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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920815029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892081502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892081502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-15
- Monat1892-08
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Mau mag dem' Weltausstellungsplane kühl, ja ablehnend gegenüber gestanden haben und dem Berichte Eaprivi'S a» den Kaiser in allen wesentlichen Punctcn zu- stimmen und man kann sich dennoch nicht einer unbehag lichen Empfindung angesichts der getroffenen Entscheidung erwehren. In einem dem Kanzlerbericht beizegebenen Eom- mentar setzt die „Nordd. Allg. Zig." auseinander, dah nicht die Veranstaltung einer Ausstellung Ehrensache sei, wohl aber das Gelingen einer veranstalteten. DaS ist unwiderleglich, aber die Regierung hätte Sorge tragen müssen und können, daß der erste Satz im letzten Vierteljahre so unbestritten blieb, wie er cs zwanzig Jahre hindurch gewesen ist. Bei der großen Mehrheit der Deutschen Halle die Meinung vor» geherrscht, daß das Unternehmen einer Weltausstellung des halb nicht nationale Ehrensache sei, weil Weltausstellungen schon längst aufgcbört haben, ernste Eulturtbaten zu sein, weil sie nicht mehr dem Fortschritt der Menschheit dienen, sondern überwiegend Festveranstaltungen sind, bestimmt, der AuSstellungSstadt große Einnahmen zuzuführen. DaS war die deutsche, und weil sic dem deutschen Wesen entsprach, eine specisisch deutsche Ausfassung der Weltausstellungen und das Festhalten an ihr hätte die Möglichkeit ausgeschlossen, daß vereinzelten Ausstellungsvorschlägen gegenüber der na tionale Ehrcnpunct jemals in Frage kommen konnte. Die deutsche Regierung, obwohl, wie jetzt amtlich scstgestellt ist, einer WcltauSstelurng durchaus abgeneigt, hat dessen ungeachtet diesen Standpunct verlassen und Erörterungen über das deutsche Können provocirt, wo sie von Anbeginn das deutsche Nich twollen unbedenklich hätte scststellen dürfen und sollen. Es wäre dies sür sie um so leichter gewesen, als mit dem Auftreten des Projektes auch zugleich der Nus nach etwas Eigenartigem an der deutschen Veranstaltung erschollen ist. Die Vorschläge, die in dieser Richtung gemacht wurden, erwiesen sich durchaus als unbrauchbar und die Negierung war in der Lage zu sagen: Ihr wollt etwas AparteS— gut, so veranstaltet keine Weltausstellung. Statt so zu verfahren, ließ man das Project bis zu einem Stadium reisen, wo das Fallcnlassen — es läßt sich das nicht wcg- disputiren — uns dem Auslande in einem unerwünschten Lichte zeigt. Neben dieser unerfreulichen Betrachtung drängt sich eine zweite auf. Wir sind sicher: hätte vor drei, vier, fünf Jahren die NeichSregiernng ein WcltauSstcllungSproject so weit gedeihen lassen, wie cs jetzt geschehen ist, wir hätten die Ausstellung gehabt. Die Bedenken und Bedenklich keiten, sachlich damals vielleicht ebenso berechtigt wie heute, hätten sick Schweigen aufcrlegt, weil eine solche internationale Veranstaltung eben doch nicht allein vom NützlichkcilSstand- punct angesehen werden will. Man hätte eine» großen Zug durch die Sache gehen sehen, der jetzt gänzlich fehlte, weil sich eine allgemeine Unfreudigkeit wie ein Mchltbau über die Volksseele gelagert hat. Cs ist eben in den letzten zwei Jahren gar zuviel geschehen, um die Quellen zu ver stopfen, aus denen eine nationale Begeisterung empor- scheeßt, wie man sic zu großen Dingen braucht. Bei dieser Stimmung der Nation, die wohlbekannt ist, mnß es sonderbar erscheinen, daß ein Denker wie Professor <5>anS Delbrück dem deutschen Volke Vorwürfe macht, weil e« die Weltausstellung nicht — gegen den Grafen Eaprivi — durchgesetzt hat und sich von den „Sonder bündlern, den Selbstsüchtigen und Faulen" hat untcrkriegcn lassen. Herr Delbrück war ein eifriger Befürworter der Weltausstellung und deshalb mag man ihm die ungerechte Beurtheilung ihrer Gegner zu Gute halten, aber der Histo riker in ihm sollte doch nicht verkennen, daß ein Volk, welches erst vor zwanzig Jahren durch die Führung der Negie renden etwa« geworden ist, unmöglich an Kraft und Maaeinuth gewinnen kann, wenn ihm das Vertrauen in die Führung mehr und mehr schwinden muß. „Jedes Volk hat die Regierung, die eö verdient", sagt der Herr Professor in diesem Zusammen hang und handelt darin eigentlich nicht loyal, da es ihm nicht entgehen kann, daß der Nachweis der Verwendbarkeit dieses Satzes aus daS heutige Deutschland sich verbietet. Bei seinem sonstigen publicistischen Auftreten weiß man nicht einmal, ob er den Grafen Eaprivi für eine verdiente oder unverdiente Schickung ansiehl. Man muß sich die verbreitete principielle Abneigung gegen Weltausstellungen überhaupt, sowie die all gemeine Stimmung in Deutschland vergegenwärtigen, wenn man den durch den Kanzler-Bericht bekannt gewor denen Einzelheiten gerecht werden will. Unter 58 Stimmen 40 gegnerische und 11 unentschiedene — das besagt, daß der Gedanke einer Weltausstellung nur sehr schwache Wurzeln gefaßt hat. Dabei ist die Wahl der BundcSrathSstimmen als Maßstab sür daS Gewicht der ein zelnen RegicrungSvoten im Allgemeinen als sachgemäß zu bezeichnen, die großen Staaten haben die absolut größere Industrie. Auch wird man de» Satz teS Berichtes nicht be streiten können, wonach im Großen und Ganzen die Be- urtbeilung der Bundesregierungen diejenige der industriellen Kreise in sich schließt. TieieS Ergebniß der Anfragen läßt cs um so weniger begreifen, daß der Kanzler der ersten Anregung nicht mit einem grundsätzlichen Nein cntgegengetreten ist, wie e- die srübere Negierung wicterbolt gethan hat. Tie „Norkd. Allg. Ztz." bat dasiir eine wenig geschickte Entschuldigung, indem sic bemerkt, daß vor 1890 allerdings alle Wünsche, eine Weltausstellung zu veranstalten, regierungsseitig sofort „zurückgewicsen" worden seien, daß man diesmal aber den die Anregung gebenden deutschen HantelSlag nicht einfach „ignoriren" durfte. Als ob Zurllckwcisen und Ignoriren dasselbe wäre! UcbertieS bleibt es dabei, daß die geräuschvolle Aeußcrung des Wunsches ausschließlich auf Berlin ztirUckznsühreii ist und, waS sehr inS Gewicht fällt, lange nicht einmal aus daS ganze Berlin. Die Vorwürfe, die der Regierung von einem Tbcil der Ber liner Presse jetzt gemacht werden, kan» sic ruhig über sich ergehen lassen. Der nationale Ehrcnpunct wiegt, von dieser Seile in die Waagschale geworfen, gar nicht, und die ma teriellen Vorthcilc, die sie unablässig in Aussicht stellte, bliebe», vom localen Nutzen der Stadt Berlin abgesehen, zweifelhaft. Sehr merkwürdig ist in dieser Hinsicht die Mittbeilung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", daß mau „keinen An stand genommen, zu verlangen, daß sogar die Transport und Versicheruugöspescn für Hi»- und Rücktransport vom Reiche zu tragen seien". Alles in Allem: auf Grund ihrer Er hebungen mußte die NeichSregiernng bandeln, wie sie ge handelt hat, cS bleibt aber unverständlich, warum sic über haupt zu Erhebungen in der Art, wie eS geschehe», ge schritten ist. Im Vordergrund deS öffentlichen TageSinteresses steht die Audienz, welche der bulgarische Ministerpräsident Stam» bulow beim Sultan gehabt hat, und über deren Verlauf wir bereit« im Morgenblatt eine ausführliche telegraphische Mittheilung veröffentlichen konnten. Es crgiebt sich daraus, daß die Beziehungen zwischen der Negierung in Sofia und dem Beherrscher der Türkei die denkbar günstigsten sind und daß Slainbulow, welcher sich auch bei dieser Gelegenheit als ei» kluger und hervorragender Staatsmann erwiese» hat, mit voller Befriedigung in sein Land zurückkehrcn kann. DaS wichtigste Ergebnis der Audienz besteht darin, daß der Sultan kein Bedenken getragen bat, in officicllcr Weise die AnerkennuiigSfrage zu berühren und, unter Be tonung rückhaltloser Sympatkie für den Fürsten Ferdinand, zu versichern, er werde die Anerkennung aussprcchen, wen» der günstige Augenblick dazu gekommen sei. Damit hat diese wichtige Frage unzweisclhafl einen bedeutenden Schritt vor wärts gemacht, denn der OberlehnSherr Bulgariens hat im Princip sick für die Anerkennung de« Fürsten Ferdinand geneigt erklärt und nur den Zeitpunkt, zu dem die Aner kennung proclamirt werden wird, behält er sich noch vor. Ä V.! LM-k-LL u.. --hi.- 2-- hältnissceinkehren, Bejnedigung erwecken. Die Scene», welche sich m der l^ Sitzung.^^-n^ SaliSbnn^abspiellen. währ"end -""-WST Ws « cen Saal znrückkebr.e und nock bevor da« E geb. k des Votums Seine Anhänger er- und Rachen in n.ckt endenwollende ^h-°rs - . . dem sie gleichzeitig ihre Hüte und Taschentücher lu ig schwen n. Dem ,,cvn.t.wri..8 dem" muß daS Herz m. Le.be be d,es« Demonstratio» gelacht haben und "'"b ' ^ha su ilm ein Emvsinden des Stolzes ,n diesem Augenblick gelegen Len welcher der Vorbote tzne- sei. te» und endlich erreichten Siege» war. Aber der besieg! Held Balsour, der wenige Minute» vorher in den SitzungS- saal znrückkchrtc, kann sich auch nicht über d>c K'U'tgebung bellagcn, die ibm seine getreuen Anhänger '» leb aflester Weise z» Tbeil werde» ließen; da« waren ss-doch A lco nur Vorboten weiterer Demonstrationen. Als die Stimm- zählcr sick dem Tisch- teS Hauses unter üblicher drei- maliger Verbeugung näherten und der Abst.»,n,nnaS.Z-t -l sich in de» Händen der liberalen Einpeitscher befand, rin Beweis, daß der Sieg der Opposition zugc.allen, da erbobe» sich wiederholt die Glatstoniauer, Nationalisten und Radikalen von ihren Sitzen und gaben wild lärmend ihrem Jubel Aus- druck. Während einiger Minuten konnte Arnold Morlcy die Zahle» in Folge de« Getümmels nicht verkünden. Da rief der Sprecher strenge „zur Ordnung", und »un vernabin man, daß 350 sür 310 gegen das Mißtrauensvotum gestimmt hatten. Fall zügellos war die Scene, die nun folgte. Die Nationalisten riesen vitl, coerelao!« Wieder stiege» die oppo sitionellen Mitglieder auf die Sitze, entblößten daS Haupt und brachen io laute anhaltende Hochrufe auS. Als sich Balsour jetzt von seinem Sitze erhob, um den Aiitrag auf Vertagung de« Hause» bis zum Donnerstag nächster Wecke zu stellen, begrüßte ihn warmer stürmischer Beifall der Ministeriellen. In diesen mischten sich aber die Ruse „Nieder mit Balsour, denkt an Mitcheltow»", Zischen, Heulen und Pfeifen aus dem siegreichen Lager der Opposition, und an diesen MißfallS-Acußcruiigcn bctbeiligtcn sich auch sehr ordnungswidrig Zuhörer auf der Tribüne. Da erhoben sich Tories nnd Uniönisten <m und übertrieben den Lärm der Gegner mit betäubende» HnrrabS und anderen Beifalls bezeigungen. So endete eine denkwürdige Debatte, und aus der Straße nickt »ur, sondern in der Vorhalle, wo sich sehr viele Leute eingesunden halten, um auf da« Ergebniß der Abstimmung zu harre», fehlte eS gleichfalls nicht an beiden Kundgebungen und Gkgcnlundgebiingen. Die Gerüchte, wonach dem Eintritt des LordS Rosebcrry in daS neue Eabinet sich Schwierigkeiten in den Weg stellen, scheinen übrigens, trotz dcö im Morgcn- blatt abgcdrucklcn kategorische» Dementis, nicht ganz unbe gründet zu sein, denn e« geht unö soeben folgende« neueste Telegramm zu: London, 15. August. Tie Führer der liberalen Partei halten gestern und heule Besprechungen. Da Lord Rosebcrry beiden Conferenzcn nicht beiwohnte, verbreitete sich von Neuem daS Gerücht, derselbe werde in das neue Cabinet nich t «inlreten. JusertlonSprel» Die 6 gespaltene Petitzrile 20 Psg- Neclamea unter dem Nedactiontstrich (1 gS spalten) 50-H, vor den Familirunachrichte» (ögkjpaiiro) 40-4- Größere Schriften laut unserem Perl»« verzeichniß. Tabellarischer und Zisserasatz nach höherem Tarif. Sytr«-Beilagen (gesalzt), nur mit da Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng 60.—, mit Poslbesörderung ^ 70.—» Aunahnikschluß für Inserate: Abend »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margeu-AuSgab«: Nachmittags SUHr. Sonn» und Festtag« früh '/,v Uhr. Lei drn Filialen und Annahmestelle» je et»( halbe Stund« früher. Inserate sind stet« an dt« EzDehittaN zu richten. Druck und Verlag von L. Polz t» Leipzig. DaS russische Vorgehen im oberen OxuSthale hat im Laufe de» Sommers zu Erfolgen geführt, welche noch vor Kurzem angesichts der zu überwindenden natürlichen Hindernisse für kaum möglich gehalten wurden. Englische, in Afghanistan thätige Ingenirurossicire lassen der Energie und Umsicht ihrer am OxuS lhätigen russischen Concurrenlcn, wiewohl ungern, doch volle Gerechtigkeit widerfahren. In einem säst ganz und gar Wege- und wasserlosen Lande, welches für die Bewegungen einer selbst noch o kleinen regulären Truppe gänzlich unpraktikabel chien, sind russische Kosakenabtheilungen bi« ru dem »lang Kul (See) vorgedrungen, d. h. einem Pnncte, welcher das Thal deS Ak Su, eines Neocnflusseö de« Opus, beherrscht und gegangenen, so Menen rnciwario gctcgencnstara scui (Schwarzen See) ist das Thal de» MurghabflusscS, der ebenfalls dem OxuS zuströmt, zu erreichen, und damit gelangen die Russen in un« mittelbare Berührung mit Gebieten, auf welche der Emir von Afghanistan Ansprüche gellend macht. Längs de» Ouellen- gcbietS des Ak Cu und Murghab stehen afghanische Vor posten in der Stärke von 20 bis 30 Mann, das Land selbst ist dünn bevölkert und, nach englischer Behauptung, mit der bestehenden Ordnung zufrieden. Die Russen aber streben unverhüllt nach der Oberherrschaft über das gesammte OxuS- decken. Um so dringlicher wird in den indischen Militair- kreisen die Forderung einer endgiltigen Regelung der afgha nischen Grrnzvcrhältnisse am oberen OxuS laut. Ucbcr die wirkliche Lage in Marokko ist bi« heute etwas Zuverlässiges nicht bekannt. Engländer, Franzosen und Spanier modellircn sich Nachrichten zusammen, wie sie in ihren Kram passen. Der englische Gesandte Euan Smith behauptet ganz ungenirt, gar nichts erlebt zu haben, dagegen wird aber geltend gemacht, daß dort, wo Rauch eniporwirbele, auch Feuer vorhanden sein müsse. soll durch Geldspenden das Zustandekommen des bekannten Handelsvertrages vereitelt haben. Ob diese Lesart richtig sst, entzieht sich der Beurtheilung, schaden aber könnte c« in keinem Falle, wenn gelegentlich auch einmal der Vertreter Deutschlands am schcrisischen Hoflaacr einige MilthcÜunzcn über die thatsäckliche Lage machte. Den innern Zwistigkeiten in Marokko glaube» wir keine allzu große Beachtung schenken zu müssen, sie sind althergebracht und werden durch Einmischung Fremder nicht beseitigt werden, deren Interessen auch wenig davon berührt sind. Inzwischen ist eine Meldung auS Tanger eingetroffen, wonach eine Besprechung der Eon« suln ergebiiißloö verlausen ist. Spanien verhielt sich ab lehnend gegen ein gemeinsames Vorgehen. Der französische Eonsul weigerte sich, der Besprechung beizuwvbncn. Englische Vorschläge werden im Einverständniß mit den Dreibund- Mächten erwartet. DaS Eonferenz-Project ist infolge der Haltung Frankreichs aufgegcben worden. Deutsches Reich. 6. U. Brrlt», 14. August. Die Wahlen zu den Gewcrbegerichten sind nunmehr fast alle vollzogen; nnd eö läßt sich leider nicht bestreiten, daß die Socialdemo kratie fast überall bei denselben gesiegt hat. In einzelnen Städten (Hamburg, Bremen) gelang cS ihr sogar, zum Theil in dem Stande der Arbeitgeber ihre Eandidaten durch» zusetzen. Die Betheilizung bei den Wahlen, auch von Seiten der Arbeitnehmer, war stellcnwcis eine außerordentlich schwache; in vielen Städten wurde der Socialdemokratie der Sieg überhaupt gar nicht streitig gemacht; in anderen Städten wiederum war die Gegenpartei (Hirsch-Duncker'sche Gewerkvereine, katholische Gesellenvereine, evangelische Arbeiter- Fenilletsi». Schloß Feue'trange. Ein Roman aus den Bogescn. 12j Bon O. Elster. Sta-druS vkrtolcn. (Fortsetzung.) An einem klaren Wintertage rückte das Detachement in der Stärke von dreißig Jägern unter Führung deS Preniier- licutenant» von Usedom in Finstingen ein und ward bei den Bauern cinquarticrt. Die Einwohner von Finstingen machten sehr erstaunt« Gesichter, als sie mitten im Winter Einquar- lierung bekamen, aber sie wagten doch keine lauten Aeuße- rungen, sie ahnten, weshalb man die Soldaten hierher verlegt batte. Am unterwürfigsten den Soldaten und hauptsächlich dem Premierlieutenant von Usedom gegenüber war Maitre Bourgeois, der Gastwirth vom „Lion d'or". Lieutenant von Usedom hatte im goldenen Löwen selbst Quartier ausge- scklagcn und als Ordonnanz den Oberjäger Schröder bei sich. Den letzteren betrachtete dcr Wirtb mir heimlichem Miß trauen und erzeigte ihm noch größere Ehrerbietung wie dem Officier. Lieutenant von Usedom hatte kurz nach seiner Ankunft eine längere Unterredung mit dem Maire von Finstingen und dem Gendarmen Fuchs. Daun rief er den Oberjäger Schröder zu sich inS Zimmer. „Ich Hube Sie aus besonderen Gründen zu mir genommen, Schröder," sagte er zu dem Lberjäger. „Tie kennen die Gegend ganz genau, ebenso kennen Sie die Leute hier herum alle und dann — Sie haben dem Auditeur gegenüber einen ganz bestimmten Verdacht geäußert — haben Sie irgend Welche Anzeichen, daß Ihr Verdacht b^ründet ist?" „Noch nicht, Herr Lieutenant. Aber wenn der Herr Lieutenant mir vertrauen und mir gestatten wollen, daß ich selbstständig vergehen kann, so hoffe ick, binnen wenigen Tagen dem Herrn Lieutenant sichere Beweise bringen zu können, daß man dem Unterossicier Berger Unrecht ge- thaa hat." „Gut, ich will Ihnen die Nachforschungen überlassen. Vorläufig habe ich einen regclmäßiac» Patrouillengang der Grenze entlang angeortnct. Die Patrouillen gehen haupt sächlich deS Nachts. Wir wollen doch einmal sehen, ob wir daS verdächtige Gesindel, daS sich hier ja herumtreiben soll, nicht abfassen können." „Darf ich den Herrn Lieutenant für heute und morgen um Urlaub bitten'? Ich möchte sofort meine Nachforschungen beginnen, daS Weller ist günstig, der Schnee ist geschmolzen und klarer Frost eingetrctcn. Da finden sich manche Spuren wieder, die der Schnee bislang verdeckt batte." „Ich sehe, Sie gehen llng und rasch zu Werke. Ten Urlaub solle» Sie haben. Morgen gegen Abend erwarte ich Sie wieder znm Rapport." „Zu Befehl, Herr Lieutenant!" Ter brave Bursche entfernte sick. Premierlieutenant von Usedom trat an das Fenster und blickte gedankenvoll zu der Villa des Herrn Markwardt hinüber, die ihm gar einladend entgeaenschimmerte. „Geh' ich oder geh' ich nickt?" so flüsterte er und zupfte in ärgerlicher Ungewißheit an seinem langen, blonden Schnurr bart. Tann murmelte er: „DnmmeS Zeug, Herr Markwardt bat ja besonders in seinem Briefe betont, daß er und seine Tochter sich freuen würden, mich wiederzusehen, das Mädel weiß wahrscheinlich noch nicht reckt, wie eS mit seinem Herzchen stebt, will sich noch etwas zieren und sperren — gehen wir also und setzen die Belagerung der Festung fort." Premierlieutenant von Usedom zog sich frische weiße Hand schuhe an, setzte den Czacko auf und ging mit langen Schritten den wohlgepslcgten Weg zur Markwardt'schcn Villa hinauf. » * » Als Lieutenant von Usedom aus dem Gasthause trat, sah er in einiger Entfernung Henri von FSnötrange vor übergehen, der ihn auch gesehen haben mußte. Dem Officier siel cS auf, daß Herr von FönStrangc rasch zur Seile blickte, als ob er cS vermeiden wollte, den Deutschen zu grüßen. „Na", brummte Herr von Usedom, „Höflichkeit scheint auch nicht Sitte mehr bei diesem Franzosen zu sein." In diesem Augenblicke tauchte vor seinem Geist« da- Bild jenes festlichen Abends in der Markwardt'schcn Villa wieder aus, als er Gisela mit Henri von FSnötrangc in dem einsamen Gemache zusammen erblickt halte. „Hm", murmelte er vor sich hin, „sollte der dunkeläugige Franzmann etwa Eindruck auf Gisela'» Herz gemacht haben? Unmöglich wäre es nicht Er ist ein verteufelt hübscher Bursche — interessante Erscheinung, wie die Damen eö nennen. Will doch einmal sondiren." Mit raschen Schritten ging er hinter Henri her, den er bald eingeholt hatte. „von snur, öloosieur elo kvnötranM", redete er Henri an, der sich erstaunt umwandle und den deutschen Officier höflich, aber zurückhaltend grüßte. „Glaubte nicht, das Vergnügen, Finstingen wiedcrzusehen, ,o bald wieder zu haben", fuhr lächelnd Kurt von Usedom fort. „Sie wissen vielleicht schon. Herr Eapitain, weshalb man mich hierher geschickt hat?" WindeSschnelligkeit durch Finstingen und die Umgegend." „Ich hoffe, Herr Eapitain, Sie werden mich unterst die Schufte, welche dem Lande so viel Unannehmlich bereiten, zu entdecken." „Ich glaube kaum, daß ich Ihnen viel nützen kann, lebe lehr zurückgezogen." Lieutenant von Ilicdom glaubte ein seltsames, scheues 3 an Henri zu bemerken, daS er sich nich, erklären konnte. Hl Augen suchten de» Boden, kaum daß er sie erhob, wenn e dem den,scheu Officier sprach. Es war ih», sichtlich anaen-h„i. „ch mit dem Officier unterhalte» zu müssen sollte der Gegenstand des Gespräches ibn so peinlich bcrül Ein le„er Verbackt tauchte in dem Geiste Kurl'- a» t indessen in, nächsten Augenblicke zurückwies Wie ka nur dazu, den jungen Baron, den er als Ehrenmann k gelernt, mit dem gesetzlosen Treiben jener geheimen brccher in Verbindung zu bringen? ES lag nicht der gcr Anlag dazu vor. » „Haben Sie Herrn und Fräulein Markwardt oster d gesehen, Herr Eapitain?" ' „Nein, ich habe die Herrschaften seit jenem Fest welchem ich daS Vergnügen hatte, Sie kennen zu lernen, nicht wieder gesehen." „Ah! — und doch sind Sie Nachbarn?" „Mein Vater ist krank." „Das ändert die Sache! Darf ich um Empfehlung an den Herrn General bitten?" „Ich danke, mein Herr. Ich werde nickt verfehlen, meinen Vater von ihrer Freundlichkeit z» benachrichtigen." Lientenant von Usedom ärgerte sich über daS zurückhaltende Wesen des Franzosen. „Mein Weg Mit mich dorthin", sagte er, nach der sich ab zweigenden Straße zeigend, welche zu der Markwardt'schen Villa führte. „Ich habe die Ebre." Er grüßte und wollte sich entfernen, als er eine leise Röthe in den blaffen Wangen Hcnri'S aussteigen sab. „Sic geben zu Herrn Markwardt?" fragte der junge Franzose und seine Stimme klang etwas unsicher und ver schleiert. „Ja, ich bin den Herrschaften doch diesen Besuch schuldig." „Allerdings . . . verzeihen Sir meine Frage... ich habe die Ebre . . ." Mit raschen Schritten eilte er davon, wäh rend Kurt von Usedom ibm kopfschüttelnd nachsckaute. „Ein seltsamer Herr", brummte er dann in den Bart und schritt den Weg zur Villa hinaus. Ein Diener empsing ibn. „Herr Markwarbt befindet sich leider auf einer Geschäfts reise." „Ist das sinädiae Fräulein zu sprechen?" „Wollen Herr Lieutenant hier eintrcten. — Ich werde daS gnädige Fräulein benachrichtigen." Der Diener führte Lieutenant von Usedom in den Salon und entfernte sich. Kurt mußte lange Zeit warten. Schon bereute er, den Besuch gemacht zu haben. Ungeduldig trat er au das Fenster und blickte in den winterlich-öden Park hinaus. Da vernabm er daS Rauschen eines Gewände» hinter sich, rasch wandte er sich um und vor ihm stand Gisela Markwardt. Die blaffen Wangen, die Unsicherheit ihres Wesens verriethen die Verlegenheit, in der sich die jung« Dame befand. Gisela war überrascht gewesen von dem Besuche Kurt'«
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