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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920808015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
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iHHouNemett^s^reiA D» tz« Hauptexpeditio» «»« de» kn Stad» bezirk «ad de» errichtete» Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^»4^ly bei zweimaliger täglicher Austeilung i»< Hau» ö^O. Durch dienst bezogen für Deutschland and Oesterreich: viertel,ährlich 6.—. Direkte täglich« Krenzbandseaduag tat Aullaud: mnootUch ^ . Die Morgrn-AaSgab« rrschetnt täglich'/,? Uhr, dt« «bend-AnSgads Wochentag» b Uhr. LeLaclion »nd Lrveditioa: A»h»»»e»»ah, 8. DteCrpedtkfon ist Wochentag« »»anterbröche» »äSael von früh » dt« «dend» 7 llhL FMale«: Ott» RI»«« » Lorti«. daht»^ Uuiversitättstrah« t, " «»Nt» Lösche. S»th«rku»str. 14. part. u»d Rt^gtplatz 7. Morgen -AnsgnVe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeMtsverkehr. JosttttonspreiS ^Die 6 gespaltene Petitzeile LO Reklamen unter dem Redaction-strich (4gs^ spalten) bO-H. vor den Famittrouachrichte» (ügrspairen) 40->tz. Größere Schritten laut unserem Preit« verzeichuiß. 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Der Mangel einheitlichen Oberbefehles hat dort kürzlich zu der Niederlage bei Badagny geführt, die durch einen Ausfall auS der Festung Porto Novo nur theilweise ausgeglichen wurde. Ja Folge dessen erhielt der Marineminislcr Cavaignac Burdeau zum Nachfolger, und dieser übertrug daS Com- mando über die Streitkräfte zu Lande und zur See dem Oberst Dodd, aber man hat von den Thaten dieses neuen Führers noch nichts gehört, jedenfalls, weil er erst die unterwegs befindlichen Verstärkungen abwarten will. Die zweite Niederlage, die Frankreich in neuester Zeit in seinen Colonien erlitten hat, ist der Ueberfall von Bacle, dem Oberst Bonneau und Hauptmann Cbarpentier zum Opfer sielen. Das ist geschehen, obwohl in Tonkin 21000 Mann Franzosen stehen und obwohl der Kampf mit den Tonkinesen nun schon über 0 Jahre dauert. Clemenceau bemerkte dazu mit Recht, daß bei solcher Sachlage von Frieden in Tonkin nicht die Rede sein könne, aber auch auS Tonkin liegen seit dem Ueberfall von Bacle keine Nachrichten vor, welche auf eine Besserung der Lage schließen lassen Der dritte Mißerfolg wird aus Madagaskar gemeldet, Wo die Beziehungen des französischen General-Residenten zu der HowaS-Regierung abgebrochen sind und diese sich geweigert hat, den Residenten zu empfangen. Daß hiernach die französische Schutzherrsckasl auf Madagaskar nicht mehr besteht, wie die betreffende Depesche meldet, ist ohne Weiteres klar, Frankreich wird deshalb auch zunächst nicht in die Lage kommen, die Consuln anderer Mäcble auf Madagaskar zu bestätigen, welches Recht längere Zeit Gegenstand eines erbitterten Streites gewesen ist. Während Frankreich also in denjenigen Gebieten Afrikas und Asiens, welche eS längst seiner Herrschaft unterworfen glaubte, schlimme Erfahrungen macht, ist eS auf der andern Seite bemüht, seinen Besitz in Afrika möglichst auSzudehnen. Der Vertrag, den eS mit England im Jahre 1890 geschloffen hat, sichert ihm das Gebiet, welches zwischen Algier und Tunis und dem Tschads« liegt, und gegenwärtig sehen wir Frank reich an der Arbeit, sich einen Theil der marokkanischen Erb schaft zu sichern, die allem Anschein nach bald zur Vcrtheilung gelangen wird. In dieser Zurückhaltung, Geld und Truppen für Colonial zwecke zu opfern und in dem Bestreben, den früheren größtentbeilS gegenstandlosen Besitztiteln neue binznzufügen, liegt System. ES soll dadurch dem Vorwurf der Volksvertretung vorgebeugt werden, daß die Regierung bei der Verfolgung von Neben zwecken den Hauptzweck ans den Augen verliere, nämlich die ganze Kraft der Nation für den Rachekricg der Zukunft zu- sammenzufaffen. Ferry glaubte, daß die Nothwendigkeit vorliege, die brachliegende Kampflust seiner Landsleute auf überseeischen Gebieten zu verwenden und so den unbefriedigten Leidenschaften einen Abzugscanal zu eröffnen; die gegenwärtige Regierung steht aus dem entgegengesetzten Standpunkt, sie will die Wehrkraft Frankreichs nicht verzetteln und für aus sichtslose Unternehmungen nutzlos verschwenden. ES wäre voreilig und würde Wohl kaum zutreffend sein, wenn man die Sache so aufsaffen wollte, als sei der Wechsel in der französischen Colonialpolitik ein Zeichen von Launen- baftigkeit und Veränderlichkeit der französischen Rasse, Eigen schaften, die schon Cäsar bei den Galliern antraf und rügte. Die Franzosen von heute haben zwar noch große Aehnlichkeit mit den alten Galliern, aber man kann ihnen doch die Fädigkeit nicht absprechcn, ihre Handlungsweise den Zeitverhältniflen anzupaffrn. Wenn Frankreich unter Ferry noch den Ueberschuß an militairischer Kraft zu baben glaubte, um überseeischen Unternehmungen Geld und Menschen zu opfern, so halte daS wohl bauptsächlich seinen Grund in der Unfertigkeit der militairischen Organisation, die erst nach Einführung der dreijährigen Dienstzeit als abgeschloffen zu betrachten ist. Ferry war bemübt, seine Landsleute von unüberlegten Schritten zurückzuhaltcn und ihnen darum Gelegenheit zur Betdätigung ihres KampfeS- mutheS zu verschaffen. Damals führten die Agitatoren, welche zum Beginn des RachefeldzugeS trieben, noch daS große Wort, sie nabmen keine Rücksicht darauf, ob die HeereS-Organisation ein solches Wagniß ermöglichte und ob Frankreich den Krieg allein, auf die eigene Kraft gestützt, unternebmen dürfte; ihnen genügte eS, wenn eS nur überhaupt zum Kampf kam, damit sie dem Rachegefühl, von dem sie beherrscht wurden, Ausdruck geben konnten. Heute liegen die Verhältnisse wesentlich anders, heute ver- fügt Frankreich über ein ungeheures, Wohl organisirteS Heer, das unter Nachahmung der deutschen HeercS-Einricktungen, soweit sie für Frankreich paffen, geschaffen worden ist und nicht als Experiment gelten kann, sondern als Grund- stock für ein VslkSheer mit Reserve und Landsturm, das die gesammte Wehrkraft deS Landes für den Fall eines Kriege« in sich vereinigen kann. Außerdem befindet sich Frankreich heute nicht mehr unter dem Einfluß von Abenteurern, wie Boulanger, sondern die Republik bat festen Boden ge wonnen, sie steht auf eigenen Füßen in dem Maße, daß sogar der Papst seine Hcffnungen aus die Wiederherstellung der Monarchie in Frankreich aufgegeben und die republikanische Staatsform al» dauernd und gesetzlich anerkannt bat. Unter diesen Umständen ist e» erst recht verwunderlich, daß Frankreich gar keine Anstrengungen macht, um auch seine Colonien auf der Höbe zu erkalten, die r» al» Macht erste» Range» in Anspruch nehmen kann. Wir sieben heute den Weltverbältniffen ganz ander» gegenüber als die im Absterbea begriffene Generation. Tie europäische Eivilisation und Entwickelung baben längst auf- grhört, ihre Alleinherrschaft zu üben Wie fremd stand un» Japan bi» vor .70 Jahren gegenüber k Und heute ist diese» Jnselreich im äußersten Osten schon fast vollständig der europäische» Eivilisation gewonnen. Al» die Engländer vor zeh» Jahre» Lgypte» besetzten, war Afrika bi» auf da« Eap- land und einige Küstenstriche ein unbekanntes L«d, der „dunkele Erdtbeil". Und beute? Nach allen Richtungen bin erstrecken sich die Colonisations-Bestrebungen, der Congo ist dem Verkebr erschlossen, am Niger sind die Engländer bemüht, regelmäßige Handelsverbindungen einzurichlen, im Osten ist daS Gebiet der großen Seen Gegenstand des Wettbewerbes zwischen Engländern und Deutschen, am Nyaffa- see suchen die Portugiesen eine neue Acra herbeizusührcn und im Westen sind die Beeren neben den Deutschen und Eng ländern thätig, um der Eivilisation in Asrika Eingang und Verbreitung zu sichern. Unter solchen Umständen wäre cö naheliegend und natürlich, daß auch Frankreich die Hände nicht in den Cckoeß legte, sondern DaS, was eS besitzt, auch zu erkalten bestrebt wäre. Unterlassungssünden, wie sie Frank reich gegenwärtig begeht, pflegen sich schwer zu rächen; an Nachfolgern, die den leer gewordenen Platz einzuiiebmen bereit sind, fehlt eS heute weniger denn je, die Zunahme der Be völkerung Europas hat jetzt nicht mehr den Abzug nach Amerika, der ihr früher offen stand, und gegen klimatische Einflüsse giebt eS Schutzmittel, sonst würden die Europäer nicht nach Indien gehen. * Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. August. Auch in Berlin bat Fürst B ismarck bei seiner Durch reise eine enthusiastische Aufnahme gefunden, obgleich sich dort die Führer des die ReichShauvtstadt beherrschenden „Deutsch freisinns- sicherlich ebensoviel Mübc wie in Jena gegeben haben, Kundgebungen für den Verhaßten zu verhüten. Natür lich schreiben und telegraphiren sie nun in die Welt hinaus, eS bätte gestern aus dem Stettiner Babnhof in Berlin nur ein Häuflein gewerbsmäßiger Hurrabrufer sich eingefunden. Freilich müssen sie erleben, daß im eigenen Lager der gegen den Fürsten Bismarck angeschlagene rohe Ton entschiedene Mißbilligung findet. So liest der bekannte Schriftsteller Fritz Mauthner, sonst ein leidenschaftlicher Anhänger Eugen Richter'S, in der von einem Redacteur des gleichfalls bismarck- seindlichen „Berliner Tageblatts" berauSgezebenen Zeitschrift „Magazin für Literatur" der frrAmnig-deniokratischen Presse gehörig den Text. Er bemerkt mit treffender Ironie: „So lange daS allgemeine Gerücht nicht widerlegt ist, Bismarck habe daS neue deutsche Reich geschaffen, so lange wcrdcnlsich Hassent- lich immer noch Leute finden, welche sonst keine Hurrahruscr zu sein brauchen, die ohne Götzendienst und ohne Prcisgebung ihrer Anschauungen von Gott und Menschen froh werden bei dem Ge- danken, , dast so ein Monumentalmensch gelebt und gewirkt Hot und noch immer dastebt, machtlos zwar und nicht einmal immer Herr seiner selbst <?), „aber doch auch ohne jede Herrschaft immer er selbst. Wäre er gelassen, er wäre nicht Bismarck geworden." Zum Schluß sagt Mautbner: „Tasür (nämlich für die Einigung Deutschland») banken wir ihm alle, Hand aufs Herz, auch die wildesten, freisinnigen Gegner möchten nicht um dreißig Jahre zurückiaufchcn. Bor dem aufmerksamen Ausland aber macht es sich schon lange nicht mehr schön, wenn angesehene Blätter den Mann, der Europa Rejpect vor Deutschland gelehrt hat, als einen Menschen schildern, der silberne Löffel gestohlen hat. Das Ausland glaubt es nicht, hat aber doch seine Freude daran." UebrigenS soll nicht unerwähnt bleiben, daß auch die hcck>- conservative „Kreuzzeitung", trotz ihrer Freundschaft für die Ultramonlanen, im Gegensatz zu diesen die Bedeutung der Huldigungen für den Fürsten BiSmarck anerkennt. Sie schrieb dieser Tage: „Nur blinder Haß kann die Bedeutung und Ursprünglichkeit der in Süd« und Mitteldeutschland hervorgetretenen Begeisterung mit allerlei spöttischen und boshaften Gründen, an die man selbst nicht glaubt, leugnen wollen. Es mag ja sein, Last dort das Gefühl leichter und lauter sich kund giebt, daß man dorr zum Jdealisircn geneigter ist, schon weil man früher intensiver gehabt hat, hast man dies und jenes in der Ferne mit anderen Augen ansicht, als die, welche es näher angeht, — aber wir zweifeln keinen Moment: auch in Preußens Städten hätte man dem Fürsten Bismarck enigegen- gejubelt. Und es ist gut, daß unser Bolk die Verdienste feiner Heroen noch bei deren Lebzeiten ehrt und sie nicht kalt aus das kritische Urtheil der Geschichte ver- tröstet. Doch das möchte noch angehen. Traurig aber ist es zu sehen, in welcher Art unsere freisinnige und demokratische Presse bemüht ist, nicht nur die Thaten des Fürste» Bismarck zu verkleinern, sondern ihn persönlich in den Schmutz zu zerren. Ta» sie nicht in das Lob des Mannes einstimmcn mögen, der sie oft genug jchonungs- los angesaßt und mit seinem scharfe» Worte verletzt hat, ist Mensch lich; daß sie an sein politisches Wirken auch jetzt noch ihr kritiiches Messer lege», ist begreiflich, ja ganz in der Ordnung; daß sie dabei ganz vergessen, was er für Deutschlands Einheit und Größe gethan, zeugt von ihrer Kurzsichtigkeit; daß sie ihn aber schier mit unsag baren Gemeinheiten persönlich beschimpfen, ist ein Beweis ihrer Herzens- und Gesühlsrohheit." Auf die Gründe deS Rücktritt» des preußischen Gesandten beim Batican, Herrn v. Schlözer, fällt jetzt ein eigentbümlicheS Licht durch eine Mittheilung deS römischen Correspondentcn der „N. Fr. Pr." Dieser wendet sich zu nächst gegen die Behauptung deS „Osservatore Romano", eS seien lediglich „liberale Insinuationen", wenn in Wien und Pest bebauptet würde, der österreichisch-ungarische Botschafter Graf Rcvertera habe in Folge der Verschlechterung der Be ziehungen zwischen OcsterreickUngarn und dem Batican ab- verufen werden sollen, und fährt dann fort: „Ter „Osservatore Romano" weiß recht wohl, daß dies« „In sinuationen" nicht von liberaler Seite ausgegongen, sondern aus Rechnung deS Eardinal-Staat-secretairS Nampolla zu setzen sind, dessen journalistische Gehilfin in diesem Winter »ine widerwärtig rohe Campagne gegen den Botschafter ins Werk setzten. Damals schrieb ein Beamter der Staatskanzlei, Gras Revertera solle, weil er sich erlaubt hatte, den römischen Hochadel ohne Unterichied der Farbe zu Gaste zu laden, zu den „österreichischen Unschlittsressern" zurückkehren. Jetzt aber hegte Cardinal Rampolla die Hoffnung, daß, nachdem es ihm gelungen war, Herrn v. Schlözer aus dem Sattel zu heben, auch in Wien seinen Ansprüchen Rechnung getragen würde. Der Umstand, daß die preußische Regierung unverzüglich einen Nachfolger des Herrn v. Schlözer ernannte, bestärkte ihn in seiner Sieges- aewißheit so sehr, daß er die Abberufung des Grasen Revertera sogar einem beim Heiligen Etudl« beglaubigten Diplomaten mit« thrilt« «nd sein« Agenten sie bereits urvi «t ordi verkündeten." Daß e« nicht lediglich Rücksichten aus sein Alter seien, dir Herr» v. Schlözer zum Rücktritt veranlaßten, hat man ja längst vermuthet; aber peinlich muß eS berühren, wenn dir Corrcspondeiiten österreichischer Blätter darüber klagen, daß der Triumph, den der päpstliche Cardinal-StaatSsecrelair über Herrn v. Ecktözer und die preußische Regierung davon- gelragcn, Rampolla crmutbigl habe, auch mit dem Grasen Revertera nach Belieben umzuspringcn. Noch peinlicher wird dieser Umstand dadurch, daß, während die preußische ofsiciösc Presse den Anschein zu erwecken sucht, als ob zwischen der preußischen Negierung und kein Batican daö allerbeste Ein vernehmen herrsche, die österreichischen und die ungarischen Lfsiciöscii gegen die neue vaticanische Politik den energischsten Ton anschlagen, von dem wir bereits Proben angeführt baben. Hatten die ruffcn- und sranzoscnsrcundlichen Gegner des Dreibundes im Batican geglaubt, daß sie Oesterreich, dem katholischen Staate, ebenso viel bieten dürfen, wie Preußen, so hatten sie die Ungarn vergessen, die durch die Haltung der Curie in der Wcgtaufenfrage aufs Acußerste gereirt sind, außerdem aber auch die sonderbare Haltung, die der Batican und die Bischöse bei dem Tode des Kronprinzen Rudolf einnahmen. Anläßlich des bevorstehenden Oestcrreichiscken Katho likentages ist bekanntlich zwischen den Christlich-Socialen oder Antisemiten und den Klerikalen eine scharfe Fehde ailSgcbrochcn. Das ultramontane Wiener „Valcrland" hat Herrn vr. Lueger direct ausgcsorderl, dem „Tage" ferne zu bleiben, da sein Programm kein katholisches sei und sich die ganze christlich-scciaie Bewegung nach jeder Richtung auf falschen Babnen befinde, vr. Lueger bleibt natürlich die Ant wort nickt schuldig und wirft daS „Vaterland" ebenfalls zu den „Judenblättern". Es ist aber nicht daS „Vaterland" allein, welches plötzlich erklärt, Lueger'S Partei sei nur durch daS rem negative Binteiiiittcl deS Antisemitismus zusaminen- gekoppell und bade eigentlich auf einem Katholikentage nichts zu suchen, auch die klerikale Prcvinzpresse wendet sich gegen die Cbristlich-Socialen. DaS „Grazer Volksblatt" rälh Herrn vr. Lueger ebenfalls, nicht nach Linz zu kommen, die „Tyroler Stimmen" predigen vom unchristlichen Geiste der Verneinung und llnbotmäfiigkcit, der sich breit zu machen suche n. s. w. Handelt eS sich bei den Klerikalen wirklich um in-br, alS um eine vorübergehende Verstimmung gegen die Cbristlich-Socialen, dann kämen diese in sehr große Ge fahr, bedeutend an Boden in den gut gläubigen Volkskreisen Oesterreichs zu verlieren. Da sie zudem auch von den social- deniokratii'ck gesinnten Arbeiterkreisen ziemlich in daS Ge dränge gebracht werden, so könnte die Oesterreich so sebr zum Nacktheit gereichende antisemitische Bewegung zum raschen Niedergänge kommen. Aus Paris wird dem „Hamb. Corr." von unterrichteter Seite mitgetheilt, daß Präsident Carnot sich im Hinblicke aus die Aufwerfung der Frage seiner Wiederwahl überaus reservirt verhält und damit nicht eher hervorlreten werde, als bis die im nächsten Jabre ne» zu wählende Kammer zusammengctrelen ist. Von ihrer Zusammensetzung wird es abl,äugen, ob Carnot's Wiederwahl Aussichten hat oder nicht, und hiervon wird der gegenwärtige Präsident seine Candi- dalur abhängig mache». Da auf das Resultat der Waklcn die Regierung, die sie leitet, einen sehr gewichtigen Einfluß übt, so glaubt man, daß die Radikalen alle Anstrengungen machen werden, daS gegenwärtige Cabinct »ach Wieder eröffnung der Kammern zu stürzen, um die Gewalt an sich u reißen. Dies dürfte ihnen allerdings schwerlich gelingen, o daß voraiiSzusehcii ist, daß die nächste Kammer eine ge mäßigtere Färbung an sich tragen wird als die gegenwärtige. Als Candidaten für die Stelle de« Präsidenten der Republik werden sechs Compclciiten nauibaft gemacht: Carnot, Casimir Perrier, Cassagnac, Freycinet, Ferry und Floguet. Ai» meisten AuSsicheii scheinen die beiden erstgenannten zu haben; Cassagnac hat sich durch die Art und Weise seines Sturze« als Marineminister geschadet; Freycinet und Ferry schildert man als zu bejabrt und kränklich »nd Floguet erscheint für den Posten eines Staatsoberhauptes als zu radical. Im englischen Unterbause ist Gladstone bei seinem Erscheinen von den irischen Abgeordneten und den Mitgliedern der liberalen Partei mit stürmischem Beifall begrüßt worden; man darf daraus schließe», daß die Einheit der Gladstonc'- schen Partei durch die letzte» Beratbungen und Beschlüsse über die einzuschlagcndc Taktik gefestigt worden ist. Wie lange diese Eintracht währen wird, ist allerdings eine andere Frage. Tic „Times" findet, daß die Anzeichen für daS neugcwäklte 13. Parla ment nichts weniger als günstig stellen, sic meint, alle« deute darauf bin, daß das neue Parlament eine kurze, aber an Wirren reiche Laufbahn haben werde. „ES sollte uns nicht wundern", beißt eS in dem genannten Londoner Blatte, „wenn nach Ablauf einiger weniger Monate sowobl die Mehrheit als die Minderheit die Periode deS schwankenden Gleichgewicht« und der praktischen Ohnmacht zu Ende zu bringen wünschen würde. Die gegenwärtige parlamentarische Mcbrbcit ist auf den Namen Gladslone'S, nickt auf eine Politik bin gewäblt. Und Gladstone ist 83 Jabre alt. In der politischen Ge schickte ist eine derartige Erscheinung noch nickt dagcwcsen". Vorläufig ist Gladstone bemüht, in sein viertes Ministerium junge aufstrebende Kräfte anszunebmen. In erster Reibe steht der liberale Abgeordnete ASqu itb, welcher den Zusay- antrag „kein Vertrauen" zur Adresse stellen wird. Diesen Antrag zu unterstützen, ist der Abgeordnete Burt, der lang jährige Schriftführer deS GewerkvereinS der Bergleute von Nortbumberland, auScrseben ; man erwartet sogar, daß Glad stone eine Stelle in seiner Administration Burt überantworten wird; jedenfalls ist Gladstone bestrebt, die Arbeiterpartei bei guter Laune zu erhalten. Mit desto größerer Spannung muß man dem Verlaufe der Regierung Gladstone'S ent gegensetzen. Eine in unserer Abendausgabe vom Sonnabend mitgetbeilte Depesche auS New Aork meldet bekanntlich, daß dem dortigen Consul von Venezuela briefliche Miltbeilungen über den Tod des Generals CreSpo zuacgangen seien Bestätigt sich diese Meldung, so erleiden die Zustänke in Venezuela eine durchgreifende Aenkeruna. Joaquin CreSpo war der „kommende Mann" in Venezuela. Als Sieger in der aufständischen Be wegung hat er «S troHdem zugleich verstanden, sich die Sym pathien der venczuelischcn Bevölkerung und der Colonisten zu erwerben. In unserem letzten Eigenberichte avS Caracas war die Hoffnung ausgedrückt, daß CreSpo der Herr der Lage werden möge, damit endlich Rübe und Ordnung in dieses durch innere Unruhen schwer geprüfte Land einziehrn möge. Man rühmte die Thatkrast Creöpo'S, er galt als der Mann, den unbedeutenden Gernegroßen in Venezuela, den sechs PräsidentschaslSbewcrbcrn obsiegen zu können. Der Tod CreSpo's wird neue schwere Wirrnisse bervorrufen. Die Nachricht von dem Tode Crcspo's kommt überraschend; den Vermuthungen über die Art seines HinscheidenS ist Thür und Thor geöffnet. Deutsches Reich. ^ Berlin, 6. August. Mit der Durchführung der Umgestaltung der preußischen StaatSstcuern geht aus« Engste Hand in Hand eine gründliche Reform des Gemeindesteuerwcscnö, die mit jedem Jahr in wachsen dem Maß als unaufschiebbare Nothwendigkeit empfunden wird. Die zunebmenden Bedürfnisse und die zunehmenden finanziellen Bedrängnisse der meisten Gemeinden stellen die Möglichkeit bedenklicher Zerrüttungen und Katastrophen in Aussicht, wenn nicht rechtzeitig Abhilfe getroffen wird. Durch die StaatSsteuerreform soll nun für die Gemeinde- stcuerreform die Bahn frei gemacht werden. Die Ver besserung und Erschließung der communalen Steuer- queken war bisher aus die mannichfachste Weise gehindert und gelähmt. Unser Communalsteuerwesen entbehrte nach seiner historischen Entwickelung auS sehr verschiedenartigen wirthschastlichen und socialen Verhältnissen durchaus eines folgerichtigen Systems und PrincipS. Die Gemeinden haben inehr und mehr ihre Bedürfnisse durch Zuschläge zur staat lichen Einkonimensteuer befriedigt, wodurch diese vielfach zu uner träglicher Höhe anwuchscn und die Sicherheit deS GemeindchauS- baltS schwer litt. Es müssen Steuerqnellcu geschaffen werden, über welche die Gemeinden frei nach Maßgabe ihrer Bedürf nisse verfügen können; staatliche Gcldzuwendungen ohne Rück sicht auf daS verschiedene Bedürfniß der Gemeinden schließen eine für die Zukunft immer wachsende Gefahr in sich. DaS endgiltige Ziel der Steuerreform besteht nun namentlich in der vollen Aussonderung der Realsteuern (Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Bergwerkssteuer) auS dem System der Staatssteuern und in der wesentlichen Begründung der Communalstcuern auf den vom Staate ausaegebeuen Realsteuern. „Die indirekten Steuern für das Reich, die Pcrsonalsteuern für den Staat, die Realsteuern für die Gemeinden." Dabei ist aber eine Ergänzung durch Heran ziehung der Personalstcuern für die Gemeinden nicht zu entbehren. Die richtige Grenze zwischen Real- und Personalbesteuerung für die Gemeinden zu finden, ist die Hauptaufgabe eines neuen CommunalsteuergesetzeS. Auch das Gebührcnwesen, d. h. die Vergütung für die dein Einzelnen aus der Benutzung der communalen Veranstaltungen erwachsenden besonderen Bortheile war bisher nicht rationell entwickelt und theilweise durch gesetzliche Be stimmungen verhindert. Eine indirekte Communal- besteuerung ist durch die Gesetzgebung deS Reichs, welche namentlich die norddeutschen Gemeinden an einer Ausbildung der Verbrauchsabgaben auf Getränke verhindert, übermäßig beschränkt. Inwieweit diese grundlegenden Gesichtspunkte sich zu concrctcn Vorschlägen verdichten werden, bängt wesentlich von dem Umfang ab, in welchem der Staat aus bisherige Einnahmen zu Gunsten der kommunalen Besteuerung zu ver zichten in die Lage gesetzt wird. F Berlin, 7. August. Der Bericht über den VI. ordent lichen Berussgenossenschaftstag, welcher amlO. Junior, in Hamburg ftattfand, ist im Druck erschienen und dürfte bezüglich mebrerer Puncte auch weitere Kreise interessirea. Wie aus dem Bericht hervorgeht, wurde u. A. bei Besprechung der Rechte und Pflichten der Genossenschastea tu Bezug ans die Novelle zum Krankenversicherungsgrsrtz von dem begut- achtenden Arzte der Berliner Schiedsgerichte in Ünfallsachen, Herrn Vr. Blasius, in einem eingehenden Vorträge die Wichtigkeit eine» sofortigen sachgemäßen Heilversahren» gleich nach dem Eintreten de» Unfalls nachgewiesen und der Werth eigener genossenschaftlicher Krankenhäuser hervorgehoben. Eine Ansicht, der auS den Kreisen der Genossenschaft der Lorrcscrent, Herr Direktor Schlesinger, vollinhaltlich deilral, indem er emvsahl, daß die Berussgenosfinschasten im wohl- verstandenen eigenen Interesse aus Grund der erwähnten Novelle schon vor Ablauf der ersten 13 Wochen das Heilversahren auf eigene Kosten übernehmen. Eine dementiprechende Rejolution gelangte zur An- nähme. In Bezug aus die Frage, ob die «erzte in ihren Gut- achlen über die durch Unfälle herbeigesührten Verletzungen und deren Folge», außer einer objektiven Darstellung des Befundes, berechtigt lein sollen, den Grad der verbliebenen Erwrrbssähig- keit in Procenten anzugeben, konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Während aus der einen Seite den Aerzten dieies Recht bedingungslos zugesprochen und die Ausübung desselben für nützlich erachtet wurde, war man aus der anderen Seite der Anfichl, daß dies eine rein wirthichasttiche, sich in den meisten Fällen der Beurtheilung der Berzte entziehend« Frage sei, deren Entscheidung »»nächst den inleressirten Parteien vorzubehalten ici; daß den Aerzten daher das Recht, «in Urtheil über die ver- blieben» oder verlorene Erwerbssähigkeit in Proeenten abzugeben, nur für die Fälle zugcsprochen werden könnte, in welchen die» von de» Berussgenossenschasten ausdrücklich verlangt würde. Di« Frage, ob die Berussgenosfinschasten als össentliche Behörden anzu- sehen sind, welche vielsach, und zwar ueuerdings von den Aerzte- kaiiimern bei Prüfung der Frage, betreffend die Bildung von Aerzte - Tollegien zur Abgabe von Oberautachten, verneint worden war, batte den Grund geboten, eine Besprechung über die öffentlich rechtliche Stellung der Berussgenossenschasten herbes- zusübren. Herr Rechtsanwalt Lindrnberg-Berltn kam in seinen Ausführungen zu dem Schluß, daß die Berussgenossenschasten ver- möge her ihnen geietziich »»gesprochenen Recht« und Pflichten allerdings den Charakter üssentlicher B» h ö rd e n zu bean« svruche» hätten. Der Referent stützte sich hierbei aus einen Beschluß de» königl. preuß. ttammergericht» vom 86. Oktober l89l» wonach staatlich genehmigte Lommunat-Lparcossen gleichfalls für öflrnttich« Behörden erklärt wurden, und fand die Gründe, welche zu dieser Entscheidung geführt hatten, auch für die Berussgenossenschasten zu treffend. Sind die Berussgenossenichasten in der Thal als öffent liche Behörden onzufiden, so würden z. B. die Beamten derselbe» als mittelbare Staatsbeamte zu gelten haben und dadurch »in« theil- weifi Steuerfreideit genießen. Auch würden die Bnreanräum« der Berussgenossenschasten von der Mieihssieuer besreil sein; von ihnen ausgestellte Urkunden würden öffentlich«» Glauben beansprnchr» könne» »nd bergt, «ehr.
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