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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920924020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892092402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892092402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-24
- Monat1892-09
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In der gonveruemcntaleu und der srciwillig-gouverne mentalen Presse wird neuerdings vielfach die Behauptung ausgestellt, das; die preußische Negierung in einer Zwangslage dem Centrinn gegenüber sich befinde, da ohne dieses im Reichstage die Militairvorlage nicht durch- zusetzcn sein werde und Preußen die Verpflichtung habe, die parlamentarische» Chancen dieser Vorlage nach Möglichkeit u verbessern. Wir kennen diese Beüanptnng nicht gelten affen, denn wäre sie zutreffend, so hätten die Negierungen aller Einzelstaalen die Verpflichtung, ihre innere Politik so einznrichtcn, daß die jeweiligen Majorität-Parteien des Reichs tags bei guter Laune erhalten würden. Von einer conscguentcn inneren Politik könnte dann in keinem einzigen Staate mehr die Rede sein; die deutschen Fürsten sänke» sammt und son ders zu willenlosen Werkzeugen der wechselnden ReichötagS- majoritätcn herab. Wir können daher auch schlechterdings nicht glauben, daß die preußische Krone sich für verpflichtet erachte, die Nichlnng der inneren preußischen Politik von den Forderungen einer Fraetien des Reichstags abhängig zu mache»; sic würde damit nnr berbciführcn, daß die Befür worter des parlamentarische» Regiments auf daö Beispiel der preußischen Krone hinwiesen, die sich freiwillig der zu fälligen Majorität dcö Reichstages unterworsen habe DaS Einzige, wofür Preußen gleich den übrigen Einzelstaaten zu sorgen hat, ist eine solche Anögestal- tung nnd Begründung der Militairvorlage, daß die MajoritälSparleicu deS Reichstags augenfällig inS Unrecht versetzt werden, wenn sie den Entwurf ablchnen oder seine Annahme von Concessioncn durch die einzelstaatlichen Regierungen abhängig mache». Wenn ossieiöse Federn dagegen von der PorauSsetzung anSgchen, die Militairvorlage sei »nr durch derartige Concessionc» dnrchznbringen, so nähre» sic nur das Vorurtheil, daß die Vorlage nickt genügend be gründet werden könne, um die ansschlaggebciide» Parteien des Reichstags zur Annahme auS Rücksicht aus die gesunde Vernunft und den Patriotismus ihrer Wähler zu »öthigen Ueber den bevorstehenden Besuch Kaiser Wilhelm' in Wien wird der Münchener „Allgem, Ztg." von dort be richtet, daß dcuisclben am 10. Octvber entgcgengesehen wird Wenigstens ist, so wird dem genannten Blatte geschrieben auS Allem, waS man über die getroffene» Dispositionen er fährt, ersichtlich, daß dieser Tag für die Ankunft des bohen Gastes endgiltig in Aussicht genommen ist und daß sich die Anwesenheit desselben aus drei Tage erstrecken werde. Die Berichte, nack welckcn Kaiser Wilhelm den Festlichkeiten auS Anlaß der Feier der goldenen Hochzeit des GrvßherzogS und der Großberzogin von Weimar anwohncn werde, deuten daraus hi», daß jene Meldungen richtig sein dürste», dem zu Folge der Hobe Gast die Reise nach Wien direct von Weimar antretcn werde. Tic Nachricht vo» dem bevorstehenden Besuche des erlauchten Verbündeten des deutschen Monarchen bat in den Kreisen der Wiener Bevölkerung die lebhafteste Befrie digung und aufrichligste Freude bcroorgeruse», die in dem herzlichsten und wärmsten Empfange deS hohen Gastes, wie er demselben jedeSmal, wenn er ans österreichischen» Boden weilte, bereitet worden, ihren Ausdruck finden wird. Die Monarchen Deutschlands und Oesterreich-UngarnS alljährlich persönlich vereinigt zu sehe», ist seit dem Bestände des durch diese Begegnungen immer von Neuem illustrirtcn öster reichisch-deutschen Bündnisses eine liebgcwordene Gewohnheit der Bevölkerung geworden, und mit ansricktiger Genug- thuung sieht man, daß diese Zusammenkünfte, die unter weiland Kaiser Wilhelm I. zur Tradition geworden und der Art entsprechen, wie die Unwandelbarkcit deS dcntsch-östcr- rcichischcn Bündnisses in das Bewußtsein der Völker übcr- gegangen, von dem erlauchten Enkel und seinem mit ihm in inniger persönlicher Freundschaft verbundenen Alliirten fort gesetzt werden. In den Niederlanden ist vom Minister Tak van Poortolich ein Antrag auf Reform deS Wahl rechtes cingebracht worden. Nach dem Inhalt deS Antrages wird daS Wahlrecht ver.ichcn an alle mündigen männlichen Niederländer, welche von demselben Gebrauch zu machen wünschen. Nicht wahlberechtigt sind indcß diejenigen, welche nicht schreiben oder lesen könne», diejenigen, welche Unterstützung auS einer Annencasse beziehen, ferner diejenigen, welche ihre Steuern nicht hezahlcn, sowie endlich die gericht lick Berurthcilten. Ter Antragsteller hat eine Berechnung anfgcmacht, nach welcher ans Grund dieses Antrags 800 000 Niedcrlänker wahlberechtigt sein würde», also ca. 74 Proceut der volljährige» männlichen Bevölkerung. Die entsprechenden Zahlen sind für England 05, Deutschland (Reichstag) 90, Schweiz 92, Frankreich 87 Proceut. Der französische Schriftsteller Herr Zola hat bekanntlich in seinem neuesten Roman .,Ua Döbüclv" ein sehr hartes Urtheil über die französische Armee, welche bei Sedan kämpfte, gefällt. Bis henle batte sich kein Franzose ge siiudcn, um Herrn Zola die Wahrheit wegen dieses, abgesehen von seiner unpatriotischc» Tendenz, viele Unrichtigkeiten und Gehässigkeiten enthaltenden RomanS zu sagen. Nachdem jedoch cm deutscher Ossicicr, der Hauptmann vom Generalstab Tanera, Herrn Zola diese Wahrheiten in das Gesicht geschlendert hat, treten die ersten sranzvstschen Kritiker aus, welche mit dem Mntk der Ueberzeugnng ibr gesunde» Urtheil wieder gefunden habt». To schreibt Herr de Rochcfort, dem gewiß jede Anerkennung eines Deutschen schwer wird und der Zola'S Chauvinismus, soweit dieser Chauvinismus gesund ist, sympathisch gcgcnüberstcht, in seinem „Jntransigeant" „Emile Zola erhält soeben von einem Deutschen eine wohl verdiente Zurechtweisung. Der Hauptmann Tanera wirft ihm vor und weist ihm nach, daß er (Zola) die Geschickte ge fälscht und eine brave, wenn auch unglückliche Armee mit Schmutz beworfen hat. . . . „Ua Oöbbc-lcw geschrieben zn haben, ist die That eines schlechten Franzosen. Bedauerlich, daß eö ei» Deutscher gewesen ist, welcher dem französische» Romanschriftsteller daö zuerst hat sagen müssen." Was be dauerlich für Rochcfort ist, daS ist für uns eben nnr merk würdig. Denn daß sich sämmtliche französische Kritiker nnd die Herausgeber sämmtlichcr französischer Zeitungen sollte» von dem Umstand haben Saud in die Angen streuen lassen, daß Zola, um seinen Mangel an wirklichem Patriotismus, der in diesem Fall wohl eine Erklärung, aber keine Entschuldigung in dem Umstande findet, oaß er der Republik hat schmeicheln und seinem Buch einen besseren Absatz bat schassen wollen, zu verdecken, zwischen siebenzig »nd achtzig Mal von den Deutschen sagt: „Ooekans cl'Allo- inancls", „Oocbnns cko Urnssiens", „Ooetions clo liavaioiv nnd daß er die einzige Abwecksclung in diese ebenso geistreiche wie phantasievolle Kritik und Charakteristik der Gegner dadurch bringt, daß er seine französischen „Helden" ab und zu sagen läßt „Ooclicin-?, coelions, cvclicum", statt nur einmal „eoeliinix ist doch kaum anzunehmcn. Einen Berthcidiger findet Zola allerdings auch heilte »och, aber bezeichnenderweise i» dem Schmutzblatt „Gil BlaS", dem Leiborgan der Pariser „I)e»,i- moncke", nnd dieser eine Vertheidigcr weiß nicht» Bessere» zu Zola'S Rechtfertigung anzuruscn als, die Autorität seiner, deS VcrthcidigcrS, fünf GalonS — er unterzeichnet sick „Oberst- lieutcnant" —, gegen die nur drei GalonS des „HauplmannS" Tanera. Im klebrigen stellt sich der sranzösiscke „Oberstlieule- nant" ans den recht bedenkliche», veraltete» Staiidpunct, den nicht einmal Zola mehr cinznncbmeu gewagt bat, daß die Deutschen bemüht seien, den Werth ihrer Gegner möglichst hoch anzuschlagcn, um den Worth ihrer eigenen Siege mög lichst hoch zu schrauben, während er selbst die deutsche Armee heruntersctzt, ganz übersehend, daß dabei die sranzösisckcn Niederlagen um so beschämender für seine Landsleute werden; dazu wärmt er das alte, auch längst abgethane, von englisckcn Kriegsberichterstattern seinerzeit ersundcne, von den Franzosen eifrig »achgebctete Märchen von den 400 Frauen und Kindern auf, welche die Bagern damals in Bazcillcö gespießt nnd zcbraten haben sollen, ein Märchen, welches gleichfalls selbst ür Zola zu verbraucht gewesen ist, um eö neu aufzuwärmen. Die Behauptung, daß der Ausbau deS HafenS von iserta nicht mit den sranzösischcrscitS bei der Besetzung Tunesiens eingegangcncn völkerrechtlichen Vorpslicklungcn in Widersvruch stehe, wird jetzt selbst von der gonvcrncmeii- talcn Pariser Presse als unhaltbar preisgcgeben. Man tritt an der Seine vor den neuerdings in italienischen und daran anschließend auch in englisckcn Marinesachblättcr» mit Bezug ans die sranzösiscke Biserta-Politik laut gewordenen kritische» Stimmen einen ziemlich beschleunigte» Rückzug an, de» man mit Vorwürfen an die anglo-italienische Adresse zn decken sucht. So »ersteigt sich die „Röpubligue sraiwaise" :u der grotesken Unterstellung, daß Italien durch den Ausbau seiner maritimen Citadellcn von La Spezzia, La Maddalena und Messina, durch welche die maritime Bcrbindnng zwischen Marseille und Algier unter Feuer ge ncmmen werde, bczw. England durck seine BesestignngS arbeiten auf Malta und Cypcrn, als Pendant seiner Oec» pation Egypten», Frankreich zur Ergreifung der Defensive in Gestalt der Herstellung deS Biserta-HafcnS gleichsam gezwungen habe. Gegen eine solche Logik, welche wellkundyze That sachen ciusach in ihr Gegentheil verkehrt, läßt sich aller dings nicht streiten. Es >st das aber auch um so weniger uöthig, als keine auch noch so schlagende Beweisführung von »«»«rer Seite das Unr.cht, in welches Frankreich sich mit seiner kriegSvorderritendi-n Tbätigkcit an der tunellschen Küste setzt, unwiderleglicher darthun könnte, als die in dcr„RSp.frantz." nnd verwandte» Blättern versuchte Apologie der französischen Miltclmccrpolitik. Frankreich treibt dort gegenüber Italien und England dasselbe doppelzüngige Spiel, wie an der Vogesen grenze gegen Deutschland, indem cS die Vorsichtsmaßregeln der anderen Partei, welche diese unter dem Zwange der im größten Stile betriebenen sranzösischcn Rüstungen »oth- gcdningcn in» Werk setzt, der Welt als eine aus die französische Brust gesetzte Pistole tcnnncirt, um darauf hin, mit voll- bcwnßter Absicht, daö Odium der iiiimcr mehr sich zuspitzcnden internationale» Situation vo» sick ab- und denjenigen Mächten znzuschiebcn, deren ausrichtige Friedensliebe nirgends besser gekannt, aber auch nirgends systematischer ignerirt wird, als eben in Frankreich. Bon russischer Seite wird neiierdmgö Deutschland gegenüber ein Ton angeschlagen, welcher die Grenzen de» politischen Anstandes weit überschreitet. So erlaubt sich die „Nowvje Wrcmja" in einem Leitartikel an die „deutsche Regierung« presse" die Mahnung zu richten, daß sie die „Frechheiten nnd Unverständigkeiten" ibrer Politik anfgcbe. Gleichzeitig betont das Blatt, daß „nicht nur ans dem Gebiet der Presse Rußland deutscherseits verunglimpft werde". Kleine Ursachen hätten oft große Wirkungen und „Kleinigkeiten, die einen Rußland feindseligen Charakter tragen, wiederholten sich immer häufiger in Berlin". Der Schluß ist eine Drohung mit der ohnehin nur noch schwer an sich haltenden öffent lichen Meinung in Rußland. Man fragt zunächst, vo» wem diese unpassende und sehr übel angebrachte Ermahnung »nd Drobnnz au-gebt. Wäre «S nnr die„NowojeWcemja", so wäre kein Wort darüber zu verlieren. ES liegt aber, wie die Münchener ,,-lllg. Zig." glaubt, ernster Anlaß zur Annahme vor, daß da» Blatt im Aufträge deS jetzigen Stellvertreters des Herrn von Gier», Herrn Schischkin, der schon einige Proben »einer diplomatischen — sage» wir — Entschlossenheit gegeben hat, o spricht. Ein weiterer Artikel der „Nowoje Wrcmja" be- 'andelt daS Thema von der sranzösisch-russiscken Allianz und -blicht mit folgender Mahnung: „Daß trotz alledem ein christlicher Vertrag, der bis zu einem gewissen Grade die Freiheit der Bewegung cinsckränkt, ein Schritt ist, der lieber vermieden bleibt, wollen wir nicht bestreiten Leider haben aber politische Ereignisse oft eine elemcntare Kraft, sic können unwillkürlich die Federn der Diplomaten in Bewegung setzen. In Berlin und Wien würde man gut thun, dicS nicht zn vergessen — so lange cS noch Zeit ist." Die von Rußland an die Pforte gerichtete neueste Note kann als ein weiterer, sehr deutlicher Beweis dafür angcscben werde», daß die Leitung der Geschäfte des russischen Ministeriums deü Anöwärtigen definitiv in die Hände Sckisckkin'S übcrgegangen und Herr von GierS vorläufig als bei Seite geschoben zn betrachten ist. Die gedachte Note darf man wohl nack Form und Inhalt, um ein mildes Wort zu gebrauchen, als eine im diplomatischen Verkehr der Staaten unter einander seltene Unvcrsrorcuhcit bezeichnen Die Regie rung dcö Zaren beschwert sich über den Empfang Stambulow'S durch den Sultan, über die Entsendung eines oltomanischen CvmmissarS zur Ausstellung in Pkilippopel und schließt mit der Trobmig, daß Rußland, falls die Türkei fortfahre, wie bisher dem ungesetzlichen Zustande in Bulgarien Vorschub zu leisten, seine Kriegsentschädigungsforderungen rücksichtslos cintreibcn werde. DaS ist wieder einmal daS eckte, unverfälschte Moökowitcrthum, wie cS in früherer Zeit am Goldenen Horn auslrat, als eS den Sultan fast als einen Vasallen deS Zaren betrachtete. Es ist dies der russische Glückwunsch zum 50. Geburtstage deS Sul tans Abdul Hamid, denn die Note wurde an demselben 2l. September übermittelt, an dem von Kaiser Wilhelm und den anderen Monarchen deS Dreibundes herzliche Brglück- wünschungsschreiben in Konstantinopcl einlangten. In Peters burg scheint man gar kein Gefühl dafür zu haben, daß diese Note eine unberechtigte Einmischung in die inneren Angelegen heiten eine» fremden Staates bedeutet. Bulgarien ist Vasallen staat der Türkei, und wenn auch die Großmächte kraft deS Berliner Vertrages daS Recht besitzen, dem v«n der National versammlung gewählten Fürsten die Anerkennung zu versagen, so kann den« Sultan doch nicht verboten werden, den Minister- iste Präsidenten Bulgariens zu empfangen, der dieses „türkische Fürstcnthum" auch im Interesse des Sultans musterhaft verwaltet »nd in Ordnung hält. Wäre eS nach Rußland» Wünsche» und Handlungen gegangen, so hätten die von ihm anSgcsandten Agenten und Mordgesellen daS Land längst in Anarchie gestürzt, die Pforte wäre in Mitleidenschaft gezogen worden, wenn nicht vielleicht das unersättliche Zarenreich sich in diesem Falle „erbarmt" nnd das „un- lückliche Bulgarien" unter väterliche Obhut gestellt hätte, ie allbekannten Pläne und Ziele des NcwarcicheS hat Slambnlow und seine Gehilfen allerdings vereitelt; der russische Vorposten aus der Balkanhalbinsel, der sich bis vor die Thore Konstantinopelö erstreckt hätte, ist verschwunden, er ist mehr eine türkische Wacht an der Donau und am Schwarze» Meere geworden. Und diese glänrende Thätigkeit im Interesse deS Gcsamnilstaatcü sollte der Padischah nicht an erkennen, er sollte nicht das Recht haben, einen Minister Bulgariens zu cmpsanacn, nicht daS Recht, einen kaiserlichen Cominissar zn jener Landesausstellung zu entsenden, die in der Hauptstadt OstruinclicnS eröffnet wurde, jener Provinz, über welche nach dem organische» Statut die Fürsten von Bulgarien trotz der erfolgten Vereinigung nur als Gouver neure herrschen sollen? Feuilleton. Das höchste Gut. 1b) Roman von A. von GcrSdorff. Nachdruck drrbolrn. (Fortsetzung.) „Ich glaube kaum, lieber Maurus, auch wenn der Mann seine grüne Hochzeit noch nickt gefeiert hält, daß Dora-Maria sich vom bloßen Sehen in einen Priester auf der Kanzel ver lieben würde", sagte er, seinen Zwicker putzend. Der junge Mann schwieg nnd heftete einen prüfenden Blick ans daö Gesicht deS Alten. „Wer weiß, in wen sie sich sonst schon vorher verliebt hat, ohne Dich zu fragen?" dachte er. Danach kam der Senator gemächlich wieder auf daS fallen aelaffcne Thema, eine überraschende Verlobung in ihrem Kreise, zurück. „Also Ihr Fall wäre da- nicht, Herr van der Neesen, eine junge, schöne Wittwe zu bciratben?" sagte er lächelnd „Nein, Herr Markus. Mein Fall wäre daS nicht. Am wenigsten, wenn sie schon Mutter war. Ich bin überbaupt, wenn ich e» irgend umgehen kann, nicht gern Nachfolger und halte cS mit dem Grundsatz jenes edlen Schotten, welcher der Königin Maria Stuart ablebnend erklärte, er liebe cS, überall der Erste zu sein. Ein schönes Wort, welches man ikm später auf dem Schaffet zu bestätigen erlaubte, daS er mit mehreren Schicksalsgenossen bestieg." Dora Maria war auS der Kirche und der Hafengasse zurückgekonimen. DaS Vorfahren ihre» Wagen» hatte bei dem Stnrin Niemand beachtet. Sie war eingrtrelen und, den Thürvorhang anScinander- schiebend, hatte sie die letzte Rede und Gegenrede gebärt. Sic stand wie erstarrt, als sic Mauru» sich au» der Sopbarckc erheben sab. Sie hatte ihre» Vater allein z» finden geglaubt. MauruS grüßte sic siiinlin nnd half ibr die durchnästrn Überkleider oblegen. Auch die Nadel zog er mit seinen großen, aber geschickten Fingern a»S dem schwarzen Spitzcnhütchen, I da» aus ihrem Haar lag. DaS dicke, braune Haar sah ganz feucht ans. Rcgenlhränen lagen ans den weichen Scheiteln. ^ Sie sah zu ihm ans — ein ernster, ach so banger Blick! Er wagte eS, leise wie ein Hauch die Tropfen von ihrem Haar zu streichen. Wie zart er daS that! Sic merkte eS kaum, und cS ging doch wie ein gewaltiger, nie gefühlter Schlag durch ibre pochenden Adern. Ein Lächeln tbeilte seine Lippen und ließ einen Augenblick die Weißen, großen Zähne sehen. Wie er sie dabei ansah, so unbeschreiblich forschend, fragend, heiß und zärtlich! Sie war wie gelähmt. Willenlos hingen ihre großen, zaghaften Augen an seinem Blick. Der Senator nahm nichts Außergewöhnliches wahr. Er wunderte sich über das cniincnte Vcrwallnngötalcnt Napo leon'S I., dessen Lebensbeschreibung offen aus seinein Schreib tische lag. Er hatte bis vor Kurzem darin eifrig gelesen. ManruS hatte ibn dann gestört. Jetzt schien dieser jedoch ausreichend unterhalten zn werden, und der Senator kehrte befriedigt zn Napoleon zurück. Dann halte Maurnö eine Weiche, eiskalte Hand in seine» rauhen, warmen Fingern. „Hast Du mich lieb, lieb über alles Denken und Wollen?" Sie senkte erbleichend die Stirn, und ihre andere Hank schmiegte sich, wie Wärme suchend, in seine warmen Hände. „Lieb, wie sich unter Tausend kaum zwei haben? Ohne Maß und Bedingung?" Sic sagt immer noch nicht». Kann sie denn? Seine starken Arme habe» sie so heiß umschlungen. Der Senator hat sich nun doch von dem unglücklichen Kaiser getrennt »nd dem Leben neben sich zugcwendet. Er ist ausgestanden, streicht mit beiden Händen seinen weißen Bart, nnd e- wetterleuchtet seltsam in seinem harten Gesicht. „Herrgott, willst Dn mir wirklich noch solche Freude machen, solchen Ersatz geben?" „Ja, lieber ManrnS, ich kann danach doch nur an- nebmcn —" „Taß cS diese ist oder nie eine! Daß ich dieses Märchen liebe mit einer so unvernünftigen, so anbelenden Liebe!" Und heftig und jäh, wie er in allem seinem Thun war, wenn die kalte Vernunft durchaus nicht mitsprechc» konnte, drehte er sich »m, ließ sic fast bcflig a»S seiner glübcndcn Uniarmnng nnd trat ans Fenster, in den Schnee binauS- starrend, der in großen Flocken wirbelnd die schwarze Nacht durchtanzte. „Aber mein bester va» der Neesen, diese Art und diese Werbung —" „Gefallen Ihnen nicht, Herr Markus? Glaub'S schon. Kommt'S Ihnen mehr auf bcrgcbrachtc Sitte an oder mehr an ans daS, waS bicr d rin Gewähr leistet?" „Selbstverständlich aus daS letzte, aber —" „Tann streichen Sic das bedenkliche Aber, lieber Vater. Dieses Mädchen nnd ich gehören zusammen. Und wenn ich sie nicht gutwillig bekomme, nehme ich sic mit Gewalt!" lind er ging wieder zu ihr und nahm sie in seine Arme. „Laß mich — o Gott! — laß mich geben!" „Liebst Du mich oder bi» ich Dir zu häßlich?" „Zn häßlich! Ich weiß Niemand, den ich auf Erden lieber ansähe!" stotterte sie. „Nun, da»» ist Alles in Ordnung." Der Senator wurde mit in die Umarmnna gezogen. Frau Hanseniann, die eben (von Hopple so nebenbei be nachrichtigt, daß „etwas los sei") hcrcintrat, wurde mit Ver achtung der schon einmal mißhandelten Strickarbeit ebenfalls von dem „verrückt gewordene» Riesen" umarnit nnd geküßt. Es war Alles in Ordnung. Tante Hanseniann bestellte in aller Eile ein Souper beim Garkoch. Ter Senator ließ so viel Scct kalt stelle», daß er sür zehn Personen und scharfe Trinker gereicht hätte. Tcr altc van der Neesen wurde gcbolt nnd folgte vergnügt dcr Botschaft, die ebenfalls seines Herzens Verlangen entsprach. Früher vielleicht nicht. Aber so, wie die kleine Markus jetzt war — n In bonln-ui! Und die Braut schluchzte in den liebenden Armen, an dem treuen Herzen ihres baldigen Gatten, als sollte ihr Herz brechen. „Und min, Geü.'-te, ein?! Meine erste Bille!" „Ja, ja." „Hast Tn nicht irgend ein Helles Kleid?" „Ein weißes." „Zieh' daö an, ich bitte Dich. Ich kan» diese ewigen schwarze» Kleider nicht inebr sehen, wcnigslciiö heute nicht. Zieh' rasch das weiße an. Ick stürze zum Gärtner und hole Dir die wundervollsten Nizza Rosen." Nein sagen? Cr war ja längst fort, che sie sich zn fassen vermochte. Der Senator, Frau Hanseniann in steifem AllaS und neuer Sturmhaube, der alte van der Neesen nnd MauruS, fieberhaft erregt, der sonst so rnbigc, küble, maßvolle Mensch, standen im Speisezimmer; denn die junge Braut ließ aus sich warlc». Endlich stürzte Hoppkc nach der Thür und riß sic auf. Weiße Spitzen — o, wie kostbar! — um die üppig schlanke Gestalt. Der köstliche Nacken und der Hals frei, ans nicderricsclndcm Flor sich bebend. Ci» Strauß brennend rothcr Rosen fast unorc eiillich über die schöne Beult gestreut. Und darüber dies blasse, bimmlischc Gcsick.I, diese große», liebenden Augen — und dieser Mund! Pbryne konnte ihn nickt üppiger gehabt haben. Diana nicht keuscher! Wer konnte eö ManrnS verdenken, wenn er ihr fast ent- gcgcnstürmtc nnd sie mit ibre» Spitzen und Rosen ganz wild und rücksichtslos an sich prcßlc? Keiner der Anwescndcn, anSgcncmnien Hoppke. Hvppke hatte sie nie bübsch gefunden mit ihrem UnhcilS- gcsicbt! Und WaS sie in dieser erstickende» Uniarmnng murmelte, hörte der glückselige Bräuligam nicht, oder er achtele nicht daraus. „Hilf mir — lieber MauruS! .Hils mir!" O, hätte sie cs lauter, balle sic cs noch einmal gesagt! Aber manche Worle drängen sick nur einmal, nur leise über die Lippen »nd niemals wieder, wenn sie nicht ver» standen wurden. * «- ch Der cenaler war glücklich. Seit langen, lange» ver drossene» Iabrcn batte er keinen beißen Wunsch gcbabt, »nd der, den er 'eil kurzer Zeit '-u.gl l alle, war u.n so rasch, so vollstän:ig knüllt wo,den: er lalle eine» Sohn, einen Erben nack! seinem .Henen ge u--een Fast Taiiilarkcil lag in tcc eln, wie er die Hand seiner
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