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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920906021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892090602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892090602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-06
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Labellari,selche der Perein nach höherem DailjVg de» evan- ^ '»rlond, Extra-Beilagen lgesalzt), nur mit der Morgen«Autgabe, obne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbesürderung ^l 70.—. Ännahmeschluß für Inserate: Anzeiger. Organ för Politik, LocalgesMe, Handels- «nd Gcschäflsverkehr. Abeud-Au-gabe: LormittagS 10 Uhr. Marge ».Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,3 Uhr. Lek den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Inserat» sind stet» an die Expedition ^ zu richten. Druck aud Verlag von E. Pokz tu Leipzig. ^-456. Dienstag den 6. September 1892. 88. Jahrgang Die Lahnen unterster Ordnung. SS. Der preußische Landtag hat in seiner letzten Tagung ein Gesetz beschlossen, da» eine hochwichtig gewordene Vcr- kehrsairaclegenbeit regelt und deshalb auch außerhalb PreußeuS Interesse beanspruche» darf. Nachdem Frankreich, Italien, Belgien und andere Staaten mit aller Entschlossenheit daran gegangen sind, neben dem Haupt- und Secundärbahnnctz auch die Bahnen dritter und unterster Ordnung zu entwickeln, war es für Preußen, wo die Verhält nisse dafür besonders geeignet erscheinen, in böchstem Grade Bcdürfniß, dem untersten Babnsystem eine Rechtsgrundlage zu schaffen, aus der sich die möglichst vielseitige Ausnützung auch dieses Verkehrsmittels erwarten ließ. Das Gesetz beabsichtigt vor Allem, eine sichere Begriffsbestimmung für diese,ihren technischen Einrichtungen nach so sehr verschiedenen Bahnen unterster Ordnung oder, wie sie schließlich genannt werden, Klein bahnen. Der tz. 1, wie er vom Abaeordnetenhause fest gestellt ist, erfaßt in zweckmäßiger Weise einerseits die technischen Merkmale, »ach denen sich Kleinbahnen von den Haupt- und Nebenbahnen unterscheiden, und anderer seits die ökonomischcii Bedingungen der Bahnanlagen. Er bezeichnet als Kleinbahnen alle, die „hauptsächlich den Verkehr innerhalb eines GcmeindebczirkcS oder benach barter Gemeindebezirke vermitteln", und alle, die „nicht mit Locomotiven betrieben werden", also Pferdebahnen, elektrische, Drahtseilbahnen u. s. w. Ui» die Entwicklung dieser Kleinbahnen nach Bedürsniß zu erleichtern, war cs vor Allem erforderlich, für dieselben einfachere Rechtsnormen zu geben, alS sie im Eisenbahngesetz von 1838 enthalten sind, jedenfalls aber auch diese Rechtsnormen einheitlich zu gestalten. In dieser Beziehung bestimmt das Gesetz zunächst, daß im Einzclfalle von der Bcbörde entschieden werden muß, ob einem Project die Bedeutung einer Haupt- oder Nebenbahn zu- zuerkennen ist. Für diesen Kall muß der Staat sich offcnhatlen, selbst eine normalspurize Bahn einzurichten. Andernfalls ist die Kleinbahn zu genebmigen. Die Mitwirkung der Setbst- verwaltungsbehörden ist bei Seite geblieben, was der raschen Erledigung von Eoncessionögesnchen dienlich sein wird. Da gegen hat das Abgeordnetenhaus eine Reihe von Bestimmungen hiiizugefügt, wonach gegen den öffentlich auszulegenden Bau plan >eder Interessent, auch jede Gemeinde w. Einwendungen erheben kann, über die in besonderen Terminen zu ver handeln ist. Doch sollte der Minister nach dem Entwürfe ermächtigt sein, ohne diese vorausgängige „Ptanfestsctzung" den Beginn eines Baues zu genehmigen, wenn ans der beabsichtigten Anlage Nachtkeile und „erhebliche Belästigungen" der benachbarten Grundbesitzer oder des öffentlichen Verkehrs nicht zu besorgen wären. Eine agrarische Mehrheit setzte es aber durch, daß ein solcher vorzeitiger Baubeginn nur statt haft ist, ^sofern cS sich nicht um die Benutzung öffentlicher Wege handelt". Mit anderen Worten: ein vorzeitiger Baubeginn wäre überhaupt damit verwehrt, denn ohne Benutzung öffentlicher Wege wäre kaum eine derartige Kleinbahn zu denken, cs sei denn, daß eS sich um Feldbahnen oder Drahtseilbahnen handelt. Das ausgesprochene Motiv dieser Einschränkung war es, daß Vir Pferde auf dem Lande sich schwer an die Lvcomotive gewöhnen und daß man ,n bäuerlichen Kreisen Willens sei, im PlanfrstseyungS- verfahren wegen „erheblicher Belästigungen" gegen die Ge nehmigung überhaupt sich zu wehren. Tue angestrengtesten Bemühungen, namentlich »ationaUibcralcr Abgeordneten, über diesen Widerspruch im Voraus hiiiwegzukommen, blieben erfolglos. Wohl aber ließ cS sich ermöglichen, wenigstens für städtische Straßen die vorläufige ministerielle Genehmigung wieder herzustellen. WaS den Fahrplan und die Be förderungspreise betrifft, so ist es der Behörde vor- behalten, dauernd oder für bestimmte Zeiträume das im Interesse des öffentlichen Verkehr- Erforderliche fcst- zustellen. Doch ist hier die Negierung einer von national- liberaler Seite ergangenen Anregung entgcgengckommcn und hat einer Aendcrung zugestimml, wonach die Einwirkung der Aufsichtsbehörde wesentlich beschränkt ist. Nur die höchste Grenze der Tarife, welche nicht überschritten werden darf, ist der Genehmigung unterworfen und auch dierbci ist die inanzielle Lage des Unternehmens und eine angemessene Verzinsung und Amortisation zu berücksichtigen. Die an- aesctzlcn Beförderungspreise haben gleicbmäßig für alle Personen oder Güter Anwendung zu finden. Auf Grund wiederholter Berathnng und Beschlußfassung dcS Herren hauses mußte hierzu ein Zusatz mit in Kauf genommen werden, des Inhalts, daß Ermäßignnzen der BesörkerungS- preise, welche nicht unter Erfüllung der gleichen Bedingungen Jedermann zu Gute kommen, unzulässig sind. Das kann möglicherweise ein Bahnniiternehincii, dessen Zweck e» gerade wäre, einer bestimmten Industrie zu dienen, n» Keime schon ersticken, was jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzgebers läge. Eine der schwierigsten Fragen war diejenige über das etwaige Erwerbsrecht des Staates. Nach langem Kampfe wurde dem Staate das Reckt cingeräumt, gegen crntschäkia»ng dcS vollen WcrtheS eine Kleinbahn zu erwerben, wenn dieselbe „eine solche Bede ilung für den öffentlichen Verkehr gewinnt, daß sie als Thril des allgenieinen Eisenbahnnetzes zu be handeln ist". Schließlich war noch die Frage zu entscheiden, wie weit der Staat und die Provinzen mit ibrcn Mitteln bei der Entwickelung dieser Kleinbahnen Ibätigen Anthcil zu nehmen hätten. Das Herrenhaus batte eine Reso lution zu dem Gesetz beschlossen, wonach der Staat, im Falle sonst eine wirthschaftlich zweckmäßige Bah»- tinternehiilung nicht zu Stande koinincn könnte, einen Beitrag zu den Kosten zuschicßen möge, natürlich k t'oncts porclu. Nun war von vornherein mit dem Umstand zu rechnen, daß das Gesetz allein die wesentliche Förderung des Baue- von Kleinbahnen nicht mit sich bringe» werde. Um dies Ziel zu erreichen, dürste es i» sehr vielen Fällen nöthig sein, daß der Bau durch öffentliche Mittel unterstützt wird. Nach einem im Hause vorgetragcncn ZisfcrnanSweiS rentiren die bislang bestellenden Babncn dieser Art nur mit 1?/, Procent. Tie Regierung wies von HanS auS auf die Provinzen als diejenigen Instanzen bin, von denen die Bauten angeregt, gefördert und, wo das Bedürsniß vor liegt, auch materiell unterstützt werden müßten. Eine Be- tbeiligung des Staates glaubte sie widcrrathen zu sollen. Die Meinungen darüber waren jedoch innerhalb aller Parteien gctheilt und blieben cS. Für die StaatSnnterstützung wurde geltend gemacht, daß jede für den öffentlichen Verkehr ein gerichtete Eisenbahn, und sei das VerkchrSgcbiet »och so eng begrenzt, nicht Einzelnen, sondern der Allgemeinbeit »n Gute komme; »amciitlich auch, daß die Provinzen gar nicht solche Mittel besäßen, um auf die Lange der Zeit, dem Ve< vürsnisse entsprechend, helfend eintreten zu können. Gegen die StaatSunkerstlltzung wurde cingcwendct, daß dann die Unternehmungslust und die thatsäclstich vorhandene Kraft zu solchen Unternehmungen gar nicht zu genügender Entsatlnng gelangen könnten und daß eS mit dem Bau solcher Bahnen kaum nenncnswerth vorwärts gehen werde. Denn überall werde man zuerst erwarten, daß der Staat sich bclheitigc. Wen» die Provinzen zur Zeit der nöthigen Mittel ermangelten, möge man das Dotationsgcsctz von 1875 ändern. Dasselbe gestattet den Provinzen nur, die im Interesse der LanrcS- verwaltung damals beschlossenen Dotationen (37 Mitl) fin den Chaussecbau und für die Unterhaltung öffentlicher Wege zu verwenden. Künftig werte vielfach eine Kleinbahn zweck mäßiger sein als ein Ehauffcebau. Man solle also die Provinzen in den Stand setze», jene Dotationen auch mit zum Kleinbahnbau zu verwenden, dczw. zur Subvention vcn Kreisen und Eoininunen, die solche Bauten untcrnchincn wollen. Demgemäß wurde denn auch, allerdings init sehr schwacher Mehrheit, die Forderung an den Staat, sich am Bau von Kleinbahnen z» bctbeiligcn, abgelehnt und dafür eine das DotationSgcsetz im gedachte» Sinne ändernde Be stimmung in das Gesetz ausgenommen. politische Tagesschau. * Leipzig, 6. September. Die „Nationalliberale Correspondenz" schreibt. Man mag über den inneren Gehalt der Mainzer Katholiken- versammlliiia denken wie man will, jedenfalls darf man als das Ergebnist der vergangenen Woche betrachten, daß die klerikal-reaclionaire» Bestrebungen unumwundener und an spruchsvoller im deutschen Reiche auflrelen und — was das Bedeutsamste ist — daß auf Seiten der Regierung weniger Widerstandskraft gegen dieselben zu Tage tritt als >e zuvor. Dem gegenüber drangt sich die Nothwendigkeit eines v e r st ä n d i g e n Z »s a in m e n w i r k e n S aller Derjenigen, welche eine klerikal-reaclionaire Politik unter allen Umstanden bekämpfen müssen, immer gebieterischer auf. Insbesondere baden die beiden liberalen Parteien, denen trotz aller Gegensätze und Verfeindungen in vergangener Zeit stets ein gemeinsamer Boden geistiger und materieller Interessen ver blieben ist, die Pflicht, ein solches Zusammenwirken mit wachsendem Ernste inö Auge zu sassen. ES handelt sich nicht um eine Verschmelzung der beite» Parteien, nicht eininal um eine gemeinsame VerlialtnngSlinie gegenüber den concrcten Fragen der Gesetzgebung in der nächsten Zeit, worauf eS vor Allem ankoinmt, ist, den Siez der klerikal - reactionaircn Richtung bei de» Wahlen zu verhindern. Zn diesem Zwecke g>ebt cS nur das eine Mittel, daß die antircactioiiairc» Ele mente eines Wahlkreises sich auf deiijeiiigen Eandidaten ver einigen, welcher die besten Aussichten des Sieges bietet. Ob diese Vereinigung sofort >>» ersten Mahlgänge oder erst in der Stichwahl zu erfolgen hat, da« ist eine Zwcck- inäßigkeiissraste, die nur je nach den Umständen des besonderen Falles entschieden werden kann. Häufig wird erst durch den ersten Wablgang klargestellt werden, auf welcher Seite die günstigeren Aussichten sink. WünschenS- wertb ist jedoch, daß die Verständigung so früh wie nur irgend möglich eintritt und daß deshalb störende Factorcn von vvrnbcrein außer Rechnung gelassen werden. Dahin ge hört vor Allem die Rücksichtnahme auf die Socialdemo» kratie. In dieser Beziehung könnte der eben auSgefochtelie RcichStagkwahlkampf i» Herford-Halle der freisinnigen Partei leitung eine sehr beberzigcnSwcrtbe Lehre sein. Wenn je, so war in dein dortige» Wahlkreise und noch dazu im gegen wärtige» AugenblicketaSZusamiiiengchenallerLiberalen dringend geböte» und schon die bisherige» Wahlersabrungcn, noch mehr aber die augenblich im conscrvativen Lager bestehenden Zustande wiesen mit logischer Nothwendigkeit auf die Ausstellung eines ge mäßigt liberalen Eandidaten hi» Die Freisinnigen aber glaubten von vornherein die Socialdemokraten als vollwich tigen Factor in die Rechnung cinstellen und mit Bezug aus die Stichwahl für sich in Anspruch »ebinen zu dürfen. Die Folge davon ist gewesen, daß zwischen den Liberalen eine Entzweiung «inträt, welche der gemeinsamen Sache nickt förderlich sein konnte, besonders aber, daß seitens der Frei- sinnigen gegen die Socialdemokraten eine Schonung geübt wurde, die zu dem unversöhnlichen Gegensätze der beider seitigen Prinzipien im schroffsten Gegensätze stand. Der AnSgang der Wahl enthüllt der freisinnigen Partei leitung die beschämende Thatsache, daß sic die Bedeutung derSocialdcmokralie ganz gewaltig überschätzt bat. DaS wirb ihr hoffentlich das Mißliche solch künstlicher Berech nungen rin wenig zu Gcmüthc führen. Jedenfalls aber kann von nationalliberalcr Seite immer nur wiederholt werden, daß man sich selbst gegenüber der klcrikal-rcaciioiiairen Evalitio» auf irgend welches Pactircn mit dcrSocial- demokratie nicht eintasscn kann. WaS wirklich überzeugte Socialdemokraten im Falle einer Stichwahl tlni» wollen, ist ihre Sacke. Tic große Zahl der „Mitiausendcn" wird ganz von selbst ibre Stimnic temienigell Eandidaten gebe», der allein zur Bekämpfung der Reaction übrig bleibt. Für die liberale Eoalition aber darf kein Zweifel darüber sein, daß der Kampf mit aller Kraft nach beiden Richtungen, sowohl gegen die klerikale Reaction, wie gegen die sociale Revolution geführt und jede Art von BundeSgenofscnschaft mit der csocialdemokratie außer Rechnung gelassen werden muß. Gleichzeitig mit dem Erscheinen dcS bekannte» Artikels der „Nordd. Allg. Ztg." über den Mainzer Katholikentag wurde der „Münch. Allg. Zra." aus Berlin telegraphirt: „Die Haltung der Centrumssuhrer aus dein Mainzer Katholiken- tage hat zuverlässigen Jnsoniialionen zufolge an den maß gebenden Stelle» de§ Reiches und Preußens den ungünstigsten Eindruck hervorgeriifen." Dem gegenüber müssen wir betonen, daß wir den Artikel der „N. A. Z." so lange für ofsiciös halten, bis er von oer Regierung klipp und klar verleugnet wird. Erfolgt diese un umwundene Erklärung nickt, hüllt sich die Negierung in Schwngcn, dann steht für uns unzweifelhaft fest, daß Gras von Eaprivi mit den Ausführungen seines LciborganS ein verstanden ist. In dem savoyschen Badeort Aix-lcS-Bains ist nach dem bekannten Muster wieder eine französisch-russische Ver brüderung« Eomödie aufgesübrt worden. Der Präsident Earnot und die beiden Minister Ribot und Freycinet sind zum Besuch des angeblich wegen seiner Gesundheit zur Eur daselbst verweilenden russischen Ministers von GierS eingetrosfen und obgleich ein schwer Erkrankter, wie Herr von GierS immer bezeichnet worden ist, sich doch eigentlich lediglich seiner Eur hingeben und alle Anstrengungen und Auf regungen vermeiden müßte — bei der Durchreise durch Berlin ist das bekanntlich geschehen und jede Berührung mit den maßgebenden Persönlichkeiten dort vermieden worden — so hat Herr von GierS doch sofort »ach ihrem Eintreffen dir französischen Ministercollegeii empfangen und eine längere Unterhaltung mit ihnen gepflogen. Inzwischen wird das ohne Zweifel auch in Bezug auf Herrn Earnot geschehen sein, dessen Person zu einer recht bezeichnenden Demonstration benutzt worden ist. Beim Empfange des Präsidenten Earnot richtete ein in ein russisches Evstüm gekleideter Knabe an den rrsteren eine Ansprache in Versen etwa solgenden Inhalts: „Mein Vater sagte mir, daß Rußland der Freund Frankreichs sei, daher freue ich mich in dieser Kleidung, Ihnen mit diesen Blumen unsere Herzen anbietcn zu können." Der Präsident erwiderte: „Ich umarme Ruß land in Deiner Person", worauf die Menge in begeisterte Hecks auf Frankreich und Rußland anSbrach. Mittlerweile treffen immer nichr Nachrichten ein, daß Herr v. GierS im Laufe der nächsten Monate von seinem Amte zurücktrcten und sein Stellvertreter, der bekannte Geheiinrath Schischkin, sein Nachfolger werden wird. Diese Nachrichten lassen sich augenblicklich auf ibre Autbenticität nickt controlircn, man ist aber allgemein der Anscha«ung, daß Schischkin, der vor Jahren als Generalconsul in Belgrad eine hervor ragende agitatorische Tkätigkcit ans der Balkanbalbinsel entwickelte, der stets i»i Banne des PanslaviSmus stand »nd im asiatische» Departement dir Vcrschwörcrsäden mit in der Hand hielt, allerdings besser geeignet ist, den Intentionen seines Herrschers gerecht zu werden, als Herr von GierS, der doch gewissermaßen noch das europäische, das „westliche" Eleineiit verkörperte. Sei» Einfluß war allerdings unter den beute in Rußland herrschenden Zu ständen, wo der Zar der wirkliche Minister des Auswärtigen ist, imiiicr »icbr geschwunden, aber gewisse Bestrebungen, die russische Politik aus friedlicher Bah» zu erhalten, ninßtcn Herrn von Gier« zu Gute geschrieben werden. DaS dürfte fick ändern, wenn Schischkin wirklicher Minister des Acußcren wird und die Beziehungen Rußlands zu den Dreibunds-Mächten werden tcincsjallS gewinnen. Schon die scinerzcitige Abberufung de- russischen Militair- bcvvUinächtigtcn in Berlin, Oberst Kutusow, dir jetzt erfolgte des deutschen Militairbcvollmächtigteii Generals von Villannic, die Tbalsacke, daß die künftigen Vertreter nicht mehr den Monarchen persönlich attachirt sind, läßt darauf Feuilletsi». Hlniinbal's mächtiger Irrlhum. Skizze aus dem Leben der Schwarzen. Bon Philipp Berge». vkrdolk». lFortsetzung.) „ES ist", entgegnete Solomon ganz verwundert, denn er wußte nicht, worauf der Besucher abzicltc. „Ich habe eS selbst gekauft, als ich mit einigen harte» Dollar- auS Boston zurückkchrte. Dort conditionirte ich bei dem berühmten weißen Professor Ambrosiu» Lockwood, ich war in manchen Dingen sozusagen seine rechte Hand " „Aba, Ihr putztet seine Stiefel", warf Hannibal trocken rin. „Auch Die-, ich that eS auS Bewunderung. Alle seine Bücher standen mir zur Verfügung —" „Wenn er nickt zu Hause war — be?" „Natürlich, Mr. Mittstone, denn sonst gebrauchte er sic selbst. Aber sei Dem, wie ibm wolle, ick habe mir bei diesem großartigen weißen Manne eine solche Gelehrtheit angeeianct, daß die Farbigen BonstonS mir einmüthig die Prosessorenwürde zuerkanntc», die ich zu reckt trage." „Nun wohl, Professor, ick bin der Letzte, ker Euch diesen Titel streitig machen möchte," sagte Hannibat ungeduldig, „mein Besuch gilt Eurem Besitzthum, welche« ich kaufen möchte." Sowohl Caesar, der inzwischen in das Borgärtcken zurückgrkehrt war, wie Solomon, starrten den Besucher mit offenem Munde an. „Ihr wollt hier diesen Grund und Boden kaufen?" „Ja, Gent», und bin gewillt, einen guten Prei« zu zahlen — nicht, weil ich der reiche Hannibal Millstone bin, wie Ihr Euch soeben ausdrücktet, sondern weil ick eS binnen Kurzem sein werde. Laßt mich offen zu Euch sprechen. Ihr habt vielleicht gekört, daß ick gestern die hübsche Liberty Washington gebeirathel habe, he?" Solomon schien eine heiße Kartoffel zu verschlucken, er öffnete würgend und schluckend seinen Mlind, zu sprechen vermochte er nickt; der Andere hingegen nickte dem Besucher lächelnd zu. „Sie hat Euch sicherlich bchcrt, Gentleman", sagte er forschend, „denn eine arme Dirne, wie Liberty " „Arm?" rief Hannibal. „Nennt Ihr eine Dirne mit lOOOO Dollars arm?>" Der Professor machte einen kleinen Lnflspruiiz. „Liberty 10 000 Dollar» 7 Ihr scherzt sicherlich nur " „Durchaus nicht. Liberty ist die Besitzerin von 10 000 Dollars, die ihr nächsten» auzgczablt werden. Warn», sollte ich Euch gegenüber damit hinicrni Berge Halle»?! Ich will Euch das Geheimniß, von welchem in dieser Gegend noch kein Mensch weiß, enthüllen. Liberty gekört zur farbigen Aristokratie, von der Ihr vielleicht gehört habt. Sie ist ei» Nachkomme der Amme Washington s Ihr kennt doch diesen Gentleman?" „(.io oo!" erwiderte der Professor ungeduldig und beleidigt. „George Washington General uno Prä sident — — Vater seine« Vaterlandes niemals eine Lüge gesprochen in seiner Jugend einen Kirschenbaum umgebaurn g» cml" „Nun denn, dieser großartige Gentleman stiftete eine Summe für die Nachkommen seiner Amme, die jedem weib lichen Sprößling ausgezabtl wird. MrS. Washington erhielt in ihren Mädchcnjahrcn jene Summe und nun ist Liberty die nächste. Sie bat bereit« einen weißen Advocaien in New-OrleanS beauftragt, da- Geld zu erbeben. Versteht Ihr nun. warum ich Liberty geheiralhet habe?" Earsar und Solomon nicklen stumm. „Gut also. Behaltet diese Geschickte für Euch. Ich bin nun gewillt, alle diese Felder aiizukause» »nd siebe mit den Eigenthllmern schon in Unterbandlung. Ihr werde! nächstens in mir den größten sardigen, Grundbesitzer lebe». Nun lieg« mir Euer kleine» Besitzlbum natürlich im Wege und deshalb muß auch diese« mein Eigenthum werden. Wie viel wollt Ihr dafür baden?" „Hm, ick calculire, eine Summe von LOO Dollar» ist nickt zu viel!" entgegnete der lüsterne Earsar, welcher wobt wußte, daß der Grund niemals sein oder seine« Bruder» Eigcnthum gewesen sei, allein Solomon, in kesse» schlauem Kopfe ganz andere Pläne sich zu tumineln begannen, bewegte abwcbrend die Häute. „Wenn Ihr unser Stückchen Grund wirklich kaufen wollt, Gentleman," sagte er, „so werden wir un« über den Preis sicherlich einigen. Laßt uns aber noch einige Tage Zeit. Ich will Alles vermessen »nd berechnen und Euch dann mit einem Worte sagen, was wir beanspruche»." „iXII riglit, ich bin mit Eurem Vorschläge einverstanden, entgegnete Hannibal, „vergeht nicht, mir baldigst Nachricht zu gebe» und nun lebt wobt!" Damit reichte er Beide» die Hand und bestieg sein Pferd, um langsam auf ein Wäldchen zuzurciten, in Lessen Schalten er nach wenige» Augenblicken verschwand. So lange der Besucher noch zu sehen war, stand Solomon stumm und starr und sab il»n nach, als aber ker Schatten de« Wäldchen» Jenen ausgenommen hatte, wandte er sich bcslig seinem Bruder zu »nd riß ihn mit sich fort in den Hof. Aus seinem ganzen Wesen sprachen ungeheure Hast nur Aufregung. „Spanne an, Caesar," schrie er, „vorwärts, da« Maul- tbier vor de» alte» RuniprUastrn, e» ist kein Augenblick Zeit zu verlieren!" Caesar jrührtr sich noch nicht. „Bist Tu toll geworden? Wozu denn anspannen?!" „Wozu? Haha!" und der Gelehrte brach in ein gellende» Lache» des Triumph« aus, „komm her, ick will Dir da« großartige Planchen mittheilen, welche» ich soeben au«- gesonnen habe!" Zwei Minuten lang sprach Solomon leis« auf seinen Genossen rin, dann brach dieser in ein CiearSgrbrüll au» und stürmte davon, ui» den alten Wagen vom Felde zu boten und zu bespannen. Im Hose entwickelte sich nun ein« fieber hafte Thätigkeit. Solomon öffnete den Hlilincrstall und ent nahm deiilselben drei äußerst prächtige sremdländische Hähne unk steckte sie in einen Korb, der aus dem Wagen Platz erhielt. Dann folgte eine Flinte, eine kleine Tonne mit Wasser und ein Brod, unk Alle» wurde mit Heu und Stroh bedeckt, so daß da» Gesährt harmlo» genug auSsab- Nun wurden alle Tbüren de» Häuschens sorgfältig verschlossen, vor Lein Hllhnerstall zwei heinilnckischc Fußsallen versteckt und die beiden Brüder bestiegen den Wagen, der jetzt in der Richtung von Clcar Spring» derartig raste, daß hinter ihm mächtig« Staubwolken in die heiße Luft cmporwirbcllen. » ^ » Clcar Spring« lag etwa fünf Meilen von Plcasantvillc entfernt und war, wie diese«, ausschließlich von Farbigen bewohnt. Ihrem Acußcrn, ihre» Verhältnissen und ihrer Arbeit nach standen diese Neger um keinen Zoll böbcr, at« alle ankern ker Umgegend, dennoch besaßen sic einen weit höheren Stolz — ähnlich demjenigen, den die Bewohner ker Hauptslättc im Verkehre mit Provinzialen an den Tag zu legen pflegen. Clcar Spring« war »un freilich teine Haupt stadt, sondern eine armselige Ncgercolonie. Die wahre Ur sache de« Stolzes war i» dem lliiistaude zu suche», daß die große Zauhertoctori», Mutter Bellona, bior ihr O.uartirr ausgcschlagcn hatte unk eS zuin Wallfahrtsorte aller Fcnbigen von nab und fern machte. Der Ruhm Mutter Bellona«, die ein schwunghaftes Geschäft in Zanberniittcln hclricb, ohne die kein Farbiger leben kann, erstreckte sich weit Uber die Grenzen de« Staates; auS Alabama, Georgia, Tenncsier, Arkansa», ja, aus den beiden Carolina« und aus Florida kamen die Pilger in großer Zahl herüber, uni sich bei Mutter Bellona RatbS zu erboten. Es gab kein Verbältniß, keinen noch so schwicrigon Fall im Lebe» ker Darkie«, den, sic sich nicht gewachsen zeigte. Hatten sich Liebende enuweit, oder begehrte irgend ein lüsterner „enliniivit tivntlvinun^ da« Weib seine« Nächsten, sie braute einen Zaubertrank, der die Geliebte willfährig »lachte, war Jemand bestohlen oder betrogen worden, sie fand den Schuldigen, fürchtete ein Anderer sich vor Krankheiten, Mutter Bellona ver schaffte ihm rin Amulet, welches alle» Ungemach von ihm ab- bielt — kurz, gegen Haaelschlag und Viehseuche, LiebeSnotd und Gespensterfurcht, Duiiimbeit und Drehkrankheit führte diese merlivürdige Frau mit den unglaublichsten Mittel» er folgreich Krieg: der starr« Aberglauben der amerikanischen Neger süllle ihre Truhen mit sauer erworbenen Cent» und erschwindelten Dollar». E« war ganz selbstverständlich, daß die Gebrüder Snuff» box sich in der fürchterlichen Calamital, welche Hannibal'» Miltheilungen heransbeschoren halten, zuerst an Mutter Bel-
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