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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920927025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-27
- Monat1892-09
- Jahr1892
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ArmmementSprei» K d« Hauptelvedittoa oder den tm Stadt» buiek Mld den Vororten errichteieu ÄuS- stabtsltllkn ab ge holt: viertel,ährlich.ck!4wO^ bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau- 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich >/l 6.—. Direkte täglich« Krcuzbaudjeaduug ins Ausland: inonatlich 9.— Di« Morgen-AuSgob» erscheint täglich'/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags b Uhr. Ntdarlioa und LkpkLitioa: I-hanneSgassc 8. Dir Erpeditioo ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: vtt« Klemm'» Eortim. <«l?rcd Hahn). Universitätsstraße 1, LouiS Lösche, Satharineustr. 14, Part, und SönigSplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. JnsertionSpreiS Die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge> spalten) 50 »j, vor den ssamüieanachrtchlr» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vcrzclchaiß. Tabellarischer und Ztsferusatz nach höherem Tarif. ksrtra-vrtlagrn (gesalzt), nur mit de« Morgen - Ausgabe , ohne Poslbesörderuug 60.—, mit Poslbesvröeruag 70.—. Ännahmeschluß für Inserate: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Lei den Filialen und Aiinabmestellea je et»« halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Ertzetzitt« zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. .1° 4S5. Dienstag den 27. September 1892 8«. Jahrgang ,s D A Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wolle man das Abonnement auf das IV. Quartal 1892 baldgefälligst erneuern. Der Abonnementspreis beträgt wie bisher pro Quartal 4 Mk. 50 Pf., incl. Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutrageu 5 Mk. 50 Pf., durch die Post bezogen O Mk. In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspcd iteure, sowie die Hanptexpedition: Johannesgasse H, die Filialen: Katharine,lstrasze 14, Königsplaiz ^ und Universitätdstrahe 1. Ferner kann in nachfolgenden Ausgabestellen das Leipziger Tageblatt — zum Arndtstraste 05 Herr L. 0. Kittel, (Lolonialwaarenhandlung. Beethovenstraße 1 Herr Hieoil. I'eter, Colonialwaarcnhandlung. Brühl 80 (Ecke Gocthcstraste) Herr Ilern». Aesske, Colvnialwaarenhandlung. Frankfurter Straße 11 Herr Kr»»8t ÄIro8, Colonialwaarenhandlung. Löhrstraße 15 Herr KXIuaril Uet/er, Eotvnialwaarenhandliulg. Marschnerstraßc O Herr I'nul 8eI»reN)er, Trogengeschäft. Nürnberger Straße -15 Herr LI. K. ^IbreeNt, Colonialwaarenhandlung. Zciücr Straße 05 in Anger-Crottendorf Herr Robert Oreiner, Zwcinaundvrfer Straße 18. - Connewitz Frau l'juelier, Hermannstraße 23, 1. Etage. - Gohlis Herr Hl. l'rltLnelie, Mittelstraße 5. - Linoenau Herr L<I. R. LliUIer, Wettiner Straße 51. - Neustadt Herr R. Heber, Eiscnbahnstraße 5. Preise von 4 Mk. 50 Pfg. für das IV. Quartal 1892 — abgeholt werden: Petcrskirchhof 5 Herr Llrix >'ie»'tl>, Buchbinderei. Pfaffendorfer Straße 1 Herr t'iitx N'ei>er, Eolonialwaarenhandlung. Nanftfrhes Gäßchen 6 Herr Rrieiir. lieber, Eolonialwaarenhandlung. Nansttidtcr Steinlveg 1 Herr 0. Kn^elmrlnn, Eolonialwaarenhandlung. Schützenftraße 5 Herr »lul. 8< Ilüinlt Iu n. Eolonialwaarenhandlung. TVestplatz 02 Herr II. INtti'iel», Eigarrenhandlung. Porkstraße 02 (Ecke Berliner Straße) Herr bi. -Irmkv, Colonialwaarenhandlung. Herr V. LÜ8ter, Eigarrenhandlung. in Plagwitz Herr Hl. birilt/mrinn, Zschochcrschc Straße 7 a. - Reudnitz Herr N . Rusmrun», Marschallstraße 1. - - Herr liernli. Nel>er, Mützcngeschüft, Leipziger Straße 6. - Thonberg Herr R. Ilüntsd», Neitzenhainer Straße 58. - BolkinarSdorf Herr 0. 4. Anumruni, Eonradstr. 55 (Ecke Elisabcthstr.). politische Lagesscha». * Lrtpzts, 27. September. Wir haben schon mehrfach daraus hingewiesen, daß der Unklarheit der Ziele, die im Reiche sowohl wie in Preußen von der Regierung aus innerpolitisckem Gebiete verfolgt werden, die Unklarheit der Ziele entspricht, welche die meisten Parteien verfolgen. Kaum jemals bat eine größere Confusion im Parteiwescn geherrscht. Vielleicht ist dies den Grafen Caprivi und Eulenburg erwünscht; vielleicht zögern sie mit einer bestimmten Antwort auf die an sie ge richteten, immer lauter und dringender werdenden Fragen gerade deshalb, weil sie erst sehen wollen, wie jene Eonfusion sich entwirrt und waS aus der Währung heraus- keinmt. Wenn die Herren wirklich diese Absicht hegen und aus den Versuch einer Einwirkung durch eine klare Darlegung ihrer Ziele verzichten, so dürfen sie sich auch nicht beklagen, wenn beim Wicdcrzusammcntritt des Reichstags und des preußischen Landtags eine Klärung im Parteiwesen noch nicht eingctreten ist und die Regierung in den Parlamenten einem Wirrwarr gegenüber steht, der ihre besten Absichten vereitelt. Und allem Anscheine nach bat dieser Wirrwarr sein Ende noch lange nicht erreicht. Recht deutlich tritt er z. B. zum Jammer der „Kreuutg." in dem durch den Tod de- Abz. v. Meyer erledigten Reichstagswahlkrcisc ArnSwalde hervor, wo insvtgc Beschlusses des „AgitationSauSschusicS der Antisemiten Norddeutschlands" dem konservativen Candi- datcn Kammerherrn v. Brandt ein eigener antisemitischer Candidat entgegengestellt werden soll. Da bei der Wahl von 1890 5939 Cartel- (konservative), 5232 dcutsckfrcisinnige Stimmen abgegeben wurden, in der StichwahlHerrv. Forckcnbeck mit 7815 gegen 0827 Stimmen den conservativen Eandidatcn schlug und bei der Nachwahl v. Mcycr-ArnSwalde mit nur 6740 gegen 6258 deutscksreisinnige Stininicn gewählt wurde, so ist eS klar, daß die Ausstellung eines eigenen antisemitischen Candi- datcn sehr leicht den Wahlkreis wieder in liberale Hände bringen kann. Ob das im Wunsche und Interesse der Re gierung liegt, maH diese selbst beurtbcilen. Jedenfalls aber kann und darf sie sich ebensowenig wie die Conservativen darüber wundern, wenn die Wahl ein solches Resultat er zielst. denn über die Stellung der Lenker des neuen Curse« zu den antiseinitischen Forderungen schwebt dasselbe undurch dringliche Dunkel, wie über dem Resultat der bochconservativen Versuche, das antisemitische Programm in daö conservativc a»s- mnehmcn. Bei dieser Sachlage ist cS natürlich, daß die Antisemiten aus eigene Faust Vorgehen, um eventuell in die Lage zu kommen, sowohl den Conservativen wie der Re gierung sich unbequem, gefürchtet und beachtcnSwertb zu machen. Bemerkt sei übrigen», daß die Nachricht, der frühere Minister Hobrecht werde sich i» dem Wahlkreise von nationalliberaler Seite als Candidat ausstellcn lassen, nach einer Meldung der „Nat.-Zlg." unrichtig ist. Ob man von nationaltiberaler Seite überhaupt aus die Ausstellung eines Candidatcn ver- ichtct und mit den Deutschfreismnigen über einen gemcin- amen Compromißcandidatcn sich zu einigen suchen wird, ist auS dieser Meldung nicht ersichtlich und bei dem Verhalten der Freisinnigen in anderen Wahlkreisen leider auch kaum zu erwarten. Eine „Linksschwenkung" sollen die National liberalen überall vollziehen, um von den Freisinnigen für bündnißfähig erachtet zu werden. So steht cs. wie aus Verabredung, in der gesammte» Presse der „Entschiedenen" zu lesen. Ter Historiker, der im nächsten Jahrhundert sich anschickt, unserer gegenwärtige» Zeit den Spiegel vorzuhaltc», wird in Verlegenheit gerathen, waS er mit dieser Phrase beginnen soll. Er wird prüfen, wie denn die National liberalen in den Einzelstaatcn zur Regierung und im Reiche zum Kanzler standen, und er wird finden, daß in dicker Be ziehung eS an mahnenden, warnenden und abfälligen Stimmen aus dem nationalliberalen Lager wahrlich nickt gefehlt hat. Er wird auch finden, daß dies den Nationalliberalcii gerade von den Freisinnigen zum Vorwurf gemacht wurde, und wird die Frage stellen: wohin weiter sollte denn die Bewegung nach links gehen, wenn der „entschiedene" Liberalismus vielmehr sich dem Reichskanzler als allergctreucste Garde so geflissent lich empfohlen hielt? Er wird dann prüfen, wie die Rational- liberalen zu den freiheitlichen Einrichtungen in Reich und Staat sich verhalten haben, und wird finden, daß sie unter den staatlichen Parteien den allercntschiedeusten Stand punkt eiiigenommen hatten, wo freiheitliche Einrichtungen wirklich in Gefahr waren, so namentlich beim Schulgesetz in Preußen. Mit Befremden aber wird er fcststeUcn, daß gerade die Deutschsreisinnigcn, indem sie eine „LinkS- tckwenkung" verlangten, selbst eS nicht vermochten, von dem ultra-reactionaire» Element des CentrinnS ent schieden abzurücken. Weiter wird der Historiker unter suchen, wie die Nationalliberalen zu den Conservativen standen, und wird finden, daß, je mehr die letzteren ihre bessere Vergangenheit verleugne««:», um so nachdrücklicher die National- liberaleii ihnen cntgegentraten. DaS ist natürlich da, wo bei Wahlen ein gemeinsamer socialdcmokratischcr Gegner zu be kämpfe» war, in Formen geschehen, die das gemeinsame Handeln nicht unmöglich machten, aber als historische Tbat- sache wird cS voch anerkannt werden, daß der reactionaire» Strömung innerhalb der conservativen Partei von »alional- liberalcr Seite der wirksamste, weil auf die solideste Basis ge- gründcteDamm entgegengesetzt wurde. Also warcSauch hier nickt nöthig, von außen her die Partei zu belehren und auf den rechten Wog, ilu weise». Wo aber sonst? Za, wenn man der Wahrheit die Ebre geben will, lautet die Antwort so: unter „Linksschwenkung" kann der Deutschsreisinn lediglich eine Verleugnung der national-liberalcnGrundsätze in Hccreö- fragen verstehen. Diese Fragen aber bat die national- liberale Partei niemals anders als unter dem höhere» Gesichtspunkte der nationalen Interessen und Bedürfnisse betrachtet und beantwortet. Hier ist auch der Deutschsreisinn nickt etwa auf liberalen, sondern auf radicaleu Wegen gewandelt, und zwar sehr zum Schaden deS Liberalismus. Denn auf die Erledigung der militairischcn folgt die der finanzielle» Frage», wie das Amen auss Gebet. War nun im Puncte der erstcrcii eine Verständigung mit dem Deutschsreisinn nicht herbeizufilbrc», so war auch ausgeschlossen, daß er bei Er ledigung der finanziellen Frage» zu Einfluß gelangen konnte. Da dictirte dann jekeSmal die vorsichtigere, klügere Oppo sitionspartei, das Centrnm, die einzuschlagende Richtung. So sind wir von Jahr zu Jahr weiter von liberalen Grundzügcn der Finanzpolitik ab- und in partienlaristisches Fahrwasser bincingekoinme», — wieder zum Beweis dafür, daß der Gegensatz im Reiche nickt so sehr liberal und konservativ beißt, sondern in der Praxis immer und vorwiegend: liberal und particularistisch. Ob und wann dies anders werden soll, bängt allerdings vom Deutschsreisinn ab. Sobald er daraus verzichtet, den „Militarismus" in der bergcbrachtcn Weise, nämlich radikal zu behandeln, wird dem Liberalismus auf allen Gebiete», wo er sich in Entschiedenheit und Rein heit z» entfalten den Berns hat. ein so bedeutsamer Anspruch ans Einfluß zu stehen, daß selbst ein stärkeres Regiment, als das gegenwärtige im Reiche und in Preußen, unmöglich daran vordeikommen würde. Wenn nickt, nicht. Wir meinen deshalb, cS könnte füglich die tönende Pbrase von dem Er forderniß einer nationalliberalen „Linksschwenkung" erspart und alle grundsätzliche Grenzabsteckung zwischen National liberalen unv Tcutschfrcisinnigen verschoben werden, bis das Parlament in der Lage ist, die Militairvorlagc zu prüfen. Inzwischen hat der Deutschsreisinn Zeit zum llebcrlcgcii, und er sollte sich diese Zeit gönne», sie aber nicht mit breit spurigem ZeitungSgcschrcibscl vergeuden. Wen» irgend Jemand warten kan», so sind es die Nationalliberalen. Die Führer der deutschen Socialdemokratie haben eS zwar vv» jeher als ihre Aufgabe betrachtet, durch abso luten Mangel an deutschnationalcr Gesinnung zu glänzen und auf den Patriotismus zu „pfeifen", wie sich der ver storbene Brake in so geschmackvoller Weise auözudrückcn be- Üebtc; indessen die schmachvolle Weise, wie sich gegenwärtig Herr Liebknecht auf dem internationalen Arbeiter- congrcß in Marseille geberdct, übersteigt alles bisher Dagcwcscnc und sollte nach unser», Dafürhalten Allen, die über den wahren Charakter dieser Volksbcglückcr noch nicht ganz im Klaren sind, endlich die Augen öffne». ES liegt von heute folgendes Telegramm auö Marseille vor: Marseille, 27. September. In der gestrige» NachmittagS- sitzung des Arbciter-Eongrcsses verlas der holländische Dele- gute ein Iiisliminllngsschrciben der holländische» Socialistcn, in welchem gesagt wird, das, cS Pflicht der Soeialisie» sei, daran sesl- zichallcn, daß nur allein die dem Recht zu Diensten stehende Gewalt die sociale Umänderung hcrbcisührcn könne. Aus Vorschlag Gueste'S erhob sich die Versammlung und ließ die holländischen Socialisten bvchlebc». Der Präsident lündigte die Gründung einer socia- lislischcn Frauenzeilung in Paris an, welche unlcr dem Titel „Sociale Harmonie" erscheine» werde. Bei Eröffnung der Abend- sitzung verlas Guesle ei» Pariser Telegramm, »ach welchem die Negierung die Ausweisung Liebknecht's versügt haben soll. In einer hcstigcn Rede tadelte Gucste das Verfahren der Regierung, erklärte jedoch, daß dasselbe eines Protestes des Con- gresses uuwerlh sei. Eine Beifallssalvc begleitete diese Rede. Der Vorschlag Briant's, als Ausdruck des Protestes Liebknecht zum Ehrcnpräsidentc» zu ernenne», wird mit Acclamatiou angenommen. Ferraul schlägt dagegen vor, Liebknecht zum wirklichen Präsidenten zu ernennen und während seiner Abwesenheit den Sitz mit einer rothc» Fahne z» belege». Auch dieser Vorschlag wird angenommen. In diesem Augenblick tritt Liebknecht in den Saal und wird mit Ilüriilischen Hochrufe» begrüßt. Liebknecht bezweifelt die Richtigkeit der Meldung seiner angeblichen Ausweisung, denn unmöglich könne sich die republikanische Regierung io besudeln. Sonst wäre ja die deutsche Regierung republikanischer, als die Republik. Liebknecht übernimmt das Präsidium. Dann erfolgt eine heftige Erörterung anläßlich der Frage bezüglich Elsaß-LothringenS. Liebknecht bemerkt: „Machet Eure demokratische sociale Republik und laßt »ns die unsere vor bereite». Die elsässische Frage wird gelöst werde», doch nicht dnrch einen Krieg. Angenommen, Ihr nähmt Elsaß-Lothringen zurück, so würde der Krieg sofort wieder beginnen. U.brigciiS sind alle socialistischen Freunde im Reichstag bereit, den Protest zu erneuern, welchen 1870/7« Bebel und ich erhoben haben!" Der Socialisniiis in Deutschland und Frankreich allein könne die elsästische Frage friedlich lösen. Di» Sitzung wird darauf vertagt. Frnilletsn. Null«ls »«n til«ttschall'S. unseres hochgeschätzten Mitarbeiters, des gefeierten Dichters, neuester großer Roman „Dämmerungen" wird an dieser Steil« vom 1. Oktober d. I. ab zur Veröffentlichung gelangen. Das höchste Gut. I7s Roman von A. von GerSdorfs. Nachdruck verdoikn. (Fortsetzung.) Ein Lächeln erhellte sein ernstes Gesicht. Er war gewiß ein ungewöhnlich häßlicher Mensch für den allgemeinen Be- griff, und seine mächtigen Körperformen waren auch nicht schön zu nennen. Er erinnerte eber an einen diderben Waffen schmied de» Mittelalters als an einen schlanken RitterSmann. Aber er besaß zwei Schönheiten, um die ihn mancher Adonis mit Recht hätte beneiden können, nämlich eben dies Lächeln seines seingeschnittencn Mundes und ein weiches biegsames Organ; wen» man von einem Ton sagen kann, daß er heiß ist, so konnte seine Stimme dies in berauschender Weise sei», ohne daß der Sinn seiner Worte eS war. „Mein geliebtes Mädchen, meine Frau." Sie bemerkte daS Lächeln und den Ton. und ein Gesübl von Glück und Sicherheit kam über sie, so tief bewegend in seiner Neuheit, daß sie »lit einem Blick zu ihm aussah wie zu einem Erlöser, so voll Dankbarkeit und Gläubigkeit. Er ließ sie auS seinem Arm und »ahm ihr Gesicht in seine Hände, e» ei» wenig auswärts wendend, dem scinigen zu, und blickte iu ihre Augen. War cS ein Seufzer, mit dem er sie dann vollends ließ, nur ihre beiden Hände mit den seinen umschließend? Dann zog er sie mit sich nach dem kleinen Sopba neben dem Fenster, wo man taS Palais PallaS-Rothenthurm mit der leere» Fahnenstange gewahr wurde. „Erzähle mir von Amerika", sagte er kurz. „Von Amerika?" fragte sie tonlos. „Ja gewiß, warum nicht, lieber MauruS, aber eS wäre doch eher an Dir, zu erzählen von der Reise, von welcher Du soeben zurückkchrst, von Deiner interessanten Erfindung, Deinen Erfolgen damit, die meinen Vater so sehr beglücken." „Du hast Recht, mein Lieb. Du sollst an Allem Iheil- ncbmcn, waS in mein Leben greift und je darin bedeutend gewesen ist, wie ich das auch an Deinem thnn will." Dann stockte er wieder und sah sie an mit zärtlich heißen Augen. „Du bist blaß, Dora-Maria — mein Kind, WaS hat man Dir gctban?" Angstvoll stieg cS in ibrcm Herzen ans. Nur jetzt noch nicht spreche» — jetzt »och nicht. DaS mußte iu Ruhe vorbereitet werde». Da brauchte sie die rolle Macht ihre» Zaubers, und die hatte sie jetzt nichts sic war matt und bleich und die Kehle w-e zugeschnürt. Sie durfte nickt stammeln, sie mußte rühren mit der Macht ihrer Rede Schc» wich sic zurück. Wie beängstigend scharf sein Blick war! Er würde sie zwingen, sich zu vcrrathen. In diesem Augenblick bange» VerstnmmcnS klangen schwere, laufende Schritte aus kein Flur. Die Tbttr wurde anfzerisscn, und die Hanscmauii stand aus der Schwelle. Sie sab schreck tick ans. mit wcitausgcriff.'ncn Augen, toktenblaß, nach Athen, ringend, um Worte zu sinken, die Hände entsetzt vvrgeslrcckt Die Verlobten waren ihr sprachlos entgegcngecilt. „Der Vater — stirbt", bauchte sie endlich. Jawohl. Röchelnd lag der Senator in seinem großen Schrcibtischstuhl; Weste und Hemd waren im Krampf aus- gcnsscn wurden, kalter, schrecklicher Schweiß stand auf der Stirn. So hatte ihn seine Schwester gefunden. Alle die ungesagten, verheimlichten, standhaft getragenen Leiden waren die Syniptomc einer Herzkrankheit gewesen. Der Senator balle sich längst darüber infvrmirt, daß Heilung für dergleichen nickt vorhanden war, und batte schwcigcnv »nd mannkast das Unabänderliche kommen sehen. Nun war cS da. Aber er war nun auch bereit. Sein Kind war versorgt, nach seiner besten Ucberzeugling — er hatte nick!» mcbr ans Erden z» tbun. Die Sonne dieses Tages war gesunken, »nd die Mond sichel stand funkelnk grüßend auf der reinen Unendlichkeit deS blassen Himmels, als die Acrzte daSSchlaszinimer des TcnatorS, verließe». Seine Denkkrast schien ungestört; er batte stammclnde Laute wiedcrgefuildcn, der starke Körper siel nicht aus den ersten Schlag Er hielt die Hand seiner alten Schwester, und sie balle ihren Kopf neben sein Kissen gebeugt, kenn sein Lallen, seine Züge drückten einen brc»»enkeii W»»s>l> a»S. Wenn die Rätbin aus Erden einen Mensche» wirklich ver ehrt batte, so war eS dieser Bruder gcwcs n. Ihn hatte sic geliebt, nichr als Gatten und Kinder, denn ihn balle sic immer verstanden. Und auch jetzt, — während die Tochter schluchzend über i seiner zuckenden Hand lag. und MauruS vergebens alle seine Sinne schärfte, den Wunsch dcS Sterbenden zu begreifen — auch jetzt sprach die verwandle Seele zur verwandten, und die Geschwister verstanden sich. Die Rälhin fuhr aus von dem feuchten Kopslisscn. „Heirathen!" schrie sie. „Hcirathcu, jetzt, hier, auf der Stelle?" Er wandte ikr seine hilflosen Augen zu mit einem be- rcdlc» Blick, seine trampfbast arbeitenden Züge schienen ruhig z» werden. Er nickte. Die Kerzen brennen ans dem Tische, über welchen dir Rälhin ihren schwarzen Trauersbawl gebreitet bat. Ein Kreuz von weißem Marmor, das letzte Geschenk ihres Seligen, hat sie aus diese» i,»provisirten Altar gestellt. Die dunklcu Vorhänge am Lager des sterbenden Vater» bat sic geräuschlos ciiiporgczogc», l amit er seines letzten Erden- wiiusches Ersüllung s.ben leime. Auch die am Feester bat sie ausgezogcii. DaS Auge Gottes, da« den Nachil'immet dieser armen Erde erleuchtet, scka.it nieder aus die Drei oder Vier, die hier versammelt sind i» seinem Namen. Der Geistliche, ein alter Manu mit einem schönen, ruhig milden Gefickt, über dein schon ei» Schein aus jener un bekannte» und scsi geglaubten Welt zu liegen schien, stand neben dem Drauallar am Lager des Sterbende». Am Kopf ende des BctlcS der alle va» der Neesen. Seitwärts der s.üslcr neben cmci» Tischchen, auf dem die Gerälhschasten des heilige» Abendmahles 'ick befände» Auf der anderen Seile iiii Schalten H-'s'.le und der Lestheiibesorger Peter» als Zeugen.
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