Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920910022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-10
- Monat1892-09
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
V A-o««ementspreis der hau-trxpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aul» gavrslellen abgeholt: vierteljährlich.Sl 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haut 5 50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich »li 6.—. Directe tägliche KreuzbandseuLuug ins Ausland: monatlich s.— Die Morgen-Aulgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. He-acliül» uud Lrpe-itiou: JohauneSgasse 8. Dieikrvedition ist Wochentags ununterbrochen grdffaet von früh v bi» Abends ? Uhr. Filiale»: Ott« Me««'« Lortim. lAifre« Hohn), Uoiversitütrstraße 1, Lanis Lösche, kath-riuenstr. 14, hart, und König-Platz 7. ALend.Ausgabe. MWger TMblalt Anzeiger. Organ für Politik, Lscalgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. JnsertionspreiS Die 6 gespaltene Petitzcile 2t) Pfg. Reklamen unter demRedcieln.:ürlch s-ge» spalten) 50-H, vor Len Fainnieiiaachrichteo (6 gespalten) 40-ö, Gröbere Schriften laat unjcrem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zisserujatz nach höherem Tanf. bptra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbesörLerung üO.—, mit Poslbesörderuug 70.—. Änuahmeschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn, und Festtags früh V-i» Uhr. Bei den Filialen und Annahuiesielleo ze ein» halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Vipevitlo» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Tounabend den 10. September 1892. 80. Jahrgang Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 11. September, Bormittags nnr bis Uhr Kcossner. llxpvillttoi» lies I.tzip/leei' Ii»8Ldl»tte8. politische Tagesschau. * Leipzig, 10. September. Unter der Ueberschrift: „Nationale Aufgaben" stellt die „Kreuzzeitung" eine in mehr als einer Hinsicht beachtenswertste Betrachtung an. Das Blatt constatirt die Unpopulariläl der gegenwärtigen Regierung, ihren Mangel an begeisterten Anhängern, „wenn sie auch weite Kreise hat, die mit ihr gehen". Die Ursachen dieser Erscheinung werben nur gestreift, wobei zutreffend darauf hingewiescn wird, daß eine im grossen Stile ansgesaßte Rcsorni, wie cS die von Miguel in Angriff genommene Verbesserung des preußischen Steuerwesens tbatsächlich ist, trotz ihrer Bedeutung für Gegen- wart und Zukunft unmöglich volkSthümIich sei» kann, vielmehr naturgemäß eher daö Gegentbeil isl. Die „Kreuzzeiluiig" ist der Meinung, daß das allgemeine Mißbehagen, ein Ausdruck übrigens, den nicht sie gebraucht, gehoben werde» könne und müsse durch eine große nationale Action, durch das klar sichtbare Wahrzeichen eines nationalen ArbeitszielcS, eines festen Willens, der „auch nach außen hin mit Ent schlossenheit und Geschick die Ehre des deutschen Namens zur Geltung zu bringen versteht." Als eine solche Action erscheint dem Blatte die Wiederaufnahme einer zielbewussten kräftigen Eolonialpolitik, die, wie eS des Wetteren auSsührt, über dies nöthig sei, wenn die Abbröckelung und Berkümmerung unseres überseeischen Besitzes nicht bis zur Unhaltbarkeil desselben fortschreitcn solle. WaS die Kreuzzeitung" mit dieser Auseinandersetzung, die sich übrigens durch eine ruhige Sprache auSzeichnet, beabsichtigt, ist nicht ganz klar. Will sie ausschließlich eine bessere Eolonialpolitik und dienen ihre allgemeinen Betrachtungen nnr dazu, der Regierung die Führung einer solche» in deren eigenem Inter esse zu empfehlen, oder hat sie die gegenwärtige Eolenial- politik nur vorgenommen, um einen Anknüpfungspunct zu einer Kritik der nationalen Politik des neuen Eurses über haupt zu besitzen? Thatsächlich ist ein Wandel in der Eolonialpolitik nur ein Thcil dessen, was das Blatt verlangt, wenn es „klar sichtbaren, festen Willen" fordert, der „auch" nach außen bin „mit Entschlossenheit und Geschick die Ehre des deutschen Namens zur Geltung zu bringen versteht." Damit ist dcch zweifellos gesagt, daß auch im Innern der feste Wille für norbwendig erachtet und vermißt wird, wie andererseits doch gewiß nicht behauptet werden soll, daß eine deutsche RcichSregierung de» deutschen Namen nur in Afrika und Neu Guinea zur Geltung zu bringen habe. Auch zum Schluß ihrer Betrachtung verrälh die ^Kreuzztg", daß eine bessere Eolonialpolitik ibre Wünsche in Bezug aus die Führung der nationalen Politik nicht voll befriedigen würde, denn sie schreibt: „Das reiche Erbe, das sie (die Nachfolger des Fürsten BiSmarck) übernommen haben, darf nicht gemindert werden, und wenn das alte WeisheitS- wort wahr ist, daß die Staaten erhalten werden durch die Mittel, mit denen sie begründet wurden, so thut dem deutschen Reiche nichts mehr nolh, als eine Politik nationalen Schwuizges und nationaler Ziele." Nu», die Eolonien bilden nur einen sehr kleinen und verhältnißmäßig geringfügigen Bestandtbcil, der unermeßlichen nationalen Besitzthiimer, die der alte Curs hinterlaffen hat, und die Wahrung des mutter ländischen Erbes stellt an die Entschiedenheit und das Geschick der Nachfolger noch ganz andere Anforderungen als die Erkaltung rer Eolonien. Wir schätzen unseren überseeischen Besitz überaus bock' »nd gewiß nicht geringer als die „Kreuzzlg.", aber der Gedanke, ein wegen des Fort- bcsitzeö jener höchsten Guter in Besorgnis; versetztes Bolk durch Actione» an einem Pnnete zu beruhigen, der ihm erst >cit zcbn Jahren Interesse einstößt, dieser Gedanke erscheint uns ebenso absurd, wie es uns unmöglich dünkt, daß eine Regierung, die zu Hause und in Europa „festen Willen und Enthaltsamkeit" vermissen läßt, diese Tugenden ,n Afrika zu besichtigen im Stande ist. Und könnte dies doch geschehen, der nationale Gewinn wäre nur ein untergeordneter. Im besten Falle bedeutet die Mahnung der „Krcuzztg." eine Aufforderung an die Regierung, sich, nachdem cs mit der echten, großen Slaatskuust nicht geht, auf eine Specialität, auf das Pirtuosenthum zu verlegen. Können wir nun aber die Eolonialpolitik nimmermehr für geeignet erachten, den Mittelpuncl einer groß angelegten nationalen Politik zu bilden, so müssen doch auch wir an erkennen, daß in den Eolonien deutsche Ehre und wichtige materielle Interessen zu wahren sind und durch eine energischere Handhabung der Eolonialpolitik gewahrt werden müssen. Und wenn die „Kreuzzeitung" sagt: „Hier liegt ein Feld vor, daö trotz der Proteste des Freisinn« bei säst allen Parteien populär ist, aus dem Eonservalive, Liberale »nd Eentrum gleich bereit sind, der Negierung die Hand zu bieten", so wird unö das wohlbegründetc Mißtrauen gegen das reaktionäre Blatt nicht zu der Annahme verleiten, cs beabsichtige im Hinblick auf die unter gewissen BorauS- setzungen gegebene Möglichkeit der Annäherung zwischen Nasionallibcralcn »nd Dentsckfreisinnigcii einen Zankapfel zwischen diese Parteien z» werfe». Rcferirend sei diesen Er örterungen angefügt, daß die „Kreiizztg." für Ostasrika eine Ber- stärkung der Eolonialtruppe verlangt und der Ueberzcugung Ausdruck giebt. Laß wir die „nötbigen militairische» Eapaci täten" besitze», um auf diesem Boden mit Mäßigung und Nachdruck unsere tbatsächlickie Herrschaft zu begründen. Baron Soden ist bekanntlich kein Misitair, eS erübrigt also die Frage, ob die „Kreuzzlg." ihn für eine afrikanische „Capacilät" ansiebt. In «üdwestasrika will das Blatt dtr Abhängigkeit ein Ende bereitet sehen, in der wir von der Räubertruppe eines säst myststcken Banditen stehen; in Kamerun erachtet er energisckie Erforschung des Hinterlandes für nöthig, wenn wir nicht kleinmüthig die Zukunft der Eolonie preisgebcn wollen. Schließlich wird gewünscht, unsere Colonie in Neu Guinea durch eine dirccte Dampfer Verbindung näher zu bringen. Die siebzehn Landtage der österreichischen Monarchie mußten gestern Hals über Kopf zusamincntreten, obgleich ein Thcil der LantcöauSschüsse gegen die verfrühte Einberufung Protest ciiilcgtc, da die gewöhnlichen Verband lungsvorlagcn nicht fertig gestellt seien. Gras Taaffe aber wollte seinen alten Freunden, den Eonscrvativen vom Hohen- wart-Club, welche die frühzeitige Einberufung der Landtage wünschten, da diese den Föderalisten ja böbcr stehen als das Parlament, den Gefallen thun, »nd so mußten wenigstens i» aller Eile die Budgets zusamniengcstoppelt werde». WaS aber alle Parteigruppen Hofften, die mit der Entlassung des czechischcn Landsmann-Ministers Prazak »»znsriedcn waren, daß alle politischen Erörterungen in die Landtage verlegt werden könnten, wird sich in diesem Umfange nicht erfüllen. Die Regierung wünscht Ruhe und Stille und sie will ihrerseits in der Herbsttagung keinerlei Borlagen einbringen, die zur Entfcssclung politischer Debatten Anlaß geben könnten. Dies gielt namciillich vom böhmischen Land tage, der sich durchaus nicht mit der Abgrenzung« und anderen AuSglcichSvorlagcn beschäftigen soll; riese heiklen Frage» sollen erst in einer späteren Tagung im Decembcr zur Erörte rung gelangen. Trotz aller Vorsicht werden die in Oesterreich herrschenden zerfahrenen Zustände doch laut genug besprochen werden. In Prag und Brünn wohl am ärgsten ; aber auch in Graz, Laibach,'Parenzo und Zara, selbst in Wien, werden die Eztrcmen die ruhige Arbeit hinreichend zu stören ver stehen. Von den Iuiigczcchen in Böhmen erwartet Niemand etwa« Anderes als die heftigsten Angriffe aus die Deutschen, auf die Regierung und webt auch aus die Feudale», trotzdem ihnen diese mit rührender Bereitwilligkeit Lchleppträgerdicnste leisten. Am heftigsten dürste sich die nationale Wuth jedoch im mährischen Landtage entladen, weil in Mähren der Uebcrgang vom Alt zum Iugczcchcntbnm im vollsten Zuge ist. Schlimmer als selbst in Böhmen tritt hier der slawische Angriff gegen die Deutschen in Erscheinung, nicht nur bei den Wahlen, sondern in der unmittelbarsten »nd ur sprünglichsten Weise. Die denlscbc» LandeSgenossen werden mit Eisenstaligen und Knütteln behandelt, wahrscheinlich weil man glaubt, aus solche Art politischen Eroberungen vorzu- arbcitcu. So wird auch die diesmalige LandtagStagnng ein treues Bilk der Kämpfe geben, von denen Oesterreich im Innern durchwükl« ist, sic wird aber auch zeigen, wie das Dcutsckthum sich überall seiner Ham wehren muß, um an seine» nationalen Besitzthümcrn nicht weitere Einbuße zu erleiden. Zwischen Herrn von GicrS und den französischen Ministern Ribot und Frcyeinet, welche ihn in Aix-lcs- Bainö besuchten, soll ein gemeinsames rnssisch- sranzö fisch es Verhalten gegenüber gewissen Fragen, namentlich gegenüber der egyp tischen, vereinbart worden sein. Es ist möglich, daß diese Nachricht den Tbatsackcn entspricht, doch wird ihre Glaubwürdigkeit durch de» Umstand, daß ibr Gewährsmann der berüchtigte Mitarbeiter des „Figaro", Herr St. Eörc, ist, wesentlich beeinträchtigt. Vor der Hand bandelt cs sich mit der Ankündigung des französisch russischen EinversläiidnisseS nur um die Wiederholung srüherer ähnlicher Mitthcilungen. Es könnte sich höchstens darum gehandelt haben, die cgyprisckc Frage jetzt aus dem Gesichtsxnncte des englischen Ministerwcchscls zu erörtern. Im klebrigen ist in London die Ueberzcugung ver breitet, daß Herr v. GicrS aus seinen Posten nicht mehr zurückkchren werte. Man schreibt von dort, cs sei oft als der Nachfolger des Herrn v. Gier? der russische Botschafter Baron Stasi gcnannt worden, weil er es mehr als ein Anderer auf seinem Posten verstanden habe, mit allen Parteien und Persönlichkeiten die freund schaftlichsten Beziehungen zu unterhalten Aber Baron Staal wäre körperlich den Strapazen des Auswärtigen Amtes nicht gewachsen; zeitlebens als Diplomat im Auslände, habe er den stetigen Burcaudicnst kaum kennen gelernt, und daher würde man mit ihm dieselbe Erfahrung machen, wie mit dem Grafen Hatzfeldt, daß er nach kurzer Amtsführung ent weder zusammcnhräche oder aus einen auswärtigen Posten zurnckkehren müßte. Baron Mokreiihcim sei allzu sehr aus das französisch-russische Einvernehmen abgestempelk, um vor läufig aus der Eankidateiitiste überhaupt stehen zii können; sonst ließe er sich in Paris schon durch Herrn v. Ltaal vor trefflich ersetzen, kenn dieser besitze nicht allein allgemeine Beliebtheit, solidem habe auch durch seine Gemahlin, die jüngste Tochter des cbcmaliacn Statthalters von Polen, Füllten Gortschakew, Fühlung mit der hohen russischen Aristo kratie. Ein dritter Eanditat sür den Ministerposlcn wäre Fürst Lvbanow. jetziger Botschafter in Wien, dem sein hoher Rang »nd seine vielfachen diplomatischen Erfahrungen zur Empfchtliiig gereichen. Ncneeriiigs käme noch der Name Schischkin's in Betracht, der eine Autorität ans dem Felde der asiatischen Politik sei. Die Rede, welche der Versitzende des in Glasgow tagenden EongresseS der englischen Gcwcrtvcrcine über die Arbeiterfrage gehalten hat, dürste schwerlich »ach dem Geschmaeke der Soeialdciiiokralc» sein. Nicht nur, daß der Redner sich von solchen abgedroschenen Hetzpbrascn wie die Unvcrsöhntichlcit des Gegensatzes zwischen Eapital und Arbeit, die beillose Eorruption der bestehenden Gesellschaftsordnung w. sernbielt, so anerkannte er sogar die Nothwendigkeit, bcbnsS Lösung dcS vorerwähnten Problems engere Beziehungen zwischen Eapikal und Arbeit zu ,ck'asfe» Natürlich laßt sich von einem Manne in der Skellnng und ve» dem Gedankengangc des GlaSgewer Eongreßpräsidenlcn nicht erwarten, daß er sei» Thema streng sachlich und frei von vorgefaßten Meinungen behandle. Auch in den Ans fiihriingeii Mr. Hotgc'S nahm die Phrase einen erheblich breitere» Spielraum ein, als im Interesse ausgiebiger prak tischer Erfolge wniischcnswerth erscheine» kann, immerbin stach sein ganzes Gebahrcn dock, recht wohllknend von dem seickttci, Geschwätze der socialdcuwkratischeii Agitatoren ab, welche in England jetzt demselben Ziele zuslrcden, das ibre deutschen Genossen und Vorbilder in der Hauptsache schon erreicht haben: der staats und gesellsckastsfcindlichen Fana- tisirung des großstädtischen Niob. Aus Anlaß des jüngsten Regierungswechsels in England taucht auch der Name Arabi Paschas wieder in der Ocffentlichkeit aus und man bezeichnet cs als einen Aet der Gerechtigkeit, ihn ans seinem b ril ischcn Eri l aus der Insel Eevlon zu befreien. Es gilt als »ackgcwicsen, daß Arabi Pascha, dessen Sturz England ;»»> Resormater EgYptenS schuf, niemals „Rebell" gewesen, sondern im geheimen Einvcrsländniß mit dem damaligen Khcdivc Egyptens, Tewsik Pascha, die Vertheirignug des Laudeo gegen die Engländer versuchte. Arabi Pascha sei sogar in seinem constitnlioiicllcn Rechte gewesen, die Annahme seiner Entlassung zu verweigern, indem Slreiisälle zwischen einem Kbedivc und seinem Eadinet, dessen Mitglied- Arabi Pascha war, nur durch Beschluß einer Nationalver sammlung batten erledigt werden können. Daö Londoner „Echo" schreibt: „Arabi war nie rin Rebell gegen den Kbedive, sonder» nnr gegen die „englisch - französische" „Doppel - Eontrolc", und »idem er diese,» Diialiomns ei» Ende machte, schus er sür »nS die Möglichkeit, eine große Arbeit für Aegypten dnrchz»sttl>reii, die jetzt bei nahe vollständig ist." Beinahe! Dieses „Beinahe" dürste noch lange währen! Gladsteue's Eabinct beginge geradezu Selbstmerd, wenn eS den Wünschen der überwiegende» Mehr heit der Engländer zum Trotz in Egypten die englische Fahne sinken ließe, angesichts der Gewißheit, daß sraiiz'ösisckc Spicl- kunsl dann sofort dort wieder auf Treffer fahnden würde! Die Freilassung Arabi Paschas aus seinem jetzigen Exil soll übrigens an die Bedingung geknüpft werden, daß er nicht nach Egypten bcimkehrc, sondern sonst irgendwo sich ein eigenes Heim erkiese. Einer der letzten Vorkämpfer des geeinigten Italiens, General Cialdini, ist laut telegraphischer Melkung am Donnerstag in Livorno gestorben Er gehörte zu dem jetzt stark gelichteten Kreise der Genossen eines Victor Einanncl, Eavour und Garibaldi, die sich die Erreichung eines natio nalen Gesamiutstaats zum Ziel gesetzt- batte» und diese Aus gabe mit einem den aiifgcwandten Kräften nicht immer ent sprechenden Erfolg tnrchzufl'ibrcn bemüht waren. Es in de laiint, daß erst die französischen und dann die tciitschcn Siege die Tttrchjahriiiig des schwierigen Werts ermöglicht habe»; lretzdem bat sich der nun veiiiorbenc General bei den Pa trioten scincs Vaterlandes das Anrecht aus ein ebrenvelles und dankbare- Andenken erworben. Deutsches Neich. Q Berlin, !». September. Ein abgeschmacktes Gerede liest man in der „Wcscrztg.", die noch immer auf dem verbissensten sccessionistischcn Standpniict bcbarrt. Sie bält den Zcilpiinrt für geeignet, denjenigen Liberale», die dem Eartclgcdanken gehuldigt haben, die Schuld an der klerikale» Mehrheit me!) aiiszuhürdeii. „Alle Mahnungen, die Eonscrralivcn doch wenigstens nicht so stark Feuilleton. Das höchste Gut. As Roman von A. von Ger-dorsf. Nachdruck «ertöten. (Fortsetzung.) Wie reizend ihr Nest von Französisch klang. Er war aber überzeugt, daß erstens seine Tochter keinen Ebarakter haben »nd jedeni nachäffen werde, der Einfluß auf sie gewann, und zweitens, daß infolge dessen, wen» man Fräulein Lebmaun fortschickte und vielleicht eine Engländerin cngaaine, sic in vierzehn Tagen ebenso perfect englisch plaudern, Tbee trinken und die übertrieben praktische» Moden dieses Volkes oder die vornehm kokette Eigenart der Hydcparkgesellschast copiren würde Schlimm, wenn man keinen Charakter bat! Das Leben wird dann nicht zu einem ruhige», aus Pflichten und Reckten sich ergebenden Fluß, sondern zu einem regellos toll dabin- stürmenden GebirgSstrom, der eigentlich zu Nickis gut ist, als — die Natur zu verschönern. Verschönern war aber nach Jan- Wilhelm Markus' Ansicht nicht der Zweck des Menschenlebens, sondern Verwenden. Wie er aber das Dasein dieses kleinen Geschöpfes verwende» sollte, wußte er wahrhaftig nicht. Jan-Wilhelm war ein Mensch, den das Bewußtsein, seine Pflicht nicht getban zu haben, mit einer gewissen Aufopferung ferner selbst, nickt scklafcn ließ, wie wohl manchen Anderen, Werl eS ihm seine friedliche Sicherheit und Rübe nahm. Sorgenvoll dachte Ian-Wilbclm a» die große, wachsende Calamität seiner Tage, ein kleines Märchen zu erziehen und glücklich zu machen, das berechtigt war, als Mensch »nd Individuum geleitet, geschützt, versorgt zu werten. - Sehr bald verschwand denn auck Fräulein Lehmann, um wo anders ein weniger „ausländisches Geschöpf" zu erziehen, als diese kleine Hamburacrin war Darauf erschien Miy Danby, die jüngste Tochter eines verarmten englischen LortS Der Senator war zufrieden. Sir schien endlich da- Ge wünschte zu biete», ein Mittelding zwischen Mademoiselle und Fräulein A. Lehmann. Sie war elegant ohne Koketterie, ernst weiblich, ohne schulmeisterlich pedantisch zu scini Lottckcn sab wieder ent rückend auS in den, hoben, glatten, weißen Kleidchen von seiner Wolle, mit dem dicken, braunen Zopf im Nacken, über der Stirn wieder eine Wolke licktbrauner Löckchen. Aber auch diese ruhige Zusriedenkeit mit dem Bestehenden dauerte leider nicht lange sür den armen Vater. Eines Tages erklärte die schöne Tockter England?, daß sic die ihr so sehr zusagende Stellung und das reizende Kind verlassen müsse, um zu beirathcn. Sie sei seit 10 Iabren verlobt mit einem ebenfalls verarmten Vetter, der nun endlich ein an ständiges Auskommen gefunden habe und dem sie ihr Wert halten müsse. Vergebens suchte der Senator sic zurück zuhallc» in der Angst vor neue» Unruhen und Schwierig keiten in der Erziehung seiner Tochter. Er bet ihr daö doppelte Honorar, erreichte aber nur, daß sic ihm empört den Rücken wandte »nd ibm erklärte, Geld sei nickt da« höchste Gut für sie, sondern die Pflichterfüllung gegen den, dem sie einst Treue gelobt, da er ibre« Herzens jetzt bedürfe, ganz gleich wie heiß oder lübl ibre eigenen Wünsche seien. Was konnte er thun, als die Achseln zu zucken, ibr halbwegs Recht zu geben, sie unpraktisch und sentimental zu nennen und geben zu lassen. Lvttchen, bas arme Ting, war ganz außer sich. Sie liebte die vornehme, etwas sentimentale Engländerin leidenschaftlich und tröstete sich erst, als ibr fest versprechen wurde, daß sic ihre Erzieberin einst in London besticken solle Läckclnd und tief gerührt versprach Miß Danby ihr eine lebhafte Eorrc spvntenz als vorläufigen Ersatz Nun kam Lotte in eine Eirkelsckule, wo sie mit einer kleinen AuSwabl junger Mädcken der besten Häuser unter richtet wurde, aber wenig lernte. Am Ende löste sich der Eirkel auf, wie alle irdischen Eirkcl merkwürdig rasch zu thun pflegen, und e- galt für Jan Wilhelm eine neue Erziehungsweise für seine Heranwachsende Tockter zu sticken, deren Sckulbildunz sich als bedeutend vernachlässigt erwies. Diesmal kam ibm au« dem bekannten Hause, testen Herrin eine kluge Französin war, eine wirklich rettende Hilfe, ei» ihm sehr verständig erscheinender Rath. In ein vornehmes, reiches Pensionat sür junge Mädchen sollte Lotte unn kommen, und Madame plaidirtc lebhaft und schließlich erfolgreich sür das Kloster „8aoiö oewm- bei Paris. Fünftes Eapitel. „Soll ich Dir Milch beiß machen lassen? Oder willst Du lieber ein GlaS Wein?" „Ich will Wein." „Du bist beiß, mein Kind, ich fürchte, der Wein ist Dir nicht sehr gut." „Ja, das weiß ich schon, Tu fürchtest immer nnr. Daö ist scklicßlick Alles, was man bekommt." „O, Karl Anglist, sprichst Tu so zu Teiner Mutter?" „Thn mir den Gefallen »nd laß die „römische Toga" der antike» Mutter wieder falle». Sie steht Dir gar nicht. Laß mir Portwein kommen." Gräfin Pallas Rolhcnlhiirm erbebt fick seufzend — ibr Sehn lacht — und drückt auf die elektrische Glocke. Karl August liegt aus einer mit dem sildergraucn Fell irgend eines TbicreS bedeckten Ebaiselongue, seine Füße sind mit einer kostbaren persischen Decke bedeckt, unter dem Kopse bat er ein seidenes Kissen, das er schon in alle möglichen Gestalten ge zwängt hat. Zuweilen fab cs aus, als wollte er damit nach Jemandem weifen, dcch da Niemand im Zimmer war außer seiner Mutter, war diele Annahme wohl irrtbümlich. Zwei große wcitgceffncte GlaSIbürcn fühlten hinaus auf den Dalcon, von welchem man über ein Stück Haide und ein Eckchen Wald hinsah. Für einen rcrnünsiige», denkenden Menschen kein so übler Aufenthalt. Es müßte sich da prächtig arbeiten lasten in dem großen, Halbdunkeln Zimmer, das mit allem moterllen Eemsvrt ausgestatlcl war und diesen weilen Blick in die Freiheit gestaltete. Draußen spann der herr lichste Nachsommer seine Fäden. Verspätete Bienchen surrten über die Haide und ahnten wohl gar nichts davc», daß auf der andern Seite des Hauses die lärmende, räuckerige Sladt begann. Auf dem Rasen, dickt am Balccn, trugen die wobl gepflegten Heckstämine neck Rosen und sogar Knospen. Aber der vernüiifiigc, denkende Mensch, der augenblicklich nicht da war, denn ein kränklicher Knabe von siebzehn Jahre» und eine blind liebende Mutter sind kaum dazu zu rechnen, bätle ein wcl'iiiülhigcö Gesnbt vor diesen schwellenden, hoffnungs reichen Knospen nickt »iiterdrücken könne». Der (straf war in Geschäften verreist. Er reiste immer in Geschäften, aber ein Ergebniß dieser Resten war nie recht bcuieckbar, und Gras Karl August lachte über dir (Geschäfte reisen seines Vaters und die furchtsame Liebe seiner Mutter mit gleicher, »iigcstrastcr Offenheit. „Ich begreife eigentlich nickt, warum Ihr Euch gebeiratbet habt", sagte der frühreife Bcngel einmal. „Erstens war ich ein sehr schönes Mädchen." „Hm —" „Es ziemt Dir nicht, meine Werte zu bezweifeln, mein Sebn." „Ich zweifle ja nickt. Tb» mir den einzigen Gefallen und laß die römischen Stellungen, Mama. Deine Jacke ist viel zu kurz, und wir armen Deutschen haben zu wenig Ver- ständniß für den reiniscben Faltenwurf." WaS der Junge sagte, war so dumm nickt. Nur wie er eS sagte »nd diese» Personen gegenüber sollte und durste er cS nickt. Ta er aber, in jeder Weise verwöhnt und verzärtelt, keineswegs dumm, das höchste Eidengitt seiner liebende» Eltern war, krnntc er che» rede» und macken, was er wollte. Die Gräfin saß wieder bei ibrcin Knaben. Sic zcg ibm die Decke Köder, rückte ibni das Kopskiffcn bc.fnemcr, nnr ibr heißer, geduldiger Licbcsblick rnble dabei so ainilvoll ans dein schönen, bleichen Gefickt, wie nur je einer Mutter Blick ihr einziges Kind geprüft. „Wakrkasiig, Mama, wen» man nickt krank ist, Du mackst einen krank mit diesem furchtbaren Anstarren, als wäre man schon eine kalbe Lcicke." Er warf das Kopfkissen zu Boden, stieß die Decke hinab und trat ans den Balcon. Er sab freilich zart und schlank und ein wenig zurück geblieben aus, aber nicktt krank. Gang und Bewegungen waren acsund, wenn man ibn auch kaum schm für one» junge» Man» von beinahe all lzcbu Jahre» hielt. „Geliebtes Kind, bleibe ii» Zimmer, die Abcndlnst —* „Ach was! Laß deck den Unsinn, Mama. Ich Hab« Ernsteres mit Dir zu reden." /j' MWWMM
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite