Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920825020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892082502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892082502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-25
- Monat1892-08
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
S8SS LZ. Februar 1891, nach Annahme der Verfassung, wurde Fonsrca auf 4 Jahre zum Präsidenten gewählt, aber nur mit 129 von 234 Stimmeu. Am 23. November 189t mußte er dem General Peixoto weichem Seither hat er in Zurück gezogenheit gelebt. Deutsches Reich. ä Berlin, 24. August. Die in Preußen in Angriff ge- nommene Reform der Staat«- und Communal- fteurrnerregt in unscrnNachbarländern große«Interesse. Man sieht, daß ähnliche Fragen überall auf der Tages ordnung stehen. Bor Allem ist dies in Frankreich der Fall, wo schon seit langer Zeit die sogenannte Decentralisation der Bodenstcuern von hervorragenden Männern der Wissen schaft, den politischen Gegnern der übermäßigen Centralisation, und den Vertretern der ländlichen Interessen gefordert wird. Die von der großen Ackerbaugesellschaft Frankreichs, Ds Zzcnckioat, Lconomigus ^gricole, vertretene Decentralisation der Grundsteuern ist eben die bei uns in Aussicht ge nommene Ueberlafsung der Realsteuern an die Gemeinden oder ihre Umwandlung in Communalsteuern. Die Organe de« L/uckieat Lccmomlgue ^gickcols beklagen sich, daß Preußen mit dieser Reform Frankreich überhole, und das Journal „La Tsmocratie Rurale" äußert sich sehr bitter darüber, daß der französische Landmanu, Bürger der Republik, Ursache haben werde, mit Neid auf das Schicksal der vreußischcn Landbauer zu blicken, und fragt, wie lange der französische Ackerbau sich die« noch gefallen lassen werde. — In dem neuesten Heft des „Finanzarchiv", herauSgegcben von G Schanz, veröffentlicht der Landtagsabg. Dr. Sattler einen längeren Aufsatz über die „Schulden des preußi sche» Staate« von 1870—91 ", in ähnlicher Weise wie derselbe Verfasser auch die Schulden des deutschen Reiche« von 1870 — 91 im vorigen Bande der genannten Zeit schrift behandelt hatte. Der Aufsatz ist in gewissem Sinne als Fortsetzung de« bekannten, im Jahre 1889 erschienenen Buche« von Eugen Richter „DaS preußische Staatsschulden^ wesen und die preußischen Staatspapiere" zu betrachten Seit zwanzig Jahren hat der Gegenstand keine Bearbeitung mehr erfahren. Mil dem 1. April 189l sind, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die noch nicht in ConfolS umgewandelten EiscnbahnprioritätenaufdenElatdcrStaatsschnldenverwaltunz übertragen, und damit ist die große Maßregel der Eisenbabn- verstaatlichuiig, welche auf die Entwickelung der Staatsschulden Preußens von der größten Bedeutung gewesen ist, eigentlich erst zum Abschluß gelangt. Gerade dieser Zeitpunct mußte des halb besonders zur Darstellung derselben anreizen. Der finanz- und ctatskundige Abgeordnete hat seine mühevolle Aufgabe in gründlichster und erschöpfendster Weise gelöst. Er kommt zu dem Resultat: „Bis jetzt ist also die Vermögens läge Preußens eine geradezu glanzende zu nenne». TaS stetige Steigen der zu unproduciiven Zwecken verwendeten Rcichsschuld trägt aber zu ihrer Verschlechterung bei. Um so mehr ist daher eine stärkere Tilgung in Preußen zu besür Worten." — Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „Bei der Bernthung deS inzwischen bereit« in Krast getretene» Telegraphengesetzes wurde vielfach der Wunsch nach dem Erlag eine« Gesetzes über die elektrischen Anlagen laut, ja in manche» Kreisen glaubte man es als nolhwendig ansehen zu sollen, Laß beide Gesetze mindestens gleichzeitig zur Geltung gelangten. Letzteres ist nun nicht geschehen, jedoch ist es wahrscheinlich, daß der Reichstag in naher Zeit auch mit einem Entwurf über die elektrischen Anlagen besaßt wird. Ein solcher hat schon längere Zeit den Bundesrath beschäftigt