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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920805028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-05
- Monat1892-08
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Ztg." inckt mit einer polemisircnden Einleitung versehen halte. So kurz »ach der Icnaischen Rede des Fürsten Bismarck sollte eine Negierung, die sich einigermaßen auf Psychologie versteht, Herrn Pindtcr nicht Materien tractiren lassen, die der große Staatsmann und man darf sagen der große Historiker seiner eigenen Zeit dort mit unvergleichlicher Meisterschaft stcbandelt bat. Mit Redensarten, wie die, daß Graf Caprivi es für eine Aufgabe der Regierung bält, „auch istren katholischen Bürgern das Dasein in Staat und Reich lieb zu machen", läßt sich doch wahrhaftig die blendend Helle Beleuchtung, in die Fürst Bismarck den Ultramontanismuö gerückt, nicht ver dunkeln. Um so weniger, als der Fürst auch die Unterschei dung zwischen Katholiken und Centriimspolitikern gründlich besorgt hat. Nicht überzeugender wird die „Nordd. A. Ztg.", wenn sie das von den „Hamb. Nackr." für die siebziger Jahre behauptete Verhalten des Grafen Caprivi zu den Gegnern Bismarck's als in den fünfziger Jahren nickt existirenv bezeichnet. Ist, wie das officiöse Blatt sagt, Graf Caprivi kein „Finsterling", um so schlimmer für ihn. Dann fehlt für seine Hinneigung znm Centrum, wie sie z. B. schroff in der Schulgesetzdebatte bervorgctreten ist, der erklärende Grund, nämlich die mehr im Gemüth wurzelnde, höchst achtbare conscssionelle Beschränktheit. Sehr unglücklich ist die „Nordd. Allg. Ztg." auch mit folgender Darlegung: „Es scheint sich in Bezug auf die Angriffe gegen den Reichs kanzler eine gewisse Methode heraus,zubildcu. Zunächst macht man ihm einen völlig unbegründeten Borwurf. Die mittelparteiliche Presse beeilt sich nicht gerade, ihn dagegen in Schuh zu nehmen. Tritt aber dann ein Blatt, das zur Rechte» oder gar zum Centrum gehört, für den Angegriffenen ein, so heißt «S: da seht Ihr, daß der Mann nichts taugt, fort mit Caprivi." Abgesehen davon, daß in dem letzten PaffuS eine arge Uebertrcibung liegt, geht die officiöse Argumentation von einer ganz falschen Voraussetzung aus. „unbegründet" ist der Vorwurf der Hinneigung zum Centrum —und um diese» kann cs sich »ach der Fassung und dem Tenor des ganzen Artikels nur bandeln — durchaus nickt, er bat auch außer der Schulvorlage und der Polenpolitik sehr viele Unterlagen. Und ebenso unrichtig ist, daß die CcntrumS- prcsse nur gelegentlich für den Reichskanzler eintritt. Immer und systematisch thut sie daS, und bat die „Nord. Allg. Ztg." Herrn Dr. Licber'S Hymnus auf den Grafen vergessen? — Wie gesagt, erst die Jenaer Reden verrauche» lassen! Herr Richter ist in diesem Punct viel klüger. Zu jener Art von Verteidigern deS Grasen Caprivi, die gleich den „Münchn. Neuest. Nachr." ihrem Clienten besonders dadurch zu nützen glauben, daß sic von einer gegen ihn an- gczcttelten, von einflußreichen Personen unterstützten Ver schwörung fabeln, bat sich nun auch der „Pester Lloyd" gesellt. Dieses Blatt schreibt in einer Polemik gegen das „Deutsche Wochenbl." n. A.: „Wir haben triftigen Grund für die Annahme, daß der Ur- sprung der polemischen Artikel des betreffenden Wochen- blattcS gegen den Grasen Eaprivi nicht ans seiner Rcdaclion, sonder» an einer Stelle zu suchen ist, wo man gern bereit sein würde, dem gegenwärtigen Reichskanzler die Bürde usnd Würde seines Amtes abzunehmen, wie man sich mit derselben Hoffnung seiner Zeit auch dem Fürsten Bismarck gegen über getragen hat. In der Thal soll sich der Herausgeber des Wochenblattes hoher Gönnerschaft rühmen, und nach der neuesten Leistung scheint es wirklich, als ob er sich als ei» kleiner Warwick in der Rolle eines Kanzler in achers fühle und des Er folges seines lerliu» xanclonü nunmehr endlich sicher zu sein glaube." Bezüglich einer Kanzlerkrisis beißt cs ferner: „Es kommt keine Krisis und es gehl nichts Anderes vor, als Laß di» Taktik der Frondenpreste, den Grafen Eaprivi, weil er cs mit dem Centrum noch nicht verdorben hat, ats schwarzen Mann hinzusiclle», bei niittelparteilichen Organen, für die nun einmal der Gegensatz von „Centn»»" „die Ration" oder »lindestcns „der Kern der Nation" heißt, ihre Wirkung thut. Tie alten Enltuckämpser machen jetzt eine» sehr starken Wind und verübeln es dein Grasen Caprivi nicht wenig, daß er sein Schiss nicht treibe» lassen will. Deshalb wird dem Philister, der sich gegen die gesammte katholische, conjervalive »nd deinokralische Wett als Rcpräienianl vo» Bildung und Besitz fühlt, Angst gemacht. Allein ein mil! etparteilich cs Cartel, wie cs kürzlich »och m kmmge» cnipioblen wurde, mag zwar sonst sehr gut sein, aber eine Regierungsmehrheit rerniag es heutzutage nicht mehr zu schaffen, und regiert muß doch werden. Was man wünichen mag, ist. daß das Bcrhälimß des Reichskanzlers zu den Parteien alle» Mißdeutungen entrückt werde. Bei der Zurückhaltung, die sich Grai Eaprivi in der Presse auserlegt uud für die gegenwärtig »och beiondere Gründe ipieche», wird diese Klärung wohl nicht in der nächsten panaiiicntarischen Zeit erfolgen." Es verlohnt indcß nicht, auf die Auslassungen des Pester Blattes näher einzugebcn, denn mit vollem Rechte bemerken die „Hamburger Nachrichten": „Wir halten uns an die Thalsache, daß auch ei» Blatt, wie der „Pester Lloyd", das alle anderen Interessen, nur keine deutschen vertritt, den Grase» Caprivi verlheidigt. Im Inland: Centrum, Polen, die sonstigen Neichsfcinde und die Demokraten, im Anslande: diejenigen Elemente, die für sich Bortheile vou der jetzigen Regierung in Berlin erhoffen, — alle hatten sie schätzend die Hände über das jetzige deutsch-prcußische Ministerium und bitten die Vorsehung, daß sie cs ihnen erhalten möge!" Der am nächste» Montag in Antwerpen zu eröffnende internationale Congreß für Zoll- unk Svcial- politik wird a»S Deutschland verhällnißmäßig schwach be schickt sein. An Einladungen seitens der belgischen Veranstalter und Förderer deS in Rede stcbcnden Congresscö Kat cS nicht gefehlt, indeß sind, dem Vernehmen nach, die Antworten ihrer weitaus größte» Mehrzahl nach ablehnend ausgefallen. Bestim mend für diese Haltung der deutschen zoll- und handelspolitisch in Betracht tommendcn Kreise dürste in erster Linie die Erwägung gewesen sein, daß die neuerlich i» Mitteleuropa durch die Har.eels- verlrägc geschaffene Lage auf Jahre hinaus festgelcgt ist, mit hin die Inscenirung eines agitatorischen Feldzuges im einseitig freihändlerischen Sinne gerade auch für Deutschland sich unter den obwaltenden Verhältnissen von selbst verbietet. Deutsch land dürfte daher auf dem Antwerpener Eongrcß nur durch solche vereinzelte Theilnebmer vertreten sein, die ihrer Sache durch die Antwerpener Verhandlungen neues Ansehen ver schaffen zu könne» glauben. Das neugewäblte englische Unterhaus ist gestern zu seiner ersten Sitzung zusammengetretcn, die mit der Wiederwahl deS bisherigen Sprechers ausgefüllt wurde. Die Thronrede wird erst am Montag verlese» werden, dann aber wird auch alsbald der Ansturm der liberalen Mehrheit gegen Las Cabinct Salisbury erfolgen. Tie Gladstone'schc Majorität wird zu der Adresse ein Amendement ein- briuge», welches einfach der Befriedigung über den Aus fall der Wahlen Ausdruck verleiht. Gelangt dieser An trag zur Annahme, was. da die Opposition voraussichtlich in geschlossener Reibe dafür stimmen dürste, der Fall sein wird, dann wird das seit dem 20. Juli 1886 an der Spitze der Staatsgeschäfte gewesene Cabinct Salisbury nach sechsjähriger Wirksamkeit auS dem Amte scheiden und die Königin ihre neuen Rätke ans den Reiben der Glad- stoncanisch-irischen Mehrheit wählen. Mitte dieses MonaleS dürfte dann voraussichtlich einem neuen Cabineie Gladstonc die Bahn frei sein. Es wird daS vierte Ministerium sei», welches der beute im dreiundachtzigslen Lebensjahre stehende liberale Staatsmann seit Tccember 1808 gebildet hat. Damals brachte er Disracli zu Falle, um im Februar 1871 diesem ebenbürtigen conservativen Gegner wieder das Feld räumen zu müssen. Im April 1880, nach dem für die Liberalen so glänzenden Ausfälle der Wahlen, mußte Lord Salisbury dem siegreichen Gladstone weichen, welcher sich seinerseits in Folge von Differenzen mit den Nadicale» in der irischen Frage am tl. Juli l885 wieder zum Rücktritte gezwungen sah. Bei de» »ach der Waklrcsorm nölbig gewordenen Neuwahlen blieb jedoch das alsbald Glad- stone's Regierung nachgcrücktc Cabinct Salisbury i» der Minderheit und nahm nach einer Niederlage in der Adreß Debatte im Januar 1886 seine Entlassung. Das daraus fol gende dritte Cabinct Gladstone sollte indeß nur von kurzer Dauer sei»; die irische Bill Glatstoue'S brach ibm den Hals, der greise liberale Führer ward in den Juli-Wahlen geschlagen »nd trat zurück. Ob Gladstonc diesmal mit Homerule im llnlerhausc glücklicher sein wird, ist in Hobe», Grate die Frage. Die Mehrheit vo» tl Stimmen, woiiiit er die Ver wirklichung seines an Verheißungen überschwänglichen Pro grammes. dessen Kernpunct die Lösung des irischen Problems auf der Basis eines Dubliner SonderparlamentS bildet, zu erreiche» hofft, ist eine nickt allein numerisch ziemlich schwäch liche, sondern auch im Hinblick auf ihre bclercgene Zusammen setzung den Zufälligkeiten und Wcchselsällc» des parlamcn- tarischen Kampfes in bedenklicher Weise ausgesetzt. Die unter dem Zeichen der Anti Homc-Rnle vereinigten conservativen und liberalen llniviiisten sind nnzweiselhafl z» dem bartiiäckigsleii Widerstande gegen den irischen FöderaliSmns des alten Herrn entschlossen, so daß harte Kämpfe in Westminstcr bcvorstchen. In Frankreich, wo man anfangs die ausschweifendsten Hoffnungen auf ein Cabinct Gladstone gründete, sängt man bereits an, diese Hoffnungen erheblich hcrabzuslinimen. Im „Figaro" macht dessen bekannter Mitarbeiter „Wkist" seine Landsleute darauf ausmerksam, daß cs ein Ministerium Gladstonc war, daS nach Egypten ging, und erklärt mit dürren Worten, daß die Zeit vorüber sei, wo aus die Frage des französisch-englischen CvudominiumS im Pharaonenlande zurückgekommen werten könnte. Wenn derselbe Mitarbeiter von Gladstone bosst, er werde nickt so geneigt sein, Italien bei Bcrtbcidigiing der Freiheit des MiitelmccrS zur Seite zu sieben wie Salisbury, so bat er darin vielleicht reckt; »ur übersieht er, daß cS für England gewisse Lebens fragen gibt — und zu diesen gekört in erster Linie daS Gleichgewicht im Mittelmeere —, vor deren Wichtigkeit alle Parteiriicksichtcn verschwinden; sollte durch französische llcber- macht wirklich die Freiheit des MittelmecreS und damit der Straße nach Indien gefährdet sein, so würde ein Ministe rium Gladstone, das diese Gefahr ignorircn wollte, auch wenn cS eine viel größere Mehrheit besitzen sollte, als ihm gegenwärtig zu Gebote steht, im Handumdrehen vom Sturme der vssemlichen Meinung weggescgt werden. Ter Zustand der Mißachtung, in den Glatstoue'S Leitung rer auswärtigen Angelegenheiten England im ganzen Ans- lande versetzt hatte und den erst Salisbury wieder beseitigt bat, ist eine Lehre, die in England doch so bald nicht wieder vergessen sein wird. Darin liegt für Gladstone ein starker Zwang, die fromme Milch seiner slawisch-französischen Sym pathie mit einigen Tropfen des gäkrcnke» DrackenbluteS der Tripelallianz, er mag wollen oder nicht, zu vergiften. Ten Russen dürfte angesichts der fortgesetzten Ver öffentlichungen geheimer Actcnstücke seitens der bulgarischen Negierung bald unheimlich werden. Man bemüht sich in Sofia gar nicht, den Vorwurf der Fälschung zu widerlegen; man dient Rußland in anderer, weit wirk samerer Weise. Das unerschöpfliche Geheimfach Stambulow's wird geöffnet und in den Spalten der „Swoboda" er scheint wieder im schönste» russischen Originaltext eine neue Reihe von Documcntcn, die, wenn cs sich um besonders bcikle Tinge bandelt, auch die Geschäftsstucknummer tragen. Die zuletzt a»S Tageslicht gezogenen Schriftstücke, sechs an der Zahl, sind Briefe und Telegramme, dir zwischen dem russische» Gesandten Hitrowo in Bukarest und dem asiatischen Departement in Petersburg zu Ende 1887 und Beginn deS Jahres 1888 gewechselt wurden. Zwei der Documcnte tragen die Nummern 1067 uud l068. Damals wollte Kriegsminister Mutturow russische Berdaugewehre für die bulgarische Armee kaufen, und er übertrug die Lieferung dem russischen Lieutenant Kolobkow und dem russischen Kaufmann No- wikow. Die russische Negierung erlaubte scheinbar den An kauf von .80 000 Gewehren aus den RegicrungSmagazinen, verfolgte aber in Wirklichkeit nur den Zweck, zwei sichere Lcuie in Bulgarien zu haben, die ohne Aufsehen mit Osficieren verkehren und für die Entfernung des Fürsten wirken konnten. So ging, da die Gewehre nicht rintrase», die von der russische» Regierung für Kolobkow und Novikow bei der bulgarischen Bank hinterlegte Caution von lOOOOO FrcS. zu Gunsten der bulgarische» Cafse ver loren. Durch ein Schreibe» tcö asiatischen Departement- vom 18. November 1887 (Nr. 1068) wird Hitrowo ange wiesen, Nowikow 68000 FrcS. auSziizablcn. Wozu diese- Geld verwendet werten sollte, zeigt ein Telegramm Hitrowo'S an das asiatische Departement vom 20. äanuar 1888, in welchem berichtet wird, daß Novikow nichts machen konnte, da die Behörden in Sofia sehr aufmerksam sind, und daß einzig Dynamitpatroncn Erfolg versprechen. Hitrowo bitter, Schritte zu tbun und die gewünschten Patronen »ach Rustschuk zn senden, woselbst die Ankunft dcsFürstcn bevor st ehr. Tie bulgarische Regierung erklärt jetzt obendrein, wie die „Pol. Corr." mittheilt, daß sie sich im Besitze eines weitere» PackctS von Documenten befinde, deren Veröffentlichung kcmnächst erfolgen werde. Zum Un glück für die Petersburger Regierung wird jetzt ans Tages licht gezogen, daß sie den Dragoman Iakobsobn, welcher die Documente an Stambulow ausliefertc, seinerzeit wegen „Einwendung von Actcnslücken aus der Bukarester Gesandt schaft" verfolgen ließ, so daß ihre Behauptung, die vo» diesem der bulgarischen Regierung übergebenen Schriften seien ge fälscht, keinen Glauben finden kann. Nur die Franzosen stellen sich, als glaubten sie nicht an die Hinterlist deS MoskowitcrrcicheS, und sic veröffentlichen selbst Briefe, die sich schon dem blödesten Auge als gefälscht darstellen müssen. Deutsches Reich. O. II. Berlin, t. August. Tie „Genossen" in den westlichen Provinzen batten in Versammlungen und in der Presse oft bittere Klage darüber erhoben, daß sic ganz selten eine Lohnerhöhung, ittemalS aber mehr einen Streik durch setzen könnte», weil cben daü Unternchmerthllm immer in der Lage sei, »lassenhafle Arbeitskräfte aus de» östlichen Provinzen hcranznschasieii. Ta die „Genossen" des Westens sich stets sehr opferfreudig gezeigt batten, so beschloß die Geitcralstreikcommiision in Hamburg, daß nilbedingt der Zuzug a»S dem Oste» zu verhindern versucht werden müsse. Eine umfassende Agitation für die östlichen Provinze» wurde ins Werk gesetzt. Die Gcneral- slrcikcommission hatte zur „Ausklärung" der Massen in den Ostproviuzen ein Flugblatt, zum Thcil auch in polnischer Sprache, verbreitet und fortgesetzte Aufrufe nach Adressen loSgelasscn; aber diesem Wunsche wurde nur in ganz vereiiizeltcn Fällen entsprochen; die Vertrauensmänner im Osten sind entweder sehr saumselig gewesen oder cs waren nur recht wenig Adressen trotz aller Anstrengungen zu vcrschasfc». Nachdem des Flugblatt die nöthigc Stimmung hervorgcrusen bade» würde, sollte ein Schwarm von Agitatoren sich übcr die östlichen Provinzen ergießen, um die Gründung von Fach- und ankeren socialdcmokratischen Vereinigungen vorzniiehmen. Aber die „Genossen" haben diesmal für die nöthigc Munition nicht gesorgt, die verfügbaren Mittel fehlen, Feuilletsn. Schloß Fenetrange. Ein Roman aus den Vogesen. 4) Von O. Elster. Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) „Ich hörte, daß Sie, Herr Le FLnötrange, im Kriege schwer verwundet wurden?" „Ich erhielt bei Sedan einen Sckuß in die Brust", ent- gegnete Henri kurz. „Bei Sedan?" In den Augen Giscla's leuchtete cS seltsam auf, fast, als ob sic mit Gewalt die Thräncn zurückhalten müsse, während ihr Vater ernst vor sich hinblicktc. „Sie wundern sich darüber, mein Fräulein?" „O nein, verzeihen Sie meine Bewegung. TcrName Sedan ruft auch in uns eine schmerzliche Erinnerung wack. Mein Bruder fiel bei Sedan " .Ab!" „Mein Bruder stand als Officier bei einem Infanterie- Regiment, das Len letzten Ansturm der französischen Reiterei auSzubalten batte. Ein Lanzenstich durchbohrte ihm die Brust, die Pferde gingen über ihn fort . . . „Allerdings eine schmerzliche Erinnernng! Aber Ihr Bruder durste wenigstens den schöne» Soldatcnlod für seinen König sterben, während ich mich als Invalide durchs Leben schleppe. Ich stand als Lfsicicr bei de» reitenden Jägern, die die letzte Attacke mitrittcn. Unser Regiment wurde durch die preußischen Kugeln vernichtet. Besinnungslos lag ich unter einem Knäuel von Reitern und Pferden. Als ich aus der Ohnmacht erwachte, arbeitete ich mich mühsam unter dem Berg von Leichen und Sterbende» kervor. Ein entsetzlicher Durst quälte mich; ick schleppte mich zu einem nahen Graben, in dem ick Wasser vermntbetc. Ein schwer verwundeter preußischer Ossicier lag neben dem Wasser; er röchelte furcht bar, er lag im Sterben. Er hatte nickt mehr die Kraft, das Wasser zu den Lippen zu führen, ich reichte cS ihm in dem Käppi eines gefallenen Kameraden. Gierig sog er die Flüssig keit ein, dann reichte er mir die Hand ... ich werde den Augenblick niemals vergessen." „Entschlich ist der Krieg." „Alle die herrlichen Eigenschaften der ManneSseele »»d des Herzens treten in solche» furchtbaren Augenblicke» klar zu Tage. Wir vergaßen, daß wir Feinde waren. So gut ick konnte, unterstützte ick den Kopf des Sterbenden. Er konnte nicht mebr sprechen, nur der Blick seiner Augen dankte mir. Daun plötzlich zog er mit letzter Anslrcnguiig einen kleinen Ring vom Finger und reichte ibn mir. „Nehmen Sie, Kanicrad — zum Andenken .. DaS waren seine letzten, mühsam hcrvvrgestoßcnen Worte Sein Kops sank auf meine Schulter. Auch ick verlor die Besinnung wieder; als ich er wachte, lag deS verschiedenen Feindes Haupt auf meiner Brust." „Und haben Sie den Namen des Gefallenen erfahren?" „Nein, doch sein Andenken habe ich treu bewahrt; seben Sie, ick trage cS an meiner Ubrkettc, eS ist ein kleiner, ein facher Ring, dessen Stein ein Hufeisen einschließt..." Henri zeigte Gisela den kleinen Ring. DaS junge Mädchen erbleichte. „Vater", rief eS. „sieb doch nur her! — O, mein Gott, ist eS möglich? — Hier, Herr de FönStrange, sehen Sic den ZwillingSbrnter deS Ringes — o, mein Gott, der Gefallene war mein Bruder!" Weinend verhüllte Gisela ihr Antlitz mit den Händen. Ten kleinen Finger ihrer schmalen reckten Hand umschloß genau derselbe Ring, den Henri de Fönötraiigc an der Ubr- kcttc trug. Es war kein Zweifel, der preußische Ofßcier, der in Henri s Armen gestorben, war der Bruder Gisela s, der Sobu deS deutschen Fabrikanten. Tief erschüttert schwiegen Alle eine Weile. Daun nabm Herr Markwardt daS Wort, indem er in ernstem Tone sagte: „Ich schenkte meinen Kindern am Tage ihrer Confirmation jene Ringe, das Latum der Confirmation ist darauf ein- gravirl, ebenso der Vorname . . „Allerdings", entgegnen: Henri, „liier steht im Innern deS Ringes ein Dalum: 2'». IV. 50 Friedrich Karl..." „Der Raine meines Sobne«, der als einundzwanzigjähriger Jüngling den Tod für lein Vaterland starb . . „Ebre seinem Andenken", sprach tief ergriffen der General, indem er sich von seinem Stubl erbob. „Er ist glücklich", sagte leise Henri, „er starb ans dem Felke der Ebre..." Ein scheuer und dock unendlich dankbarer Blick Giselas traf ihn, der ibm bis Innerste seines Herzen- drang. „Darf ich Ihnen daö Eigcnlhum Ihres Sohnes zurück- geben?" „Nein, nein, Herr de FSnötrange. Wenn Sie mich zu Danke verpflichten wollen, so behalten sic auch ferner den Ring als ein Andenken an meinen Sohn." „Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Ter Ring wird mein kostbarster Besitz sein." Das Gespräch wollte nicht mehr so recht in Fluß kommen. Ein Jeder stand unter dem Eindruck der schmerzlichen lleber- raschung und tcö wunderbaren Zufalles, der nach langen Jahre» die an dem traurigen Vorfall Betbeiliztcn zusammen- gcsübrt batte. Aber der Ton deS Gespräches war ein herz licherer »nd freundschaftlicherer geworden, und als Herr »nd Fräulein Markwardt sortsuhren, begleitete» sie der General »nd Henri bis zum Wage». Ter alte General schüttelte dem Fabrikanten die Hand und sprach: „So wollen wir denn, die der Zufall zusammengesührt, gute Nachbarschaft im Leben halten, wie unsere Söhne gute Kameradschaft im Tode ge halten haben." „So sei cS, Herr General! Ans gute Nachbarschaft im Leben und im Tode!" Gisela reichte dem alte» General die Hand, welche dieser respektvoll an die Lippe» führte. Der Wagen war schon längst verschwunden, als Henri noch immer unter dem finsteren Tbor stand und ibm »ach- sckaute. Da legte der General die Hank aus die Schulter seines SobneS und sprach, indem ein schelmisch-gutmüthigcS Lächeln um seinen Mund zuckle: „Denkst Du noch daran, nach dem Balkan zu gehen, Henri?" Henri errötbete und senkte das Haupt. Den Blick der blauen Augen Gisela'S konnte er nicht vergessen. ck * O In einem Hinterstübchen der „Xubeigo au Uau ä'or" lag der verwundete Jockel aus seinem Schmerzenslager; die Wunde, die der Hirschfänger des llnlcrofficiers ihm über die Stirn geschlagen hatte, mar nothdürstig durch den Dors- ckirurgen, der gcmciniglich das Amt eines BarbierS versah, verbunden worden. llcbrigcnS hatte sich die Verletzung nicht als so bedeutend berauSgcstellt, wie es anfangs den Anschein hatte; cs war eine tüchtige Schramme, welche jedoch den harten Schätelkiiocheit Iockel'S nicht verletzt batte. Des Burschen Trunkenheit war rasch verflogen; jetzt lag er mit verbundenem Kops und zusammengebisscnen Zähnen da, zu weilen einen derben Fluch oder ei» Schimpswort gegen die Deutschen austtoßend. In die einsame Kammer drangen ab und zu die Klänge der Geizen und Flöten, die Rufe der ausgelassene» Freude und Lust vom Tanzplatz her, die Iockcl'S Acrger noch vermehrten. Wülbend ballte er die Fäuste und murmelte eine Verwünschung zwischen den Zähnen. „Wenn die Schramme erst wieder heil ist, dann soll'- mir der Preuße büßen, so wahr ich der Jockel Schmidt aus Neu- niünster bin . . ." Der Bursche schic» gar stolz ans seinen Namen zu sein, »nd in der Thal hatte er von seinem Standpunkt auü ein wenig Grund dazu, denn die Friedensrichter von Ncumünster, Zaber» und selb» Straßburg hatten sich schon öfter mit ihm beschäftigen müssen, der keine Kirchweih vorübergehen ließ, ebne eine Rauferei hervorzurusen. Es war Abend geworden, Jockel ward durstig; nickt nur seine Wunde, sondern auch seine Lippen brannten wie Feuer. Unruhig wälzte er sich auf dem Lager bi» und der, cS schien fick Fieder bei ihm cinzustellen. Da öffnete sich vorsichtig die Tbiir seiner Kammer, und der Wirth schlick, sich in da» Zimmer, begleitet von dem alten Zigeuner-Joseph. ..Diablo", stuckte Jockel, „kommt Ihr endlich einmal, um nach mir zu sehen? Ich verdurste fast, gebt mir einen Schoppen Wein, Monsieur Bourgeois." Der Gastwirth, ein schlau auSsebender Mann in der Mitte der fünfziger Jahre, mit grauem, kurzgehaltenem Voll hart und verschmitzten graugrünen Augen, die unruhig von einem Winkel zum andern buscktcn, erwiderte: „Gemach, Jockel, gemach! Erst müssen wir einmal Nach sehen, was Eure Wunde macht ..."
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