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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920812025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892081202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892081202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-12
- Monat1892-08
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' Bereits in der heutigen Morgenausgabe haben wir einen Artikel der „Grenzbolen" mitgetheilt, der sich mit den viel besprochenen Caprivi'schen Erlassen beschäftigt und die dem Fürsten Bismarck in München, Augsburg, Kissingen, Jena u. s. w. dargcbrachten beispiellos großartigen Hul digungen als die Antwort eines großen Theiles des deutschen Volkes auf diese Erlasse bezeichnet. Das neueste Heft der „Grenzbolen" enthält aber auch noch einen anderen, auf den Fürsten Bismarck bezüglichen Artikel, der die Beachtung weiterer Kreise deshalb verdient, weil er mit schneidiger Schärfe gegen den schmachvoUeu Undank sich wendet, mit dem ein Theil der deutschen Presse dem Einiger Deutschlands lohnt. Der Verfasser wundert sich nicht darüber, daß einige „hergelaufene Zeitungsjungen" sich erfrechten, einem Bismarck Vorlesungen über StaatSkunst und Patriotismus zu halten; auch darüber nicht, daß Herr Eugen Richter, seine ganze Thätigkeit seit der Nichtbestätigung seiner Wahl zum Bürgermeister vergessend, sich an die Brust des sonst maßlos verachteten Pindter warf, um mit ihm vereint über die Untergrabung der staatlichen Autorität zu jammern; wohl aber ruft und fragt er: „Aber wie hat sich die der Regierung nahestehende Presse be nommen! War es wirklich nothwendig, das populäre Vor- urtheil gegen alle Osstctöfen so nachdrücklich zu rechtfertigen? Welchen Credit kann die ossiciöse Presse »och beanspruchen, wenn Menschen, die noch vor zwei Jahren vor jedem Wimperzucken Bismarck s in,Demuth erstarken, solche Angriffe aus ihn — wohl nicht verfassen, aber doch mit ihrem Namen decken?" Dann fährt der Verfasser fort: „Allerdings scheint es, als ob in der That besser für die Kenntnis, ,der neuesten deutschen Geschichte gesorgt werden miißte, da zahllose Zeitungen offenbar von Menschen geschrieben werden, die gar nicht wissen, was sich in den ersten zwei Drittthetlen unseres Jahrhunderts zugetragen hat. Sie wissen nicht» von der Samm lung, Stählung und Erhebung des Volks zwischen Jena und Jena, zwilchen der Zertrümmerung Preußens und der unseligen That Sand's. Nichts von der Unterdrückung, Lähmung, Zerrüttung des Nationalbewußtseins in den folgenden Jahrzehnte». Nichts von den planlosen Anläufen und dem regelmäßigen Zurücklchrecken vor dem Sprunge Friedrich Wilhelms des Vierten. Nichts von dessen unheilvollen Verjöhnunqsvcrsuchen mit Polen und Ultra- montanen. Nichts von den Demüthtgungen Preußens in der deutschen, der holsteinischen, der Neuenburger Angelegenheit und der beleidigen den Art der Zulassung der fünften Großmacht zum Pariser Cvngreß. Wüßten sie von alledem das Geringste, erinnerten sie sich noch, wie Nicolaus, Palmerston und Louis Napo- leon die Welt regierten, sie könnten nicht die Stirn haben, sich anzustellen, als sähe» sie die Unterschiede und Aehnlichkeiten nicht in der Weltstellung Deutsch, lands bis 1864, bis 1882 und seitdem. Man müßte selbst so naiv sein wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" und Con- jorten, wollte man ihre Frage nach Beweisen für die Veränderung unserer Beziehungen zum Auslände durch Aufzählung der That- sachen beantworten, die leider jedes Kind kennt. Lesen denn die Berliner Artikelscl.rciber und ihre Auftraggeber keine fremde» Zei- tnngcn? Machen sie keine Reisen? Das höhnische Lächeln unserer grimmigsten Feinde, der Schinerz und Zorn unserer aufrichtigsten Freunde küunten sic ausklären. Und welcher unglückliche Einfall, die neue Wendung in der Stellung zu Polen durch die Erinnerung daran, daß Bismarck einst den Grasen Lcdochowski empfohlen habe, entschuldigen zu wollen! Wenn Bismarck von dem Manne besser dachte, als er verdiente — muß ihm denn gerade ein Fehlgriff nach- gcmacht werden, da man sich so ängstlich hütet, ihn in seinen Meister- zügen zum Vorbitde zu nehmen? Aber schlimmer als dieses ganze ekle Treiben bis hinab zu dem von „demokratischen" Lakaien dem Berliner Pöbel freundlich e» theilten Winke, a» dem Schöpfer des deutsche» Reichs sein Mllthchen zu kühlen, viel schlimmer als alles das sind die ebenso kleinlichen ei» wilden Ausbrüche persönlichen Hasses und persönlicher Furcht! Wer Wagcnseil's Geschichte gefallener Staatsmänner durch blättert, schaudert bei der Erinnerung, zu welchen Unthalen sich politische Leidenschaft, Neid, Rachsucht, Undankbarkeit und Schwäche so oft verbündet haben. Die Gegenwart ist „humaner". Man blendet, rädert, meuchelt die Helden und Staatslenker nicht mehr, die ihre ganze Lebenskraft für das Wohl ihres Lande» eingesetzt und dabei Privatinteressen und Privatenipfindlichkeiten verletzt hatten. Aber ist es wirklich würdiger, für einen Bismarck die berüchtigten Worte Schulenburg'«, daß Ruhe die erste Bürger pflicht sei, und Rochow's vom beschränkten Unterlhanenverstande neu aufzulegen? Ihn vor ganz Europa mit Acht und Bann zu belegen? Und weshalb? Ein Besucher will von ihm die Aeuße- rung gehört haben, er liebe die Hunde, weil sie einen Fußtritt nicht nachtragen. Bon ihm die Hundetreue, die Grillparzer in seinen „Bancban" gefeiert hat, zu erwarten, dazu hat er Niemandem das Recht gegeben! Er ist aus hartem Metall geschmiedet, da» weiß die Welt, wie hätte er sonst seine Thaten thun können! Und mochte man auch wünschen, daß ihm manchmal möglich gewesen wäre, seinen Zorn zu bemeistern: baS hat die Art der Verfolgung in Ver gessenheit gebracht. Mit Recht wurde an den Freiherr» vom Stein erinnert; der war auch kein Kautschukmann, und die Freisinnigen, die seinen Namen unnütz im Munde führen, würden ihn, wenn er »och lebte und wirkte, so bitter hassen, wie unfern ersten Reichs kanzler." Wir sind überzeugt, daß der Verfasser mit diesen AuS- fllbrunaen genau die Gedanken und Empfindungen wiedergicbt, die in Mittel- und Süddeuischlad so einmüthig zum Durch bruch gekommen sind, und überzeugt, daß der Verfasser in den weitesten Kreisen Zustimmung findet, wenn er den ver blendeten Berliner Demokraten zuruft: „Schämt Euch bi« ins Innerste, daß Sachsen. Franken, Bayern, Schwaben, Hessen u. s. w. den preußischen Junker besser würdigen als ihr!" Die ultramontaue „Kölnische Volkszeituna" ist sehr erregt darüber, daß Fürst Bismarck bei seiner Durchreise durch Spandau von einer großen Anzahl von Officieren in Uniform begrüßt worden ist. Vielleicht beruhigt sich daö Kölner Jesuitrnblatt, wen» eS darauf aufmerksam gemacht wird, daß FürstBrsmarck königlich preußischer General oberst ist. Einem Generaloberst ihrer Armee zu huldigen, wird preußischen Officieren schwerlich verwehrt werden können. UebrigcnS hat auch die Kolberger Garnison eS sich nicht nehmen lassen, den Fürsten bei seiner Durchreise zu be grüßen. Männer von Ehre, wie die preußischen Osficiere, lassen sich durch das Geschwätz klcriko-demokratischer, social- demokratischer und sonstiger Bismarckbasscr, die dem Fürsten Bismarck °>argebrachten Huldigungen seien an tim o n archische Kundgebungen, in ihrem Handeln glücklicher Weise nicht be einflussen. ES giebt auch gar keine größere Lächerlichkeit, als die Behauptung, daß die Kundgebungen zu Ehren Bismarck's „antimonarchisch" seien. Gerade die Anhänger Bismarck's sind „Monarchisten" vom Scheitel bis zur Zehe, wie Fürst Bismarck cs selbst ist. Daß sie nicht in absolutistische» „Velleitäten" befangen sind und nicht mit gewissen Leuten sagen: „Unser König absolut, wenn er unfern Willen thut", kann ihrer „monarchischen" Gesinnung nur zur Empfehlung gereichen. In München hat die königliche Polizeidirection die Vor schriften über die Sonntagsruhe für eine Reihe von Geschäften bereits gemildert. Unter Anderem ist jetzt den Bäckereien, Conditoreien, Feinbäkkereien und Milchhandlnnacn der Betrieb den ganzen Tag, mit Ausnahme von 8—lo Uhr Vormittags, den Schweinemetzgern, Delikatessenhandlungen und Käsehandlungen von 6—8 Uhr, von ll—l und von 4—8 Ubr gestaltet Bei der großen Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse sowohl als der behörd lichen AuSfUhrungSbcstimmungen lassen sich bestimmte Maßregeln einzelner Behörden kaum zum Gegenstand der Kritik macken. Im Allgemeinen scheinen aber die bisherigen Erfahrungen den Wunsch zu rechtfertigen, daß an die Aenderung der ursprünglich getroffenen Bestimmungen mit großer Vorsicht gegangen werden möge. Ta« Gesetz über die Sonntagsruhe ist noch nicht sechs Wochen in Kraft, das Publicum kann sich »och nicht vollständig an die Neuerungen gewöhnt und aus sie eingcricktet haben. Ans diesem Grunde vermögen auch die Gewerbetreibenden sich noch kein zu treffendes Bild von den ökonomischen Wirkungen des Gesetzes zu machen. Herrscht doch vielfach noch unter Angehörigen desselben Gewerbes, oft derselben Stadt, Mei nungsverschiedenheit über die Erträglichkeit der neuen Anord nungen. DaS bat sich jetzt wieder auf dem VerbandStage des freien deutschen Bäckerver bandeS in Heidelberg gezeigt. BcmcrkcnSwerth ist, daß auch dort daS Bedauern laut wurde, daß im Gesetze nicht einheitliche Bestimmungen für daö ganze Reick getroffen worden sind. Während die Unternehmer vielfach und, wie sich gezeigt hat, nicht ohne Erfolg über die behördlichen Anordnungen klagen, geschieht dasselbe unter socialdemokra tischer Ae'giee und natürlich mit entgegengesetzter Tendenz seitens der im Handelögewerbe anacstellten Personen. In Berlin hat am TienStaa zu diesem Endzweck eine Versamm lung stattgefunden, die sich jedoch schließlich darauf beschränkte, eine Resolution anzunehmcn, die energisch gegen die Versuche protestirt, die gesetzlich festgelegte Sonntagsruhe in irgend einer Weise zu beschranken, und die gesetzgebenden Körperschaften aussorkert, jedesVerlangen dieser Art zurückzuweisen. Außerdem verpflichteten sich die Versammelten, alle Umgebungen der Sonn tagsruhe der socialdemokratischen freien Vereinigung der Kausleutc anzureigen. Mit nicht geringer Erbitterung sprachen sich mehrere Redner über de» in der Presse gemachte» Vor schlag aus, wonach eS bei der Sonntagsruhe der Angestellten verbleibt, die GeschästSinbaber und ibre Familicnangebörigcn aber arbeiten und verkaufen dürfen. Es wurde unter HinwccS aus die sckon jetzt angeblich bäusigcn Verletzungen des Ge setzes u. A. bemerkt, daß nach der vorgeschlagrnen Gesetzes- änderung die Hausdiener bald mit den Chefs „verwandt" sein würden. Die französischen Expeditionstruppen in Dahomey haben allem Anschein nach einen verfehlten Strciszuz unter nommen. Nach den telegraphischen Meldungen bandelte eS sich angeblich um eine von dem Kllstenpuncte Kotonu auS unternommene RecognoScirung. Diese RccognoScirung-colonne verbrannte zwar auf ihrem Marsche mehrere feindliche Dörfer, gcrielh dann aber anscheinend in einen Hinterhalt, worauf sich ein bis zum Abend währende- Feuergesecht ent wickelte. Der Verlust der französischen Truppen wird mit zwei Sergeanten, die getödtct wurden, und zehn Schützen, die leicht verwundet wurden, beziffert. Hinzugefügt wird, der Verlust der Dahomeyer solle sehr erbeblich sein. Da die französischen Blätter bald die Engländer, bald die Deutschen beschuldigen, daß sie die Truppe» des Königs von Dahomey mit Waffen versehen, wird auch in dem vorliegenden Telegramm darauf hingewiesen, daß sehr viele der Dabomcyer mit Winchcster-Gewchrcn bewaffnet gewesen seien. Weitere Telegramme melden, daß der Oberst- commandirende der französischen Streitkräftc zu Wasser und zu Lande, Oberst Dodds, nunmehr das Bombardement gegen die Küste, über die der Blockadezustand verhängt ist, hat er öffne» lassen. Wenn cö in dieser Hinsicht heißt, der Aviso „Opale" habe Abomey bombardirt, so handelt eS sich nicht etwa um die Hauptstadt des Landes, die mitte» in diesem und fern von der Küste gelegen ist. Die Franzosen haben denn auch von Anfang an erklärt, daß sie ihre militairischen Operationen keineswegs bis zur Hauptstadt selbst auSdehnen würden. Im englischen Unterbause ist in der verflossenen Nacht das von der nenen Mehrheit gegen das Ministerium Salisbury beantragte Nicht-BcrtrauenS-Votum, wie vorauSzusehcn war, mit 350 gegen 310 Stimmen ange nommen worden. Nach dem bei der parlamentarischen Niederlage eines Ministeriums üblichen Herkommen vertagte sich nun das Haus auf Antrag dcS Ersten LordS des Schatze«, um dem uiiterleaeiien Eabinet Zeit zum Rücktritt, dem neuen Zeit zur Eonstitniruiig zu geben Scho» beute dürften sich die Mitglieder des EabinclS Salisbury nach Osborne begeben, in» ibre Demission der Königin zu über reichen, die darauf Gladstone nack Osborne berufen oder vielleicht, um ibm die beschwerliche Reise zu ersparen, ihn schriftlich mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragen wirb. Am Montag wird dem Parla ment der Rücktritt dcS Ministeriums aiigckllndigt werden, woraus daS Parlament wiederum vertagt wird, bis Gladstone sein Ministerium gebildet hat. Die neuen Minister, so weit sic Mitglieder des Unterhauses sind, müssen sich einer Wieder wahl unterziehen. Sobald diese Wahlen vollzogen sind, wird Gladstone, wahrscheinlich am 22. d. M., daö Parlament bis Ende Januar 1893 vertagen. Eine Herbsttagung ist, wie verlautet, nicht in Aussicht genommen. Die unionistischcn Blätter verheißen der liberalen Regierung keine lange Lebens dauer. Die „Times" sagt: Mit der Niederlage dcrunionistischcn Regierung wird daö Band, welches die Opposition zusammen- bält, aufhören zu bestehen; der „Standard" meint, wenn Lord Salisbury daö Vertrauen des HauscS der Gemeinen verloren habe, so habe doch Gladstone eS nicht gefunden. Gladstone'S Anhänger würden ihn nur stützen, so lange er sich ihren Forderungen willfäbrig zeige. In den kommenden sechs Monaten wird cö Gladstone'S große Aufgabe sein, eine Homcrule-Bill zu entwerfen, welche den Liberalen entspricht, die Anti-Parnelliten zufrieden stellt und die Parnelliten be friedigt. Aus der spanischen Hauptstadt geht den „Münchener N. Nachr." folgende überraschende Nachricht zu: „Die Nichtbetheiligung Deutschlands an der Lolum- busseier Spaniens, zu welcher bekanntlich Nationen dritten Ranges, wie Holland, Griechenland, Mexiko uno Argentinien, ihre Schiffe gesandt hatten, während England, Frankreich und Italien sogar durch große Geschwader vertrelen waren, macht im Publicum der spanischen Hauptstadt noch mehr von sich reden als in der spanische» Presse. Besonder» in militairischen Kreisen wird diese Nicht- betheiligung als eine Nichtachtung der spanischen Nalionaiität betrachtet, den» man rann sich nicht denke», daß Deutschland sich aus so kleinliche Weise an Spanien rächen wollte, weil es bei uns mit dem Handels- Vertrage Fiasko gemacht hat. DaS Gemurmel über die Enthaltsamkeit ist bi» zur offenbaren Erregung gediehen, nachdem die hauptstädtischen Zeitungen die Nachricht gebracht habe», daß Deutschland einen Kreuzer, die „Prinzeh Wilhelm", nach Genua senden werde, um an der dortigen Columbusseier Theil zu nehmen. Spanien hat den Bescheid erhalten, daß kein deutsches Schiff abkömmlich sei, und nach Genua wird freiwillig ein solches hingeschickt; die Spanier betrachten dieses Voraehen nicht mehr als Taktlosigkeit, sondern als offene Provocation." Nun, den Groll Spaniens wird man in Berlin zu tragen wissen. Erfreulich ist es trotzdem nicht, daß die deutsche Diplomatie das Fernbleiben eines deutschen Schiffe» von der spanischen EolumbuSfeicr nicht auf eine Weise zu motiviren gesucht oder gewußt hat, durch welche die spanische Empfind lichkeit geschont worden wäre. Fürst Ferdinand von Bulgarien ist, wie bereit« telegraphisch berichtet worden, nach mehrmonatiger Abwesen heit wieder in seinem Lance eingetroffen. Berichte, die der „Kreuzztg." a»S Sofia zugeben, schildern die Lage al« normal, wiewohl eS sich begreift, daß besonder« seit den Hinrichtungen der a» der Ermordung Beltschew's Bctbeiligten größere Vor sichtsmaßnahmen getroffen worden sind, da mit der Möglichkeit von Rackeaclen gerechnet werden muß. Die von der „Swoboda" ans Lickt gezogenen Actcnstücke Werfen ein grelle« Licht aus da« Verbalten RußlandS, und wiewobl begreiflicherweise von russischer Seite die Echtbcil der an« Lickt gezogenen Actenstücke be stritten wird, so ist hier doch alle Welt überzeugt, daß ihr Jnbalt den Thatsachen entspreche Der Fürst wird sich zur Eröffnung der Ausstellung in Philippopcl dorthin begeben. Seltsam nimmt es sich auö, wenn, wie berichtet wird, sich ein italienisches Blatt, die „Venezia", bemüßigt fühlt, dem Gerüchte ein Dementi entgegenzusepen, daß für den Fall der Abdankung des Fürsten rin italienischer Prinz, und zwar der Herzog von Aosla, auf den bulgarische» Thron berufen werden solle. Ein überflüssigere« Dementi ist wohl kaum denkbar. 101 Feuilleton. Schloß Fenetrange. Ein Roman au« den Vogesen. Bon O. Elster. Nachdruck «erholen. (Fortsetzung.) Au« dem Walde jenseits der Grenze taucktc eine Reihe dunkler Gestalten auf, welche in eiligem Marsck den jetzt von dem Monde hell beschienenen Pfad in da« Tbal hinabbuscktcn. Eine Weile verschwanden sic in dem Schatten de« Tbale«, dann erschienen sie wieder aus dem Pfade diesseits des Grenz- slüßchens und stiegen langsam zu dem Walde empor. Deutlich erkannte Fritz, daß die Männer mit schweren Lasten beladen waren. „Also das war r«!" sagte er rubig und ernst. „Eine Cchmugglerbandc, und Du warst ihre HelserSbelseriu." „Habe Erbarmen mit niir und enflieh, ehe sie hierher kommen. Sie tödtcn Dich und mich!" Kaum zwanzig Schritte vom Waldessaum tauchten jetzt die ersten Gestalten auf. Im Hellen Lichte de« Mondes er kannte Fritz den alten Joseph und Jockel, seinen Gegner von der Kirchweih. Sein Mutb, sein strenge« Pflichtgefühl ließen Fritz nickt an die Gefahr, der er entgegen ging. Lenken. Er stieß Marianne zurück, die den Schmugglern entacgencilen wollte, und trat rasch entschlossen aus die heranschteichenden Männer zu. „Halt!" rief er mit lauter, fester Stimme, indem er die Büchse schußsertig im Arm hielt. „Halt und die Waffen nieder, oder ich schieße!" Einen Augenblick stutzten die Schmuggler, erschreckt durch die überraschende Erscheinung de- Jäger« Einige warfen dir Ballen fort und entliefen, andere versteckten sich hinter dem Buschwerk und den einzelnen Baumstämmen. „Wir sind verratben! Wo ist die Dirne? Schießt ibn «ieder, den Hund!" So schrie e« durcheinander. Fritz rief laut: „Ich kenne Dich, Joseph, und Dich, Jockel Schmidt, legt die Ballen nieder und ergebt Euch, oder ich schieße Euch nieder." „So stirb Du zuerst, Du Hund!" so schrie mit heiserer Stimme Jockel Sckmidt, und ehe Fritz die Büchse an die Wange reißen konnte, krachte der Schuß aus Jockel'« Flinte. Fritz fühlte einen schneidenden Schmer? in der Brust, er taunieltc, aber er hatte noch so viel Kraft, daß er die Büchse erhebe» konnte. Er sckoß — ein entsetzlicher Schrei ant wortete, dann sank Fritz besinnungslos zu Boden, aber auch einer der Schmuggler, der unmittelbar neben Jockel gestanden, stürzte röchelnd nieder. Jammernd warf sich Marianne über den blutenden Körper des Geliebten. „Ah, da ist ja die Dirne", rief Jockel Schmidt. „Ta Joseph, babt Ihr die Berrätherin und züchtigt sie, daß sie ein ander Mal besser aufpaßt!" Mit einem wilden Fluch schleuderte der Bursche da« Mädcken dem alten Zigeuner zu, zu dessen Füßen e« bewußt los nictersank. Jetzt eilte Monsieur Bourgeois, der sich bislang mehr im Hintergründe gehalten hatte, herbei. „Um GotleSwillcn, wa« ist vorgegangen?" „Ich bab' den Grünrock niedergeschossen, der uns auf der Spur war. Ich denk', er bat genug." Noch einmal richtete sich Fritz empor. Vor seinen ver- sckleierten Augen verwirrten sick bereit« die Erscheinungen, aber deutlick erkannte er die Männer, den allen Zigeuner und Jockel Schmidt. Wer war aber die schwarz verhüllte Gestalt, welckc sich über ibn beugte? Er konnte da« ge schwärzte Gesicht nicht erkennen, er wollte dem Unbekannten Plantet und Kapuze entreißen, koch seine Kraft erlahmte, stöhnend sank er zurück, da« Bewußtsein ans« Neue verlierend „Jockel, wa« habt Ihr geiban?" sagte mit bebender Stimme Monsieur Bourgeois. „Aber da — da liegt ja noch Einer? — Wer ist«? — Bei Gott — 'S ist der Jean aus Finstingen " „Laßt ibn nur", cntgeznete ein anderer Mann, der sick über den Zusammengestürzten gebeugt hatte, „dem ist nicht mehr zu Helsen, 'S ist vorbei mit ihm." „Wa- sangen wir an?" „'nunter mit den beiden Todten in den Bach oder drüben über die Grenze." „Daß wir »nS die Gendarmen aus den Hals Hetzen." „Der Grünrock lebt noch — er atymet." „Verdammt, so gebt ihm den Nest!" „Nein, nein! Da« geht nicht! Wir müssen ihn an einen sicheren Ort schaffen." „lieber die Grenze mit ibm!" „Wohin da? Die französischen Gendarmen würden ihn aufspüren; halt, ich hab's! Schafft ihn in den alten Tburm von FSnStraiige, in dem wir unsere Maaren ansbcwahrcn, dort sucht ihn Niemand — stirbt er, dann scharren wir ihn dort ein." „Und der Jean?" „Verbergt ihn ii.i Dickicht dort — morgen Nacht wolle» wir ibn verscharre» — schnell — schnell!" Einige Burschen trugen den Leichnam deS Erschossenen in da« Dornentickicht, dann warfen sie Erde über die blut befleckte Stelle, wo der Leichnam gelegen und bedeckten diese» selbst mit dürrem Reisig. Eine dichte Wolke zog jetzt vor den Mond. Ah, der Himmel hilft unS", sagte aufathmend Monsieur Bourgeois „Da fängt e« an zu schneien! Und nun an gefaßt, daß wir den Jager nach dem alten Thurm bringen." In diescni Augenblick schlug Marianne die Augen wieder auf. Eine» Moment sckautc sie wie irr um sich, dann sprang sie empor und sich des Geschehenen erinnernd, schrie sie: „Ist er todt?" „Schrei net so, Du dumme Dirn", schalt in rohem Tone Jockel Schmidt. „Deine Dummheit hat ihm 'S Lebe» ge kostet". „O mein Gott!" „Beruhige Dich. Marianne", sagte mitleidig der alte Joseph. „Er ist net todt, wir tragen ihn in den alten Thurm, Du kannst ihn pflegen." „Ja, ja, laß mich mit — ich will ihn pflegen." geht net —' „Ich will mit, hört Jbr, ick will mit ihm gehen oder ich lauf' zu dem Förster auf TackSburg und erzäbt' ihm Alle»." „Dir Dirn'ist wahnsinnig!" „Laßt sie mitgehen", befahl der Wirtb vom ^Goldenen Löwen". „Wer weiß, ob sic unS net verräth. Man weiß, daß sie 'ne Liebelei mit dein Jäger gebabt und wird bei ihr nachsorschcn. Aber, Dir»', das sag ich Dir, Du darfst den Tburm net verlassen, und wenn er gesund wird, mußt' mit ihm über die Grenz'. — Joseph, ich verlaß mich aus Euch, daß Ihr die Dirn' net au« den Augen laßt" „Werd'S schon besorgen, Monsieur. Wenn'S irgend mög lich, schaff' ich Beide über die Grenze." „'S Beste war', man ließe den Grünrock hier liegen, morgen früb ist er todt." „Nein, nein, da« geht net an! Vorwärt«, Leute! An- gesaßt!'' Einige Burschen hoben den leise Stöhnenden aus die Schultern, dann bewegte sich der Zug langsam weiter, in wenigen Augenblicken aus einem Seitenwege im Dunkel deö Walde» verschwindend. Ter Sturm trieb immer neue Sckmecwcsken berbei und in dichter Menge rieselte» die Schneeflocken nieder, jede Spur der blutigen That verwischend. ES war spät in der Nacht, als Karl Schröder von seinem Patrouillengange in daS Forstbau» beimkebrle. „Ich Hab' ihn nicht gesunden, Monsieur Jeanin", sagte er zu dem alten Förster „Im Wald ist er nicht." „Er wird schon wieder kommen, er ist Wohl bei seinem Schatz unten im Zigeuncrdorf." „Mag sein. Wenn er morgen früh nicht zurück ist, geh' ich Hinunter." „Thut eS, und viel Glück auf den WcgI Jetzt aber wollen wir zu Bett gehen. Morgen ist auch noch ein Tag. Schlaft gut" „Gleichfalls. Och bin müde wie ein abgehetzter Jagdhund." Nach wenigen Minuten lag da« Forstyaus in tiefer Ruhe da. Nur der Sturmwind spielte noch seine gewaltigen Melodien und in der Ruine der Dachsburg ließ eine Äile ihr unheimliches klagendes Geschrei erschallen Dichter und dichter siel der Scknec, den der Wind in den Thalern zu hoben Schanzen auftbürmte, die Weg und Steg für jedes Menschen Fuß ungangbar «achten.
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