und ist auch bereits in seinen Hauplthcilcn von den mit seiner Borberathung betrauten Ausichüssen festgesetzt worden. Wenngleich danach noch nicht die Gestalt sicher ist, in welcher der Enlwurs an Len Reichstag gelangen soll, so ist doch soviel wahrscheinlich, daß er in der Hauptsache Vorschriften enthalten dürste, durch welche der Bundcsrath befugt wird, für die Einrichtung und den Betrieb elektrischer Anlagen polizeiliche Bestimmungen zu treffen und durch welche des Weiteren die allgemeinen Bedingungen festgesetzt werden, unter Lenen die Anlage und der Betried elektrischer, auf oder unter öffentlichen Grund und Boden geführter Leitungen gestattet ist. Was die dem Bundesralhe zu gewährende Besugniß betrifft, so ist es allerdings sicher, daß sie eine im Entwürfe festzustellende Begrenzung finden dürste. In erster Linie dürsten danach die polizeilichen Bestimmungen des Bundesraths sich auf die Verhütung von Gefahren für den Verkehr, auf die Verhütung von Störungen des Betriebes anderer elektrischer Anlagen, sowie der Gas-, Wasser- leitungs- und Rohrposteinrichtungen erstrecken. Tie gesetzlichen An- ordnungen über Anlage und Betrieb der elektrischen Leitungen da gegen dürsten darauf hinauslausen, daß solche Leitungen den Betrieb bereits bestehender Anlagen nicht behindern dürfen. Auch dürfte wohl die Bestimmung eiageslochten werden, daß, wenn die spätere Einrichtung öffentlichen Zwecken dienender elektrischer Telegraphen- Fernsprech- oder Signalanlagen durch vorhandene solchen Zwecken nicht dienende elektrische Leitungen unmöglich gemacht wird, die Besitzer der letzteren verpflichtet sein sollen, ihre Leitungen so zu verlegen oder sonst zu verändern, daß die öffentlichen Zwecken dienenden An lagen ausgesührt werden können. Die Genehmigung zur Errichtung elektrischer Anlagen, für welche öffentlicher Grund und Boden be nutzt werden joll, dürfte an die Genehmigung der höheren Ver waltungsbehörde geknüpft werden. Wahrscheinlich dürfte di» letztere Bestimmung auch rückwirkende Krast jedoch mit der Einschränkung erhalten, daß ihr diejenigen Anlagen nicht unterworfen sind, welche der höheren Verwaltungsbehörde eine Beschreibung ihres gegen wärtigen Bestandes einreichen." — Der Kaiser hatte am gestrigen Morgen zunächst wieder einen etwa l'/.stündigen Spazierritt in die Umgegend de« Marmorpalai« unternommen. Bon demselben zurück- gekehrt, arbeitete der Kaiser zunächst mit dem Wirklichen Geh. Rath Dr. v. Lucanu«. AlSdann conferirte derselbe mit dem Kriegs minister und anschließend hieran mit dem Director deS Allgemeinen Kriegsdeparteinentö, General v. Goßlcr, sowie dem General der Infanterie v. Hahnke. — Wie die „Ostsee-Ztg." erfährt, gedenkt der Kaiser am 2. September nach erfolgter Jnspicirung des Gardecorp« im Manöverterrain bei Grcifeubagcn auch der Werst deS „Bulcan" einen kurzen Besuch abznstallen zur Besichtigung des Aviso« „Hohcnzollern". — Der MilitairaltachS bei der deutschen Botschaft in London, Corvettencapitain Hajenclever, welcher vorgestern von einer Lungenentzündung befallen wurde, ist gestorben. — Nach der „Voss. Zeitung" besteht die Expedition Wissmann'S aus 26 Deutschen und 23>> Schwarzen. Ter Gesundheitszustand der Truppe ist vortrefflich. — Der kaiserliche Gesandte von Bülow traf hier ein und stieg im Hotel Kaiserhos ab. — Der Zustand des in Sofia eingelrosfenen Asrikareisenden Borchert ist nicht unbedenklich. Derselbe beabsichtigt, sofort nach Karlsbad zu reisen. — Die Tbalsache, daß der frühere Gesandte beim Batican, Herr v. Schlözer, sich zum Besuch des Fürsten Bismarck nach Varzin begeben bat, giebl der „B. B.-Z." Anlaß zu betonen, daß das Berhältniß der auswärtigen Vertreter des Reiche« zu ihrem vormalige» Ebef überhaupt ein bemerkens- werthes sei, da Niemand besser die zielbewußte Politik im Interesse des Reiches unter BiSmarck zu bewundern Gelegen heit hatte, wie diese. Bei dieser Gelegenheit kommt das genannte Blatt auch auf das vertraute Berhältniß des Grasen Waldersee rum früheren Reichskanzler zurück- In dem Gewährenlassen desselben liege ein Stück Diplomatie: „Die Begeisterung für Bismarck ist in Hamburg so groß, daß man der Stimmung der Bevölkerung Rechnung trägt, indem man den Höchstcolnmandirenben in Altona »in dem „Frondeur" ungestört verkehren laßt Ein diploma tischer Schachzug, der in Hamburg seine Wirkung nicht ver fehlt hat." — Tie „Nordd. Allg. Z." tritt beute energisch für eine Aneinanderschließung der ländlichen Arbeiter zu Ber bänden, zum Zweck eines Schutzes gegen die Social demokratie, ein. Durch eine EenlralstcUe innerhalb der Verbände sollen die Bewegungen derselben unablässig beobachtet werden, damit man sich wehren könne, ehe cS zu spät sei. — AuS der „Frankfurter Zeitung" ist in verschiedene Blätter ein, auch von uns nebst einem humoristischen Eom Militär der „Tägl. Runbsch." wiedergegebener Artikel über nommen worden, der die Behauptung aufstellt, daß die be schlagnahmten Weinvorräthc des Königs von Han nover sich merkwürdig verflüchtigt hätten, da sie von 30—40000 Flaschen aus 7000 Flaschen zusammengeschmolzen seien. Zur thatsächliche» Richtigste! lung gehl dem „Hann. Eour." von zuständiger Stelle Folgendes zu: „Die Sequesterverwattuiig fand bei ihrer Einrichtung einen buch mäßigen Gesammtbesland von 19212 Flaschen Wein vor. Darunter war eine große Menge alter Bordeaux- und Rheinweine, welche nach dem Urthcil des in seiner Amtslhätigkeit belassenen königlich Han- noverschen Kellermeisters nicht länger aiiszubewahrcn waren, wenn sie nicht schließlich werthlos werden sollten. Demgemäß wurden von der Sequesterverwaltung in den Jahren 1870 unv 1872 im Ganzen 12 060'/, Flaschen meistens Bordeaux- und Rheinweine öffentlich meistbietend verkauft und der Erlös an die Casse der Verwaltung«! Coinmission abgeliefert. Ter Rest ist dem Vertreter des Herzogs von Cumberland nach Aushebung der Beschlagnahme ausgehändigt worden." — Die Vorarbeiten für eine anderweite gesetzliche Regelung der Handwerkerverhältnisse sind in vollem Gange. Es heißt, die Regierung sei lcbhabt bemüht, berechtigten Wünschen aus Hand werkerkreisen in weitester Weise entgegenzukomme». Freilich werden die übertriebenen Forderungen der Zünftler, so weit sich bis jetzt übersehen läßt, unerfüllt bleiben. Vor Allem wird es nicht zur Bildung von Handwerkerkammern kommen. Dagegen wird eine Ausbildung der jetzigen Handwcrkcr-Lrganisation zu Gewerbe- kammern wahrscheinlich zur Ausführung gelangen, lieber die Art und Weise, in der dies zu geschehen hat, ist noch keine Entscheidung getroffen. Ganz besonders sind die Meinungen zur Zeit »och unaus geglichen darüber, ob die Gewerbekammern obligatorisch oder fakultativ sein sollen. Nach dem jetzigen Stande der Tinge ist eS wahrscheinlich, daß der nächste Reichstag bereits an diese Fragen heranzutreten haben wird. — Dem Vernehmen der „M. Z." nach sind jetzt sämmt- liche Gerichtsbehörden angewiesen worden, über alle Klagen, die wegen Schulden gegen mittelbare ober unmittelbare Staatsbeamte angestelll werden, ferner von allen Privat klagesachen, in welchen ein solcher Beamter Partei ist, und ebenso von allen Zahlungsbefehlen, die gegen solche Beamte erlaffen werden, zu deren Dienstacten ihrer Vorgesetzten Behörde Mittbeilung zu machen. Es seien auch im Weiteren die Schuldeputationen auszefordert worben, vorkommendcn Fall« derartige über die Lehrer gemachten Mittheilungen an die zustehende königliche Regierungsbehörde zu besördern. — Nach den Vorbereitungen für die diesjährigen Flotten manöver wird geschlossen, daß dieselben die größten und bedeutungsvollsten seit Bestehen unserer Marine sein werden. — Innerhalb der Neichsverwaltung,ist nunmehr der Entwurf hu einem Gesetze, welches an die Stelle de- geltende» Marken- IchutzgesetzcS treten joll, ausgearbeitet und den Bundesregierungen mitgetheilt. Nach der Prüfung durch die Regierungen wird die für den Bundesrath bestimmte Vorlage festgestellt werden. Ter „Reichs anzeiger" theilt den Entwurf und die Denkschrift dazu im Wort laut mit. * Nienburg, 23. August. Der Erbgroßherzog von Oldenburg ist von seinem Sturze vom Pferde auf dem Manöversclve bereits so weit in der Reconvalescenz fort geschritten, daß er zugleich mit seiner Brigade das Manövcr- gebict bei Nienburg hat verlassen können. * Aus drin Wahlkreise Herford-Halle. Im Kreise Halle endet das Beispiel von Bünde, wie der „N.-Z." lelegraphirt wird, Nachahmung. Die Freisinnigen in Borgkolzhausen haben sich der Erklärung von Bünde angcschlossen und die Kandidatur Dclius proclamirt. — Die Behauptung der Freis. Ztg.", die Erklärung von Bünde falle zeitlich mit der Anwesenheit des Generalsecretairö der nationallibcralen Partei. Herrn Patzig, daselbst zusammen — wodurch die Erklärung als eine Machenschaft dieses Herrn dargestellt werten soll — ist falsch. Herr Patzig war seit 14 Tagen nicht in Bünde. — Die „F. Z." meint, es wäre zu bedauern, wen» diese Streitigkeiten die Gegnerschaft der Hammerstein'- schcn Candidatur für den Fall einer Stichwahl schwächen würden. Es käme gar nicht darauf an, welche Partei das Mandat gewinnt, sondern nur, daß da- Mandat den Reac- tionairen abgenommen wird. Der „F. Z." ist es auch recht, wenn die Socialdem okrat cn die Gewinner sein sollten. * Loliiige», 23. August. Tic Veröffentlichung deS Ergebnisses der ^elbsteinschäyung der Solinger Bürger wird unterbleiben, da der Beschluß der Stadt verordneten, welcher s. Z. große« Aufseben erregte, die erfor derliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde nicht crlaugt bat. * Saga», 24. August. Das Resultat der gestrigen Reichst agsersatzWahl im 2. Liegnitzer Wahlkreise «Sagan- Sprotlau) liegt »unmebr bis auf 8 fehlende Ortschaften vor, welche jedoch an dem Ergebniß nichts mehr ändern können. Es erhielten bisher v. Klitzing (conservativ) 6652 St., Dr. Müller (freis.) 5432 St., Zubeil (Sociald.i 1481 St. Zersplittert sind 99 St. Es ist somit eine Stichwahl »wischen v. Klitzing und Dr. Müller erforderlich. — Der Wahlkreis war abwechselnd freiconservativ, national- liberal und freisinnig vertreten. Bei der Wahl von 1890 wurden im ersten Wahlgang 56l7 conscrvative, 7677 frei sinnige, 1649 socialdemokratische, 814 klerikale, 305 national- liberale, in der Stichwahl 6223 conscrvative, 10 050 frei sinnige Stimmen abgegeben. Der Rückgang der frei sinnigen Stimmenzahl ist auf alle Fälle sehr bedeutend. * Breslau, 24. August. Ter hier tagende siebente Ver bandstag deutscher Sattler, Riemer, Täschner und Tapezierer beschloß trotz der ablehnenden Haltung der Re gierung mit allen Kräften für eine Welt-Ausstellung in Berlin zu wirken. Ter nächste VerbandStag wird in Olden burg abgebalten werten. * Karlsruhe, 23. August. Mit ganz besonderer Schärfe betont gegenwärtig die Eentruinspresse die Notbwendigkeit des gemeinsamen Kampfes gegen die Socialdemokratie. Wer sich der letzten ReichStagswakl auck nur einigermaßen erinnert, wird diesen Feuereifer etwas auffallend finden. Hat doch der Mannheimer Ortsausschuß die Absicht der Centrum Oberleitung so sehr mißverstanden, daß er glaubte, für den socialistischcn Candidatcn eintrelen zu dürfen. Er wurde zwar eines besseren nachträglich belehrt; das Mißverstänkniß ist aber immerhin sehr lehrreich. — Von der badischen Re gierung sind, wie die ,N. Bad. LdSztg." meldet, zum Zweck der Information über die Wünsche der badischen Industrie Fragebogen betreffs eines russischen Handelsvertrag« an die einzelnen Interessenten durch Vermittelung der Handels kammern versendet worden. * AuS Württemberg, 23. August. Der Ofsenb. „VolkS- freund" veröffentlicht über die Landagitation der social- demokratischen Parteileitung in Württemberg einen Viertcl- jahrsbericht, in dem eS heißt: „In erfreulicher Weise hat sich gezeigt, daß in den größeren Mitgliedschaften sich schon ganz tüchtige rednerisch begabte Krästc hcrangebitdet haben, so daß viele Versammlungen auch obne Vermittlung des Landesvorstandes obgehalten werden könnten. Auf diese Weise sind besonders in der Umgebung von Calw, Eßlingen, Göppingen, Heitbronn, Re»tlingen eine ganze Reihe agitatorischer i Vorträge zu Stande gekommen, während durch unsere Vermittlung besonders die kleineren Mitgliedschaften bei ihrer propagandistischen Thätigkeit unterstützt wurden. Für Ende nächsten Monats steht dann »och eine größere Agitalionstour deS Genossen Voll mar in Württemberg in Aussicht, wodurch einer Anzahl Mitgliedschaften Gelegenheit gegeben fein wird, auch einmal die Ausführungen eines gewandten auswärtigen Redners hören zu können...." * Augsburg, 24. August. Der „Augsburger Abend zeitung" schreibt man ossteiöS aus München, zu einer Be unrubigung der bafferifchen Brauindustric wegen des bayerischen Biersteuerreservates sei kein Anhaltspunkt gegeben. Die Erhebungen, die hinsichtlich dieses Sleuerobjecles im Bereich der ReichSbiersteuergemeinschaft gepflogen werden, könnten nicht in Zusammenhang gebracht werden mit einer etwa aus Seiten der Reichsregierung vorhandenen Absicht, Bayer» zum Eintritt in die ReichSgeiiieinschaft veranlassen zu wolle». sF. Z.) * Metz. 23. August. Tie bereits mitgetheilte Nachricht, daß vom l. September ab in Mey eine vierte Zeitung in französischer Sprache erscheinen werde, ist in der all deutschen Presse verschiedentlich als ein „unerfreuliches Zeichen der Zeit" beunbeilr worden. In der „Allgem. Z." wirk be- bauptet, die Regierung scheine wenig geneigt zu sein, das Erscheinen einer neuen französischenZeilung zu genehmige», viel mehr dem im Ober-Elsaß gegebenen Beispiel folgen zu wollen Im Oberelsaß, wo die sprachlichen Verhältnisse allerdings auch günstiger liegen als in Lothringen, hat die Tazespresse in der Thal eine den deutschen Interessen günstige Entwickelung genommen, und man mag eS auch immerhin als wünschen« wertb bezeichnen, daß auch Metz allmälig an dieser Entwickelung theilnimmt, in der ihm Mülhausen und Kolmar bereits vorangeganaen sind. Als erfreulicher Anfang wäre es beispielsweise zu bezeichnen, wenn alle in Lothringen französisch erscheinenden Blätter demnächst zweisprachig erschienen. 'Allein die gesetzlichen Handhaben für die Herbeiführung eines solches Erfolge« sind sehr un zureichend; vollends ungerechtfertigt muß cs aber erscheinen, unserer Landesregierung auS dem Erscheinen des neuen fran zösischen Blattes in Metz einen Vorwurf zu macken und die Erwartung auözusprechen, die Regierung werde das Ersckeincn des Blattes nur als zweisprachiges genehmigen. Sowie die in dem sranzösiscken Prcßgesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten er füllt sind, ist die Regierung nach Lage der Gesetzgebung einfach außer Stande, das Erscheinen eines Blattes zu verhindern; man müßte denn, was immer mißtich ist, zum Dictatur- paragrapben greifen. Dazu dürfte dem neu erscheinenden „Courier de Metz" gegenüber vielleickt weniger Grund vortiegcn, da der Velegcr desselben Aussichten für eine deutschfreund liche Haltung des Blattes eröffnet bat, welche die bereits vor- handenenBlätter „Lorrain", „Mcssin" weniger gewähren. Wollte mau also den „Courricr de Mey" verbieten, so würde man das kleinere Uebel treffen, das vorbandene größere jedoch sortwuckern lassen. Ein behördliches Eingreifen könnte somit nur gleichmäßig gegen alle französischen Blätter gerichtet sein, wenn damit ein Fortschritt des Teutschtkums erreicht werden sollte, und in der Beziehung würde cS sich, wie gesagt, am meisten empfehlen, wenn die Blätter nur noch zweisprachig erschienen. Außer den bereits genannten Blättern erscheint in Metz noch die „Gazette de Lorraine" in französischer Sprache, welche die Interessen der Regierung vertritt. (Sckw. M.) Oesterreich-Ungarn. * Wie». 25. August. (Telegramm.) Das bochofficiöse „Fremdenbl." bespricht an hervorragender Stelle die seit einiger Zeit in gewissen Parteikreisen Deutschlands förmlich zur Mode gewordene Schwärmerei für die zweijährige mi lilairische Dienstzeit. Das Blatt bezeichnet letztere als entschieden undurchführbar und unpraktisch, weil dem Soldaten in dieser kurzen Zeit nicht die gründliche Er lernung seines Berufs ermöglicht werden würde. Ein großes Heer mit weniger gut ansgebildeten Soldaten würde zweifel los von geringerem Werthe gegenüber einem kleinen, aber gut geschulten sein. — Plener's Rede in Eg er wird von allen Seiten als eine wichtige Kundgebung der deutsch-liberalen Partei gewürdigt. Besonderen Eindruck auf die Czechen und die ihnen nabe stehenden Kreise machte die Andeutung Plencr'S, der hart näckige Widerstand des böhmischen Landtages gegen die Aus- glcichsarbeit werde zu dessen Auslösung führen. — Für die Stimmung in Böhmen und die Fortschritte, welche die jung- czeckische Agitation im Lande macht, ist es bezeichnend, daß jetzt wieder bei Erneuerung der Bezirksrertrctung von Müblhauscn sämmtliche altczechische Canditalen den Jung- czcchen unterlagen, mit ibnc» der Obmann der bisherigen Bezirksvertretung, Prinz Friedrich Schwarzenberg, der jüngere Sobn deS Fürsten Karl Schwarzenberg, der, gleichwie die übrigen altczechische» Candidalen, mit 24 Stimme» gegen 97 den jungczechiscken Candidatcn weichen mußte, so daß er ans- bört, Mitglied der Bezirkövertrelung jenes Bezirkes zu sein, in welchem seine Familie begütert ist. * Prag, 25. August. (Telegramm.) Erzbischof Kar dinal Schönbor» erließ an die Geistlichkeit seiner Diöcesc eine fable gelbe Farbe, seine Augen hatten allen Glanz ver loren, scheu irrten sie von einem Gegenstände zu dem anderen, seine bläulichen Lippen zuckten nervös, und seine Hände zitterten, so daß er kaum noch ein GlaS Wein einschenken konnte. Leise und bebend war seine Sprache geworden, als fürchte er, einen Schlafenden zu wecken. Die Leute zerbrachen sich den Kopf über die seltsame Veränderung des Gaslwirtbes, aber schließlich gewöhnte man sich auch an da« veränderte Wesen Bourgeois' und meinte achselzuckend: „Der Mann ist leberleidend, man siekt'S ihm an. Er hat wahrscheinlich zu viel von seinem eigenen Wein getrunken." In aller Stille hatte Bourgeois den Verkauf des „Lion d'or" betrieben. Ein vertrauter Geschäftsfreund in Straß burg, der auch an dem Schmuggelhandet betheiligt gewesen war, hatte den Verkauf besorgt, das Gasthaus war dabei unter dem Preise sortgegeben worden, nur Halle sich der Käufer verpflichten müssen, Stillschweigen über den Kauf zu bewahren und erst nach der Abreise Bourgeois' das Anwesen zu übernehmen. Heute war die erste Anzahlung deS Kauf- qeldes erfolgt, die Restsumme sollte an den Straßburger Ge schäftsfreund bezahlt werden. Der Käufer sollte in einigen Tagen nach Finstingen kommen, in „Lion d'or" Wohnung nehmen und dann den Gasthvs übernehmen, während Bourgeois noch an demselben Tage sortreiscn wollte. Mit fieberhafter Ungeduld ersehnte Maitre Bourgeois den Tag, an dem der Käufer eintreffcn würde. Ihm brannte der Boden unter den Füßen. Er vermochte Niemandem mehr offen ins Auge zu sehen, und wenn der graubärtige Gendarm Fuchs die Gaststube betrat, dann zitterte Monsieur Bourgeois wie Espenlaub. Da trat ein Ereigniß ein, das den Gastwirth zu schleunig stcr Abreise, die einer Flucht glich, veranlaßte Es war Abend; die Gaststube war leer. Monsieur Bour> geoiS saß in seinem Lehnstuhl neben dem Kamin und starrte in finsterem Brüten in die verglimmende Glutb de« Feuers. Was hals ihm nun all der Reichtbum, den er im Lause der langen Jahre anfgehäust hatte, tbcils durch die flottgebenve Wirthschaft, zum größeren Theile aber durch den Schmuggel Handel und sein verbrecherische« Treiben, deutschen Deser teuren über die französische Grenze zu belfen; er war doch ein unglücklicher Mann. Um die Fluche und Tbränen, die ihm die betrogenen jungen Leute, die er nach Algier oder nach den bollänbischen Colonien verhandelt batte, nachsendelen, hatte er sich wenig gekümmert; sie batten sich ihr Schicksai selbst gewählt. Aber die eine grausige Tbat lastete schwer auf seiner Seele, und er verwünschte den Augenblick, da er sich durch seinen Zorn hatte hinreißen lassen, die Hand gegen das Zigeunermätcken aufznbelen Tag und Nacht gellte ihm der entsetzliche Schrei in die Obren, den Marianne beim Sturz in die Tiefe ausgcstoßen halte. Tag und Nacht sah er dir todeSlraurigen, großen, dunklen Augen der Unglücklichen vor ich. Auch jetzt stieg der bleiche Schatten der Gemordeten wieder vor ihm auf, und stöhnend verbarg er sein Gesicht in den Händen. Plötzlich ward die Thür leise geöffnet. Der Wirth schreckte empor. Ein schmächtiges Bürscklein, in Lumpen gebullt, drängte sich durch die halb geöffnete Tbür; wild hing ihm das struppige schwarze Haar über das gelbe Antlitz, aus dem zwei dunkle Augen dem Gastwirth verschmitzt ent gegen blitzten. ES war ein Zigeunerknabe von kaum zwölf Jahren. „WaS willst Du?" fuhr Monsieur Bourgeois den Jungen an. „Mach, daß Du fortkommst, Bettlern gebe ich nichts." „I will net betteln, Monsieur", erwiderte keck der Junge. „I sollt' eine Bestellung auSrichte." „Eine Bestellung, von wem?" „Vom alten Joseph." „Vom alten Zigeuner-Joseph? Wie kommt der nach Finstingen? Ick dacht', er wär' in Spanien?" stammelte er schreckt der Gastwirth. „Der alte Joseph isckt in Welschland gewesen", erwiderte der Junge, „aber heil Nacht ischt er heimkumme. Un der alte Joseph möckt gern den Monsieur sprechen, sollt' i bestelle." „Wo ist er?" „Er ischt im Garten un wartet uff Monsieur." „Lauf und sag ihm, daß ick sofort käme. Er soll aber net bierberkommen in die Gaststub'l" „Wird sich hüten; hier könne ja die Gcndarme einkumme." Mit diesen Worten verschwand der Junge lautlos auS dem Zimmer. Monsieur Bourgeois athmete tief aus. Scheu sah er sich im Zimmer um, als wolle er sich nochmals versickern, daß Niemand sein Gespräch mit dem Zigeuncrbuben belauscht haben konnte. Im nächsten Augenblick hatte der Gastwirth die Stube verlassen. Unbörbar schlick er sich zur Hinterthiir hinaus in den Garten. Ein dichtes BoSquel in der einen Ecke desselben hatte früher schon öfters zum Versteck des alten Zigeuners gedient, wenn dieser auf ihn gewartet; dorthin lenkte Maitre Bourgeois auch beute Abend feine Schritte. Als er nur noch drei Schritt von dem Gebüsch entfernt war, traten ibm zwei dunkle Gestalten entgegen. „Joseph, seid Jbr's?" Ja. Monsieur Bourgeois, ick bin'-. Wieder beimgekchrt Wie ist's halt so lange a?a.,na->>, „Wen habt Ihr öci „>'nm äv Oien! Kennt mich der Maitre Aubcrgiste nct mehr?" „Ach Ihr, Jockel Schmidt? Aber Ihr Unglücksmenschen, wißt Ihr denn net» daß Euch die Gendarmen auf den Fersen »Yen? Was wollt Ihr hier? Ihr seid verloren, wenn Ihr entdeckt werdet" . . . „Laßt uns eintreten, Maitre Bourgeois. Dann erzähl' ich Euch, weshalb wir gekommen sind." „So kommt in das Hinlerstübchcn, aber vorsichtig. Meine Haushälterin braucht nicht zu wissen, daß Ihr wieder da seid." In dem versteckt liegenden Zimmer angekommen, zündete der Gastwirth eine kleine Lampe an. Er erschrak ausS Neue, als er jetzt seine beiden Freunde genau betrachten konnte. Jockel Schmidt zeigte in seiner Kleidung, seinem rothen, ge dunsenen Gesichte und den verschwommenen Angen daS Bild eines rohen, im Trunk verkommenen Burschen, während die gramdurchfurchten Züge des alten ZigeunerS eine feste und finstere Entschlossenheit vcrrictbcn, welche den Wirth noch mehr in Furcht setzte als die Rohheit Joctel'S. „Nun sagt mir um Gottcöwillen, was hat Euch hierher nach Finstingen znrückgetrieben?" fragte Bourgeois mit bebender Stimme. „Diablo! Ich konnt'S in Paris nicht mehr ansbalten", flüsterte Jockel Schmidt mit beifcrer Stimme. „Geld schenktet Ihr mir keinö mehr, arbeiten mocht ich net, und die Polizei war mir auch schon im Nacken. Ein welscher Gendarm ist ein ebensolcher Hallunkc wie ein deutscher. 8aerü noin ck'uue pifie!" „Aber was wollt Jbr bier? Wenn sie Euch fangen, sperren sic Euch zebn Jahre inS Zuchthaus . . ." „Und Euch mit, Maitre Bourgeois!" „Jockel, WaS soll das beißen?" „DaS soll beißen, Maitre Aubcrgiste", entgegnete der Bursche in drohendem Ton, indem er dicht vor den Gastwirth trat, „daß ich dies Hundeleben satt Hab', daß ich wie Ihr ein bequemes Leben sübren möcht und net alle Tag mich vor den Gendarmen verstecken will." „Weshalb habt Ihr Euer Geld, das Ihr bei mir ver dient habt, stets wieder verthan? Ihr könntet jetzt ein paar Tausend Franken zusammen haben. Aber wenn Ihr ein Zwanzigfrankstück in die Ha.id bekämet, war es am anderen Tag verjubelt." „Ihr wollt mir noch Vorwürfe machen, Ihr, die Ihr uns den größten Theil des Lohnes unserer Arbeit vorweg ge noinmen habt? Maitre Bourgeois, Hüter . . ." „Still dock, still doch!" besänftigte der Gastwirth den Tobenden. „Sagt mir, was ich für (Such thun kann, und eS soll geschehen." „Geld sollt Ihr mir geben, daß ich nach Amerika aus wandern kann." „Wie wollt Jbr dabin kommen?" ,,8acrs ... die luxemburgische Grenze ist net so arg weit Von Luxemburg geh ick nach Amsterdam, von da fahren alle Tag' Schiffe in die weite Welt." „Ist daS Euer Ernst, Jockel?" «Gewiß ist'« mein Ernst, S'ist mir net zum Spaßen ums Herz. Fünftausend Francs. . ." „Seid Ihr toll? Fünftausend Francs? Mir scheint, Ihr gehört in ein TollhauS . . ." „Net einen Sou weniger! Und wenn Ihr mir das Geld net bis morgen Nacht ausgezahlt habt, so sitzen wir übermorgen rüh im Gcfängniß . . . millo tonnerie!" „Jockel, seid verständig, ich will Euch zweitausend Francs geben . . ." „Fünftausend." „Dreitausend!" „Fünftausend." „Jockel, ich bitt' Euch! Wo soll ich das viele Geld her nehmen?" „Ist Eure Sache! Habt früher genug von mir verdient, jetzt sollt Jhr'S wieder kcrausgcden!" „Nun denn, ich geb' Euch Viertausend." „Fünftausend ... nct einen Sou weniger... net eine Centime weniger, wenn Jbr'S noch mal hören wollt!" „Jockel, Jbr seid verrückt!" „Mag fein, aber ick brauch' das Geld!" „Zum Teufel denn, Ihr sollt das Geld haben, aber Ihr geht noch in dieser Nacht ans und davon!" „Das ist meine Sach'! Wenn ich daS Geld Hab', hält mich nix mehr in Finstingen." Bebend vor Zorn und Aeraer ging Bourgeois an den Schreibtisch und bolte fünf Tanscndfrankscheine hervor. „Da", rief er, „habt Jhr'S Geld, und »un schcert Euck zum Teufel!" „Solltet milkommen, Maitre Bourgeois", sagte Jockel mit höhnischem Grinsen, indem er die Scheine in die Brusttasche seiner Jacke steckte, „ich bin sicher, Ihr würdet einen aus gezeichneten Empfang dort finden." „Schweigt jetzt, daß ick endlich mit dem alten Joseph cm vernünftiges Wort reden kann." Jockel lachte spöttisch auf und setzte sich in eine Ecke de« Zimmers, den Wirth zum „Goldncn Löwen" niit höhnischen Blicken beobachtend. Der Zigennee - Joseph batte bislang schweigend aus einem Schemel an dem Tische gesessen, da« weißhaarige Haupt in die Faust gestützt und mit starren Anzcn vor sich binblickend. Man Kälte meinen sollen, ber Streit der beiten Männer um daS Geld kümmerte ibn nickt ini geringsten oder er sei taub, daß er von dem Gespräch nichts veruebmen könne. Jetzt erhob er langsam tcn Kops und blickte Monsieur Bourgeois mit düster lcuchlcntca Augen an. „Nun Joseph", nahm der Gastwirth da- Wort, „was treibt Euch wieder hierher? Wollt Ihr mich auck schröpfe» wie der da?" (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder