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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920916022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892091602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892091602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-16
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Bischof Hasiner bat rwar auch dort, zum Schrecken der conservativen Freunde des CentrumS, die Perspective der Ueberwindung de» Protestan tismus unter der trinmphirendcu Alleinherrschaft der römisch- katholischen Kirche erkennbar genug gezeichnet, aber für Diejenigen, welche ein Interesse daran haben, die Dinge nicht so zu sehen, wie sic sind, mag ja hier noch ein Spielraum für beschwichtigende Deutungen übrig bleiben: in den Reden von Man»bei», jedoch ist alle Zweideutigkeit bei Seite gelassen, mit einer Unum- wundenheit, wie sie in öffentlichen Versammlungen von so autoritativer Bedeutung bisber nicht zu beobachten gewesen ist, bat man dort den Sieg der einzigen Kirche als daS Ziel verkündet. Der Gedanke einer Wiedervereinigung der christ lichen Confcsstonen bat scitIahrbuiiderten edle Geister beschäftigt, und eS hat namentlich in neuerer Zeit nicht an Solchen gefehlt, welche von der Möglichkeit träumten, daß unter dein Zwange der Nothwendigkeit, alle nur irgend vorhandenen Kräfte zu einer festen WiderstandSmasse gegen die drohendeWeltrcvolution zusammenzufassen, eine Verschmelzung der christlichen Kirchen sich mit der Zeit von selbst ergeben werde. Sie hofften, daß gegenüber der großen Aufgabe, den gesunden Kern der heutigen Cultur gegen eine barbarische Zerstörung zu vcr- lheidigen, die trennenden Unterschiede verschwinde» und eine neue Gemeinschaft der Geister sich auf dem Boden wahrer Gewissensfreiheit aufrichte» würde. Wie bininielweit ist von diesem harmlosen Phantasirgebilde die Zukunst entfernt, welche der UltramontaniSmuS anstrebt! Hatten jene Schwärmer geglaubt, daß die katholische Kirche, entsprechend der modernen Geistesbildung ihrer bedeutendsten Männer, sich i» ihren, ganzen Wesen verjüngen und die Hand zur Vertbeidigung aller werthvollen Errungenschaften der heutigen Cultur bieten würde, so ist in Mannheim dieser ganzen Cultur schärfer als je der Krieg erklärt, ist die deutsche Reformation cynischer als je als die Quelle alles UcbelS in der heutigen Welt bezeichnet worden, woraus sich dann die Aufforderung zur Vernichtung dieser Quelle von selbst ergiebt. Nun giebt eS ja vornehme Leute, die derartige Reden, wie sie in Mann heim gehalten worden sind, «nicht tragisch nehmen", und wir geben gern zu, daß gar manches heftige Wort dem VclkS- versammlungStone zu Gute gebaltcn werden mag. Was aber nicht übersehen werden darf, daS ist der Geist, der diese Versammlungen belebt, ein Geist, der, wenn er je zu einem maßgebenden Einflüsse in Deutschland gelangte, unser Vaterland in die heftigsten inneren Kämpfe stürzen müßte. DaS werden hoffentlich die Leiter des neuen CurseS im Reiche und in Preußen bedenken, ebe sic dem Centrum irgendwelche Zugeständnisse machen. Eine ossiciösc Stimme hat neulich erklärt, daß die Regierung einen neuen „Culturkamps" für daS größte Unglück halten würde. Ganz sicher würde ein solcher Kampf für Deutschland kein Segen sein, und er wird auch, wenn die Regierung Festigkeit und Geschicklichkeit genug bewährt, vermieden werde» können. Aber eS gäbe unseres Erachtens ein noch größeres Unglück, nämlich dasjenige der fortschreitenden Unterwerfung der Regierungs- Politik unter den beherrschenden Einfluß deS Centrnmü. Auf der schiefen Ebene der Concessionen ist die Gefahr eine« der artigen Unglücks unverkennbar. Darum ist es dankcnSwerth, daß die Ultramontaoen selbst für die nöthigen WarnuugS- signale sorgen. Während die Caprivi-Ofsiciösen den Ultramontancn die freundlichsten Gesichter zeigen und de» gemäßigten Parteien mit dem Centrum droben, zeigt eS sich immer deutlicher, daß im preußischen Ministerium Einflüsse wirksam sind, bei denen die An-führmig jener Drohung sicherlich auf starken Widerstand stoßen würde. So bringt neuerdings der „Reichs- und preußische Staatsanzeiger" unter vielen anderen amt lichen Notizen auch die folgende: Der bisher als Hilfsarbeiter im Cultusininisterinm beschäftigte Regierung».Assesjor 11r. für Mauve an» Posen ist mit der com» miijarische» Verwaltung des Laiidrathslimles im Kreise HaLerSleben, Regierungsbezirk Schleswig, beauftragt worden. Herr Mauve war schon einmal eine viel genannte oder wenigstcns vielgesehenc Persönlichkeit, nämlich bei der Berakbung der preußische» Volksschulvorlage im Ab- gcordnetenhause. Während damals die bekannten Gesichter der Vortragenden Räthe regelmäßig nicht in der Nähe ihres Chefs, des Grafen Zedlitz, erblickt wurden, saß rer jugend liche, nunmehr mit der commissarischcn Verwaltung deS LandratbSamtS im Kreise Hakcrsleben, Regierungsbezirk Schleswig, betraute Assessor unausgesetzt neben dem ein Gesetz von der größ'cn politischen Tragweite vertretenden Minister. Mit der dem Grasen Zedlitz in Schulvcr- waltungSsachcn beiwobncndeii Sackkeniuniß wagten auch seine und deS Schulgesetzes wärmste Bewunderer die Abwesendest der Fachleute nickt zu erklären, die ziemlich all gemeine Dermuthung ging vielmcbr dabin, daß die Referenten im CultuSininistcrium, auch der ftockeonservative und hyper- orthodoxe Wcyrauck, jenem Zcdlitz'schen Bollwerk gegen den „Atheismus" gänzlich sernstaiiden, woran sich notbwendig die weitere Vermutbung knüpfte, daß der allzeit gegenwärtige, aus Posen gebürtige, an Jahren junge Assessor Mauve sich alö Egeria des amtSjr.ngen Ministers seine Sporen verdient habe. Alö der Abgeordnete von Eyncrn in seiner vernichtenden Kritik der Schulvorlagc den Grafen Zedlitz fragte: „Wer hat Sie denn eigentlich beratben?" richteten sich die halb spöttischen, halb entrüsteten Blicke ans den Novizen am Negierungötische, der bereits seiue „Erfahrungen" zu einem daö ganze Reich erregenden Gesetzentwürfe verdicktet batte, im Ucbrigcn aber eine recht gute Figur machte. Diese letztere vermag nun der jungen Damenwelt im Kreise HaderSlebcn, Regierungsbezirk Schleswig, zur Augenweide zu diene», aber der legislatorische BelbätigungStrieb tcö Herrn Assessors kann sich dort höchstens in Polizeiverordnungen ein Genüge tlnin. So wandelbar ist irdische Größe. Merk würdiger Weise ist fast gleichzeitig mit I)r. Mauve der Abg. v. Buch, der die conscrvalioe Fraciicn deS preußische» Ab geordnetenhauses zum Cenlriim biniibcrzog »nd das Schul gesey in der ersten Lesung befürwortete, ans dem Ministerium tcö Innern zur Regierung in Aurich versetzt worden. Die Caprivi - Officiösen baben diese beiten Maßregeln bisher todtgeschwicgcn; kein Wlinbcr, denn sie liefern wenigstens de» Beweis, daß Graf Eulcnburg sich nickt beeilt, Vorbereitungen zur liebenden Vereinigung seines AmtSvorzängerS mit dem Ccntrum zu treffen. In den gegenwärtigen ernsten Zeilen ist es immerhin gut, wenn hier und La etwas gemeldet wird, was zum Lacbcn Anlaß giebt. So leistet der Pariser „GauloiS" sich eine angeblich aus „diplomatischer" Quelle geschöpfte Ent hüllung über den französisch-russischen Ver trag, der jüngst bei der Begegnung des Großfürsten Conslanti» mit Carnol in Nancy fertig geworden sein soll. DaS Komische bei dieser Enthüllung ist hauptsächlich der Umstand, daß in dem gedachten Vertrag Bödmen eine Hauptrolle zugewiescn ist. Böhmen werde nämlich im Kriegs falle dem Dreibünde die Hccrfolgc versagen und hieraus gleich Belgien ncutralisirt werden. Diese Idee stamme vom Papste, der sich auch bemühe, die Türkei znm Eintritt in Len srauko- russischen Bund zu bewegen. Sobald der Sultan eingcwilligt habe, werde der Vertrag unterzeichnet werden. Dian muß sagen, die französiiche Feder, die daö geschrieben hat, ist mit einer ganz außergewöhnliche» Dosis Phantasie ausgerüstet. Bobinen, den Papst und den Sultan gleichzeitig in den Wagen des deutsch-französischen Bündnisses entspannen, daS ist mit einem Male etwas sehr viel. Indessen der Ge schmack der französisch-n ZcitungSlcscr ist vielleicht ein solcher, daß sie niii solchen ihnen angenehmen Nachrichten tupirl Werden können. Tie letzten Berichte über den Erfolg deS französischen Geschwaders in Genua haben der Pariser Presse vollends die Ucberzcugnng cinzcflößt, daß in dem ColnmbnSscste nichts Anderes mckr zu sehen sei, als eine Frankreich crwielenc Huldigung, die, von dein Volke anSgcbcnd, auch die officielle Well fortgcrissen babe. Die Frage ist nun mehr , welche Wirkungen sich von dieser Kundgebung für' di- künftige Gestaltung des politischen Verhältnisses zwischen den beiden Ländern erwarten lassen. In dieser Hin sicht, meinen die meisten Blätter mit ebenso viel Nachgchl als Sclbstbcwnßtsein, dürfe man in der ersten Zeit nicht zu viel erwarten; man könne Italien nicht zumnlbcn, so ohne Weitere» das von Deutschland ibm auserlcgtc Joch abzu- schüttcln. Immerbin wird der Besuch in Genua als ein großer Trininpk der französische» Republik gefeiert. Die aber, die cs nickt über sich gewinne» können, daraus der republikanischen Regierung ein Verdienst zu machen, baben ein Mittel gcfnnden, sich ans der Verlegenheit zu ziehen. Sic erkennen das Verdienst einfach dem Admiral Ricunier zu. Ter „Solcil" ruft: „Genna »ach Kronstadt! Ter diplomatische Erfolg deS Admirals Ricuiüer nach demjenigen des Admirals Gervais! Unsere Seeleute sind vortreffliche Diplomaten, sie tönnlen in Wahrheit gewisse Botschafter vor theckhaft ersitzen." Die telegraphisch gemeldete zeitweilige Aufhebung deS irischen Zwang Sgesetzeö itt als der erste Schritt zur Durchführung der vo» Job» Morlcy in der Verwaltung Irlands cingeschlagcncn Politik. Alle vicckönigliche» Erlasse aus Grund deS ZwangSgesctzeS vom Jahre 18b? sind, wie aus London berichtet wird, hierdurch widerrufen, selbst der Erlaß vom 10. August 1887, welcher die irische National liga als eine gefährliche Verbindung bezeichnet. Der Aus nahmezustand ,n Irland ist nun thalläcklich aufgehoben, obwohl cs in der Macht der irischen Regierung liegt, den selben nöthigcnsallö wieder zu verhängen. DaS irische Waffengesetz, welches den Besitz und daS Tragen von Waffen von der Gencbmigung der Behörden abhängig macht, bat da« dermalige Cabincl klüglicherweise vorläufig in Kraft be lassen. Tic Bedeutung dieses Erlasse» wird selbstverständlich von der englischen Presse lebbast in Erörterung gezogen. Die „Daily News" schreiben: Das Zock ist vom Nacken deS irischen Volkes genommen, die Verwaltung Irlands der Ver- wallung vo» England, Wales und Schottland gleich gestellt worden. „Standard" sagt: Wir wünschen Mörlen Glück zu seiner VersöbnnngSpolitik, aber eS wird sehr interessant sein, zu sehen, wie das Experiment auSsällt. Andere nnionistische Blätter erinnern daran, daß schon Balfour das ZwangS- gesctz vielfach zeitweilig aufgehoben habe; die nunmehrige vollständige zeitweilige Aushebung beweise, daß die Zu stände in Irland unter der unioiiistischcn Regierung sich wesentlich gebessert haben. Wie aus Athen geschrieben wird, hat daS endgiltige Scheitern der Bemühungen behufs Aufnahme einer aus wärtigen Anleihe neben der zwar sehr lies gehenden moralischen Wirkung ini Inlande doch die gute Folge gcbal't, daß die Erkenniniß, Griechenland müsse auö eigenen Kräften die dermalige Krise überwinden, sich mit der wUnschenSwcrlhen Raschheit dci den maßgebenden Faclorcn eingestellt hat. Um die gebotene» Folgerungen hinaus zu zicbcn, muß die Negierung freilich eine» guten Theil ibrcS Fi»a»zprogra»iuiö fallen lassen, aber kein ernster Mensch wird ihr daraus einen Vorwurf machen, da ibr doch nichts übrig bleibt, als sich »nabänberlichen Verhältnissen a»- zupassen. Die Regierung hat kemnach schon vor einiger Zeit den Bedarf der OelobcrconponS (3>/„ Millicnen) a»S den laufende» Einiiahmcii beschafft und sorgt jetzt für die recht zeitige Bereitstellung der Ianuarfälligkcit (etwa 12 Millionen). Die Schwierigkeit liegt bekanntlich nicht in Geldmangel, sonder» darin, daß ein nickt geschickt dnrchgcführter Ankauf so beträcht licher Summen GoldeS daS Agio in die Höhe treiben kann. Eine weitere Consegucnz der Schwierigkeit, beute Eredit zu erhalten, liegt in den Bcmübungen der Regierung, eine Eombiiialion zu finden, welche die Fertigstellung deS Baues der Linie PiräuS Larissa ohne directc Belastung der StaalScasse ermöglicht. Für diesen Bau sind noch 38 Millionen erforderlich, welche Griechenland aus seinen Einnahmen nicht bestreiten kann. ES bandelt sich also darum, eine Unternehmung z» finden, wclcke für eigene Rechnung den Bau weiterführt; allerdings bcstebt die Schwierigkeit, daß den Obligationen der Anleihe von 15!»k) die erste Hypothek auf die Linie zustcht. Vor läufig ist noch nickt bekannt, wie diese Gegensätze versöhnt werden sollen. An dem Budget für das konimende Jahr wird schon eifrig gearbeitet. Da die Hcrabminderung deS GoldagioS, welche durch die beabsichtigte Anleihe erzielt werden sollte, vorerst nicht zu erwarten ist, bedarf daS Budget einer Modifikation, d. h. eS müssen ca. zehn Millionen für Agiodiffcrenz unter die Ausgaben ein gestellt werden, welche einer Compensatio» bedürfen. Diese wird durch weitere Ersparungen angcstrebt; taS Kriegsbudget z. B. soll noch um eine Million eingeschränkt werden. Da aber den Ersparnissen denn doch eine bestimmte Grenze gesetzt ist, muß auch zur Erzielung deS factischcil Gleichgewichts eine Vermehrung der Einnahmen eintreten. Uebcr die Art letzterer wird Schweigen bewahrt; vielfach ver sichert man indessen, daß die Regierung durch Wiederein führung des Zehnten und Errichtung neuer Monopole neue Einnahmequelle» schaffen werde. Selten ist im politischen Treiben der Gegenwart ein Bei spiel so dreisten Springen« von einem Standpunct auf den entgegengesetzten vorackommen, wie in dem neuerdings von Rußland beliebten Verfahren in der Pamir-Angelegen heit. Jedermann erinnert sich, wie die Russen osficicll und ossiciöS ihr Vorgehe» im Pamir al« eine von edlem Wissensdrang geleitete wissenschaftliche Expedition darzustellen bemüht waren. Noch vor wenigen Tagen, als der Zusammenstoß der vom Obristcn Ianow geleiteten „Expedition" mit afghani schen Truppen sich nicht länger ableugncii ließ, erklärten sie höhnisch: daö Abendland in seiner Russophobie scbe Ge spenster, Lbrist Ianow habe nur lll Kosaken zur Verfügung, eS sei eitel Lug und Trug, mit dem man Rußland bekämpfe! Und beute? Die „Nowoje Wremja" bekanptet, ohne Zweifel ossiciöS, daß das gcsammte Pamir schon seit 1875 von Recht« Wege» zu Rußland gehöre. Es sei daher ganz in der Ordnung, wenn Obrist Ianow, der eine kleine Armee zur Verfügung habe, i» welcher alle Waffengattungen vertreten seien, er>t die Chinesen aus dem Lande gejagt und danach die Afghanen gezüchtigt habe! Es scheint demnach, daß man sich in Petersburg von der Unthätigkeit de« englischen Cabinetö überzeugt zu baben meint und diese offene Beleidigung dem Ministerium Gladstone ungestraft glaubt ins Gesicht werfen zu dürfen. Deutsches Reich. 8H. Berlin, 15. September. Wie wir bereits telegraphisch gemeldet, trat heute das StaatSministerium wieder zu einer Sitzung zusammen. Der Ministerpräsident Graf Eulcnburg batte deshalb seine für beute angesetzte Abreise verschoben, er bcgicbt sich erst Ende nächster Woche auf seine Güter in Wesipreußen, wo er ungefähr vierzehn Tage zu bleiben gedenkt. Die heutige Sitzung dauerte mehrere Stunden, und eS kann nun als feststehend angesehen werten, daß nicht nur die Verhandlungen de« Landtags, son dern auch die RcichötagSscssion von Kober politischer Be deutung sein werden. ReichSkanzlerGraf Caprivi nahm an der Sitzung des StaatSministeriumS Tbcil, ebenso der Kriegs minister v. Kaltcnborn-Stachau. Nach den Darlegungen Feuillctsi,. Das höchste Gut. H Roman von A. von GerSdorff. Nachdruck «erboten. (Fortsetzung.) „Ich bedauere, bin jetzt nicht zu sprechen." Lotti wankte und ließ sich schwer in ihren Sessel zurück gleiten. Sie brachte kein Wort hervor und durfte ja auch nicht. Aber Hoppkc zögerte. „Ja, er sagt, eS wäre etwas sehr Wichtiges", brummte er. „Etwas Wichtige- für mich? Der Lieutenant?" „Ja, eben der! Und er ist im festlichen Aufzug." „In was?" fragte der Senator, sich erhebend. „Na, mit Helmbusch und Schärpe." „So bitte ich, rinzutreten. Geh' hinaus, Lotti." ES war ein harter, seltsamer Blick, der daS blaffe Mädchen dabei traf. „Wenn das etwa eine abgekartete Geschichte ist, meine Tochter, so hättet Ihr Eure Karten nicht schlechter mischen können." Zu spät! Zu spät, ihm zu Füßen zu fallen. Selbst hinaus konnte sie nicht mehr. Karl August trat ein. Eine leichte Rothe brannte auf seinem schmalen Gesicht. Man sah ihm den Zwang an, den er sich anthat. Cr trug den schweren Säbel in der Hand, und eS war, als ballte er die Faust darum. Trotz und Hochmuth in jedem Zuge, ein unheimlich flackerndes Feuer in den dunklen Augen, trat er rasch aus de» Senator zu. A'cktt wie Einer, der einen Andern bitten will, ihm sein dochsteS Gut anruvrrtrauen, nein, wie Jemand, der ein« Heraus forderung überbringt. ^ drückt« dl« gefaltet«» Hände todeßbang auf die Vnrst. Sie bätte ihn in ibre Arme ncbmcn, beruhigen, hinauS- führen inögcn und anflchc»! „Nicht so! Nickt heute! Noch lange nickt! Wir wollen warten, der Weg war falsch, mein ist die Schuld — nur nicht so, nicht heule!" Zn spät! Wie ein steiler Felsen, an dem kein Hinanfklimmen für den unglücklichen Gestrandeten möglich ist, stand Jan-Wilhelm Markus da. „Eine wichtige Angelegenheit führt Sie um diese Stunde zu mir, Herr Gras?" „Die wichtigste meines Lebens." „Sic wünschen?" „Die Hand Ihrer Tochter. Ihr Her; gekört mir bereits." „Sie haben sich dessen heimlich versichert'?" „Herr Senator — Ehrenkränkungcn in dieser Stunde —" „Ab, unsere Ansichten begegnen sich schon. Sic finden es ebenfalls nicht — nun, sagen wir, nickt in der bürgerlichen Ordnung, Herr Graf, sich deS Herzen« eine« Mädchens zu versichern, ohne Vorwissen deS Vaters eine vorbedachte Uebcr- rasckung ins Werk zu sehen und dem Komödienvater den Segen zu überlassen." „Auf diese Beschuldigungen versage ich die Antwort. Ich betone nur eins: ich liebe Ihre Tochter und bitte Sie um ihre Hand." „lind ick verweigere sie." „Warum?" „Darf ich bitten, Platz zu nehmen, Herr Graf?" sagte der Senator, von seiner ansanglichen auswallcnten Heftigkeit zu der allen Höflichkeit rurückkchrenv. Karl August setzte sich auf einen vom Senator selbst herbeigcrollte» Sessel. „Warum, Herr Senator?" „Sie erweisen meinem Hause unzweifelhaft eine hohe Ehre, Herr Graf — ick kann dieselbe nicht annehmen, aber ich würde eS schmerzlich empfinden, die Gründe nennen zu müssen." „Sie sind von keinem Belang, wenn sie ein „Nein" begründen sollen", war die hochmülhige Antwort. „Sie wollen r« also nicht?" „Ich will kören, warum mein böchsicS Erdenglück mir verweigert werden soll. Einfache Willkür kau» eS nickt sein." „Ganz sicher nicht. Sie sind ohne Ibr Verschulden in keiner Weise der Mann, den ich das Glück meiner Tochter, meines einzigen Kindes, anvertraucn möchte. Sic sind krank —" „Nicht so sehr, nm nicht —" „Ick sehe weiter, Herr Graf, als über die ersten Jahre hinaus." „Sie sind gewohnt, zu rechnen." „DaS bin ich. Ihre Erziehung. Ibr Familienleben, Ihre Verhältnisse sind mir in tiefster Seele unsympathisch. Ich bedauere aufrichtig, Ihnen das —" „Ihre Tochter liebt mich." „Vater!" Sie kniet schon neben ihm, und unter den heißen Thränen sichen ihre Augen ihn a». „Du weißt noch gar nichts von der Liebe, Kind, und Sie, Herr Graf, sind 23 Jahre alt. Kommen Sie iu süns Iabrcn wieder." Und der Senator wandte sich ermüdet ab. nur ineinander finden könne», trennen ohne andere Grüi als daß ich Ihnen nicht sympathisch bin?" „Lieber, guter Vater!" „Nein. Aber eS sind Kindereien. Wenn Sie fünf Ja lang an der Idee scsthalten — sei eS!" „Ewig, mein Vater — ewig." „Noch ein«, Herr Senator, ebe ich eS über Wichtige: vergesse — ick begehre keine Mitgift, nichts, gar nickt« Lotti soll meine Frau, mein Alles sein, oknc einen Pfei: mir zuznbringcn, so weit bin ich unabhängig, wenn « nicht reich." „Ich danke Ihnen. Sie baben das hübsch gesagt. A Okbe meiner Tochter unter allen Umständen ihr r« licheS Erbe, wenn sie sich verbeiratbct. Mir kommt eS die Person an. DaS Uebrigc ist nur Nebensache. Und 2 Person, Herr Graf, obwohl in jeder andern Bezieh gewiß tadello« — al- Gatte meiner einzigen Tochter ist nicht „ach meinem Sinn. Und dabei bleibt ««" Der Senator, der so lange gestanden hatte, die Faust aus die Schreibtischplatte gestemmt, setzte sich jetzt, wie nach be endigtem Geschäft. „Wie gesagt, Herr Graf, fragen Sic nach fünf Jahren wieder an!" schloß er mit halbem Lächeln. „Herr Markus, Sie spotten meiner und Ihrer Tochter." Wie fahl die Blässe jetzt auf seinem schmalen Antlitz lag! Lotti stand neben ibm. Sie batte die gefalteten Hände aus seine Schultern gelegt und ihr Gesicht auf sein Haar geneigt. „Laß daS, mein Kind." Der Vater zog die Hilflose an sich, und cS klang nickt hart, was er sagte. „Ich scherze und spotte niemals, Herr Graf. Ich fühle mich und meine Tochter geehrt durch Ihren Antrag, aber ick lehne ihn entschieden ab, denn ich halte kiesen Ehcbnnd für ein Unglück für mein Kind. Ich nehme Ihnen die Hoffnung nicht für immer, wie gesagt, aber für Iabrc hinaus untersage ich jeden Verkehr zwischen Ihnen und meiner Tochter. Karl August erhob sich. „Ich gehe. Sic haben die Macht mißbraucht, die Gott Ihnen gab. Mögen Sie die Willkür nie zu bereuen habe»! Und Du, meine Braut, bleibe mir treu " Nie batte er edler »nd schöner anSgcschen, obwohl maßlcßcr Stolz a»S seinen Augen flammte und seine Lippe hob — nie aber batte auch körperliches Leiden beredter aus verrätherischen Linien seines Gesicht« gesprochen. Er war fort. Lotti kniete stumm neben ihrem Vater. Und der Senator sab auS wie Jemand, der nach einer Ucberzcugnnz gehandelt bat, die er niemals bereuen kann. Im besten Falle war dieser junge Mensch vor Ablauf der fünf Iabrc lange lodt, im schlechtesten kränkelie er lörperlich und geistig — eine Last für Alle, eine Qual für die, welche ihm nahe standen — in- ManncSaltcr hinein. Ter Senator legte leise die Hand auf da« zuckende Haupt seiner Tochter, das sich ihm heftig entzog. Sei « darum! Er hatte Recht grthan.
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