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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920816020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892081602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892081602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-16
- Monat1892-08
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Filialen: Ott« Llemm's Sortim. tAlsr«» Höhnt. Uoiversltatsslrab« 1, LontS Lösche. lkatharinrnstr. 14, pari, und KSni-SpIa» 7. 418. poMische Lagesschau. * Leipzig, 16. August. Gegen die Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Infanterie kämpfen extrem ccnscrvalive und teulsch- srelsinnige Blätter mit gleicher Energie. Die letzteren zwar nicht gegen tib Neuerung an sich, aber gegen jede mögliche Regierungsvorlage, durch die sie ins Leben gerufen werden könnte. Möglich aber ist für jede deutsche Regierung nur eine Reform, welche die Wehrkraft ungcschwacht erhält. Früher stand die deutschfreisinnige Partei auf dem selben Standpuncte. Für sie war die zweijährige Dienstzeit ein Mittel, die „allgemeine Dienstpflicht endlich zur Wahrheit zu machen", d. b. möglichst viele, wo nicht alle Tauglichen zum ordentlichen Dienst heranzuzieben. Jetzt sehen wir die Wiederholung dcö Schauspiels, daS sich noch immer abgespielt hat, wenn die Erfüllung einer deutschsreisinnigen Forderung durch die Regierung in Sicht kam: Verknüpfung der alten Forderung mit neuen, mit denen man nicht durchzudringcn sich bewußt ist und damit Rettung des bedrohten A g i t a t i o n s m i t t e l S. Das war die Praxis von der Ablehnung der Norddeutschen Bundes verfassung an bis zur Einführung der SlcuerdeclaralionS- pslicht in Preußen und wird es bleiben, so lange die gegen wärtige Parteileitung ihren Einfluß bebält. Die Bcsorgniß ror der Beseitigung der schönen Parole trat besonders deutlich in dem Angriff zu Tage, den Herr Richter gegen den Generallieutenant von BoguSlawski in dem Augenblicke richtete, als dessen Eandidatur für den Reichstag bekannt wurde. Man will offenbar im Parlament keinen Anhänger der zweijährigen Dienstzeit, der vermöge seiner anerkannten Sachkunde ein besonders gewichtiges Wort für „unsere alte Forderung" in die Waagschale werfen könnte. Der hochpolitische Gesick'töpunct, daß eine schroffe Stellung nahme des Liberalismus gegen die bevorstehende Militair- vorlage die ohnehin günstige Position des EentrumS noch verbessern müßte, existirt für den Deutschfreisinn, wie er jetzt geführt wird, nicht. Bei den Wablen, und darauf kommt ja Alles an, wird man sich — trotz Sagan-Sprottan und Löwenberg — wieder mit Herrn Lieber zu verständige» wissen. Anders als der deutschfreisinnige ist selbstver ständlich der Widerspruch der „Kreuzzcitung" geartet. Diese giebt sich den Anschein, als ob sie durch die zwestährige Dienstzeit die Schlagferligkeit des Heeres bedroht sähe. Hinter ihr stehen jedenfalls in dieser Frage hohe MilitairS, aber durchaus nicht, wie sie durchblickcn läßt, die große Mcbrzahl der Generale. Im Gegentheil hat der Gedanke der gesetzlichen Abkürzung der Dienstzeit in den hohen Ossicierkrcisen iinmcr mehr Boden gewonnen und da« nicht nur in der Erwägung, daß die für nöthig erachtete Vermehrung der ausgebildeteu Mann schaften vom Reichstage nur gegen dieses Zugeständniß zu erlangen sein werde, sondern auch in der Würdigung rein niilitairischer Umstände. Eine Heeresverstärkung wird aber für geboten erachtet, weil die durch die neuen Waffen bedingte Vermehrung der Verluste das Vorhandensein zahlreicherer Ersatzmannschaftcn nothweudig macht. Die „Kreuz-Zeitung" bestreitet allerdings halb und halb die Notbwendigkeit einer numerischen Heeresverstärkung; dies dürste aber in der freilich trügerischen Hoffnung geschehen, ein anders zusammengesetzter Reichstag würde mehr Soltalcn und mebr Gelder unter Beibehaltung der dreijährigen Dienst- zeil bewilligen. Nicht ohne Geschick macht daS bockconscrvative Blatt Aeußerungen Wilhelm'sl. gegen die gesetzliche zweijährige AusbildunIszeit zumStlltzpunct seinerPolcmik und erinnert daran, wie dieser große Reorganisator der Armee sogar seine Abdankung ankündigte, nachdem der Kriegsminister von Roon dem Ge danken der verkürzten Dienstzeit näher zu treten empfohlen batte. Dabei vergißt die ,^kreuzztg." aber, daran zu er innern, daß 1862 Preußen in Bezug auf Kürze der Dienst zeit den anderen Staaten schon voraus gewesen ist. Oester reich und Frankreich hatten längere Dienstzeit und die Er eignisse von 1866 und 1870 haben dargethan, daß diese Anzeiger. Organ für Politik, LocalgesWte, Kandels- und GesWtsverkehr. Dienstag den 16. August 1892. Differenz der preußischen und deutschen Armee nicht zum Schaden gereichte. Heute ist die deutsche Dienstzeit der französischen und russischen gleich und eine Herab setzung würde nur wieder ein Verhältniß Herstellen, wie es vor den glorreichen Kriegen obgcwaltet bat. Zu dieser Erwägung tritt dann weiter, daß König Wilhelm in den sechziger Jahre» gegründeten Anlaß z» der Auffassung haben mochte, eine Nachgiebigkeit in diesem Puncte würde die monarchische Autorität dauernd schädigen Wenn aber die Regierung jetzt mit dem Antrag auf Verkürzung der Dienst pflicht vor den Reichstag tritt, )o wird dies zwar allgemein als die Erfüllung eines beiße» Wunsches, nirgends aber als die Wirkung einer vom Parlament geübten Pression an- gescbcn werde». Unter Anderem schon desbalb nicht, weil die Kriegswissenschaft dieser Frage beute viel entgegenkommender gegeiiübersteht als vor dreißig Jabrcn. Tie Einführung der zweijährigen Dienstzeit wäre nicht nur, wie Herr v. Bennigsen vor zwei Jabrcn im Reichstage sagte, „ungebeucr populär", sie erschiene auch vom Stautpuuct des deutende» Politikers als eine unermeßliche wirthschaslliche Wohllhat. Aus diesem Grunde sollte sie nicht in parteitendenziöser Einseitigkeit ledig lich unter die finanzielle Beleuchtung gerückt werke». Ein Weitere« zu erörtern fehlt so lange der Anlaß, als nähere Absichten der Negierung nicht bekannt sind. Die Regierung zu anderen als unumgänglich nothwendige» Forderungen aus- zumuntern, liegt allen anderen Parteien fern, nicht nur dem Tcutschfrcisiiin. Aber die Verkennung dcS Worte«: das Bessere ist de« Guten Feind — werde» Parteien, die sich ibrcr Pflicht bewußt sind, auch in dieser Angelegenheit dem seinem Augenbticksvortheile nachjagcnden Radikalismus überlassen. Gladstone ist gestern Mittag, nachdem er vorder noch eine lange Unterredung mit Sir Arnold Morley batte, nach Osborne abgereist, um der Königin die Namen der neue» Minister zur Genehmigung zu unterbreiten. Zuverlässige Nachrichten über die Zusammensetzung des neuen EabinetS sind erst nach der Audienz Gladstone'S bei der Königin zu erwarten. Als sicher wird bis jetzt nur angesehen, daß Gladstone Erster Lord dcS Schatzamt?, Harcourt Schatzkanzler, Morley Minister sür Irland, Bannermann Kriegsmiiiister, Lord Herschell Lordkanzler wird und daß Fowler das Präsi dium des Local-RegicrungSamtes übernimmt. Noch un entschieden ist im Augenblick die wichtige Frage der Be setzung deS Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten. Von einer Seite verlautet, Lord Nosebery habe das Portefeuille des Acußcrn abgelehnt und Lord Kimberley werde an seiner Stelle ernannt werden, während nach einer Meldung des „Daily Tclegrapb" Lord Nosebery sich nunmehr entschlossen haben soll, in daS Ministerium einzutreten. Lange kann die Ungewiß heit hierüber nicht mebr dauern, im Gegentbeil, der Tclegrapb wird sicher schon innerhalb der nächsten Stunden Auf klärung bringen. Soviel ist gewiß, daß von Seiten Gladstone'S und seiner Anhänger nichts unversucht ge blieben ist, um Nosebery anderen EinncS zu machen. Die Gladstoneaner selbst wären tief enttäuscht, wenn derselbe nicht dem neuen Cabinet angehörte, denn man erblickt ganz allgemein in seiner Person die wertbvolle Bürgschaft, daß von den Pfaden, auf denen Lord Salisbury in Betreff der auswärtigen Politik mit solch durchschlagendem Erfolg gewandelt ist, nicht ernstlich abgewichen werke» würde. Im Falle der Ablehnung würde Lord Kimberley als Minister des Aeußern ein bloßes GladstoncanisebcS Jnventarstück und eine Schwächung des EabinetS bedeuten. Was Lord Rose- bcry bis jetzt zu seiner Zögerung, in die Regierung ciiizutreteu, veranlaßt bat, sind in Wirklichkeit nicht Ge)undhcitsrückstchten gewesen, sondern er trägt Be denken, seine unleugbar glänzende Zukunft, welche ibm die Erbschaft Gladstone'S als Premierminister in bestimmte Aussicht stellt, auf die Karte des jetzigen EabinetS zu setzen, das keine lange Dauer verspricht. Im Ausland würde ein Eabinet Gladstone ohne Lord Nosebery als Minister deS Aeußern entschiedenem Mißtrauen begegnen und eS liegt in dieser Beziehung bereits eine Aeußeruna der „Neuen Freien Presse" vor, welche hofft, daß das Gerücht, Kimberley werde zum Minister des Aeußern ernannt werden, unbegründet sei, da dies sonst eine unliebsame Ucberraschung wäre. Die Versuche der russischen Negierung, die in dem Pro- ccsse gegen die Mörder Beltschew's vielgenannten russischen Geheiinpapiere als plumpe Fälschungen eines nur vorübergehend als Schreiber bei der russischen Gesandt schaft in Bukarest bedieusteten Individuums hinzustellen, baden, wie a»S der rumänischen Hauptstadt gemeldet wird, in allen dortigen politischen Kreisen um so größere Heiterkeit bervorgerufen, als die ganz außerordentliche Vertrauensstellung, noch im frischeste» Gedächtnis! ist, deren sich seiner Zeit der Dolmetscher Jakobson svwobl dem russischen Gcsaudtcn Hitrowo, als auch der russisch-bulgarischen RevolutionSpartci gegenüber zu erfreuen hatte, lieber die Art und Weise, in welcher Jakobson dazu gelangte, die Geheimpapiere der bulgarischen Negierung auSznlieser», verlautet Folgende-: Jakobson ließ von Belgrad aus an Stambulow die Anfrage gelangen, ob er ihm behufs wichtiger Mittheilunaen sicheres Geleit zur Reise nach Sofia und zurück gewähren wolle. Tie Antwort lautete znstinimend. Jakobson reiste nach Sofia und wurde dort von mehreren Polizeiorganen in lleberwachung genommen. Und zwar nicht, wie es hieß, »m sich seiner Person zu versichern, sondern um dieselbe gegen die mit Recht gefürchteten Attentate russischer Agenten oder Banditen sicher zu stellen. Wie Jakobson, welcher seine meist in Abschriften und nur tbeilwcise im Original dem Archive der russischen Gesandtschaft entnommenen „Geheimacten" der bulgarische» Regierung gegen klingende Münze verkauft bat, einem Freunde inittbcilte, soll cS derselbe nur seiner genauen Kenntnis; der russischen Polizeiknifsc und seiner großen Vorsicht zu danken baden, daß er ungefährdet die Grenzen Bulgariens über schreiten und seinen in den viclbernseuen „Geheimacten" bestellenden Schatz auf bulgarisches Gebiet in Sicherheit bringen konnte. Es ist deutlich zu erkennen, daß der Gedanke der Errich tung eines katholischen Leueralpatriarchates in Konstaiitinopcl in verschiedenen Ländern aus immer größeren Widerspruch stößt. Zuerst verursachte er Opposition in Oesterreich wegen der diesem Staate angesonnencn Auf gabe der Schntzberrschast über die albanesische» Katholiken; daraus meldeten sich die russischen Zeitungen als Gegner, weil sie befürchteten, es könnten auch griechische Kirchen- gcmeiiischaften mit dem General-Patriarchen iu Beziebungen trete», und endlich erbobcu die Franzosen lebhaften Protest, indem sie behauptete», daß französische Rechte dadurch verletzt würden. Neuerdings schreibt die „Polit. Eorresp." darüber aus Paris: „Ter gegenwärtige Vertreter der Katholiken führt den Titel eines „apostolischen Delegaten" und er verhandelt mit der Pforte durch die Vermittelung deS französische» Botschafters. Die fran zösische Republik ist nicht gewillt, diese hundcrljährige Function auizugrbcn, denn sie erblickt i» derselben ein Mittel, um ihren polilnchcn Einfluss und ihre Autorität zu wahre». Aber diese beiieideuswerthe Stellung ist viel uinstritten, obgleich allgemein be kannt ist, daß die französische Regierung fest enttchtosseu ist, dieselbe energisch zu behaupten, wie sie dicS schon in ähnlicher Lage in Peking gethan hat. Trotzdem w rd iinmcr wieder erklärt, daß die Zlatboliken durch eine Institution, wie jene des griechischen Patri archats >» Konsiaiitinovel, viel gewinnen würden. Dieses Patriarchat erfreut sich ohne Zweifel von Alters her wichtiger Privilegien, welche ihm eine ausgedehnte Jurisdiction einrauine», aber mehr als ein mal, und erst jüngst wieder, waren diese Privilegien selten« der Pforte bedroht und konnten nur nitt großer Milde und init gewalt- saincn Mittel» aufrecht erhalte» werden. Tie Protection einer türoßmacht, wie Frankreich dag-gcn gewährt einen kräftigen Schutz, denn der Sultan legt aus die Worte de» französischen Bolschasiers immer großes Gewicht." Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Sonn- und Festtag- früh '/,9 Uhr. Bel den Filialen und Aniiahmestellea je et«« halbe Slnnd« früher. , * Inserate sind stet» an dl» Ertzetzltt«i» zu richte». 86. Jahrgang Der ulkrämcntane „Westfäl. Merkur" macht zu dieser französtsch-ofsiciösen Auslastung folgende Randglosse: „Zu bemerken ist dabei nur »och, daS Frankreich allerdings daS Protektorat im Orient hat, daß eS aber, anstatt die Interessen der Katholiken zu schützen, dieselben in unzähligen Fällen schmählich verrathen unv im Stiche ge las je» hat. Dies ist der Grund, weshalb eine Aenterung deS Verhältnisses i»S Auge gefaßt worden ist, wie sie ja auch in Peking im vorigen Jahre durchgefllhrt wurde." Der Emir von Afghanistan, Abdurrahman Kban, bat der angloindischcn Regierung den Stuhl vor die Tbür gesetzt und obendrein »och in sehr unhöflicher Weise. Er lehnte den Empfang einer englischen Specialmission in Kabul mit dem Bemerken ab, daß ihm die aufständischen HazaraS und andere Nebellenstämme zu viel zu schaffe» machten, als daß er sich mit anderweitigen Dingen jetzt be schäftigen könne. Im Allgemeinen ist dies nicht die Sprache, welche der Schwächere gegenüber dem Stärkeren, oder der Abhängige gegenüber dem Unabhängigen zu führen pflegt. Man bat daher gute» Grund zn der Annahme, daß Abdurrahman Khan durch sein Verhalten den Beweis liefern wollte, wie sehr er sich dem englischen Gängelband bereits entwachsen fühlt. Wenn der Beherrscher Afghanistans wirklich auf eigenen Füßen sieben könnte, so wäre cS immer noch angänglich, ihn seinem eigenen Schicksal zu überlassen, allein auf der Grenz- scheide der anglo-indisck'en und russischen Machtsphäre gewinnt der Fall ein ganz anderes Aenßere, unv die Muthinaßung drängt sich auf, daß Abdurrahman im gegebenen Falle vielleicht weniger für eigene denn für die Rechnung eines dritten Auftraggebers handelt, und bezüglich deS letzteren weisen^ schon seit geraumer Zeit alle oricnkircndcn Fäden »ach St. Petersburg. Auch wen» man nicht der Ansicht der „Times" ist, daß eben daS Auftreten der Russen in den Pamirgegeiiten ein völlig neues Momcnt in die Situation Afgbanistaiiö, überhaupt des contineiitalcii Asiens, einführe, so kann doch zugegeben werden, daß die Dinge sich jetzt in Asien in einer nach dortiger Anschauung sebr raschen Ent wickelung befinden, und daß cS nicht schaden könnte, wenn England sich dort einer etwas weniger passiven Rolle be fleißigen möchte. ES ist deshalb nickt gleich nöthig, das Bild einer bewass.ielcn Einmischung in die afghanischen Dinge im Hintergründe erscheinen zn lassen; dieses Heilmittel könnte in seinen Folgen ärger sein als daS Nebel selbst. Aber eine straffere Anzicbuiig dcS Zügels der englischen Politik in Afghanistan würde von Abdurrhaman jedenfalls leichter ver standen und richtiger taxirt werde» als das jetzige Lavircn, was statt zur Klärung, nur zur Verwirrung der Lage io Mittelasten führen kann. Deutsches Reich. ^ Berlin, 15. August. Zur Frage der parlamen tarischen Immunität ist ein Proceß von Interesse, welcher dieser Tage in Paderborn gegen den RcichSIagSabgcordiicten Niidolpbi stattgesllnde». Dieser dem Eenlrum, der Partei der Duldsamkeit und Milde gegen Andersdenkende angehörige Abgeordnete war wegen Beleidigung und Beschimpfung der evangelischen Landeskirche angeklagt. Der Gerichtshof entschied aber, daß die Strafsache i» Folge der fortdauernden parla mentarischen Session verjährt sei. Wenn wieder einmal vertagt wird, kan» also der greise friedfertige Herr aus dem Eenlrum sich ungestraft weitere Beschimpfungen gegen die evangelische Kirche gestatte». Bisher waren cs nur socialdcmokratische Abgeordnete gewesen, welche sich dieses Privilegs der straf lose» Begehung von Uiigcbührlichkeiten erfreuten. — Ter Kaiser wohnte gestern dem Brigade-Excrciren der 2. »ild der 1. Garde-Eavallerie-Brigadc aus dem Born städter Felde bei und empsing später den Fürsten Otto zu Stolbcrg Wernigerode und den Präsidenten deS Obcr- Kircheuraths I)r. Barckhauseü. Feirilletsn. Schloß Fs'netrange. Ein Roman aus den Vogesen. I3s Bon O. Elster. Nachdruck »ertöten. (Fortsetzung.) Auch Henri lauschte jetzt solchen seltsamen Tönen, als er am Rande der Schlucht stand, die schroff abfallend einen Ueberblick über die Wildniß der Ruine deö alten Schlosses, über das neue Schloß und daS tiefer liegende Dorf gestattete. Die seltsamen Töne klangen wie daS Schlnckzen und Weinen eines menschlichen Wesens, das sich dort unten in dem Dornendickicht verborgen kielt. Aber wie sollte ein menschliches Wcsc» in jenes Dickicht kommen, aus dem ver wittert und zerbröckelt die Ueberreste dcS mächtigen Donjons grau und starr hervcrraglen? Einen Zugang zu dem Thurm gab cs nach Hcnri's Kcnntniß nicht, cS müßte denn sein, das; man sich einen Weg durch daS Dornendickicht mit Messer und Axt bahnen wollte. Und dock' vernahm Henri ganz deutlich die wehklagenden Töne. Aufmerksam lauschte er hinab in die Schlucht. Jetzt verstummten die Töne. Aber rin leises Rauschen und ab und zn das Knacken eines dürren Zwcigcö ließ sich vernehmen. Die Büsche da drunten bewegten sich leicht bin und her, als schlüpfe ein Reh oder ein anderes schlanke» Thier unter ihnen hindurch. „Es wird ein Fuchs sein, der hier seinen Schlupfwinkel lat", dachte Henri und wollte sich entfernen, als er plötzlich, rwa zwanzig Schritte von seinem Standorte entfernt, da» rilbe Kopftuch eine» weiblichen Wesens auflauchen sah, dem dr schlanke Gestalt eines ZigeunerinädchenS folgte. „Die Marianne!" Dieser AuSruf entschlüpfte unwillkürlich den Lippen Henri s. Erchreckt blickte daS Mädchen zu ibm herüber. Es schien sich zur Flucht wenden zu wollen, doch dann besann es sich, eitle auf Henri zu und fiel ihm zu Füße», flehend die Hände «rhueod. Auf ihrem Angesichte, in ihren dunklen Äugen lag der Ausdruck der Angst, der Verzweiflung und der flehenden Bitte. „Du hier, Marianne?" fragte überrascht und erstaunt Henri. „Verrathen Cie mich net, Herr! Verrathen Sie mich net!" flehte vie Zigeunerin. Henri hatte die Gerüchte erfahren, welche sich mit dem gleichzeitigen Verschwinden dcS deutschen UiilerofficicrS und der Zigeunerin beschäftigten. Er wußte, daß ein LiebeS- verhältniß zwischen den Beiden bestand, und glaubte, daß der Unterossicier in der Thal mit Marianne nach Frankreich gestoben sei. „Du bast unrecht gebandelt. Marianne", sagte er streng, „das; Du den deutschen Unterossicier verführtest, zu desertiren Woher kommst Du jetzt? Von drüben? Aus Frankreich?" „Ich darf'S net sagen, Herr. Ich flehe Euch nur an, verrathet mich net." „Weißt Du, daß eS meine Pflicht Ware, Dich der Behörde zn überliefern? Tu weißt, wo sich der deutsche Unterossicier befindet." „Nein, nein", rief Marianne, ihre Hände wie abwehrend auSstreckend, aus, „ich weiß es net, ich weiß eS net." „Du lügst, Marianne!" DaS Mädchen senkte den Kopf und weinte bitterlich. Ein mitleidiges Gefühl schlich sich in Henris Herz; er sah, daß die Zigeunerin eine beiße Liebe zu dem Deutschen hegen mußte, unv daß sie durch diese Leidenschaft bewogen wurde, den Deserteur nicht zu verrathen. „Ick will nicht weiter in Dich dringen", fuhr er sanfter fort, „aber ich ratbe Dir, sobald als möglich wieder nach Frankreich zurückzutebren: denn wenn Dich die deutschen Soldaten fangen, möchten sie Dich sobald nicht wieder freigeben." „Die deutschen Soldaten?" „Ja, weißt Du nicht, daß heute Mittag eine Abtbeilung von dreißig Soldaten in Finstingcn eingerückt ist, um die Grenze scharf zu Überwacken?" Wortlos, mit angstvollen Augen starrte Marianne den Sprechenden an. Tan» schluchzte sie plötzlich laut auf, schlug die Häute vor das Gesicht und stöbnte: „Zu spät! zu spät!* „WaS ist zu spät, Marianne?" „O fragt mich net, Herr! Ich darf'S nei sagen, habt Mitleid mit mir, fragt mich net weiter, geht, laßt mich allein, fragt mich net." „Ich bade Mitleid init Dir, Mädchen. Kann ich Dir helfen? Brauchst T» Geld?" Marianne schüttelte den Kopf. „Geht, gebt, Herr", bat sie, „und schaut Euch net um »ach mir. Ich war dumm, daß ich net besser aufgepaßt stab' und Euch grad' in die Arni' lief, aber ich war so unglücklich, ich w»ßt' »et mebr, was ich tbat." „Nun gut! Ich will Dich verlassen, aber sag' mir nur daS eine: Bist Du schuld, daß der Unterossicier desertirt ist?" „Nein, Herr", entgegnete Marianne und sah Henri voll und fest in die Auge». „Ich bin net schuld, und der Fritz ist auch »et dcscrtir:, er ist kein Schuft, er ist ein braver Burk»." „Nicht desertirt? Wo ist er den»?" „Ich darf'S net sagen Tie Zeit wird schon die Wahrheit aufdecken. Aber er ist kein ehrloser Sckuft, er ist ein braver Soldat, ein ehrlicher Bursch, viel zu gut, viel zu brav für mich." „Ich versiebe Dick nicht, Marianne." „Ihr werdet mich schon versieben lernen, und nun sich' ick Euch noch einmal an, wenn Jhr'S gut mit mir meint, verlaßt mich jetzt und verrathet mich net. „Ich werde Dich nicht verrathen. Lebe wohll" „Dank Euch, Herr!" Nachsinnend über das wunderliche Wesen der Zigeunerin, schritt Henri tiefer in den Wald binein, während sich Marianne unter ein Gebüsch duckte und ihn mit den Augen verfolgte, bi» er zwischen den Baumen verschwunden war Dann huschte sie wie eine Schlange in da« Gestrüpp, welches den Rand der Schlucht begrenzte, und an der Bewegung der Sträuchcr sah man, daß sie eilig davonlicf. Eine Weile blieb der Platz leer, dann trat hinter einem Gebüsch die schlanke Gestalt eines deutschen Soldaten hervor. Es war der Oberjäqer Karl Schröder. Er athmete hoch auf. „Also der Herr Baron steckt dahinter?" murmelte er. „Ah. wer batte da« gedacht. Jetzt wird schon Licht in die Sache kommen." Rasch schritt er den schmalen Fußpfad entlang, der im Zickzack den Abhang hinunter ^um Torfe führte. » » Fritz Berger lag i»i tiefen Schlummer der Genesung aus dem ärmlichen Lager im Kellergcwölbe de» alten Thurme». Tic Hcilkiiiist des Zigeuiicr-Josepb'S und die sorgsame Pflege Marianne'ö hatten die Folgen der schweren Verwundung rasch beseitigt; nachdem daS Fieber gewichen, half sich der kräftige Körper dcS jungen Soldaten selbst und überwand rasch die durch das Fieber und jden Blutverlust entstandene Schwache. LantlcS still war es in dem Gewölbe, wie in einer Todtengruft. Wenige Stunden war cs der, daß Fritz au- dieseni Sck'laf zu klarem Bewußtsein erwach» war. Erstaunt schweiften seine Augen durch den düstere» Raum; er halte versucht, sich zu erheben, doch kraftlos war er auf das Lager zurückgriunken. Da fiel sei» Auge auf die schlanke Gestalt der Zigeunerin, die neben dem Ofen kniete, und mit einem Male kehrte die Erinnerung an die lebten Semen an der Grmzeiche zurück. „Marianne?" So schwach der Laut seiner Stimme war, so batte ihn dock das ausmcrksame Obr Mariannes vernommen. Im nächsten Augenblicke stand sic an der Seite des Verwundeten, ergriff seine abgemagerten Hände, drückte sie an Lippen »iid Brust, während die Hellen Frcudenthränru ihr aus den Augen schossen. „Gott sei gelobt!" flüsterte sie tiefbewegt. „Ihr seid frei von Fieber — Ihr erkennt mich — Ihr seid gerettet " Sir sank neben dem Lager auf die Kniee nieder und legt« ihre Stirn aus den Rand der Bettstelle. „Wo bin ich, Marianne?" fragte Fritz mit matter Stimme. „Fragt net. Fritz", erwiderte hastig Marianne. „Ihr dürft jetzt net sprecken — Euch net aufrrgen — Ihr seid noch gar zu schwach »»d krank." „Ich fühl », daß ich noch schwach bin — die Kugel des Burschen, deS Jockel, ist nab am Leben bergegangen " „So erinnert Ihr Euch?" „Ick erinnere mich deutlich wieder, wie ich den Schmuggler niederschoß und der Jockel Schmidt auf mich anschlug;
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