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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920819029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892081902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892081902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-19
- Monat1892-08
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August 1892. J«sertioltsprei- Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psz, Ree «amen unter dem RedactionSstrich (S geö spalten) 50-H. vor den Familieunachrichtea (6gejpaiiea) 40^. Gröbere Schrisleu laut unserem Preis, verzeichnlb Tabellarischer und Zlsiernsay nach höherem Tarts. Ertra-Vetlagen lgefalzt), »vr «U be» Morgen-AuSgabe. ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Inserate: Abeud«Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morge».Ausgabe: Nachmttiog« »Uhr. Son». und Festtags srvh '/,9 Uhr. Lei de» Filiale» und Annahmestelle» i« eta- halbe Stunde früher. Justrot» sind st-t- an di« Grtzedtttstt »u richten. Druck »ud Verlag von S. Pol» ia Leipzig. 8K. Jahrgang politische Tagesschau. . * Leipzig, 19. August. Die für de» 1. September im Reichstagswahlkreise Itzerford-Halle an Stelle des verstorbenen Abgeordneten «. Kleist-Nctzow bevorstehende Ersatzwahl gewinnt sür das Berhältniß der Parteien eine Bedeutung, welche es noth- ivendig macht, der von sreisinnigcr Seite beliebten Darstellung reS Sachverhalts noch einmal entschieden cntgezenzulretc». Zm Jahre 1890 sind in dem Wahlkreise abgegeben 7890 conservative, 2191 socialdemokratische, 2168 nationalliberale, 1286 freisinnige Stimme». Die Freisinnigen waren also weitaus die schwächste Partei. Und ebenso sind sie daö kei allen früheren dortigen Wahlen gewesen. Trotzdem er leben sie jetzt den Anspruch, aus ihrer Mitte einen Candidaten sür sämmtliche Liberalen aufzustelle», und sie be gründen diesen Anspruch mit der Behauptung, daß lediglich cin freisinniger Candidat im Stande sein werde, in der Ltichwahl alle „nichtconscrvativen", d. h. neben den nationalliberale» auch die socialdcmokratischen Stimmen ms sich zu vereinigen. Pflicht der Nationalliberalen sei es also von vornherein, mit ganzer Kraft sür den freisinnigen Candidaten einzutrelen, um denselben mit den Conservative» in die Stichwahl zu bringen, während die Abgabe der nationalliberaicn Stimmen auf einen besonderen Candidaten zur Folge haben werde, daß der Socialdcmokrat in die Stichwahl komme. Diese Rechnung Hai nur den doppelte» Fehler, daß einmal bei der aus den oben angeführten Zablen erhellenden bedeutenden Ueberlegenhcit der Eonservativcn über alle übrigen Parteien die Wahrscheinlichkeit einer Ltickwahl an sich gering ist, und daß, wenn sie wirklich erfolgte, das Eintreten der Socialdemokraten sür de» Candidaten der „bürgerlichen" Parteien zum Mindesten zweifelhaft sein würde. Wollte man ernstlich daraus msgehen, den Wahlkrci- Herford-Halle den Conservativen zu entreißen, so konnte das nur erreicht werden, wenn cS gelang, die Eonservativen zu spalten. Daß eine derartige Hoffnung nicht unberechtigt war, beweisen schon die Vorgänge m dem unmittelbar benachbarten Wahl kreise Bielefeld, wo bei der Wabl von 1890 die Spaltung unter den Conservative» so weit ging, daß der Candidat der Conservative», Herr von Hammerstcin, einem Ultramon- lancn da» Feld räumen mußte. Ganz besonders der Eindruck der Schulgesetzangelegenbeit aber durste in der Er» Wartung bestärken, daß zahlreiche besonnene Männer sich von der bisher von ihnen unterstützten extrem - conscrvativcn Richtung loSsagcn würden, wenn ihnen die Möglichkeit ge boten würde, einem gemäßigten Manne ihre Stimme zn geben. Diese Erwägung legte den Nationalliberalen die Pflicht auf, einen Mann auö ihrer Mitte aufzustellen, wobei sic aller tingS von der Zuversicht ausgingen, daß man auch auf frei sinniger Seite dieser Erwägung um so bereitwilliger zn gänzlich sein würde, als die Rationalliberalen in dem Wahl kreise nicht allein immer die stärkste liberale Partei, sondern einmal in der Legislaturperiode 1874/77 auch im Besitze des Mandats gewesen waren. Wie uns versichert wird, ist auch die Stimmung unter den Freisinnigen des Wahlkreises der Verständigung mit den Rationalliberalen nicht ungünstig ge wesen; die Berliner Parteileitung aber hat mit gewohntem FractionSfanatismuS die eigene freisinnige Candidalur an geordnet. - Die von der extrem-conscrvativen Presse Tag für Tag proclamirte Politik auf Grundlage deS Cbristen- IhumS — des Chrislenthums natürlich, das die Reactionairen meinen — ist dem Bankrott verfallen, noch ehe sie sich recht etablirt hat. Die SonutagSrubc, wie sie in dem vom Reichs tag geschaffenen Gesetz vorgeschriebe» wird, ist von der kleri- kal-conservativen Mehrheit ausdrücklich als die Verwirklichung einer christlichen Forderung einzesührt worden. Tie Reichs- tagsvorlage ging viel weniger weil, Verschärfungen wurden aus religiösen Beweggründen von den genannten Parteien ins Gesetz gebracht. Nach unserer Meinung ist das Gesetz auch in seiner jetzige» Gestalt im Großen und Ganzen erträglich, von seinen „christlichen" Urhebern wird es aber bereit« preisgegeben. Der conservative Candidat ür Sagan-Sprottau, Herr v. Klitzing, hat, jedenfalls im Einverständnis; auch mit den Rech»Sco»iervaliven des Wahl kreises, von dem Gesetze in einer Weise gesprochen, die Jeder mann verächtlich nennen muß, die den frommen Urhebern aber eigentlich blaSphemisch erscheinen müßte. Da» Gesetz meint er, habe Gott in seinem Zorn geschaffen. Fromme Menschen und Kirchgänger wolle der Staat erziehen und SonntagS- bummler bekomme er. Das Gesetz belästige die Landlenie und schädige die Geschäftsleute. Es tauge keinen Schuß Pulver. Wenn ein nalivnallideraler „Atheist" das gesagt hätte, wie würde die „Kreuzztg." ob solcher materialistischer Verderbtheit ihre Augen verdreht haben. Herr v. Klitzing aber ist nicht nur der Candidat der Helldorff'scheii „Sünder mit Wort und Feder", er ist der ureigene Candidat der „Krcuzztg ". Als er sichansänglichweigerte.dieCandidatur aiizn- nebmeii, beschwor ihn dieses Blatt mit aufgehobenen Hände», die gute christlich-conscrvative Sache nicht im Stiche zu lassen. Seine Ketzereien über die Sonntagsruhe werden also auch im rcchtöconservaliven Lager nicht als Ketzereien angesehen werten und damit verdammen die Herren, die bas Christen- tbum unablässig im Munde führe», selbst den ersten Ver such, den Staat zn verchristlichcn. Wir unsererseits sind allerdings der Meinung, daß die gesetzliche SonntagSrube eine überwiegend sociale Einrichtung ist und halten dcß- halb ihre Beibehaltung für möglich. Nicht s i e ist ml itlxiurllnm geführt, sondern die christlichconservative Heuchelei. Ei» gleich crasser Widerspruch zwischen Worte» und Ucber- zcngnngcn tritt auch in de» Bemerkungen des Herrn von Klitzing über die Invaliditätsversickenlng zu Tage. Roch ganz vor Kurzem hat die „Krenzzeilnng" die kaiserliche Bot schaft von, l7. November 188 t für ihre specisische christ liche StaatSansfaffnng und gewissermaßen als da« Werk der Stöcker und Haunnerstcin rcclamirt, und jetzt bricht einer der Ihrigen den Stab über das weittragendste der durch jene Botschaft angelündigren Gesetze. An der „Kreuzztg." ist es nun, entweder Herrn von Klitzing oder sich selbst zu de-avouircn. Wir haben schon mchrsach darauf hingewiesen, daß in ncuoftcr Zeit die Beziehungen zwischen dein Valican und der österreichisch - »ngariscken Regierung eine merkliche Trübung erfahren haben. Angesichts der inaiiiiig- fachen Erörterungen, welche sich an diese Tbalsacbe geknüpft haben, »ahm ei» mit den vaticanischcn Kreise» in Fühlung siebenter Cvrresponkcnk der „Politischen Correspondenz" Anlaß, einen hochstehenden kirchlichen Würdenträger, welcher über die gcsammte Politik der Curie voll ständig unterrichtct ist, um einige Aufklärungen über diesen Gegenstand zu ersuchen. Die Äeußcrnngen des betreffenden Prälaten sind im Nachstehenden treu wiedcrgcgcbcn: Die Behauptung mehrerer Wiener Blätter — sübrle er anS — daß die Haltung de« keil. StubleS im Hinblick auf die in Oesterreich Ungarn schwebenden kirchcnpolitischen Fragen das Gepräge überlegten üblen Willens trage, sei absolut unzutreffend und ungerecht. DerValican sei vielmehr von dem warmenWunsche beseelt, den Bcziebunge», welche ihn bislang mit Oesterreich- Ungarn verknüpften, auch weiterhin ihren freundschastlichen Ckaraktcr bewahrt zu scben. Die Darstellungen mehrerer Wiener und römischer Blätter, welche von einer zwischen dem Valican und Oesterreich-Ungarn eingetrctenen Spannung und von einer Crlaltung ihrer Beziehungen sprachen, sink beträcht lich übertrieben. Diese Bebauplung, sagte der Prälat, bilde vielmehr den Ausdruck eines in manchen Kreisen bestehenden Wunsches als die Feststellung einer Tbatsachc. Nach dem Hinweis IlircS Corrcsponkcnlen ans die Acußcrnng eines Wiener Blattes, daß der Valican Ocsterreich-Uiizarn wegen dessen Zugehörigkeit zum Dreibunde uiisreuntlich gesinnt fei, bemerkte der Prälat Folgendes: „Cs ist allerdings richtig, daß der Vatican die Gewährleistung, welche der Drei bund Italien i» Bezug auf den Besitz von Nom bietet, nicht mit freundlichem Auge anschcn kann. Diese Tbatsachc ist cs eben, welche den Valican verhindert, dieser Allianz gegen über eine absolut unparteiische (clödiMörvbsö) Stellung einzn- ncknikn, da der Dreibund cin Hindernis; sür eine der Billigkeit entsprechende Regelung derPapslfragc bildet. Nichtsdestoweniger ist es aber eine durchaus falsche Behauptung, daß der Batica» irgendwelche, sei es wie auch immer geartete feindselige Um triebe gegen den Dreibund unternchmc. DaS ist geradezu eine Verleumdung, und wen» in der deutschen Presse wieder holt von dem Bestände einer Art „französisch-russiscb-vati- canischcr Allianz" gesprochen wurde, so war dieser Einsall nicht« Anderes als ein polemischer Kunstgriff. Der Vatiea» ist durch die Kraft der Dinge selbst dazu gebracht worden, der kirchlichen Frage in Frankreich eine fortgesetzte Auf merksamkeit zuzuwcnden und den sraiizösische» Katholiken sür ihre Haltung gegenüber dem Staate die bekannten Weisungen zu ertbccle». Wenn Manwe anS dicienTbatsacbe» den Schluß ziehe», daß der Valican sich durch dieses Vorgehen mit der Politik Frankreich» enger verknüpft habe, so befinden sie sich in einem arge» Irrthumc. Die Mächte des Dreibundes könne» dem Papste daraus, daß er in Frankreich die Politik der AuS- söbnung zwischen Kirche und Staat befolgt, ebensowenig einen Vorwurf machen, wie etwa Frankreich seinerzeit berechtigt gewesen wäre, cS dem Papste als cin Unrecht anznrechne», daß er vor einigen Jahren auf die Herstellung des religiösen Friedens in Deutschland und aus die Beendigung des Cnltnr- kampfes hinarbcilelc. Ter Papst ist gegenwärtig einfach be müht, in Frankrcich durch andere Mittel dieselbe» Erfolge zu erreichen, welche er früher i» Preußen erzielt har. Einzig und allein in diesem Sinne ist die angeblich „französische Politik" dcö Vatikans a»fz»fassen." Nack vorliegenden Nachrichten hat die bulgarische Negie rung neue Do cum eilte über die russischen Umtriebe in Bulgarien entdeckt. Der cbcnialige Drazvman Jacobson hatte Ltambulow auch den Chisfernschlüssel zur Entzifferung der kk'iffrlilen Telegramme an die russlfchc Regierung auS- geliesert. In rer letzten Zeit fand man nun im Tcle- graphcnamtc Rustschuk die Originale der vor Jahren daselbst an die 'usnschc Regierung ausgegebcne» chiffrirtcn Tele gramm^ T:c>elbc» wurden »>il Hilfe de« Schlüssels entziffert und boten sehr interessante Aufschlüsse. Im Jahre 1885 fragte die russische Regierung bei den russischen Osficicre» in Bulgarien a», welchen Eindruck ihre Abberufung auf die bulgarische Armee machen würde. Die Ofsiciere anlworlelen telegraphisch, die Armee würde auseinander lausen. Rach der Entfernung des General« KanlbarS a»s Bulgarien fragte die russische Regierung bei ihren Consnln an, was man in Bulgarien zn ihrer Abberufung sagen würde. Einige anlwvriete», das Volk würde sie nicht fortlassen; Andere telegraphirien, man werde die Machthaber davvn- jagen, uni de» Zaren zu versöhnen. AnS den russischen Telegrammen gehl ferner hervor, baß die russische Negierung beabsichtigte, zur Zeit der Crniort»>ig Beltschew'S »ul Hilfe russischen Geldes eine» Umsturz in Bulgarien herbeizuführen. Man kenne alle Thcil»el»iier dieses Planes und beobachte sie scharf, ui» sie bei der ersten Gelegenheit zu verhaften, da man glaube, daß Rußland diesen Plan noch nicht aiisgegebe» habe. Elanibnlow sott in seiner Audienz beim Sultan diesem die Originale der russischen Dociimcnie vorgelegt habe». Es «st begreiflich, daß die Tbäliglcit der bulgarischen geheimen Polizei in Betreff der (Sicherstellung der Person tambulow's gegen mcuchelmördcrischc Anschläge eine sebr uu.fassende ist. Sie Hai ihre Agenten in allen Kreisen und weiß, was vergebt. Es ist also zu erwarten, daß bei dem geringste» Anzeichen neuer Anschläge die Negierung nicht zaudern werte, nach Beschaffining des Beweismaterialü schnell und abermals mit unbeugsamer Strenge vorzugeben. Von früheren Anschlägen weiß man, daß eine« Tages siebe» ge dungene Mörder den Fürsten und Stambulow in dem Stadt tbcile Uelschbunar bei Sofia erwartete»; nur eine geringe Verspätung und der Eintritt der Dunkelheit ließen wahr scheinlich den Anschlag mißglücken. Daraufhin wurde beschlossen, intelligentere Leute für die Aussicht zu verwenden. Der frühere Polizei-Prafect der Hauptstadt, RadoSlavow, war zu vertrauensselig, er hatte einige gute Maßregeln getroffen, doch wurde er schließlich getäuscht. Die Organisation der hauptstädti schen Polizei ist nun unter Lukanow eine ganz andere und wirk samere geworden. Stambulow hat volles Vertrauen in diesen um sichtigen und thatigen Beamten. Eine Vorsichtsmaßregel, welche ganz am Platze ist, wird mit solchem Geschick ange- wendct, daß sich täglich Ueberraschungen ergeben: die Aus streuung falscher Nachrichten über die Reiseplänc des sürst- lickien Stellvertreters. Stambulow soll im Wagen nach Varna reisen, die Gendarmen sind bereit, vor dem Hause wendet der Wage», die Reise gehl an den Hafen, und auf den, „Sultan" geht die Reise nach Baltschik zur Jagd. Die Hunde sind auch dabei. Die Jagt soll drei Tage dauern. Webe dem, der den Minister in Baltschik aufsuchcii will. Rach einer staubigen Fahrt von 40 Kilometer» findet er in Baltschik Niemande» mehr vor. Der Minister ist bereits auf dem Wege über Dobrilsch nach Varna. Wie die „St. James Gazette" mitzntheilen in der Lage ist. dielt LordRosebcry seine Weigerung, in das Ministerium Gladstone einzutrete», bis z»m letzten Augenblick aufrecht und zwar hauptsächlich wegen deö dringenden AbrathcnS seiner Aerzle. Erst die Vorstellung, daß eine anderweitc Besetzung des StaatSsecretariats der Auswärtigen Angelegenheiten nicht nur das Interesse der liberalen Partei, sondern auch deS britischen Reiches in bekentlickstcr Weise schädigen würde, brachte eine Aenberung seines Entschlusses zuwege. Dennoch zweifelt die „St. James Gazette", ob Lord Rosebern'S CabinctS- initgliedschast von Dauer sein werde. In den aristokratischen Clubs von London erzählt man sich cin merkwürdiges Wort deS LordS Salisbury. Als Kaiser Wilhelm ihn fragte, was er von der Zukunft denke, babe Salisbury dem Kaiser geantwortet: „Ich glaube, Majestät, daß wir nach 6 Monaten wieder Herren der Situation sein werden." Das Cabinel Gladstone werde nur ein vorübergehendes sein. Eö soll dies übrigen- auch die Meinung der Königin sein, die, um ihrer Sympathie für Salisburn Ausdruck zu geben, das Portrait deS bisherigen englischen Ministers i» der Galerie der berühmten Staatsmänner von Großbritannien aushängen ließ. — Alle ernsten Männer sind erfreut über Laboucherc's Ausschluß von jedem Posten. Labvuchere wurde nicht eingcladcn. Er erklärte bekanntlich, er werde sofort bei Beginn der nächsten Session den Antrag ans die Räumung Egyptens erneuern, welchem vor zwei Jahren alle radikale» jetzigen Re- gierungSmilgliedcr ziistimmten. Der radikalste Flügel der Majorität ist sehr verstimmt über den Aus schluß der fortgeschrittenste» Liberalen. Sie hielten eine Sitzung, nii, zu beschließen, paß die fortschritt lichen Vorlagen für England gleichzeitig mit der irischen Home- Nule-Vorlagecingebrachl und debaltirtwerden müssen.Labvuchere zeigte de» Pferdefuß zu voreilig, indei» er jetzt schon die bitterste Animosität gegen Gladstvne's Ernennungen ausspricht. Glatstoiic ist persönlich viel zu anständig und cin zu conser» valivcr englischer Gcnllcmaii, ui» einem solchen, an Allem nörgelnden cyiiischcn Mephisto eine Stellung anzubictcn. Labvuchere schäumt aber im Inner» vor Wulb über diese Zurücksetzung. Derartig ist der Mann beschaffen, welcher Lord Rosebery's auswärtiger Politik Opposition machen will. 16j Nachdruck verboten. Feuilleton. Schloß Fe'nelraiige. Ein Roman aus den Vogesen. Von O. Elster. «Fortsetzung.) „Sehr liebenswürdig." „Ick bin wirklich in der tödtlichsten Verlegenheit, was ich tbun soll. Ich kann doch diesem Herrn de Fvnetrange meine Tochter nicht in die Arme werfen... ich weiß ja nicht einmal, wie der Herr über meine Gisela denkt... 'S ist eine dumme Geschichte! Gisela soll sich den Gedanken aus dem Kopse schlagen, es ist ja doch Unsinn, einen Franzosen zu heirathen! Noch dazu einen allen französischen Osficier." „Wie ich Ihr Fräulein Tochter beurtbcile, ist eS weniger der Gedanke an eine Verbindung mit Herrn de Fonötrange, der sie abhält, meine Werbung anzunehmen, als die man gelnde Liebe zu mir." „Ack ja, das ist ja doch dasselbe!" „Wie ich zufällig erfahren babe, werden dir Herren de Fvnölrange dieser Tage Finstingen verlassen." „In der That? — Das ist mir sebr angenehm! Dann wird wohl auch Gisela ihre alberne Grille vergessen." „Sie haben Loch selbst die Herren in Ihr HauS gezogen?" „Ia, allerdings — ich erzählte Ihnen ja die Geschichte mit den Zigeunern, und dann der Zufall, daß der junge Baron meinem Sohne in der letzten Stunde seine- Lebens einen Liebesdienst erweisen konnte, war Schuld daran." „Die Zizeunergeschläite?" Kurt horchte ausmelksai» auf; der Baron stand also doch mit den Zigeunern in Verbindung? „Wie war die Geschichte, ich erinnere mich nicht . . „Sehr einfach! Die Zigeunerbande umringte meine Tochter auf einem Spazierritt und bettelte sie in unverschämter Weise au, als Herr de Fönötrange dazwischen trat und das Gesindel zerstreute." „Und die Leute gingen bereitwillig?" „Ob, nach der Erzählung meiner Tochter schien der Baron eine geachtete Stellung bei den Zigeunern einzunebme». Sie gehorct'lcn seinem Wort sofort und ricicn ihm jubelnd zu." „Merkwürdig, in der That merkwürdig!" „WaS ist merkwürdig, bester Herr Lieutenant?" Erstaunt schaute Herr Markwardl zu, wie Kurt mit langen Schritten nachdenklichen Angesichtes im Zinimcr auf- und ab ging. Plötzlich blieb Kurt vor Herrn Markwardt stehen. „Herr Marlwardt", sagte er in ernstem Ton, „sollte viel leicht der Fall eintreten, daß Herr de Fonötrange vor seiner Abreise sich Ihnen oder Ihrem Fräulein Tochter noch einmal zu nähern suckle, so bitte ich Sic, sehr vorsichtig zu sein, ich meine, keine Versprechungen zu geben." „Aber, Herr Lieutenant!" „Ich spreche in vollem Ernst, Herr Markwarbt, und nicht etwa nur deshalb, weil ick Fräulein Gisela liebe und selbst erringen möchte. Ich will Sie und vor Allem Fräulein Gisela nur vor einer peinlichen und schmerzlichen Enttäuschung be- wabren, die vielleicht eintreten konnte, wenn Sie Herrn de Fönötrange zu großes Vertrauen schenkten." „Ich verstehe Sie nicht." „Ich glaube cS wohl, aber ich darf nicht mehr sagen. Die nächsten Tage werden Ihnen die Aufklärung bringen. Da kebrt einer der Gendarmen zurück. Ich bitte, mich zu ent schuldigen." Kopfschüttelnd entfernte sich Herr Markwardt. >K E» Der Bericht des Gendarmen versetzte Lieutenant von Use dom in eine neue Verlegenheit. Der alte Joseph und seine Enkelin waren nicht zu finden. „Sic müssen über die Grenze gezogen sei», Herr Lieutenant", berichtete der Gendarmeric- Wachlmeister, „denn heute früh ist fast da- halbe Dorf auf> gebrockt», mit Wagen und Pferden, Kind und Kegel. Ter alte Förster Icance hat sie vorüberzicben scben; nach seiner Meinung hätten die Zigeuner den Weg zur Gr:nreiche ge nominen; er sei über den früben Ausdruck der Zigeuner aesellschaft erstaunt gewesen, denn gewöhnlich traten die Zigeuner erst im Frühjahr ihre Wanderungen an. Noch er staunter aber sei er gewesen, als er den alten Fiedler, den Zigeuner - Iosepb, unter der Gesellschaft bemerkt babe, der bereit- seit zehn Iabren die Wanderungen seine- Stammes nicht mehr iiiitgcmacht bat. Er, der Förster, habe sofort vermiitbet, daß etwas Besonderes vorgefallen sei» müsse." „Haben Sie denn im Zigeunerdors selbst keine Nachfrage gehalten?" „Gewiß, Herr Lieutenant. Aber Niemand wußte etwa- von der Marianne, die sckcn seit Wocke» verschwunden sei, und über den alten Joseph mit seiner Gesellschaft berichtete man uns ebenfalls so gut wie nicktS. Der alte Iosepb «ei mit seiner Verwandtschaft nach dem Süden von Frankreich und Spanien gezogen, weiter wisse man nichts. Die Leute sckicncn in der Tbat weiter nicktS zu wisse»; die Zurück gebliebenen waren indessen zumeist nur alte Männer, Frauen und Kinder; die jungen Leute waren mit dem Joseph davon- gezogen." „Eine dumme Geschichte!" brummte Lieutenant von Uiedoin in den langen Bart. „WaS sangen wir nun an, Wachtmeister?" Kurt von Usedom war augenscheinlich kein starkes Polizei- talent. Als Criminalist hält« er wahrscheinlich keine große Carriöre gemacht. „Vorläufig, Herr Lieutenant, ist nicht« weiter zu machen, als die Meldungen der anderen Patrouillen abzuwarten, nach denen dann neue Maßregeln zu treffen wären." „Ia, das wird das Beste sein. Vielleicht fangen die Patrouillen doch noch diesen oder jenen von den Strolchen. DaS ist ja eine ganz verfluchte Geschichte! Na, Polizist möchte ich auch nicht sein — das soll das erste und letzte Mal gewesen sein." Mißmutbig entließ Kurt den Wachtmeister. Der Besuch deS Herrn Markwardt batte seine Gedanken auf den Herrn von Fönötrangc gelenkt; nockmalS überlegte er alle Verdachts momente. die gegen Monsieur de Fsnötrange Vorlagen, und kam immer mehr zu dem Schluß, daß der Capitain mit den gebtimnißvollen Vorgängen in irgend einer Verbindung stehe» müsse. Ob dies« Verbindung, wie der Oberjäger Schröter meinte, eine verbrcckerische oder ungesetzliche war, oder ob sie sich aus einen Zufall beschränkte, darüber vermochte sich Kurt keine Rechenschaft zu geben. Die schlimmen Nachrichten vom Congo finden bei Kennern der afrikanischen Zustände keineswegs unbe dingten Glauben. Es ist ja auch richtig, wie manche- Mal sind Hiob-posteu a»S dem schwarze» Erttheil ein- getrosfcn, welche fick bintcrdrci» als vollständig crsnnden beraiiSsielllcn. Eö sei hier nur an dicFalschiiicldiiiigen betreffs der Engländer Banhelot und Iauicsvn, sowie unseres Landsmanns Nach und nach trafen die Meldungen anderer Patrouillen ein, die indessen noch nick!« berichten tonnten. Nur Gendarm Fuchs meldete, daß er jenseits der Grenze einen Trupp Zigeuner gesehen babe, die er für die Gesellschaft des alten Iosepb gehalten. Von der Zigeuner-Marianne war nirgends eine Spur zu entdecken. „Schicken Sie mir den Oberjäger Schröder", bciabl ärger lich Lieutenant von Usedom, der jetzt zu einem festen Ent schluß gekommen war. Kart Schröder trat cin. „Herr Lieutenant baden besohlen?" „Schröder, Sie sind der Einzige, der mir verständige Meldung gebracht bat", sagte Kurt. „Tie anderen lausen in der Welt mit verschlossenen Augen »mber Eie sollen mir jetzt ratbcn. Sie wissen, Laß die Patrouillen nicht» auS- gericktet habe», lind daß der alte Zigeuner, ebenso auch wahr scheinlich die Zigennerdirne, über die Grenze gegangen ist." „Ta- letztere glaub' ich nickt, Herr Lieutenant. Jetzt kann ich mir die Scene unter der Grciizeickc sehr wobl er klären; der Alle bat von seiner Enkelin Abschied genommen, nachdem er vergeblich versucht hat, sic zu überreden, ib» zu begleiten. Als ich das Mädchen verfolgt babe, stob cS auch nicht der Grenze zu, sondern tiefer in das Gebirge hinein " „Und WaS schließen Sie daran-?" „Daß daö Mädchen einen Grund hat, hier zn bleiben, Herr Lieutenant, und dieser Grund ist im Tbnrm von Fönö- trange zu erfahren " „Sie denken noch immer an die Mitschuld de- Herrn von Fönetrangc?" „Ja, Herr Lieutenant, mehr denn je. Herr von Fönö- trangr will diese Nackt schon abreiien, wie ick noch erfahren babe; wc-balb diese schnelle Abreise gleichzeitig mit den Zigeunern, die notorisch in den schlimmen Handel verwickelt sind, wenn Herr de Fönstrange sich hier nicht unsicher fühlte? Und noch ein», Herr Lieutenant, was ich vergessen babe, zu erzäblen. Ich babe. als ich mit Unterossicier Berger noch aus der Dachsburg lag — eS war zur Zeit des Drossel sanges — Herrn von Fönötrange mit dem Unterossicier und der Marianne zusammen gesehen. Zufällig streifte ich di«
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