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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920915021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892091502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892091502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-15
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Wir baben gestern daraufbingewicscn, daß dicCaprivi- Ossiciöscn, wenn sie mit oder offne Auftrag ikrcs Nähr vaters durch Dro Hungen mit dem Een trum die gemäßigten Parteien zur Gefügigkeit gegen die noch nnbckanntcnMilitair- und Steu er Vortagen zu zwingen suchen, ein Spiel spielen, durch das dem Kaiser eine unwürdige Nolle zugetffeilt wird, die gemäßigten Elemente in de» Regieruiigskreiseil zur Opposition gezwungen werden und eine Gcfaffr für Diejenigen heraufbeschworcn wird, denen die Berant Wortung für dieses Spiel zugcschoffen werden muß. Heute stellt eS sich heraus, daß jene Drohungen nicht einmal auf einer sicheren Voraussetzung süßen und daß das Centrum keineswegs geneigt ist, zu allein Ja und Amen zu sagen, was ihm eventuell zugemuthct werden wird. Tic ultramontanen Blätter lassen keinen Zweifel darüber, daß die Partei übermäßigen Forderungen gegenüber ans die Stimmung der Wähler Rücksicht nehmen wird. So schreibt die „Germackia": „Wir haben die möglichste Sicherung des Vaterlandes und die möglichste Schonung der schon so schwer angespannten wirlhschasllichc» Botkskcaft zugleich im Ange zu behalte» und beides gegen einander abzuwägen. Ein falsches Verhalten des EcntrnmS in der zweiten Beziehung würde selbst CentrumSivühler, trotz ihrer sonstigen Festig keit, und allmälig auch EcntrumSwahlkreise abtrünnig machen. Aber auch die Negierung sollte LaS Eaprivi'sche Wort, alle Gesetze vom Gesichtspunkte ihrer socialen Wirkung aus zu prüfen, auch ru uiili- tairischer Hinsicht nicht vergessen." Und die „Köln. VolkSztg." erklärt: „ ... Im Uebrigen will uns scheinen, das; all' die Betrachtungen über die Stellung der Parteien zu der künftigen Militair-Vorlage mindesten» verfrüht sind. Es gicbt Gruppen im Reichstage, welche unter allen Umstanden Ja und solche, welche unter allen Umständen Nein sagen werden. Das Centn,m gehört weder zu diesen noch zu jenen. Cs wird sich die Vorlage genau ansehen, seine Entschlichungen lediglich von dem Inhalt derselben abhängig machen »»d sich dabei seiner Veranlwortlichkcit angesichts der europäischen Lage, wie gegenüber den Wähler» i» gleicher Weise bewußt bleiben. Ans ausschweifende Projecte, wie sie bisher in diesem oder jene,» Blatte skizzirt worden sind, läßt die Fraction sich sicher nicht ein. Niemals hat Las Centrrim in einer Entschließung freier dagestanden, als in dieser. Eine Mehrheit gegen die Fraction in dieser Frage ist im Reichstage unmöglich, und eine Mehrheit gegen die Fraction durch Neuwahlen etwa schaffen zu wolle», wäre gänzlich aussichtslos. Das wird wohl allen Betdciligtcn klar sein, und so können wir die Tinge ruhig an uns hcrankommea taffen." Ganz ähnlich verhaften sich übrigens auch die hochcon- servativen Freunde des EeillrninS gegenüber den cvcn Wellen Militair- und Stencrfordernngen der Negierung. So erklärt die „Krcuzzeilung" in ibrci» wirthschaftlichen Woche» berichte, daß die bevorstcbcndc enorme Verincbrung der Steuern „gerade in der gegenwärtigen wirlbschaftlichcn De Pression eine Kraftanstrengnngbedcntcn würde, die dem deutschen Volke nur zur Abwendung einer dringende», seine Existenz be drohenden Gefahr zngeniuibel werden darf. Und selbst dann wird man die neue Steuer nicht Denen anferlegcn dürfen, die offnebin schon schwer ui» die Behauptung einer bescheidenen Lebens Haltung zu kämpfen haben, sonder» ausschließlich den Wohl habenden und solchen ProductionSzweigen, deren Neingcwiniic das TurckschnittSniaß rsscnkniidig »in ein erhebliches über steigen. Immer aber wird eine »ick't direct productive Aus gabe von 100—150 Millionen Mark im Jahre die deutsche Wirlhsckaftlichkeit schwer belasten, und schon die Aussicht darauf drückt die Hoffnung auf eine Besserung unserer Ver hältnisse tief hinab." Aehnlich äußert sich der „Rcichsbotc": „Wir können nicht verschweigen, daß wir diese» Zcitpnnct für sehr schlecht gewählt halten würde», um mit einer großen Mcbr- sordcrung für Hcereszwecke vor Len Reichstag zu treten. Gewiß ist das deutsche Volk in seiner Mehrheit stets bereit, jeden Mann und jeden Groschen für die Ehre und den Bestand des Reiches zu opfern; gegenwärtig aber steht ihm die Sorge um die Behauptung der wirthschaftlichen Existenz doch sehr viel näher als irgendwelche politische Befürchtungen, nnd zudem fühlt es sich durch die Qualität seines Heeres auch einem an Zahl weit überlegenen Feinde ge wachsen. Unter solchen Umständen werden selbst die gouverne- menlalsten Parteien nicht in der Lage sei», die dunkel angrdeuteten Meknorderungeu für die Vergrößerung deS stehende» Heeres zu bewilligen." Das baden die Soldsedern des neuen Cnrses wohl nicht geträumt, daß trotz aller Katzcnbuckelci gegen die Ultra- monlancn und die extremen Eonfcrvalivcn diese Elemente sich nicht einmal als Schreckgespenster gegen die gehaßten Mittelpartcien gebrauchen lassen würden. DaS Hcrforder Wahlergebnis; muß zweifellos als ein Mißerfolg des gemäßiglen EonservaliSmuS angesehen werden. Aber Herr von Hclldorfs scheint durch aus nicht gesonnen, die Flinte i»S Korn zu Wersen; vielmehr »nternimiut sein „Eons. Wochenbl." in geschickter Weise einen Angriff auf die wuntcste Sletlc seiner extremen Gegner: die Verdrüdcrnng mit dem Ultraniontanisnius. Das erwähnte Organ unterzieht die wirkliche oder erheuchelte Gleichgiltig keit, welche die rechlSeonscrvalive Presse gegenüber dc>? Vor gängen auf dem Mainzer Katholikentage bezeigte, einer ver nichtenden Kritik. Wenn uian sage, die dies>ährige Katho likcnvcrsammlnng sei ebenso verlausen, wie ibre Vor gängerinnen, so sei tieS Schönfärberei nnd Vertuschung. Es seien Erscheinungen in dieser Kathotikenversammlung zu Tage getreten, die ein Novum, ein bezeichnendes und atarmircndcs Novum bildeten. Es seien auch nicht btos, nach der billigen Redewendung, mit der man alles Unbequeme ab- schüttclt, liberale und jüdische Kreise, die hier Veranlassung hätten oder zu haben vergäben, in „Erregung" zu verfallen, sondern cS sei der evangelische, deutsche, couservative Poli tiker, den die in Liede stehenden Heraussorderungen und auf- sälligcu Mittbciluiigc» in erster Linie berührte». Vor Allein wundert sich ras Hclldorss'sche Blatt über die Genlütbsrube, mit der die orthodoxen Pächter dcö wahrhaft cvaugclische» Glaubens die Zuversicht und Offenheit hinnehuten, mit der jetzt die deutschen Ullramonlanen schon von dem Ziel der Zertrümmerung de» Werkes der Nejormation sprechen zu könu'n glauben. „Wir danken si.r eine Nolle der evangelischen Christenheit und der couservalivcn Partei, die ihr die cinjeitige Pflicht einer solchen Geloßenheit, d. h. dcmüwiger Hinnahme von verletzenden Neuster,»,gen znwcist: und wenn wirtlich na.!, dein allmalig zur Geniigc abgcbetzic» und nichts weniger als alle Seilen der Angelegenheit erjchöpsendeii Wort lediglich die „Jndenschasl" de» Gewinn ans dem Hader der christliche» Consejsionen ei»>,reicht, jo wollen wir wenigstens »ich: daraus verzichten, in jedem Falle l!ar ansznsprechen, wen die Schuld an d'cjer den geiueiniamen Gegnern bereitete» Freude trifft." Den evangelischen Glauben al» ein Ebristeiilbum zweiter Elaste, wie er in Main; gekennzeichnet wurde, will Herr von Hclltorss ebensowenig gelten lassen, als er zu tickte» entschlösse» ist, daß die Wiederherstellung deS Kirchenstaats nach Herrn von Schvrleincr als eine Existenzbedingung res christlich germanische» Staats angesehen werden müsse oder auch nur dürfe. Selbstverständlich läßt sich der mehrfach ans der conservaliven Gemeinschaft Aiwgeschiodcne die „inlercssaicke Alifiassniig" des Grafen Ballestrcin nicht entgehen, wonach die Eonscrvaliven, d. b. die Enremconscrvativen, sich »»ler dein Schutze des EcnIrumS zu organisiren tuchen. Die Nichtigkeit dieser Auftastung bestreitet ras „Eons. Woebciibl." nicht geradezu und sie ist ann, nickt zu bestreiten. Trotz seiner augcubltcklich recht lmvortbcilbasten Position darf der ge mäßigte Eonservativie-mns Hessen, an diese», Puncte, dem Lebcnslrägerverhällniß der KreuzzeitungSleutc zum Uttra- iiioiitaniömnS, die cxtreniconscrvalivc Politik innerhalb der coiiservativcn Kreise früher oder später zum Falle zu bringen. Das Beste zur Bekämpfung jener gefährlichen Bestrebungen wird freilich nicht Herr von Hettrorss, sondern der Liberalismus lhun müssen. Bei dem Scandalprocesse, der sich gegenwärtig in Wien abspielt, ist in hohem Grade bcachlenSwertb, daß alle Anzeigen über die Zoll- und Steuer-Hinterziehungen in der Bukowina so lange fruchtlos blieben, als die Er hebungen darüber im Lande selbst gepflogen wurden. Der Umstand, daß der oberste Finanzbeamte der Provinz selbst in die strafbaren Vorgänge verwickelt war, gicbt dafür noch keine ausreichende Erklärung. Der Finanz Tireetor nntcrstcbt dem Landes Präsidenten, dein die üble Nachrede, welche diesem Beamten folgte, kaum unbekannt gewesen ist und der glcichwobl, sei cs aus Mangel an Energie, sei es aus Mangel an den geeig neten Organen, sich der Sachlage nicht gewachsen zeigte. Erst als die Eentralrcgierung sich dazu entschloß, eine aus Beamten anderer Krontänder znsainnicngesetzle Eominissivn nach der Bukowina zu entsenden und diese mit der Untersuchung der dortigen Zoltgcbahrung zu betrauen, kam Licht in bas Dunkel jener Borgängc nnd wurden sic reis für das Eingreifen der Staatsamvaltschast. Und als die gejällSbebördlichc Com- niission den Thalbestand nicht ohne Blühe erhoben hatte, fand sich die Negierung veranlaßt, die strafgerimtliche Verjolgung der Beschuldigten nicht dem compelenlcn Ezernvwitzer Gerichte zu überlassen, sondern hielt cS für gcrakhen, hierzu das Wiener Landesgcrichl ;» delegiren. Das sind doch angenscheinlichc Symptome dafür, daß die Regierung selbst zwischen Be amten nnd Beamten untorscheidcl, daß sic dein Verwallnngs- Apparale in fenem niliunr 'lbnlo der diesseitigen Reiws- hätjtc nicht ganz das gleiche Vertrauen cntgegeubringt, wie ihren übrigen Organe», und daß sic, wenn sie einer pnnctlichcn und strengen Erfüll»».; eines gegebenen Auf trages ganz sicher sein will, von dem dort zur Verfügung stehenden Personal lieber ganz absiebt und zu Organen greift, die gewissermaßen einer anderen Atmosphäre entnommen sind. Der Proees; bat, wie wir schon betonten, eine geradezu »»glanbsichc Eorruption aufgedeckl. Nach der Anllageschrist war in der Bukowina Alles von oben bis unten saut. Be sonders treten unter den Antlagepunclen der Aeinterhanbel und der Zollschmnagel an der Grenze bcrvor. Tie Gcsälls- hinterzichnngen i» Brennereien und dergl. bilden den Gegenstand besonderer Proeesse. Unter der Fiiianzivache wie unter der Bevölkerung war allgemein bekannt, daß man für Ausnahme in die Fiiianzwache, für Beförderungen, Versetzungen, Heiralhs- bcwilliziiiigcn an die Vorgesetzten zu zahlen bade. „Finanzer", die sieh durch Ehrlichkeit und Strenge bemerkbar machte», wurden gcniaßre. e!t oder cs wurden ihnen verschiedene Leibes so.iätcn aiiacticht.'k, nni sie höheren Orts zur Peiisioniriing zu empfehlen. Man kann sich drillen, was da für ein Be- ainlcniöiper entstand. Jeder war bemüht, seine Stellung in jeder Richtung zu persönliche» Zwecke» anSzunützen. Eine Bestrafung seilenS des mitschuldige» Vorgesetzte» batte er ja lanin zu erwarten. Ein Zeuge Akclsbcrgcr zog die Nntzanwcndtiiig: „Wcnu Diebe in der Finanzwachc diene» können, so lann dies auch ein Betrunkener". An der Spitze stand als Herrscher der Landcssinanz-Dircclvr Johann Trzcieiiiecki, gegenwärtig Ol Jahre alt, ans Wiz- nitz in Galizien gebürtig. Er batte kostspielige Lieb habereien und gab namentlich für Weiber viel Geld ans, das beißt, er ließ zumeist den Staat die Kosten bestreiten. Er hielt vier Mailreftcn und benutzte den Nachlaß von Stcnipelstrasen und dergl. zur Anknüpfung zarter Beziehungen. Auch benutzte er nach Versilberung der Aicklage sein Präsidial burrau zu „Sck>äse>stuuden". Bri der Ausnahme von neue» Kräften in die Finaii,wache scheint cS bergcgangeu zu sein wie bei Falstaffs berühmte» Werbungen. Da giebl cs ge fälschte Sitzungsberichte »nd Arten, merlwiirdige Beför derungen, wie die einer- Nechnniig.prallitaiilcn znni Steucr- inspertor oder eines Nespirieiiten znni Obersinanzralh oxiiu ickulnm. Letzterer durste sogar selbst de» Bericht über seine Ernenilung schreiben. Der Landessinaiizdirector be trieb mit dem Jiispeetor iieö-nbci eine N 'kstyagrube und die Finanzwachc wurde zur Ueberwarimiig der Arbeite» in derselben verwandt. Selbstverständlich wurde sür diese einträg liche Unternehmung keine Steuer gezahlt. Die Amtswohnung deS Schwiegersohnes wurde auf Staatskosten äußerst prächtig auSgcslattct. Gelegentlich pflegte der Hosralb selbst den Breis für Pferde, die ihm gefielen, anznortncn. Jwanowiez, Leiter der Finanzwachc in Bajasck'cstie. mußte sür seine Bestallung »00 fl, der dortige Eontrclaftislent Banko 0»,» fl., ein anderer dortiger Ecntroleur Namens Esala für seine Weiterbeförderung zum ZollauttSlcitcr in Zuryn looosl. zahlen. Bajaschcstie ist eine Keine Grenzstation, ans der vorzugsweise rumänischer Mais cingesnhrt wurde, und zwar von de» drei mit de», Zoll- aiiitsleiter Banczcsknl verbündeten Fruchthändlern ÖsiaS Bluinenseld, Moses Jurgran und Nnio Noscnstock. Mau rechnet ihnen nach, daß sic von ck Millionen Kilo Mais noch nicht den zehnten Theil verzollten, »nd als Mindcstsninme dcü hierbei in zwei Jahren dem Staat erwachsene» Schadens M.'llo Goltgnlden. Als Bauezeskul durch einen reitenden Bolen die Nachricht von der Bcrhastnng seiner Genossen er- snhr, schoß er sich eine Kugel in die Schläfe. Frühere An zeigen über den Schmuggel waren höheren OrtS ml notu gelegt worden, theilü in Czernowitz, thcils auch in Wien. Eü ist linbegreiflich, daß nicht eher cingeschrittcn wurde, und nur recht schwach ist der Trost, den daü Wiener „Fremden blatt" darin findet, daß der „Schauplatz solch unglaublicher Eorrnplion an der äußersten Peripherie des Reiches ge legen ist". In belgischen klerikalen Zeitungen war zu lesen, das; ein Belgier oder Schweizer von dem demnächst in Monaco zlisaininentrctcndcn Gencralratl, des Ordens rnm Jcsuilciigcneral gewählt werden würde. Ein Mit- arbeiler der „Jndepcd. Belg." begab sich, um Klarheit hier über zu gewinnen, nach dem Brüsseler Sitze dcü Ordens. Ter stellvertretende Obere empfing den Jonrnalistcn, bczcichnclc die katholischen Blätter als „Possenreißer" und gab schließlich folgende bezeichnende Erklärungen ab: „Glauben Sie nicht den Zeitungen. UcberdieS geben unsere Angelegenheiten Niemand etwas an. Die politischen Fragen, welche man in Betreff der dem nächstigc» Wahl in Monaco erhoben bat, baden sür uns gar kein Interesse, sind für uns todtcr Buchstabe. Wir bilden ein Regiment, babcn unseren Ekef, welchem wir gehorchen wie ein Soldat seinem Oberste». Die Delegirlcn, welche die belgischen Jesuiten »ach Monaco schicken, sind noch nicht einmal cndgiltig bestimmt, lind die Wabl ist sicherlich nicht im Borans getroffen weder zu Gunsten eines Belgiers noch eines Schweizers. Die Patres geben im letzten Augenblicke ibre Stimme frei ab nach ihrem Gewissen bei jeder neuen Wabl. Das höhere Interesse unseres Ordens leitet mehr die Wahl des Generals als die persönlichen Borzüge, welche diese oder jene sympathische Individualität cingcbcu kann. Ich weiß somit nicht, wer der zukünftige General sein wird, aber die Hanptcrwägnng ist für den Augenblick folgende: Der im vorigen Jahre ver storbene Pater Bcckr batte die geistige Leitung des Ordens in die wissenschaftliche Bab» getrieben, der Pater Andcrlcdy batte ibr c-iien literarischen Ebarakter ausgeprägt, weicher desser dem Gcsanimlgcistc der Gesellschaft zuzusagcn scheint." Damit brach er die Unterredung plötzlich ab. Der Congrcs; der soeialistischen Gemeinden von Fra»Ire ich zu St. One», der nn» doch trotz deS Verbotes der sranzesischc» Regierung sta'Isindet, verläuft ebne besonders bcnicrtenswertbe Zwischenfälle. Seine Bedeutung liegt in dem Unistailke, daß er eine Reibe socialistischcr Forderungen dadurch zur Geltung bringen will, daß er dieselben den be stehenden staatlichen Einrichtungen anznpasscn versucht. Tie wichtigste» Plinctc dieses Programms sind: die Versorgung der mittellosen Greise »nd -Kinder ohne Angehörige durch die Gcincillde und den Staat mittelst Gründung von Ber pslegniigsbänsern; die Abschaffung der Gemcindezöllc; die Schaffung einer Gesundheil-spslege, welche den Gemeinden Feuilleton. Das höchste Gut. 7) Roman von A. von Gersdorff. N-Mruck recbctcn. (Fortsetzung.) Zehntes Capitel. War das ein Sturm! Ein wahres Herbstweller, nnd man war doch noch gar nicht im Herbst. Henkend und brausend fuhr er die Straßen hinauf und gleich wieder hinab, als wechsele er die Richtung jeden Moment. Der Staub, gemischt mit allerband Abfällen, stieg säst in Säulen zuw Himmel auf, bis plötzlich der nicdcrschlagcnde Regen sich zischend und sprübcnd aus die Steine ergoß, nach ganz kurzer Zeit die Rinnsteine überwogcnd. Ter Himmel war schwarz und hing säst auf die Dachfirste hinab Alles, was sich retten konnte, flüchtete in die Häuser; den Hunten wur den die Tbüren geöffnet, und in wenigen Minuten waren die großen Hauptstraßen menschenleer. Nur die Droschken jagten mit galoppirenden Gäulen wild aneinander vorbei. Äm tollsten war eS in der Hafengaffe, denn cS war e^cnt lick keine Gaffe, da sich nur aus einer Seite fertige Hauser befanden, die andere bot fast nur Gerüste und Versprechungen auf einstige Häuser in Gestalt von Pfählen mit Tafeln: „Bauplay, gehörig dem und dem." Nr. 15 lag ziemlich weit hinaus und sah auf den Strom, der in zornigen, gelben Wogen dabineiltc PeterS saß in seiner gcmütblichen Kucke am Tisch ans seinem Hokzstubl und befestigte die Knöpfe an seinem Drancr- gewand mittelst einer Nadel von der Größe einer kleinen Spicknadel» eine mächtige Hornbrille auf der Nase Er Kalle morgen eine „große Leiche", da hieß eS „schcntil" anf- treten! 2a, das Geschäft ging so ziemlich. Es kamen vicbr und mehr anständige Leichen! So dachte er zufrieden, mit dem gewichsten schwarzen Schusterzwirn daS Lehr der Nadel suchend. Wi« der Smrm an seinen kleinen F««stern raffelt«! Es war wirklich manchmal, als wollte er mit Gewalt hinein in die czeniütblichc kleine Küche. Tic rolhe» Kallungardinen bewegten sich lebhaft, und sogar daS Licht in der niedrigen Lampe, von der Peters die Glocke «('genommen hatte dcü besseren Lichtes wegen, flackerte im Luft;».; schier verängstigt hin und her. „Na, man sagt immer, wenn die Lichter so ducken »nd solche Zoddel» «»setze», gicbt'S '» Unglück. Wüßi' wahrhaftig nickt, was mir »och groß passircn sollte, müßt' g'rad' sein, das; die Leich' sür morgen wieder lebendig würde. War' freilich kein Glück sür den alten Greis und auch nicht sür seine vergnügten Erbe», nnd für mich erst gar nicht." Er stand schwerfällig auf nnd ging nach dein Herde, wo über einem Häuslein Kohlen Wasser in einem Litergcfäß zu zischen ansing. Er lhat Ruin hinein ans einer grünen Flasche, aus der groß und breit „KampkerspiritnS" geschrieben stand, und Zucker aus einer grauen Löschpapierdüte. Dann setzte er das Bleckgesäß ans den Tisch, holte Brod nnd Speck und ein Stück.Käse ans dem rolblackirtcn Schränkchen, wo er auch Sargnägel und einen Traucrslorvorratb verwahrte, und nabin wieder an dem Tische Platz. Ten Trauerfrack lcgke er sorgsam über seine Stubllekne Die alte Küchennhr, die seine Selige i» die Ebe mftgebracl.t, schnarrte die neunte Abend stunde, und der Leickenbesorger begab sich an daS gemülhlichc Geschäft, daS er tannte. „Nanu! Klopfte daS nicht?" Er horchte einen Augenblick, rcrnabni aber nichts als das Nasen deS StnrmcS, das jäbe Anklatschen der gepeitschten Regcnströme an die kleinen Fenster. „Hm, wer wollte auch jetzt? Jedenfalls nichts Besonderes fürs Geschäft." Und doch! ES batte geklopft und kam tappend durch den dunklen Flur, offne draußen an die Gerätbe anzustoßcn, össnclc langsam die Küchenlbüc, kam herein und sank gegen die weiße Wand auf den Schemel neben der Thür. „Vater —!" Draußen beulte der Sturm sein wiidcS Triumphlicd, nnd der Fanstsckilag auf den Tisch war kaum zu hören. „Hanne! WaS willst —?" ,»'u Dach überm Kopf — Drod!" „So? Hat Tick der liederliche Fant sitzen lassen, nm den Du von Deinem alten Vater wegliessl?" Sic stöhnte schwer. Eine beredte Anlwort. Wie sie den Kopf mit dem dicke», blanschwarzen Haar an die Wand lehnte, wie die Berzweftsiing und der Ekel und jede Art Nolh und Darben von der früh gcaltexlen Stirn sprach! Draußen sck'lng die Hanstbür wild gegen den Rahme». ^ .Mach' die Tbiir zu draußen. Sie schließ! nicht. Weißt Du daS nicht mehr?" Cie stand so mühsam ans und tappte hinaus. Er sah ibr nach und stützte die Stirn mil dein grauen Haar aus die geballte Faust. „DaS Mädel! Ter Seligen ibr Tod." Sie kam wieder bereingeschlichen und kauerte wie ein Hund an der Tbür nieder. „Hungerst, Mädel?" Sie gab keine Antwort. „Komm 'rau und iß waö und trink ans dein Blech da, Du kippst um." Sie stand auf, und er schob ihr seinen Schemel hin und Holle ftch den andern. „Vater, ich muß —" „Iß was. WaS Tn mußt, kannst Du bernach sagen. Bei Kleinem wärst verhungert, schcint's, und bist so 'ne hübsche Hirn, sieb, sieh!" schloß er höhnisch, während er ihr daS Brot abscbnitt. Sie aß wahllos, mit der Hast des Heißhungers. Er sah ihr zu, »nd etwas von dein alten, beifälligen Sckcin ging dabei über seine groben Züge. Plötzlich warf sic Brod und Messer ans den Tisch und drückte wild anfs-hluchzend den Kops auf die gekreuzten Arme. „Na, was willst Tu?" sragtc der Alte gedehnt. „Na. ich danket Wär' nichts Rechtes sürS Geschäft." „Vater I" ,F)a, ja, leider! Sterben wirst Tu drum nicht. 'S ist 'ne alte Sache: wer'S anSschreit, tbut'S nicht. Du bist ja naß wie ne ertränkte Kay' in dem Tanzklcid, daS Du da anhasl ! Zieh' Dir 'mal wa« Trockenes an/ „Ich nicrl'S nicht." Sic strich heftig die langen, schwarzen Haare zurück. „Kann sein. Aber ich mert's. Du tropfst mir ja die Stube voll. Hol' Dir a»S dem Schrank d'rin in der Putz- stube den Wertlagörock von der seligen Mutter; neben dem Brautkra»; siebt der Schrank." Sie gehorchte mechanisch. Peters blieb still und starr am Tisch sitzen und blickte auf das rauchende Blcchaefäß, ohne cs zu berühren. Dann kam das Mädchen wieder. Sie sah noch trauriger, elender, älter anS in dem grauen Nock als vorher »nd sie bsiccle so hoffnungslos um sich, daß man sah, sic wisse nicht, ob sie sich setzen, sieben oder geben sollte. „Ich bab's mir bedacht, Hanne, vielleicht bat meine Alte von da drüben gewinkt. Man soll keinen znrückstcßcn» der ausstebcn will, und wenn 'n Strolch die Hand anö'm Snmpse steckt, na kann würd' man ikn auch 'rauszicbcn und sich nicht erst bedenken, ob er einen vielleicht znm Tank vor den Kops schlägt. DaS Geschäft nnd die Reputation waren mein Bestes aus Erden, und ick fürchte, daß wir jetzt in der Leute Mund gerathen und leine anständige Leiche mehr zu mir kommt." „Ich gcb' schon, Vater, Gott soll mich bewahren!" ..'Nee, Hanne, Du bleibst da. Der Hochmutb Neid' Dick nicht an dieser Stelle, aber was ick von dem Strolch gesagt, ist wahr. Du willst zu Hause kommen? Na. komm! Ich hindre 'S nicht. Zu tanzen und zu juchhcicn giebt'ö aber hier nichts, Hanne." Sie sah zu ikm auf mit einem so müden Blick und sah o krank aus, daß er ibr wieder den Grog im Blechtops hin- chob. Sie wich zurück. „Na, Dirn', sang man nicht mit Ungehorsam an. Du warst 'mal meiner Scl'czcn ihr Liebespsand, nnd danim soll'S sc>n, wic'S war; Geschäft und Reputation können wobt drunter leiten, nnd das war mein Höchstes, ja, das war'S, aber der Herrgott da oben bat 'ne Passion aus unser Höchstes, zu unser»; Besten, sagen die Pastors." DaS Mätcken stürzte nach der Tbür und hinaus in Sturm und Regen. Erst draußen in der Gaffe konnte Peter» sie wieder fassen.
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