Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920801023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-01
- Monat1892-08
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abo»»e«e«tsprei- I» der Haiptexpeditio« oder de» i» Stod»> d»iirk a«d de» Vororte» errichtet« A«- a°deslell«» «bgetzolt: vta4r>jthrlich^«42X^ bei ,w»t«ialtger tigltcher ZusteII««g tu» Hau« b.SO. Durch die Post bezöge« für Deurschlaad uud Oesterreich: viertestährlich 8.—. Direct« täglich« Kreazdaudjeiidilog i»A Austaud: moaaNtch st.—. DieMorgnt-Ausgab« rrsch»t«t täglich '/,7vstr. die >be»d-B«sg«b» Woch«to»s b Ustr. Le-aclioa >»H LrpeMo«: S»tzm»»e«,ast« 8. Di» Enxdttlon ist Wochentag« »uuxterbroche» vöm»«t vo» früh 8 dt» Ubach» 7 Ub». FUi«le»: vtt« RI«««'« Sorlt«. (Als«» -«-»t, UuiverMchstroß« 1. Adend - Ausgabe. Anzeiger. Jnsertionsprei»' Die 6 gespaltene Petitzeile 20 PW Neclomr» unter dem Redacttousftrich (4a«1 jpaltto) 50^. vor de» FamilienuachrlchteN (ggrioolteu) 40 >4- t Größer« Schriften laut unlerem Pkei«^ vrrzeichniß. Tabellarischer und Werusatz »och höherem Tarif. Oxtr«'Beilagen (gefalzt), ,»r mit kik Morgen-Autoabe, ohne Poftbest>rd«r»»» ^4 SO.—, mit Postbesörderuug ^4 70.—» Annahmeschluß für Inserate: Abend-AuSgab«: vormittag« 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/,9 Uhr. Lei den Filialen und «nnahmestellea j» »Mt halbe Stund« früher. - -nserat« sind stet« an die Rrtzestttt»« zu richten. L««t» L«sitze, Katharlonistr. 14. «ch L»«i,«platz 7. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Druck und Verlag von E. Pol» k> Leipzig Montag den 1. August 1^92. 88. Jahrgang Politische Tagesschau. * Lei»»,,. 1. August. „Wa» geht vor?" fragt der rechtsconservative „Reichs- bote" und bekundet damit auch seinerseits die weitverbreitete Ucberzcugung, daß in unserer inneren Politik zur Zeit iu der That etwa« „vorgehe". Bei der großen Wandlungsfähigkeit, die dem neuen 6urS eigen, kann ja die Möglichkeit irgend eine« wichtigen Wechsel« keinen Augenblick von der Hand ge wiesen werden, doch will e« scheinen, als ob die Bor stellung, daß sich etwas ereignen müsse, aus dem äußer lichen Umstande heraus geboren wurde, daß die Rück kehr des Kaiser» von seiner NordlantSrcise bevor stand. Sicher ist, daß man ebenso uu links- wie im recktS- radicalen Lager an diese« Ereigniß Erwartungen knüpfte. Run ist der Monarch abermals ins Ausland gereist, ohne daß im „RcichSanzeiger" oder sonstwie etwas erfolgt wäre, und die Wahrscheinlichkeit, daß die Sommerrude durch politische Entladungen nicht gestört werde, scheint dadurch gewachsen. Die Ermattung der HundStage wird sich wohl auch in der Politik geltend machen; mit dem Zustande der Beruhigung wird man die Stille aber nicht verwechseln dürfen. Dafür ist die Lage zu gespannt, das (Gefühl der Unsicherheit zu groß und die Thätigkeit hinter den Eonlissen zu uiiei'iiiüdlich. Tic Presse der Parteien, für die vorzugsweise unter Ausschluß der Ocssentlichkeit gewirkt wird, zeigt einen wenn auch verhältnißmäßig schwachen Widerschein dieser Thätigkeit. Wie i» der Schul gesetzangelegenbeit, wo eine klerikaftconservative Eonspiration die Nationalliberalcn des Kampfes um die „Macht" be schuldigte, so fehlt auch jetzt der Versuch nicht, zu besserer Berdeckung der reactionairen Treibereien die Augen auf an gebliche nationalliberale „Unternehmungen" binzu- lenken. Der „Neicköbote" z. B. will gefunden haben, daß die Mittelparteien mit Hochdruck gegen den jetzigen Kanzler arbeiten. Tkatsachcn, welche diesen Eindruck bervorgerusen haben könnten, führt er nicht an und ist dazu auch nickt im Stande, denn außer einem Artikel eines zur sreicvnscrvativeu Partei gezählte» „Ein spänners" und einem bedingungsweise geäußerten Wunsche eines ebenfalls seine eigenen Wege gebende» rheinischen Blattes ist nichts zu verzeichnen, waö sich als mittelparteilichc „Arbeit" gegen den Grasen Eaprivi kennzeichne» ließe. Im Gegenlkeil hat die „Post" die Anslassungc» ihres Parteigenossen kräftig von sich abgeschüttelt und was die DeSavouirung des rhei nischen Blatte« betrifft, so ist sie, allerdings etwas merk würdig, 48 Stunden später von diesem Blatte selbst bewirkt Worten. Die Mittelparteien arbeiten nickt gegen de., Reichs kanzler; richtig ist nur, daß die reactionairen Parteien alle Hebel ansetzen, den Grafen Eaprivi auf seinem Wege weiter zu dränge», aus dem ihm die Mittelparteicn unmöglich folgen können. Eine nainenlose Angst vor dem Fürsten Bis marck bewegt den Dcutschfreisinn, die Kreuzzcilungsleute und Ultramontanen bei diesem Werke zu unterstützen. Es ist unglaublich, aber wahr: der Führer der deutschfreisinnigen Partei, Herr Richter, erklärt unter Bezugnahme auf die Kissinger Ovationen und die Mittbcilung der „Natwnallib. Eorr.", daß auch zwei Abgeordnete in Kissiuzcn anwesend gewesen sind, Folgendes: „Unter Liefen Umständen begreifen wir es, wenn die Negierung glaubt, an der conscrvativen Partei zur Zeit (!) eine sicherere Stütze zu haben, als an der nattonaltiberaie». Und aus ihrem Anschluß an die conservative Partei ergiebt sich alsdann «ine entgegen kommende Haltung gegen Las Centrum von selbst." So viel Worte, so viel Entstellungen. Herr Nickter selbst bat einen Tag früher bemerkt, Fürst BiSmarck „gehöre der Geschichte an". Daraus hätte sich für ihn die Folgerung ergeben müssen, daß Ehrungen LeS Fürsten nicht den Zweck habe» können, ihn zurückznsübren und deshalb die jetzige Regierung zu stürzen. Statt dessen findet er i» den Kissinger Vorgängen einen berechtigten Anreiz für die Regierung, sich den Eonservativen in die Arme zu werfen! So uuwabrhaftig die Haltung der Nationalliberalcn gekennzeichnet ist, so wissentlich falsch ist die weitere Dar stellung. Es ist nickt wabr, daß Graf Eaprivi „zur Zeit" wegen seiner angeblich aufgczwungcnen Hinneigung zu den Eonservativen dem Eeulrum näher gedrängt wird. »Zur Zeit" und schon früher war das Ümgekehrte der Fall. Das Centrum war die erste Liebe dcS Kanzlers und sic hat ihn veranlaßt, die Conser- valiven zur Ve-stärkunz des Centrums beranzuzieben. Die Spcrrgeldervorlage war den Eonservativen höchst un sympathisch und das Schulgesetz ist für den Ultramon taniSmus und nickt für die conservative Partei eingebracht l worden. ES bedurfte vielmehr eines starken Druckes seitens der Regierung, um die conservative Fraction zur Unterstützung der Schulvorlage an die Seile des Ecutrums ;u zwinge». Herr Richter will offenbar seinen Anhängern im Lanke Saud in die Augen streuen, wenn er diesen klaren Sackverhalt, wonach dem Grafen Eaprivi das Ecntrum als die wichtigste Stütze gilt, zu verdunkeln sucht. Der deutschsreisinnige Führer hat, aus Furckt oor Bismarck, das Bedürfniß, den Grafen Eaprivi unter allen Umständen zu unterstützen, aus diesem Grunde soll da« wahre Verhältnis; des Kanzlers zum UltramontaniS- muS dem dentsl,»freisinnig gerichteten liberalen Bürgcrthum vcrboraen bleiben. Denn daß auch das letztere mehr als je U.'. l e bat, der Eentruinspolitik zu mißtrauen, kann selbst in der „Freis. Ztg." nicht mehr abgcleugnet werden. Bei dem Versuche der „Freisinnigen", den Grafe» Eaprivi wm dem Verbackte rein zu waschen, sckon im März 1890 der Eandidat des EentrumS gewesen zu sein, verfährt übrigens Herr Engeln Rickter mit seltenem Ungeschick. Und waö er nickt selbst wider Willen auö> plaudert, schwätzt der unermüdliche klerikale Wanterretner vr. Lieber ans So berichtet die „Freis. Ztg.": „Capri'.'!': Name ist bei einer ganz anderen Gelegenheit genannt morden. Im Jahre ist be> dem zweimalig n Thronwechsel >u vielen Kreisen von der Möglichkeit gciprochcn worden, Bismarck könne abgchcn; so auch im Frühjahr 1888 eines Tages im Foyer des Reichstags. Dabei wurde erklärlicherweise die weitere Frage erörtert, wer wohl den Kanzterposte» übernehmen töuue. Windl- Horst, der sich an dieser Unterhaltung betheiligte, sagte, es müsse ein General sein, und nach eintgem Ueberlegcn nannte er Eaprivi, der auch um deswillen sich eigne, weil er in parla- mentarische» Formen gewandt und beim Reichstage von der Zeit, da er Staatssecretair der Marine war. wvhlgelitten sei." Unk Herr I>v. Lieber äußerte kürzlich in Neiße: „Die Ausgabe Wiudtborst'S bestand darin, dem herrschgcrvaltigcn Manne (Bismarck) gegenüber die gelammte Kraft katholischen Woliens und Könnens in einem Einzigen zu verkörpern." Wenn man diese beiten Auslassungen combinirt, so bilden sic das volle Eingcständniß ressen, was Herr Richter abzu leugnen beflissen ist. Mit vollem Rechte ziebcn die „Hamb. Nachr." aus beiden Auslassungen folgende» Schluß: „Aur Grund dieser beiden Zeugnisse und sonstiger Borgänge vor der Entlassung des Fürsten Bismarck läßt sich die Bekanplung fest ausstellen, erstens, daß die Beteiligung des Fürsten Bismarck als Reichskanzler nach Lieber « ösfenllicher Anerkenntnis, die Aufgabe Windthorst's gewesen ist, der sich dieser Führer des Centrum» ieit Jahre» gewidmet hatte, und zweitens, daß schon »ach Auesagc der „Freis. Ztg." des Äbg. Richter die Canüidalur des damalige» Generals Eaprivi sür den Fall des Kanzierwcchsels vom Centrum in Aussicht genommen war. Pia» tan» daraus also für die Gejchickts- sckreivung den Schluß sieben, daß der 1890 crsolgte Kanzler- Wechsel ein seit Jahren von Windthorsl und dem Cen- trum erstrebtes Ziel gewesen ist, das in erster Linie in der Bejciligung des Füriien Bismarck, in zweiter Linie in dessen Er- sctznng durch de» dem Ceiilrum genehmen General von Eaprivi bestand. Der Umschwung im Marz >890 erscheint dadurch geschichtlich mehr in, Lichte einer siegreichen Cenirums- action. und cs ist wohl anzunehmen, Lay allmülig immer mehr Judicien darüber gesammelt werden, eine wie große Rolle bei der Beseitigung des allen Kanzlers und des alten Curses das Centrum unter de» hierzu vereinigten Kräften ge- ivielt hat. Es ist darnach auch sehr erklärlich, wenn das Centrum an seinem, »ach dem sorglich vorbereiteten Feldzugsplan von WinLikorß's Zeiten der erstrebwn und im März >880 erreichte» Besitzstand mit der dieser Fraction eigenen Zähigkeit sesthält. Wenn k>r. Lieber in etwas weniger geschickter und böslicher Weise, als WinLthvrst das gcchan haben wurde, in Verbindung mit den alte» CcntrumSanhängieln Freisinn und Socialdcniokralie sür die Be- seitigung der nach dein Konzlenvechsel gewonnenen Position in so lebhafter Weise enigetrete» ist, io liegt darin ein neues Anerkenntniß der vollen Berechtigung unserer Auffassung, daß der jetzige Reichskanzler als Vertrauensmann des Centrums auf seinem Posten steht." Unter den bayerischen Ultramontanen herrscht eine lebhafte Agitation dafür, den deutschen Katholikentag von 1893 innerhalb der weiß blauen Grenzpsäkle abzuballen, wobei aber offenbar sehr beträchtliche innere Hindernisse zu überwinden sind. Seit dem Jahre 1884 mit dem zu Ambercz abgebaltcnen Tage hat die Heerschau des kämpfenden deutschen KatboliciSmus nicht mehr auf bayerischem Bode» stattgesunden. Man erinnert jetzt daran, daß bereits 1890 zu Eoblenz sür das nächste Jabr von RegenSbura als Orr des deutschen Katholiken tages die Rede war; Ilr. Windthorst aber hielt vorerst „eine geänderte Stimmung in Bayern" gegenüber den deutschen Katbolikenlaae» für nothwcndiz, worauf bekanntlich für 189l Danzig gcwäklt wurde. Da cs sick bei dieser „Stimmung" doch nicht wohl um die ultramontanen Wähler bäuerlichen und bürgerlichen Standes handeln kan», muß Herr Windthorst eine höberc Stelle gemeint haben; die bäuerischen EentrnmS- blältcr singiren jetzt eine Deutung auf den Eullusniiuister Frh. v. Lutz, aber dieser war bereilö am 31. Mai 1890 aus dem Amte geschieden. Es muß also noch eine andere Stelle gemeint gewesen sein. Für Jedermann, welcher sehen will, ist cS auch kein Gcheimniß, daß Niemand anders als der Prinzregcnt Luitpold selber gemeinl gewesen ist, der zwar lirchlich sehr katholisch ist, aber eine entschiedene Ab neigung gegen ultramonlane Agitation hegt; die Er fahrungen, die er 1889 in München mit einem bayerischen Katholikentage zu machen hatte, sind in dieser Be ziehung maßgebend gewesen. In wie weit sich diese Stimmung jetzt geändert haben sollte, wäre abznwarten: An zeichen dafür waren bisher nicht zu erkennen. Aus demselben Grunde ist auch jetzt für den deutschen Katholikentag von 1893 nicht die Jsarrcsidcuz mit dem Mönch im Wappen, sonder» die einstmals ganz protestantisch gewesene frühere Reichsstadt Negenöburg in Aussicht genommen worden. So können die Zeilen sich ändern. Die belgischen Kammern, die kaum drei Wochen zu sammen gewesen sind, sind wieder geschlossen worden. Ihre Thätigkeit ist keine segenbringendc zu nennen; cö sollen jetzt erst Ausschüsse ernannt werde», die den Hauptpunct, die Ver- fassniigSeeoisioil, vorberathe», um die Ergebnisse ihrer Er mittelungen im November, wenn die Winlersesjion beginnt, dem Parlament rvrznlcgen. WaS aus diesen Ermittclungen herauStomnieii wird, entzieht sich einstweilen der Beurtheilung, viel Vernünftiges aber wird es okne Zweifel nicht sein, denn dazu sind die Gegensätze zu schroff. In Frankreich mehren sich die Anzeichen, daß der Sckritt des Papstes, sich in die inneren Angelegenheiten dieses Landes ciiizumijcke», ein ersolgreickcr gewesen ist. Allerdings ist ihm darin die Armseligkeit des Kronprätendenten besonders zu statten gekommen. Wie indessen die Vorbereitungen zu den Generairatbswablen beweisen, bekennt sich jetzt aus Ge horsam gegen den Papst ein Monarchist nach dem anderen zu der „conservative»" Republik. Das wird immerhin auck schon sür die allgemeinen Wahlen von einiger Bedeutung sein können, wenngleich eine durchschlagende Aenderung in der inneren französischen Politik sobald nickt zu erwarten sein dürfte. Ob cS Herrn Earnot von Nutzen sei» wird, daß seine Uebcreinstiiiimuiig mit dem Vergeben des Papstes mehr und mehr bekannt wirk, erscheint zweifelhaft. Es mehren sich sogar die Stimmen, die seiner eventuellen Wiederwahl ent- gegcntreten. DaS englische Parlament tritt bekanntlich am Donnerstag zusammen. Mittlerweile fordern die Einpcitsckcr der Parteien die Abgeordneten auf, am 4. August ja auf ibren Posten zu ftm. In allen Lagern herrscht große Kampflust. Was das Programm der zu erwartenden liberalen Regierung betrifft, so soll bekanntlich zuerst die Home-Rule- Bill, welcher der greise FUKrer aus Andrängen der Irländer den Vorrang vor allen anderen Fragen cingeräumt hat, im Unterbaust eingebracht werken. Die verbündeten Gladstoneaner und Irländer zweifeln, trotz dcS erwarteten erbitterten Wider standes der vereinigten Unionisten, nickt an deren Annahme, worauf sich das Eabinet, wäkrend die Bill den Peers vorliegt, mit verschiedenen radicalcn Maßregeln, von deren Nothwendig- keit die liberalen Führer zur Sicherstellung der Partei durch drungen sind, z» beschäftigen haben wird. Diese Maßregeln umfassen den Vorschlag „Ein Mann, eine Stimme!", eine neue Form der Wahleinschrcibnng, welche statt des bisherigen zwölfmonatigen nur ein dreimonatiges Domicil in dem Wahlbezirke bedingt, Zahlung von Taggeldcrn an die Ab geordneten; Bestreitung der Wablkoftcn anS dem Staats säckel. Diesen Wahlresormen würde ein volkSthümlicheS Budget mit Aushebung aller noch auf Nahrungsmitteln lastenden Abgaben folgen. Man sicht, daß es Herrn Glad- stone an Mulh nicht fehlt; ob er aber bei der Aufstellung dieses Programms auch von dem Glücke begünstigt worden ist, obne daS, wie Fürst BiSmarck in Jena bemerkte, kein Staatsmann auf Erfolg rechnen kann, ist recht zweifelhaft. Deutsches Reich. L. Berlin, 31. Juli. Auf die von dem Borstande des C e n t ra 1 v e r e i n 8 der deutschen Wollwaaren- Fabri kanten bei seinen Mitglieder» gehaltene Umfrage debnfs Aeußerung derselben: ob diese die Veranstaltung einer Weltausstellung in Berlin als im Interesse ihres Be triebes liegend erachten und ob sie geneigt seien, sich an einer solchen zu betkeiligen, lauten die eingezogenen Antworten, mit nur wenigen Ausnahmen, für diese Ausstellung sehr günstig. Von den 23 zum Ecntralvereinc gehörenden und gegen 800 Mit glieder zählenden Localvcreinen haben sich 19 zustiinmend, drei gar nicht und »nr ein Verein ablehnend geäußert. Von den Ein ze lm i lg l ie d crn haben sich 95 Procent für Beschickung der Ausstellung erklärt. Bemerkt möge noch sein, daß die eingcgangenen Erklärungen zumeist dahin lauteten, daß man des Nutzens halber, welchen Ausstellungen über haupt noch bieten, wobl von einer Beschickung ab sehen könne, daß man es dagegen, wenn die Ausstellung zu Stande komme, für die patriotische Ehrenpslicht eines jeden deutschen Wollen-Industriellen halte, die Ausstellung bestens zu beschicken. Die Allgemeine deutsche Wollen- Jiidlistrie - AiiSslcllniig, welche der Centralverein der deutsche» WoUenwaaren-Fabrikanten im Jahre 1880 in Leipzig unter thätiger Mitwirkung mehrerer Leipziger Herren veranstaltete, gab ein deutliches Bild von unserer großartigen deutschen Wollenindustrie. Sicherlich würde daS auch ans einer Berliner Weltausstellung der Fall sein, wo die Fortschritte, welche diese Industrie seit jener Zeit in so hoben, Maße zu verzeichnen hat, dem Beschauer vor Augen geführt werden könnten. — In Sachen der Weltausstellung bringen die „M. N. N." folgende, der Bestätigung allerdings dringend bedürftige Millheiluiiz: „Mit derselben Ueberrascbung, die auch wir beim Anhören der betreffenden Mittbrilvng empfanden, werten unsere Leser vernehmen, daß Gras Eaprivi sür den Fall des Zustandekommens der Ausstellung die Er hebung vonEintrittSgeldern für unstatthaft hielt. Wenn schon einmal eine Weltausstellung stattfindcn sollte, dann sollte sie Jedermann, auch dem gänzlich Unbemittelten, dem sogar daS denkbar kleinste Eintrittsgeld schwer an- komnicn müßte, zum Nutzen und zur Belehrung ebenso offen sieben, wie etwa unsere Museen. Herr v. Siemens und andere befragte Sachverständige billigten diesen Gedanken des Reichskanzlers als ersprießliche Neuerung durchaus. Daß beim Verzicht auf Eintrittsgelder die Kosten deS Unternehmen« »in zahlreiche Millionen gewachsen wären, ist natürlich klar". (Wie die „N. Fr. Pr." angeblich aus guter Quelle erfährt, soll am Montag in Berlin die officielle Erklärung ver öffentlicht werden, Laß die deutsche Regierung von der Veranstaltung einer Welt-AuSstellung in Berlin nunmehr Abstand nimmt (?). D. Red.) — Dem „Newyork Herald" wird aus Berlin gemeldet, der Gras Eaprivi hätte dem Kaiser den Vorschlag gemacht, egen den Fürsten BiSmarck und den Grafen Walder- ee die äußersten Maßregeln zu erzreisen (?). Es wird hinzugesügt, daß die Stellung Eaprivi'S erschüttert sei und derselbe sich nur mühsam halten könne (?). — Mit dem 1. August ist der Ministerialdirector Lodemann aus dem Ministerium des Innern in den Ruhestand getreten. Ein Herzleiden, das ihn genöthigt hat, einen Theil des vergangenen Winters im Süden zuzubringen, macht ihm die fernere Wahr nehmung seines Amtes zum aufrichtigen Bedauern Aller, die mit ihm jemals in geschäftliche oder persönliche Berührung gekommen sind, unmöglich. — Vom Grasen Gersdorsf wird mitgetheilt, daß sein Ver treter einen größeren Geldbetrag erhalten, welcher auSreichea dürste, die finanzielle» Angelegenheiten des Grasen aus dem Wiener Platze zu ordnen. Man glaubt, daß daun die Haftentlassung des Grase« erfolgen werde. — Ueber die polnischen Umtriebe in Oberschlesien äußert sich in bemcrkenSwerther Weise ein Berliner Brief der Münchener „Allg, Ztg": Nachgerade nimmt die polnische Agitation in Oberschlesieu einen Charakter an, der in den weitesten Kreisen des deutschen Volkes berechtigte Erbitterung Hervorrust. Wer die ethnographischen und geschichtlichen Verhältnisse der Provinz kennt, weiß auch, daß die Agitation eine künstliche Mache ist, daß die oberschlesische» Polen keinen Grund habe», mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden zu sein und es auch nicht sind. Wenn aber kirchliche Autoritäten, wie der Fürstbischof Kopv, die Sache in die Hand nehmen, so ist es kein Wunder, daß sie Unterschriften für Peiitionen jeder beliebigen Färbung zu sammeln vermöge«. Nur wird durch Feuilleton. Fürst Wolfgang von Anhalt, ein -ordere» der Sirsormotio». 'krs'tni. Festliche Freude herrscht heute in dem kleinen Ländchen der Askanier, 400 Jahre sind verflossen seit jenem Tage, wo dem Anbaltischen Lande ein Fürst geboren wurde, der e« wacker und tapfer schirmte in der Sturm» und Drangperiode, Welche daS Zeitalter der Reformation erzeugte. ES war am 1. August, nach alten, aber wohl unzuver lässigen Quellen am 2. August 1492, als Margaretbe von Cckwarzbura aus dem Schlosse zu Kötben ihren Gemahl, den Fürsten Waldemar VI., mit einem Söhnchen, dem Erbprinz Wolfgang, beschenkte, der im achten Jahre seine« Leben« bereits nach Leipzig geschickt wurde, um an der Universität daselbst deni Studium obzuliegen. Sechzehn Jahre war der Prinz erst alt, als er dir Regierung seine« Lande« übernahm und sein Hoflager in Köthen errichtete. Wenn wir versuchen wollen, hier einige Eharakterzüge de« Manne» zu geben, der heute im Anhaltischro io Kirchen und Schulen gefeiert wird, so müssen wir in s^>«m Bilde besonder« einen Zug hervortrete» lassen, den de« Glauben-Helden. Schon im zartesten Alter wurde sein religiöser Sinn gepflegt und gefestigt durch die Lehren und Ermahnungen der Mutter, aber auch der Umgang «it drei Lettern, den Fürsten Adolf, Magna« und Wilhelm, M«r MitschLpfer jru«s Fundamentes, in dem deS Fürsten ganze» Sinnen und Denken Wurzel gefaßt. DaS Heil seiner Seele zu suchen, war sein erster und ernstester Gedanke. Fürst Adolf, ein Bischof zu Merseburg, bei dem Wolfgang einige Jahre seiner Jugend ver lebte, gab wohl dem jungen Geiste besonders diese Richtung und unterhielt sich viel mit ihm über religiöse Dinge. Als der Fürst-Bischof seinen jungen Verwandten einst fragte, ob er gedächte, einstmals in den Himmel zu kommen, wurde dieser tief nachdenklich und antwortete dann: „Ja traun, aber, ob Gott will, noch zur Zeit nicht, denn darum bin ich getauft, daß ich im Himmel leben soll, aber ich hoffe noch eine Zeit lang hier aus Erden zu sein und bei Gott ewig zu bleiben." Die Nichtigkeit irdischer Dinge und die Vergänglichkeit weltlicher Lust kam schon dem Kinde zum Bewußtsein, und besonder« waren eS zwei Episoden, die der Fürst nie vergaß und welche er in hohem Alter noch oft erzählte. Ein Baron von Sternberq hatte im Kreise edler Ritter zu Weimar einem großen Banket brigewohnt, zu welchem viel Glanz und Pracht entfaltet wurde. Am anderen Morgen führte ibn der Zufall in den Festsaal. Leer waren die Tafeln, kahl die Wände, grabesstill der ganze Raum, der noch wenige Stunden vorher eine Stätte ausgelassenster Fröhlichkeit gewesen. Da hielt der Ritter Einkehr und da« Gefühl von der Vergänglichkeit aller irdischen Freuden übermannte ihn so, daß er unverzüglich sein Pferd satteln ließ und mit seinen Begleitern nach Arnstadt ritt, wo er vor dem Kloster Halt machte. Zu seiner Dienerschaft sprach er hier: „Ich habe erkannt, wie vergänglich die weltliche Freude ist und will de-halb der himmlischen theilhaftig werden. Jedem «»er Luch st«Ü, ich frei, mit m,r an diesem Orte sein Leben im Dienste Gottes zuzubringen, wer aber nicht nicht will, der soll in GotteS Namen seinen Weg zurücknebmcn und das Pferd behalten." Einer aus der Dienerschaft ent schloß sich bei dem Herrn zu bleiben, alle Andern ritteu von dannen. Die andere Veranlassung, ein Streiter GotteS zu werden, war sür Wolsgang von Anhalt eine kleine Episode, welche Kurfürst Johann zu Sachsen oft erzählte und die Wolfgang vernommen. Als junger Mensch war der Kurfürst am Hoflager Kaiser Maximilian - II. zu Innsbruck. Die Tage wurden mit ritterlichen Uebungcn auSgesüllt und jeder neue Morgen brachte neue Freuden, die Kursürst Johann gar nickt genug in herrlichen Farben schildern konnte. Freilich, so setzte er aber immer dazu, sei keiner dieser Freudcnlage jemals „ohne eine sonderliche Traurigkeit und Herzeleid" verflossen. Diese beiden kleinen Ereignisse waren es, wie gesagt, be sonders, die dazu beitrugen, daß Wolfgang von Anhalt alle» weltlichen Freuden entsagte. 152l, wohl auf dem Reichstage zu WormS, war eS, wo er Luiker kennen lernte und im folgenden Jahre, 1522, führte er in seinem Lande die Reformation ein. 1520 «rat er dem zu Torgau geschlossenen Bündniß der evangelischen Stände bei und wurde eins der hervorragendsten Glieder des Schmal- kaldischen Bundes. 1530 zog Fürst Wolfgang mit Kurfürst Johann von Sachsen auf den Reichstag nach Augsburg, wo Beide mit Georg, Markgrafen von Brandenburg, Ernst, Herzog von Lüneburg, Pbilipp, Landgrasen von Hessen, Jobann Friedrich. Herzogen Sachsen, Franz, Herzog von Lüneburg, und die Städte Nürnberg und Reutlingen die „Apologie" unterschrieben und Kaiser Karl V. Übergaben. Bei dieser Gelegenheit sprach Wolsgang von Anhalt die schönen Worte: „Ich Hab« manchen schönen Ritt andern zu Gefallen gethan, warum sollte ich dann nicht, wenn eS vonnöthcn wäre, auch meinen Herrn und Erlöser, Christo Jesu, zu Ehren und Gehorsam mein Pferd satteln und unter Darsetzung meines Leibes und Lebens zu dem ewigen Ekren-Kränzlein im himmlischen Leben eilen." Als man sich während des Reichstages über die Bestän digkeit der evangelischen Religion stritt, bekannte er: Er wollte likberandercndieSticfclputzen, jaanfscin Land verzichten und, einem Bettler gleich, mit einem Stocke in der Hand davongckcn, ehe er eine andere Religion annehme. Und zum Kaiser sprach er: Er und seine Gesinnungsgenossen wollten sich lieber den Kopf abschlagen lassen, ehe sie ibren Gott und dessen Evangelium verleugnen wollten. Der Kaiser soll ge antwortet haben: „Lieben Ohmen, nit Kop ab, nit Kop ab, so ist eS nit gemeint." Auch vr. Eck wurde einmal von Wolfgang beimgeschickt, Ersterer erklärte hochmütbig, er wundere sich, wie die Lutheraner so gegen den Strom schwömmen und nicht be dächten, daß ihre Sacke niemals Bestand haben könnte. Fürst Wolsgang antwortete: „Meinl denn Ihr, daß Eure Sache einen Bestand haben kann! Unsere Sache ist gut, denn sie ist GotteS Sache, und dem trauen wir und der wird sie auch wohl erhalten. Eins sollt Ihr aber wissen, Herr Doctor, prakticirt Ihr einen Krieg, so sollt Ihr aus dieser Seite auch Leute finden." Der Sckmalkaldische Bund wurde unterschrieben 1531 und in demselben Jabre erhielt Wolsgang von Anhalt einen Brief von Albrecht I., Herzog von Preußen, in dem c« beißt: „Ich danke Gott, dem Vater in Ehristo Jesu, der Ew. Liebten durch Eingebung de« heiligen Geiste«, de» Mund sein«.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite