigt, weil die Rulhenen wirklich Grund halten, sich zu beklagen, und weil von ihnen ein Mißbrauch der ihnen ge währten Rechte nicht zu befürchten ist. Die Polen in den preußischen Provinzen Posen und Wcst- preußen sind auf die Russen nicht besser zu sprechen als ihre Slamniesgenossen in Galizien, sie waren auch unter dem Erzbischof Dinder nicht geneigt, ibre Brüter in Russisch- Polen um ihr Schicksal zu beneiden, sic haben nur daS natürliche Streben, ihre ohnehin vortheilhasle Lage noch günstiger zu gestalten. Wir können das schon aus dem Grunde nicht wünschen, weil die Polen denselben Strang mit der Eentrumöparlei riehen. Daß wir aber Rußland jemals wieder bei seiner Unlerjochungsarbcit gegen Polen in derselben Weise hilfreich zur Seite sieben werden, wie baS im Jahre l863 geschehen ist, erwartet Niemand von Preußen nach der Einigung Deutschland- Für die deutsche Politik gegen die Polen muß zur Richtschnur dienen, daß sie vollständig mit Deutschland verschmolzen werden. Der Standpunct, welcher stets mit der Wiederherstellung Polens als einer Möglichkeit, ja einer Nothwendigkcit rechnet, ist falsch, und jede« Zugeständniß, da» die Polen in dieser Hoffnung be stärkt, ist verderblich. Deshalb halten wir die Ernennung de- Herrn v. Stablewski zum Erzbischof von Poscn-Gnescn für einen politischen Fehler, denn die Polen in Posen fassen diese Ernennung in dem Sinne auf, daß man ihre nationalen Gefühle schonen und ihnen die Aussicht aus staatliche Wieder herstellung nicht gänzlich abschneidcn will. Auch die Rede des österreichischen Abgeordneten SzczepanowSki läßt diese Hoffnung durckklingen, wenn sie auch vorläufig sehr bcrab- gestiniiiit ist; die Empfindung des Abscheus vor Rußland herrscht vor, und in beiden Beziehungen sympathisiren die Polen Oesterreichs und Preußens. Die polnische Frage ist keineswegs gleichbedeutend mit der slawischen, das haben die Erfahrungen während der böhmischen Landesausstellung in Prag gezeigt, wo zwar die Polen auch als Mitglieder der slawischen Vöikerfamilic er schienen, aber ihre Abneigung gegen die Abspielung der russischen Nationalhymne zu erkennen gaben. Die Czechen sind über die Absichten Rußlands völlig im Unklaren, sonst würden sie sich nicht für die Freundschaft mit einer Nation begeistern, die in der jammervollsten Knechtschaft schmachtet. Was die Einigung aller Slawen unter russischer Herrschaft zu bedeuten has, darüber hat die Rede des Polen SzczepanowSki volle Klarheit verbreitet, und diese Rete ist um so wirksamer, als sie im österreichischen Abgcordnetcnhansc gehalten worben ist, wo eine größere Anzahl begeisterter Russensreunbc Sitz und Stimme hat. In der österreichischen Presse ist der Unsinn dieser Begeisterung seit langer Zeit gebührend ge geißelt worden, aber ohne Erfolg, weil die Czechen mir ihre Organe lesen. Wenn aber ein Slawe in der österreichischen Volksvertretung mit solchen Beweisen für den Werth der russischen Herrschaft zur Stelle ist, wie der Abgeordnete SzczepanowSki, dann bleiben seine Worte auch nicht ebne Erfolg in Böhmen, cS läßt sich nicht tobtschweigen, daß er den Czechen Vasaty der crasiesten Unwissenheit über die inneren Verhältnisse Rußlands überführt bat, woraus Vasaty nur die klassischen Worte zu erwidern wußte: „Das ist meine Sache." Jawohl ist es Jedermanns Sache, was er weiß oder nicht weiß, aber der Unwissende soll sich nicht mit Kennt nissen brüsten, die er nicht besitzt. Die polnische Frage ist nur insofern zugleich eine russische, als durch einen russischen Sieg in einem europäischen Kriege alle Polen unter russischem Scepter vereinigt und kann von den Russen ausgesoge» werden, oder daß durch den Sieg der Gegner Rußlands der bestehende Zustand befestigt wird. Man bat hin und wieder Untersuchungen darüber angestellt, ob eine Wiederherstellung Polen« in bestimmten Grenzen mög lich und ersprießlich sein würde, man ist aber über die Tbeorie nicht hinausgekommen. I», Interesse der Polen würde eS liegen, das Herzogtbum Warschau auS dem Verbände des russischen Reiche» loSzulösen, aber weder Deutschland noch Oesterreich können eine Vergrößerung ibre polnischen Be sitzungen wünschen. Die Umwandlung der Verbältnisie auf rer Grundlage der bisherigen Entwickelung leistet die beste Gewähr dafür, daß Europa durch die polnische Frage über haupt nicht mehr beunruhigt wird. DaS Schicksal der Polen in Rußland ist zu beklagen, aber eS kann da« übrige Europa ebenso wenig zum Kriege treiben, wie die Gewailtdat, welche Rußland an Bulgarien verübt. Wir sind in dieser Be ziehung aus die Nemesis der Weltgeschichte angewiesen, die sicher nicht auSbleiben wird. » Deutsches Reich. 6. 8. Berlin, 22. Juli. In dem Verband der deutschen Bergleute geht es immer toller zu, und der Vorstand hat schon bekannt gegeben, daß die Gcneralversainm- lung der Delrgirten in Bochum wahrscheinlich zwei Tage dauern werde und daß fick, hierauf die Delcgirten einrichten möchten. Dir Führer bekämpfen sich auf da« Heftigste, an Erklärungen und Gegenerklärungen ist kein Mangel, und am 3l. Juli resp. 1. August wird die Germania-Halle in Bochum von schweren Anklagen widerballen Bei dieser im Varstand und im Verband herrschenden Zerfahrenheit und Zerrissen- heit ist et natürlich, daß die Gelder zu de» verschiedensten Fonds recht spärlich fließen; cigentbümlich nimmt eS sich auS, daß der Ca'sirer Job. Meyer immer no ch für die streikenden Buchdrucker cingegangcne Gelder (zuletzt 2,50 --k) verzeichnen kann. Auck die Socialdemokrate» baden an der jetzigen Bergarbeiterbewegang herzlich wenig Freude, ihr tiefftes Be dauern haben sie darüber ausgesprochen, daß die Bergarbeiter in die Gewerkschafts-Commission in Dortmund immer noch keinen Delcgirten entsendet haben; cS bekaupten nun einzelne Führer/daß die Lage der Bergarbeiter eine so miserable sei, daß die Leute den politischen Strömungen VaS Interesse nicht cntgcgenbringen könnten welches letzteren ge bühre. Eine Anzahl Bergleute hat n.nn auch eine De»k- schrift auSgearbcitct, welche sie dem Minister für Handel und Gewerbe unterbreilen wollen. Es wird darin auS- einandergesctzt, daß die Löhne der Bergleute bedeutend gesunken seien, 8000 Bergleute seien schon von der Bergarbeil entfernt worden, weitere Entlassungen ständen bevor; wie vor dem Streik im Mai 1889 werde daS Strafen und Koblennullen wieder gehandhabt. Dcr Schluß dieses merkwürdigen Schrift stückes lautet: „Wir bcgcn die bestimmte Erwartung, daß die Regierung nicht rubig zusieht, wie durch die capitalistiscben Maßnahmen ein großer Tbeil der Arbeiterschaft in Nolb und Elend versetzt wird, sondern zeitig und genügend Acnderung rum Besseren schafft. .... Ein ruhiges Zusehen würde de» Verdacht zeitigen, daß die Regierung der Arbeiter schaft nicht eben geneigt wäre. Folgen eines solch cnV er hat lens verantwortet dann die Arbeiter schaft nicht." * Berlin, 22. Juli. Zur Frage dcr Entmündigung wegen Geisteskrankheit brachte die „Kreuzzeitung" be kanntlich unlängst eine Auslassung, deren Grundzüge wir mit- gcthcilt haben und die fortgesetzt die Presse beschäftigen. So macht ein juristischer Mitarbeiter dcr „Nat.-Ztg." praktische Vorschläge zur Beseitigung der zweifellos auf diesem Gebiete vorhandenen Schäden. Er erklärt eS für falsch, daß inan nickt versckicdene Stufen der Geistcskrankkeit unterscheide. ES gicbt Viele, die nur eine partielle Geistesstörung auf- weisen, so die nervösen oder hysterischen Personen. Der nervös oder hysterisch Erregte wird nur in den seltensten Fällen einseben, daß er unter krankhaften Antrieben handelt, er wird sich Heilmaßregcln widersetzen oder entziehen, und da ein Zwang nicht geübt werden kann, bleibt Alles beim Alten, und bock ist der Betreffende auf dem besckränktcn Gebiete geisteskrank; nur ist dieses Gebiet für das Gcsammtleben zu klein, als daß cS zulässig erscheine» könnte, die allgemeine Entmündigung auszusprecken. WcShalb sollte aber nicht angängig sein, der beschränkten Unfähigkeit, verständig zu handeln, eine beschränkte Entziehung der Selbstbestimmung entgegcnznsetzen und etwa zu erkennen, dcr Betreffende sei schuldig, sich den Anordnungen eine- Pflegers in gesnndbeit- licher Beziehung zu unterwerfen? Daß cS sich hierbei mir »in ganz ausgeprägt. Fälle handeln kann, in denen prak tisch Verkehrtheiten in störender Weise hervortreten, ver steht sich von selbst. Wie mancher drohenden vollständigen Geisteserkrankung aber könnte vielleicht vorgcbcugt werten, wäre der noch als gesund Geltende gezwungen, sich gewissen Maßregeln zu fügen. Wie hier eine Erweiterung des Ge biet« staatlicher Vormundschaft verlangt wird, so soll anderer seits anstatt der vollständigen Einschränkung der Selbst bestimmung nur eine theilweise erfolgen. Wie oft stellen Kinder ihren greisen Eltern gegenüber und sehen daS Gc- dächtniß schwinden, die UrthcilSkraft sick verwirre», baS Ge- inüth von den Einflüssen unwürdiger Eindringlinge beherrscht, Leben, Gesundbeit und Vermögen gefährdet! Und dock können sic sich, um baS noch nicht ganz erstorbene Gefühl dcr alten Leute nicht zu verletzen und um des Rufes der Familie willen nicht entschließen, dieselben für „blödsinnig" erklären zu kaffen. Wie viel leichter wäre dcr Entschluß gefaßt, einfach den Antrag auf Bestellung eines „Pflegers" wegen Altersschwäche zu stellen, der nur ein- ziltretcn hätte, wo nach feinem pflichtniäßigcn Ermessen die alten Leute sick selbst zu helfen außer Stande wären. Ebenso läßt sich im Anschluß an einen vielbesprochenen Fall wobl die Frage aufwerscn, ob es vom Standpunct dcS Gesetzgebers auS gerechtfertigt ist, einem Manne, der seinem bürgerlichen Berus z. B. als Arzt zn aller Zufriedenheit nachgcht, feine Ver- mögenSangelegenhcitcn bestens in Ordnung hält, aber nach dcr als zutreffend Vorausgesetzten Ansicht der Aerrte dem Queru lanten- und Verfolgungswahn verfallen ist, die Handlungs fähigkeit auf alle» Gebieten de- Leben- zu entziehe». Es wird daher der Gedanke angeregt, daß das richterliche Urtheil überhaupt nickt dahin laute, daß ei» Mensch geisteskrank sei, sondern sich stets nur auf die individuell zu gestaltende prak tische Folge rickte: daß Jemandem — im Falle umfassender Geisteskrankheit — ein Vormund z» setzen, oder — im Falle nur lhciiweiscr Erkrankung, — daß Jemaiidcin gewisse zu bezeichnende Beschränkungen — z. B. das Erfordernis; der Mitzeicknung eines Pfleger« für Rechtshandlungen — auszu- crlegen seien. — Der „Kreuzzcitung" zufolge wirb auch die diesjährige Reise teS Ka iserS »ach deniRorten durch Or. Güßfelbt in einem Buch beschriebe» und von diesem herausgegebe» werden. Ter ebenfalls im Gefolge des Kaiser« befindliche Maler Salzmann wird das Buch illustriren. — Vor Kurzem ist eine Broschüre erschienen, die sich mit den Verhältnissen der jüngeren verabschiedeten und pcnsionirten Officiere beschäftigt. („Ernste Be trachtungen über die sociale Lage dcS Lieutenant- a. D." Berlin. Berlag der Schreiter'sci>en B»ckda»dlling) Tie Broschüre klagt mit Reckt darüber, daß diesen Officieren da« Fortkommen im bürgerlichen Leben so außerordentlich schwer gemacht werde. Wir erkennen gern a», daß einen Tbeil der Schuld die betreffenden Osficiere selbst trifft, welche mit An forderungen aller Art in ka- bürgerliche Leben treten, die durch dasselbe nicht erfüllt werden könne». Den größeren Tbeil der Schuld trägt aber die öffentliche Meinung und die Verwaltung ini Staat und Gemeinde, welche sich gegen die auch nur diätare Austestung solcher Osficiere, die sich Weiler nickt- baden zu Schulden kommen lassen, als diß sie dienstuntauglich geworden sind, meistens ablehnend verbal««». Einen großen Thril der Schuld, daß so iele jener jungen Männer untergeben, trägt auch da« unzure>ct.nee Pensionügesetz, welche« den Leuten geradezu im Wege steht, wenn sie sich bei Staat oder Gemeinde oder Provinz um neue Stellungen bewerben. Nach unserem jetzi gen PcnsionSgcscy kommt eö häufig vor, daß ein älterer Offi- cier, der allein durch seine Pension vor Noth und Sorge ge schützt ist, eine auskömmliche Stellung im Staats-, Provmziai- oder Communaldienst erkält und doch seine Peusion noch weiter bezieht, weil Pension und Civilgehalt daS letzte etat mäßig« Militairgehalt nicht überschreite», während ein Lieu tenant, dcr nur eine Civilstellung von l50 -E monatlichen Gebalts erlangt, die karge Pension von 45—50 im Monat verliert, weil Pension und Civilgehalt daS letzte Militair- gcbalt überschreiten. Hier liegt ein arges Mißverhältniß vor und gesetzgeberisches Eingreifen erscheint dringend nothwendig. — Die AuS führungs best immun gen zu dem Gesetze über die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Hand feuerwaffen sollen demnächst bekannt gegeben werden. Sie betreffen das Verfahren bei dcr Prüfung, daS Gewicht und die Beschaffenheit des bei der Beschußprobe zu ver wendenden Pulvers und Bleies, die Form und das Schlagen der Prüfung-Zeichen. — Den NeichSbeitrag für die Berliner Welt ausstellung berechnet die „Köln. Ztg." aus 30 000 000 und bemerkt dann: „Ob der deutsche Reichstag in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung bereit sein wird, diese hohe Summe angesichts der im nächsten Jahre zu lösenden Mililair- fragen zn bewilligen, ist nicht ohne Weiteres jzu bejahe». Soweit wir uns zu unterrichten Gelegenheit hatten, dürften nahezu alle couservativcn Mitglieder, ebenso die Agrarier des Centrums und voraussichtlich auch die süddeutschen Ultra- montancn unbedingte Gegner der Weltausstellung sein." Ferner sei auf eine Zustimmung der freisinnigen Abgeordneten, soweit sic nicht in Berlin wohnen, schwerlich zu rechnen. Diese Prophezeiung ist wohl etwas zu kühn. Jedenfalls wird das Votum teS Reichstags wesentlich von der Entschiedenheit abhängen, mit der die Industriellen für das Projcct eintreten. — Die preußischen Minister dcS Innern und für Handel und Gewerbe haben aus einem Einzclsalle Veranlassung ge nommen, diejenigen Bedingungen festzustcllen, an welche die staatliche Genehmigung von AuSst au dversich erring «- casscn sowohl der Arbeitgeber wie dcr Arbeiter grundsätzlich zu knüpfen ist. Diese Bedingungen sind folgende: ». Die Satzungen müssen Fürsorge treffen, das) Entschädigungen oder Unterstützungen nur an solche Thciiiiehiner gezahlt werden, welche Nachweisen, daß sie über die Streiligkeiten, durch welche der Ausstand veranlaßt worben ist, ein Einigung-Verfahren vor dem zuständigen Gewerbegericht beantragt haben, dieses Verjähren aber in Folge der Weigerung des Gegners nicht zu Stande gekommen ist oder ohne Verschulden des den Anspruch Erbebenden zur Beilegung des Streiks nicht geführt hat. In Fällen, i» denen ein zuständiges Gewerbegericht nicht vorhanden ist, muß der Nachweis geführt werde», daß dcr Versuch, ein Eiuigiingsverfahreii auf einem andern näher zu bezeichnende» Wege gemacht worden und ohne Verschulden des den Anspruch Erhebenden erfolglos geblieben ist. d. Ter Aus- jichtsbehörde muß die Besugniß eingeräninl werden, von allen Ver handlungen, Büchern und Rechnungen der Casse selbst oder durch einen Commissar Einsicht zu nehmen. Die Casse Hai jährlich einen Rechnungsabschluß vorznlegen, aus welchem die Zahl der Mitglieder, die vereinnahmte,, Beträge und die geleisteten Unterstützungen zu ersehen sind. — Während konservative Blätter in der Besprechung dcS Lantcner Falles eingelenkt haben, setzt die „Ger mania" unverdrossen in jeder Nummer ihre Judenheöe fort. Um zu beweisen, daß „Blutmorde" auS Aberglauben an Christen verübt worden seien, führt sie angeblich erwiesene Fälle a»S früheren Jahrhunderten an, heute die Ermordung deS heiligen Simon, des heilige» Werner und dcS heiligen Andrea«, die sich in den Jahren 1475, 1287 und 1226 zu getragen haben, also in den Jahren, wo der Fanatismus zu den scheußlichsten Verfolgungen dcr Juden in Deutschland und auch anderwärts in Europa geführt hat. Besonder» über den heiligen Simon sollen, so versichert daS antisemitische Blatt, die Quellen, vor allem die Proceßactcn, sehr reichlich vorhanden sein. Für wen — bemerkt hierzu ein hervor ragender protestantischer Geistlicher in der „Magdeb. Ztg." — Proceßactcn aus jenen Zeilen anSreichen, um dieses oder jene« z» glauben, der muß manches als erwiesen und un bestreitbar erachten, woran beute Niemand mehr glaubt. Besitzen wir nicht auch Acten über Hrxenprocesse? Das Rathsarchiv der kleinen Ortschaft Puschlar in der Schweiz bat allein eine Sammlung vo» nicht weniger als 120 Stück. Sollen wir darum nun wirklich ernstlich glauben, daß vor drei oder vier Jahrhunderten in dem kleinen Orte Hexen vorhanden gewesen sind, weil so und so viel Frauenspersonen wegen Hexerei der Proceß gemacht ist? Die „Germania" wird vielleicht in Erinnerung an den Pater Aurelian und die Vorgänge im Wcmdinger Kapuzincrkloster diese Annahme nickl ohne weitere- zurückwcisen; aber sie wird damit nicht einmal im eigenen Lager überall aus Zustimmung zu rechnen baben. Niemand wird so thvricht sein, zu bestreiten, daß Morde auch von Juden begangen werden könnten. Nur gegen die Ritualmordtbeoric hat man sich gewendet. Die >ükische Religion verbietet auf daS Strengste jeden Blut- genuß und jede Verwendung von Blut. Wie sollte da auch nur Aberglaube in der gröblichen Verletzung eine» Haupt- gebotcS seiner Religion Bethätigung suchen? — Ahl wardt hat vorgestern wieder vor 2000 Menschen (20 I EiitrSe) gesprochen, die aiS Lockmittel angekündigte Enthüllung aber nicht gebracht, sondern hauptsächlich unter Freudengel,eul der Versammlung Eugen Richter als Juden papst gcbrandmarkt. Dann hat diese Versammlung allen Ernstes ein Telegramm an den Justizministrr abge sandt und Revision de« Zlantener ProcesseS verlangt und von der Staatsanwaltschaft die sofortige Verhaftung de« O b erst- licutenantS Küvne von der Löwe'schen Waffenfabrik, weil er fluchtverdächtig sei. — Die Bemühungen Rußlands, eine Aufhebung de« Ver bot« der Lombardirung russischer Wertbe durch die Scebandlung zu erlangen, dauern, wie der Münchner „Allg. Zeitg." au« Berlin geschrieben wird, fort, haben aber nicht die geringste Aussicht aus Erfolg, da Rußland nicht« dagegen zu bieten bat. Ein« Ausbebuog der Zölle, welche die Einfuhr deutschen Eisen- und deutscher Kohlen unmöglich machen, ver bietet sich durch die Verpflichtungen, welche die russisch« Regierung der einheimischen Industrie -t-rnÜder riage-a«-»» ist und die noch 10 Jahr« forUtmfe».
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite