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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.08.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920812015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892081201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892081201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-12
- Monat1892-08
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Georg Wilhelm Siliert in Leipzig-Lindenau von uns verpflichtet worden, was hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Leipzig, den 8. August 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. lin. Di VM. 3422. vr. Tröndlin. Lietrich. Lekaimtmachung. Die öffentlich ausgeschriebenen Arbeiten zur Pflasterung der Grajsi-Strafzr aus deren Strecke zwischen der Pestalozzi-Straße und Schleuniger Weg sind vergeben. Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden daher aus ihren Angeboten entlassen. Leipzig, am 8. August 1892. Ie. 424b. Ter Rath der Stadt Leipzig. Or. Tröndlin. Cichorlus 1199. Lekanlltlilachung. Die öffentlich ausgeschriebenen Erd- und Maurerarbeiten zur Errichtung eine« Anbaucs für die IV. Bürgerschule in Leipzig- Boitmaradors sind vergebe». Die unberücksichtigt gebliebenen Bewerber werden daher aus ihren Angeboten entlassen. Leipzig, den 8. August 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. Ib. 3467. Vr. Tröndlin. EichoriuS. Bekanntmachung. Wegen Umzugs wird dir UnivrrsitäiS-Uanzlci, das Uni versitäts-Gericht und die Luästnr Sonnabend, Sen 13. August und Montan, den 15. August, geschlossen. Tie Expedition beginnt wieder Tirnstag. den 1<i. August, Morgens V Uhr, in dem Trier',che» Institut, linker Flügel, Grtmmaischer Steinwcg Nr. 12. vr Ii«rl I1ln«1ti>L, zur Zeit Prorektor. Zur Lage in England. Gladstone befand sich schon einmal in der Lage, in welcher er beute ist. Auch bei den Wablcn des Jahres 1885 war Salisbury in der Minderheit geblieben, obwohl die Mehrbcit deS englischen Volkes die irische Politik Gladstone's nicht billigte, und obwohl Gladstone durch seine Mißerfolge in der auswärtigen Politik überall Unzufriedenheit erregt hatte. Heute sind feine Aussichten insofern günstiger, als er seine Forderungen für die Iren eingeschränkt hat, und als cs ihm während der letzten sechs Jahre an der Gelegenheit scbltc, seine Unfähigkeit auf dem Gebiete der auswärtigen Politik zu erweisen, aber große Erwartungen erregt auch sein dies maliger Wahlsieg nicht. Gladstone wurde am 3. Februar 1886 mit dem Vorsitz im Ministerium betraut, gerieth aber schon im Juni in die Minderheit, weil der von ihm vorgelegtc Gesetzentwurf, welcher den Iren nicht nur ein eigenes Parla ment gewährte sondern auch das Ausscheiden der irischen Abgeordneten aus dem englischen Parlament anordnete, in zweiter Lesung abgelchnt wurde. Die darauf folgenden Neu wahlen ergaben eine schwere Niederlage der Partei Gladstone's, und demgemäß erreichte seine Regierung bereits am 20. Juli 188h ihr Ende. Dieser Hergang ist charakteristisch für die englischen Ver hältnisse. Im Laufe eines Jahres war die öffentliche Meinung vollständig in das Gcgentbeil umgeschlagen, zahlreiche Anhänger Gladstone's hatte sich in Gegner verwandelt, und Salisbury trat unter Glück verheißenden Umständen von Neuem ins Amt. Hiernach ist die Frage gerechtfertigt, was denn Salisbury in der Zeit seiner Amtsführung gethan hat, »m sich seine Anhänger zu entfremden, und wodurch eS Glad stone möglich geworden ist, die Mehrheit der großbritamnschcn Wähler für die Einrichtung eines irischen Parlaments zu gewinnen. Man sucht vergeblich nach einer befriedigenden Antwort auf diese Frage, denn Salisbury hat in der inneren wie in der auswärtigen Politik nur Erfolge auszuweisen, zum Tbeil auck solche Erfolge, mit welchen Deutschland gewiß nicht zufrieden sein kann Aber daö ist sicher, daß Salisbury die englischen Interessen nach allen Richtungen bin wabrge- nommcn hat, wäbrcnd das vorletzte Ministerium Gladstone von 1881 bis 1885 England in der öffentlichen Meinung Europas tief berabdrückte. Das Bombardement Alexandriens, die Preisgabe deS Sudan, die Aufopferung Gordon'S, der Mißerfolg gegen Rußland in dem afghanischen Streite sind ebenso viele politische Niederlagen, an deren Folgen England noch lange zu leiden baden wird. Unter Salisbury hat sich Europa wieder daran gewöhnt, mit England auch in auswärtigen Fragen zu rechnen, ans seine Sympathie Werth zu legen und sich vor seiner Gegnerschaft zu hüten. Scho» daßRußland eine gewisse Empfind lichkeit wegen der von England angekiiüpsleiiVerbindungeli zeigt, ist ein deutliches Zeichen dafür, daß sich England anS seiner früheren Lethargie den Welthändeln gegenüber aufgerasit hat und daß es von der Gleichgiltigkeit nichts wissen will, die Gladstone allen auswärtigen Verwickelungen gegenüber an den Tag legte. Bei der Adreßbcrathnng im Unterbaust bildet die irische Frage das alleinige Thema für die Reden der Parlaments mitglieder, und cs ist offenkundig, daß Gladstone mit der Darlegung seiner Absichten keine günstige Wirkung erzielt hat. Sein Programm lautet: „Völlige und wirksame Ansrechl- haltung der RcichSoberberrschast, gleichzeitige volle Ucber- tragnng der eigenen Angelegenheiten an Irland und Bei behaltung der irischen Abgeordneten im englischen Unler- hause." Valfonr erklärte darauf und mit Bezug auf die Forderung Gladstone's, das irische Zwangsgesetz unverzüglich aufzubebcn: das Unterhaus habe das Recht, zu erfahren, ob der Preis, der für die Unterstützung der Nationalisten gezahlt werde, in dem Leben und Eigentkum des englischen Volkes und in der Loslassiiiig von Dynamitarden gegen die Gesell schaft bestebe. Zur Durchführung nützlicher Gesetze würde» sich die Wähler wieder den Unionisten zuwenden. Der Feldzug der Mehrheit deS neu gewählten Uuter- bauseS gegen die Regierung SaliSbury's bat die LcSreißmig Irlands von Großbritannien zum Ziele. Tie Irländer wollen angeblich ihre eigenen Angelegenheiten selbst verwalten und rarübcr bestimme», aber es ist bisher nicht gesagt worben, welche Angelegenheiten irisch und welche großbritannisch sind, und es wird deshalb verschwiegen, weil die Abgrenzung schwer, vielleicht unmöglich ist. Irland hat sich durch die von ihm begangenen Ungesetzlich leiten selbst außerhalb des Gesetzes gestellt und ein Aus nahmegesetz nothwcndig gemacht, die Landliga hat das Verhällniß zwischen Gutsherren und Pächtern unter graben und durch das Boycottsystem einen gänzlich unbalt- barcn Zustand berbcigesührt. Diese Mißstände sind actenmäßig und durch Gerichtsverhandlungen nachgewiesc». Von einem geordneten und gesetzlichen Zustande ist beute noch in Irland nicht die Rede, und trotzdem will die kommende Regierung Verschwörern, Mördern und sonstigen GcsetzeSverächtern, die daö ganze Land von Grund aus umgcwälzt haben, wichtige Rechte zugcstehcn, die gerade diese gefährlichen Leute zu Herren der Lage macken würde». Das ist unmöglich, und aus diesem Grunde fehlt cs dem Ministerium Gladstone an allen Vorbedingungen für eine gedeihliche Thäligkeit, so daß ibi», falls das ÄcißlraiienSvotum gegen das Ministerium Salisbury zu Stande kommt, nur eine kurze Dauer bevor stehen dürste. ES lassen sich aus statistischen Erfahrungen gewisse Gesetze für alle Erscheinungen im menschlichen Leben nicht nur auf dem Gebiete der Tbaksachen, sondern auck der geistigen Tbätigkeit abstrabiren. Die Statistik weist nicht nur nach, wie viele Menschen in einem bestimmte» Zeiträume geboren werden und sterben, wie viele webrtäbig sind und wie viele nicht, wie viel Nahrungsmittel in dieser oder jener Gegend und in welche» Abstufungen sie verbraucht werden, sondern es giebt auch eine parlamentarische Statistik, und für diese liefert England vorzugsweise werthvollcs Material. Bevor ein zritbcwcgcndcr Gedanke im Volke Boden gewinnt, ver streicht eine gewisse Zeit, die DurchschiiittSbcvLlkening und dementsprechend auch der Durchschnittswäbler bängt an bestimmten Gewohnheiten und hält an den Vorurtheilc» fest, die ihm durch Abstammung und Erziehung anbasten. Es giebt Zeitläufte, in welchen die Erregung deS Augen blicks und äußere Einwirkungen darin eine Abweichung herbeiführen; dann treten Wahlergebnisse ein, die mit den vorherrschenden Anschauungen in Widerspruch sieben. Mag aber auch dieser Ilmsckwung noch so gerechtfertigt sein und in den Verhältnissen seine Begründung finden, so tritt wieder ein Zcitpunct ein, in welchem die ursprünglichen Antriebe und Beweggründe der menschlichen Handlungsweise ihre Kraft äußern, und dann greisen die Wähler aus das zurück, was sie zeitweise außer Acht gelassen hatten. Dafür sprechen viele Beispiele in der parlamentarischen Geschichte aller constitutionellen Staaten, besonders aber in dem Muster - VcrsassungSstaate England. Der Unterschied zwischen conservativ und liberal ist nur formell, und Gladstone selbst ist ein hervorragendes Beispiel für die Tbatsache, daß beide Begriffe nur verschiedene Formen des gleichen Streben« englischen Parlament sind, weil er, ursprünglich con- im servativ, beute radical ist. Daß die Erweiterung des Walch rcckteS eine liberale Maßregel ist, versteht sich von selbst, aber in England könnte cS auch sehr leicht geschehe», daß eine solche Maßregel unter einem conservaliven Ministerium zur Aus führung gelangt. Tie Bezeichnung liberal ist in England oft nur das Aushängeschild für höchst konservative Eckrille, das heißt für solche, welche die Herrschaft der cngliscken Oligarchie befestigen. Wer Len Iren ihr Recht geben will, ist nach den im Volke herrschenden Anschauungen auch geeignet, für Forderungen von der Art des achtstündigen Arbeitstages einzutreten. In diesem Sinne haben auch die cngliscken Arbeiter die Bestrebungen GladstoiieS ausgcsaßt und sich deshalb an ihn gewandt, damit er ihren Wünschen zum Aus druck verhelfe. Gladstone bat dieses Ansinnen unter Be- rusilng auf sein Hobes Aller abgelchnt, aber conseguent bandelte er damit nicht, er hat vielmehr für die wahrschein lich »ickt fernen Neuwahlen sich den Weg verstellt, um durch eine bestimmtere Kundgebung der öffentlichen Meinung, als die letzte war, sich den Boden zu sichern, den er zur Er reichung seiner Ziele nöthig hat. * Deutsches Reich. Leipzig, 1V. August. Unter der Ueberschrift: Die Ant wort aus die Eaprivi'schen Erlasse schreiben heute vie „Grenzboten": „Es ist schwer, sich den Eindruck zu vergegenwärtigen, den die beispiellos großartigen Huldigungen in München, Augsburg, Kissingen und Jena auf die Männer des „neuen Curses" gemacht haben müssen. Jedensalls hüllen sie sich in das Schweigen der Würde oder der Verlegenheit. Wenn sie gedacht haben, mit der »»glücklichen Veröffentlichung der Eaprivi'schen Erlaffe den Fürsten Bismarck als einen politisch todtcn Mann darzustellen, dessen Worte gleichgiltig und werihlos seien für die Re- gicrung wie für das Volk und das Ausland, so haben Hundert- lausende deutscher Männer darauf die Antwort gegeben, daß diese Absicht in ihr Gcgenlheil verkehrt worden ist und auf einer un glaublichen Verkennung der thatsächlichen Verhältnisse und Stim mungen beruht, aus einer Verkennung, die gelinde gesagt von einer sehr geringen staatsmännischen Befähigung zeugt. Oder wenn die Erlasse, ivie man annimiiit, um das Unbegreiflich« begreiflicher zu machen, dem Centruin die bündige Erklärung abgeben sollten, daß Fürst Bismarck niemals wieder an die Spitze der Geschäfte zurückkehrcn werde, so haben die Kreise Süd- und Mittel- deiilschlands, die ibm jetzt gehuldigt haben, d. h. der Kern des ge bildeten Mittelstandes, damit bündig erklärt, daß sie eine Politik, die davon ausgehl, durch Zugeständnisse diese Partei zur eigentlichen Regierungspartei zu machen, rund heraus veruriheiten, weil sie alle» geschichtlichen Erfahrungen schnurrstrack» zuwiderläusl. Das ist die Aniwort aus die Eaprivi'schen Erlasse, eine Aniwort, die an Deutlichkeit und Entschiedenheit nichts zu wünschen übrig läßt. Sie enthält zugleich das Urtheil über den „neuen Curs", dessen Wortführer so selbstbewußt, so herausfordernd aufzulreicn lieben. Wenn iolches Sclbstgesübl nur durch Erfolge gerechisertigt werben kann, wo sind diese Erfolge? Die erste That des neuen Regiments war das traurige dcuijch-englische Ab- tonimcn über Lstafrika. Für die Erwerbung der schwindenden Fclstrümmer von Helgoland und um das Eabinet Salisbury ein paar Jahre länger am Ruder zu erhalte», das nächsten« wahr- schcintich Loch fällt, gaben wir die Vorherrschaft in Ostasrika preis, die Bismarck zu begründen im Begriffe staub. Seitdem hat unsere Lolonialpolitit dort eine Reihe von Niederlagen, sogar von militairischen, zu verzeichnen gehabt, die keineswegs dadurch aus geglichen worden sind, daß die neue Weisheit, entgegen allen Er fahrungen unter wilden Völkern, sie für bedeutungslos erklärt Hai. Ter Erfolg der mitteleuropäischen Handelsverträge ist mindestens zweiseihasi, das lange verhinderte Einvernehmen zwischen Rußland und Frankreich dagegen ist Thalsache, und damit ist die Jsolirung Frankreichs, die Bismarck fast zwanzig Jahre hindurch meisterhaft ausrecht zu erhalten verstanden hat, auf gehoben. Und eben haben wir unS in der Weltausstel'.ungs- srage, die mit so bemerkenswcridem Mangel an Klarheit und Entschlossenheit betrieben wurde, eine schwere diplomatische Nieder lage gegenüber demselben Frankreich geholt, und Gras Caprivi wußte keinen „kalte» Wasserstrahl" nach Paris zu senden. Ueber das Volksschulgesetz kan» man verschieden denken; aber in jedem Falle war enlweder seine Einbringung oder seine Zurück ziehung ein schwerer Fehler. Wenn Regieren Voraussehe» heißt und die Politik nach Fürst Bismarck die Fähigkeit ist, in jedem Augenblick das am wenigste» Schädliche oder bas Zweckmäßigste zu wählen, so haben die Leiter deS „neuen Curses" von diesen beiden Tingen herzlich wenig bewährt und mit dem unschätzbaren Psuiidc des feste» Vertrauens, das der Reichsregierung bis zu Bis marcks Entlassung cuigegcngebracht wurde, schlecht gewirthschaftet. Toch der schwerste Febler der Eaprivi'schen Politik ist der un- glücksclige und vollkommen gescheiterte Versuch, den größten Staats mann TeuischlanL« »nd der Wett politisch gewissermaßen zu ächten! Hat Len» Gras Caprivi gar nichts von der ungeheuren Macht geatmt, die Gott sei Tank noch immer die Erinnerung an das nunmehr tcider unwiederbringlich abgeschlossen hinter uns liegende glorreiche Bicrieljahrhunderi Wilhelms des Ersten und Bismarcks aus die gebildete» Deutschen ausübt und nicht zum mindesten aus die gebildete Jugend, die auserzogen worden ist und, so Gott will, auch sernerhi» auserzogen werden wird in der Ver- ehrung für die Heroen dieser unvergicichllchen Zeit? Hat er so wenig von der wuchtige», alle Lebende» weit überragenden Persön- Feuilletsir. Der l». August MS. (Fortsetzung.) Dom Kriegsschauplätze kamen böse Nachrichten. Wie konnte auch eine entfesselte Soldateska, der von jakobinischen Agenten der Ungehorsam immer aufs Neue als ihr gutes Recht eingepredigt wurde, gut diSciplinirten Truppen gegen über Stand halten. Man hörte, daß sich Marschall Luckner — ein alter Haudegen aus dem siebenjährigen Kriege, der nach dein HuberluSburger Frieden aus preußischen in fran zösische Dienste übergetreten war — mit der Nordarmce auf Lille und ValencienneS zurückzieben und die Vorstädte von Eourtrai habe in Brand stecken müssen. Unter dem Ein drücke dieser Ereignisse bestieg am 3. Juli 1792 einer der ersten Redner der Gironde r»c Rcdnerbühne der National versammlung und hielt eine Rede über die augenblickliche Lage und über das Königthum, die zwar ei» Meisterwerk der Rhetorik genannt werden muß. aber doch bei aller Kunst nichts ist, als daS Werk eine« Demagogen und Rabulisten, der vor keiner unwahren Beschuldigung und unbegründeten Unterschiebung zurückbebt, wenn nur der Angegriffene dadurch geschädigt werden kann. Mit Recht kann man von dieser Rede sage», sic sei der Dolchstoß eines Meuchelmörders für das Königlhum gewesen. WaS Jemand sich auSkenken konnte an Beschwerden und Klagen über Len Stand der Verhältnisse, die Lage der Armee, ihre Unzulänglichkeit, schlechte Verpflegung, mangelhafte Ausbildung, unfähige Führung, ferner über die Fruchtlosigkeit der gesetzgebenden Versammlung, über innere Wirren, über daö drohende Gespenst einer Gegenrevolution — alles DaS wurde zurückgefnbrt aus den mangelnden guten Willen de« Königs, aus seine feind selige Gesinnung gegen die neugcschaffene Lage, alles DaS tourte als Unterlassungssünde gcbrandmarkt, die der König kübl damit entschuldige, daß die Verfassung ibn ja nickt zu einer gegentheiligen Handlungsweise verpflichte. „O König!" so läßt Pierre Bergniaud die Nation Ludwig zurusen. „O König, der du ohne Zweifel mit dem Tvraniien Lysander geglaubt hast, daß die Wahrbeit nickt mcbr werth sei wie die Lüge, »»d daß man die Männer mit Eiden betrügen müsse, wie »an dir Kinder mit Spielzeug belustigt, der du Liebe zum Gesetz nur voraespiegeU, um dir Macht zu retten, die dir h»zu di«»,» sollt«, ihm zu trotzen, der du bi« Verfassung nur angenommen, um nicht vom Throne berabgestürzt zu werden, der du die Nation nur darum durch Vertrauen sicher ge macht, uni den Erfolg deiner Treulosigkeit nickt z» gefährden — du willst unS heule durch heuchlerische Belheucruiigen hintergehen? Nein! Nein! Mensch, den der Edel- muth der Franzosen nickt zu rühren vermochte, Mensch, der nur für die Herrschaft deS Despoten Empfindung hat, du hast dein Gelübde auf die Verfassung nicht erfüllt! Du bist nichts mehr für diese Verfassung, nichts mehr sür dies Volk, das du so feige verrathcn hast." Nachdem der Redner ans diese Weise den König gcbrand- markt hatte, natürlich unter dem rasenden Bcisallc der Linken und der Galerien, tonnte er aus den eigentlichen Zweck seiner Rede kommen, nämlich zu dem Anträge, es solle von der Versammlung auch ohne königliche Genehmigung die Formel ausgesprochen werden dürfen: „DaS Vaterland ist in Gesabr!" Sobald das geschehen sei, hätten sich alle Behörden des Reiches in Permanenz zu erklären, alle National garden und waffenfähigen Freiwilligen sollten aufgebotcn werden, alle Bürger angebe», waö sic an Sckicßbedars be säßen, jeder Franzose und jeder in Frankreich wohnhafte Fremde müsse die dreifarbige Eocarde traben, wer irgend andere Abzeichen, etwa gar gegenrcvolntionaire an sich batte, solle sofort von den Gerichten verfolgt und mit dem Tode bestraft werden. Diesen Antrag nahm die Versammlung an wider den warnenden Einspruch vernünftiger Leute, die genau die darin liegende ungeheure Gefahr erkannten. Nun handelte es sich nur noch uni den Tag. an dem dies Losungswort de« allgemeinen Aufruhr« ausgesprochen, an dem über ganz Frankreich der BclagcruiigSzusI.iiid verhängt und die Dictalur der Nationalversammlung erklärt werden sollte, oder auch die Dictalur einer solchen Körperschaft, die eS verstehen würde, aus der Permanenz durch längste Sitzsähigkeit den größten Nutzen zu ziehen. Am Tage, bevor Vergniand seine eben erwähnte Brand rede hielt, war die seinerzeit durch da» Veto de» Königs ver botene Versammlung der Födrrirten in einem siebenden Lager bei Paris wieder zur Sprache gekommen, und man hatte einen ganz ähnlichen Beschluß gesaßt, allerdings unter Ver meidung de» WorlcS FSdSrSS; da» blieb dann aber dock die allgemein angenonimene Bezeichnung. Als Termin der Ver sammlung wurde da« ürinnerungssest de» BastillensturmcS, also der l4. Juli, bestimmt. Diesmal gab der König nach: ja er versprach, an diesem denkwürdigen Tage persönlich aus dem Feste zu erscheinen und den Eid der Verbrüderung enlgegeiizunebmen. Daneben Lackte er aber Loch auch wieder an Flucht und verhandelte darüber mit seinen durchaus er gebenen Ministern, ja mit Lafayette. Aber am lO. Juli erklärte er Len erslercn endgiltig, daß er jeden Gedanken an Fluckl verwerfe, worauf sie ihrerseits erklärten, dann nicht mehr in ihren Aemtern bleiben zu können. Die Nach richt von dieser, dem außen Stehenden natürlich ganz überraschend kommenden MinistcrkrisiS wirkte auf die Nationalversammlung entsprechend. Von da au begannen eben die Girondisten wieder auf eine ministerielle Zu kunft sür sich z» Höften. Es vcranlaßte aber auch diese plötzliche unerklärliche Veränderung im Verein mit dem von Herault de S6ckclleS erstatteten Bericht über die Lage die Ausgabe jener vcrbängnißvollcn Parole: Oitozeus, In Mi-ic- est on ckaiiger. Sie wurde am ll. Juli 1792 vom Präsi denten der Versammlung ausgesprochen. Die verschiedenen Formalitäten, die sich notbwendig machten zur Uebermiltelung des Beschlusses an die Exccutivgewalt, das DepartcmcntS- dircctorium, die Stadtverwaltung von Paris u. s. w., erlaubten erst am 22. Juli, c nein Sonnlage, und am darauffolgenden Montage die öffentliche Bekanntmachung in den Straßen von Paris. An diesen beiden Tagen verkündete die Lärmkailonc des am Pont Neuf ausgestellten Artillerieparks durch drei Schläge früh 6 Ilbr die unheilvolle Proclamation und dies wiederholte sich von Stunde zu Stunde. Während dieser Zeit wurde in allen Vierteln die Lärmtrommel gerührt und zwei amtliche Auszüge durcheilten die Stadt. An der Spitze enieS jede» marschirte eine Abtkeilung Eavallerie mit Trom petern, Trommler», einer Musikbandc und sechs Kanonen. Dann erschienen zwölf Mnnicipalbeamte zu Pferde; hinter ibnc» wurde eine dreifarbige Fahne getragen mit der Auf schrift: Oltozenn, In patris vst en ckanger. Inmitten der sreicn Plätze und an den Straßenecken batte man aus vorher errichteten halbkreisförmigen Tribünen Zelte angebracht, die mit dreisarbigen Bändern und Eichcnkränzen geschmückt waren; darin war über zwei Trommeln ein Breit gelegt; daS sollte den Amtssitz de» Schreibers darstellen, der die sich zum Kampfe gegen den LanteSseind meldenden Freiwilligen in die Listen eiuzricbnen sollte Kam nun der Zug an einen solchen Platz, so hielt er an, die Tricolore wurde geschwenkt, die Trommler schlugen einen Wirbel, dann la- ein Gciriemdcbeamtcr Len Be schluß der Legislative vor. Darauf bewegte fick der Zug wieder von dannen, während die Nationalgardcn de- Stadtbezirks ihre Fabncn auf der Tribüne niederlegten und sich dann auf letzterer im Halbkreise aufstelltrn, den Schreiber in der Mitte, um die Freiwilligen einzuzeichncn. Und sic kamen in Menge an diesen beide» Tagen. Endlich schien die gewaltige Er regung namentlich der jungen Leute ein Ziel gesunden zu haben; die etwa« theatralische Art der Bekanntmachung hatte nur um so begeisternder gewirkt. Aber auch die jakobinische Verleumdung und Aufhetzung fehlte nicht. „Wo wollt ihr bin, ihr Unglücklichen?" zischle sie ihnen zu, „Unter was für Lfficicren wollt ihr gegen de» Feind rücken? Die führenden Ossiciere sind fast alle von Adel und ein Lafayette wird euch zur Schlachtbank führen. Hab, seht ibr denn nickt, wie man ein gar grausanieS Lachen binler den Wctterläten der Tuilericn lacht über euren ekeln, aber blinden Eifer?" So suchte man den Ausschwung zu lähmen und Erbitterung zu verbreiten. Als ob davon nickt schon genug vorhanden gewesen wäre! Die nur zu berechtigte Amtsenthebung Petion'S und deS StadtsyudicuS Manuel, die auch der Untersuchungsausschuß der Nationalversammlung in der Ordnung gesunden batte, war von den Jakobinern nach besten Kräften anSgcnutzt worden. Man vertheilte Bilder, die Ludwig k In lanterno zeigten, sang abscheuliche Lieder auf ihn und die Königin unter den Fenstern der Tuilerien. DaS eine hatte den be zeichnenden Kehrreim: Wir kriegen Dich, LouiS mein Dickchen Tralala, tralala Nach Türkenarr beim Benickchen; Ja wohl, mein Freund, jaja! Als am 14. Juli der König auf dem Festplatze erschien — der Sicherheit wegen trug er unter der Weste rin feines Panzerhemd — begrüßte ibn kein Ruf Vive Ie Uoi, dagegen um so häufiger das oppositionelle Vive la nation! und da» drobende Vive kötinn cm In Mort! Und doch hatte der König, dem Drucke der öffentlichen Meinung und der Nationalver sammlung nachgebend, soeben den Maire wieder in sein Amt eingesetzt; bald daraus, d. h. die königliche Gnade ließ immer hin noch 10 Tage auf sich warten, wurde Herr Manuel in seine Rechte wieder eingesetzt, nämlich am 23. Juli. Herr Pötion batte also reichlich Gelegenheit gehabt, da» nationale Fest mit seiner Gegenwart zu verschönen Wer damals als znrciscnder Fremder nicht genau mit den Persönlichkeiten ver traut war, konnte glauben. Herr P4tion schwinge daS Scepter von Frankreich. — Armer König Ludwig, Erbe eine» ruhm reichen Geschlecht-, hast du in Folge deine» seit Heinrich s IV. Tagen so oft mit spanisch-habsburgischcm Blute gekreuzten Stammbaums so wenig von dem Geiste jene» großen Abn- berrn in dir, dem nickt» freudiger erschien, al« daS frische Toben der Feldschlacht? Kannst du nickt deinen Parisern,
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