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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921006024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892100602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892100602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-06
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Wer die Hauptschuld trägt und wer sich mitschuldig gemacht, wollen wir nicht näher untersuchen, um nicht beweisen zu müssen, daß selbst hervorragende Blätter bei dieser Gelegenheit einen fast unglaublichen Mangel au Kenntnis; unserer staats rechtliche» Verhältnisse an den Tag gelegt haben, indem sic ein bedauerliches Mißverständnis; zu eine», Conflictc aufbauschten, der gar nicht möglich ist, wenn nicht der Kaiser und der Reichskanzler die undenkbare Absicht haben, die preußischen Minister zu Ministern zweiten Ranges zu machen, die nur zu nicken haben, während ihre Kollegen in den anderen Bundesstaaten ihren gewichtigen Rath in die Waagschale werfen. Jenes Mißverständnis; ist dadurch entstanden, das; der Reichskanzler die Militairvorlage, die dem Bundes rath als vom Kaiser genehmigter Präsidialantrag vorgclegt worden ist, dem preußischen Ministerium zur „Kenntnis;- nähme'" mitgetheilt bat und daß daraus geschlossen worden ist, das preußische Ministerium solle die Vorlage eben nur zur „Kenntniß" nehmen, nicht aber in Beratbung über sie treten. Für die seit dem Rücktritt deS Grafen Caprivi vom Posten eines preußischen Ministerpräsidenten entstandenen Verhältnisse ist es allerdings charakteristisch, daß ein solches Mißverständniß entstehen konnte. Immerhin ist cö dakin aufgeklärt, daß jene Uebcrmittelung zur „Kcnntnißnabme" keineswegs besagen will, das preußische Ministerium habe mit dem Anträge sich weiter nicht zu beschäftigen, sondern vielmehr eine Anheimgabe an dieses Ministerium bedeutet, mit der Vorlage nach Recht und Pflicht zu ver fahren. Unser Berliner M-Eorrcspondcnt schreibt darüber: „Wenn der Reichskanzler den Gesetzentwurf, bevor er ihn dein Bundesrath vorlcgt, den Ministerien zur Kenntnißnahme mittheilt und zugleich sagt, daß er diese Vorlage demnächst dem Bundesrath zustellen wolle, so hat er loyal und pflichtgemäß gehandelt. Dann ist ja eben das Ministerium in der Lage, sich mit der Vorlage zu beschäftige» und eventuell« Bedenken geltend zu machen. Wer sich an die Worte „zur Kenntnis- nähme" stößt, vergißt, daß der Reichskanzler gar nicht in der Lage ist, die Mittheilung an die Ministerien, das preußische eingeschlosjcn, anders zu machen, als „zur gefälligenKenntnißnahnic". Soll innerhalb des Staatsministcriums etwas Weiteres veranlaßt, diese für den Bundesrath bestimmte Vorlage vorher im Staatsininistcrium zur Berathung gestellt werden, so hat dies eben der Minister präsident zu veranlassen. Dem Reichskanzler fehlt hier jede Macht und Zuständigkeit. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß Las preußische Ministerium wie die übrigen Etaatsministeric» die Vor lage aus ihre Nothwendigkeit und Dringlichkeit unter Berücksichtigung der allgemeinen politischen, volkswirtljschaftlichcn und finanziellen Gesichtspunkte prüfen wird; wobci wir jedoch zugleich daraus hin- weisen möchten, daß die Absicht und der Inhalt dieser Vorlage dem preußischen Staatsimnisterium wohl auch seit längerer Zeit nicht ganz neu, mindestens ebenso bekannt sein dürften, wie den „coinpetcnz-besorgtesten" Journalisten." Daß diese Auffassung die richtige ist, ergiebt sich schon daraus, daß heute der Bundesrath eine Sitzung abhält, auf deren Tagesordnung die Militairvorlage noch nicht steht. Den Ministerien der Einzelstqaten soll und muß eben Zeit gelassen werden, die Vorlage gründlich zu berathen, damit die Vertreter zum BundeSratbe mit den nöthigen In structionen versehen werden können. Und das preußische Ministerium wird, weil eS kein Ministerium zweiten Ranges sein will und nach dem Willen der preußischen Krone auch unmöglich sein soll, diese Beratbung mit derselben Gründlich keit vornehmen wie jedes andere. Daß etwas Anderes gerade in Preußen für denkbar gehalten werden konnte, ist cm be trübender Beweis sowohl für den schon erwähnten Mangel an staatsrechtlicher Kenntniß, wie für den Mangel an Ver trauen in die berufenen Schützer der staatsrechtlichen In stitutionen. Die parlamentarischen Dispositionen werden in diesem Winter wegen der dem RcickStag sowohl als dem preußischen Landtag obliegenden ungewöhnlich großen Arbeits last außerordentlich schwierig sei» und man wird bei Zeilen darauf bedacht sein müssen, durch möglichst zweckmässige Einricklungc» die Geschäfte zu erleichtern und die parlamentarische Arbeitslast einigermaßen erträglich zu machen. Bekanntlich wird der preußische Landtag um den 8. bis ln,, der Reichstag um den 22. R'ovcmber ciiibcrnfcn werden, DaS preußische Abgeord netenhaus hat sonach etwa I t Tage für seine eigenen Ge schäfte ohne Störung und Concurrcnz, und diese Zeit wird vorzugsweise zur ersten Lesung der Steuervorlagcn, die gleich am Anfang cingchen werden, benutzt werde». Alsdann wird der Schwcrpunct der Tkätigkcil des Abgeordnetenhauses in eine große Stcuercominissivn fallen, und diese Zeit wird im Reichstag vorzugsweise zu der ersten Lesung der Militairvorlage benutzt werde». Die Rcichsstcncrvorlagcn werden im RcickStag erst »ach Ncnjabr zu erwarte» sein und scheiden also vorläufig ans dem GcfchästSplan aus. Etwas unsicher ist noch, zu welchem Zcilpunct die Etats den beiden Parlamenten zugehcn werden. Es scheint, das; sic nicht, wie sonst üblich, gleich zu Beginn der Session vorgclegt werde», um nicht die Berathung der andcrwciten großen Vorlagen zu stören. ES wurde bereits gemeldet, daß ei» Berliner Bericht erstatter der bochofsiciöscn „Polit. Eorr." der Bebauptung, als ob die Abberufung deS deutschen Mititair- bevollmächtigten in Ät. Petersburg, deS General majors von Villanme, eine Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen bedeute, keinen Glauben bcimcsse. Wir sind nun allerdings der Meinung, daß das Vcrhältniß zwischen de» beiderseitigen Regierungen kaum frostiger und gespannter sei» kann, als cö zur Zeit ist, wollen aber dennoch jenen Ossieiöscn, welcher das Gcgcnlbcil versichert, in ganzem Umfange zu Worte tominen lasse». „Die Abberufung des Generals von Villauine", so versichert jener, „war zunächst nnabbängig von der voransgegaiigcncn Abberufung deS Generaimasors Grafen Kntusow^ mit welcher sie vielfach in Verbindung cbracht worden ist. Generalmajor v. Villanme, der seit angcm vom Dienst in der Truppe entfernt gewesen, war schon seit geraumer Zeit für ein seinem Dienstaltcr ent sprechendes Trnppencoiiimanko in Aussicht geiioiiimcn; seine kürzlich erfolgte Versetzung nach Danzig ist datier lediglick, aus militairische Rücksichten zuriickzlifübrcn »nd in dem ganzen Vorgang liegt auch nicht im Geringsten irgend etwas Un gewöhnliches. Was nun die bckaniilcn Artikel der „No woje Wremja" betrifft, so sind dieselben Wohl namc»l lich mit Rücksicht ans die Armnlh an sonstigem Stoff von einigen Zeitungen aufgcgrisfen worden; i» criistcren politische» Kreisen wird denselben eine Bedeutung ni» so weniger beigelegt, alö die „Nowojc Wrcmja" sich von jeder durch eine leidenschaftliche antideutsche Halinng auSgczeicbnct hat. ES erscheint nicht zulässig, einen Rückschluß hieraus auf die Stimmungen in Rußland zu ziehen, gleichviel, ob das genannte Blalt die Melodie, die bei ihm stelS dieselbe ist, einmal stärker oder schwächer ertönen läßt. Das; aus Grund solcher Artikel ab und zu deutsche Blätter von einem Anfall von Rnssophobie befallen werden, ist nickt gerade erstaunlick, verdient aber ebcnsvwcnig Beachtung, wie die Ausfälle panslawistisckcr Blätter. Glücklicherweise werden die Beziehungen der großen Mächte nicht von Personen ge regelt, die sich manchmal in die Leidenschaft bincinschrciben und dann wieder abkühle», Eö ist begreiflich, daß solche Artikel von französischen Blättern mit großer Geiiilglhniliig als Anzeichen für die Verschlechterung der Beziehungen zwi scheu Deutschland und Rußland dargestellt werben; die crnslc deutsche Presse aber hat sich ebensowenig wie die wirklich urthcilSfähigcn politischen Kreise von solchen Artikeln anfcchten lassen, da cS ja nur in tendenziöser Weise geschehen könnte, daß solchen Artikel» eine böliere Inspiration unterlegt würde, Mil Gcnllgthnniig ist jedock in der hiesigen polnischen Welt be merkt worden, daß die österreichisch lingarischc Presse diese Dinge stets rnbig und sachlich beultbcilt, und man hat dal,er bier von vereinzelten Wiener ZcitungSstimmcn, die in ahn lichem Tone wie französische Blätter von der Verschlechterung der deiitsch-russisckcn Beziehungen sprachen, keine Nett; genommen. Ist cs dock bekannt, daß seitens aller cinsickligcn politischen Kreise in Oesterreich-Ungarn längst a»crka»nt worden ist, das; eine Verschärfung der dclltsck-russisckcn Be ziehungen den Interessen Oesterreich-Ungarns nicht entspricht, Sir Charles Dille, der bekannte englische liberale Politiker, den bei den letzten ParlaineiilSwable» die Bergleute deS Forest of Dean wieder aus der Vcrborgeiibcit eines unfreiwilligen Privatlebens bervvrgezege» babcn, hat seinen Wählern jüngst eine Rede über die auswärtige Politik der englischen Liberalen gehalten, welche die Stiiniiiuiigen der liberale» Führer witcrspicgelt, mit denen Dilkc, so vereinsamt er jetzt sein mag, früher vertrante Fühlung unterhielt. Seme Ausführungen sind somit immerhin beachtenSwerth. Sir Charles Tille, der übrigens, wie erinnerlich, einmal in FricdrickSruh vom Fürsten BiSmarck empfangen wurde, erklärt, die Annahme, Roscbcry werde den Salisburn'fckcn äusicrcn EnrS forlsctzcii, für ciue Fabel. Eine Fabel fei eS auch, das; die liberale Partei die auswärtige Politik Lord Salisbnry'S im Allgemeine» billige. Sir EbarleS Tille ging so weil, zu erkläre», das; Niemand, der die Tbatsachen kenne, daö Vcrsabro» Lord Salisbnry'S in Afrika und die Abtretung Helgolands gegen den Willen der Bewohner der Insel billigen lönnc. Lord Salisbury habe für Helgoland kein Entgelt bekommen (!), ob wohl die Insel für Tenlschlaiid von unschätzbarem slralegisckcn Wcrtbe sei. Die Folge sei gewesen, das; Lord Salisbury Frankreich wegen Madagaskars und Nciifniidlaiidü Conces sioncn machen mußte. Im Jahre 1880 habe die liberale Politik darin bestanden, mit sämnttlickcnGroßmächten i» der cgyplische» Frage zusammciizugehcii. Lord Salisbury habe den Kreis enger gezogen und den Dreibund consnltirt. Sich dem Drei bünde anznschließcn, habe Lord Salisbury allerdings für »»weise erachtet oder cö nicht zu thun gewagt. England könne dem Dreibünde viel geben, aber wenig als Vergütung bekommen. Der Dreibund könne nichts zur Vcrtbcidigling Indiens oder zur Sicherung der großen Seewege tbiin. Für beides müsse daö britische Reich selbst sorgen. Und deshalb sei er, Sir Charles Dilkc, wie er hoffe, milsammt der ganze» liberalen Partei, gegen die auswärtige Politik Lord SatiS- bury'S — ausgenommen Egypten. I» dieser Frage sliiunic er durchaus mit Lord Salisbury überein. Cö wird fick ja zeigen, ob Sir Charles die ganze liberale Partei hinter sich bat. Den guten Freunden Gladstonc'S, den Iren, dauern die Vorbereitungen I. Morlcy'S für die in Aussicht gestellte Frei lassung der »i Strafhaft befindlichen Tynaiiiilbcltcn und für die Unterwerfung der Grundbesitzer unter daö Gebot der nationalistischen Führer zu lange und sie legen sich schon wieder auf das Drohen, wobei Michael Davitt in einer dieser Tage zu Glasgow abgchaltencn Versammlung so weit ging, eine Aufwiegelung der Bauern von England, Wales und Schottland in Aussicht zu stellen. Diese, so deutete er mit starkem CyniSinnS a», seien ja »och lange nicht so günstig gestellt wie die irischen, da sie noch der Gerichtshöfe für Packtangclcgcnhciten und anderer den Jron gemachter Zugeständnisse entbehren. England gebe also den irischen Führern selbst die Waffe in die Hand, den Kampf gegen die Londoner Negierung ans die Westseite des GcorgScanalö binüberzutragc». Die Iren macken cS, wie man siebt, I. Morlcy nickt leicht, die Politik der Nachgiebig- kcit gegen sic mit der Würde seiner Stellung wciiigstcnS einigermaßen zu vereinigen. Tic Lage in Serbien flößt ernste Besorgnisse ein in Folge tcö tlcincn Staatsstreiches, durch welchen der Regent Rislilsch, der ehemalige Führer der liberalen Partei, ras radikale Ministerium Pasitsch entfernte und ein neues Mini sterium bildete, während die liberale Partei in der gegen wärtigen, allerdings unter radicalem Regiment gewählten Dlnpschlina und im Lande nur eine kleine Minderheit bildet. Tie ehemals getrennten radikalen Fractionen haben sich wieder geeinigt, um den gemeinsame» Gegner zu be- tämpicn. Das liberale Ministerium hat eine große Bkaiillkiisäul'crnng vorgenommen unv daö ganze Personal der Slattballcrcicn ans Parteigängern crncuert — was übrigens serbische Gepflogenheit boi einem Regimentswechsel isi und die Radikale» feiner Zeit ebenfalls tbaten. DaS Ministerium übt angesichts der bcvorstchcntcn Wahlen bereits eine» ungeheuren Truck aus. Tie Radikalen rechnen darauf, das; sie bei den Wählern der ländlichen Bevölkerung, welche das frühere radikale Ministerium vorsorglich bewaffnen ließ, eine über wiegende Mehrheit haben, und rüsten sich zu kräftigem Wider stande durch die Veranstaltung radikaler Volksversammlungen im ganze» Lande, bei denen die Bauern bewaffnet erscheinen. (R'bcinic Zusammenkünfte und Besprcckungcn sinken in Scmlin statt. Man fürchtet, die Bewegung werde eine antidynastische Ricktnng aniichiiie», wenn Regentschaft und Cabinct den Versuch machen sollten, de» Widerstand mit Gewalt zu be siegen. Sehr auffallend sind die fortwährenden Besprechungen zwischen dem russischen Gesandten und den Führern der radikalen Opposition. Vor einige» Tagen hat, wie schon gemcldct, der griechische Geschäftsträger in Wien, Herr ManvS, dem dortigen Auswärtigen Amte die Rote des Athener Cabinctö in Be treff der Schliessung der griechische» Schulen in Bulgarien übergeben. Die griechische Regierung nimmt in diesem Schriftstück zuerst Bezug auf die von den Herren Slambiitow niid Grctow dem diplvmatisckcn Agenten Griechen lands in Sophia gegenüber übernommene Verpflichtung, die Bcsliniinuiigcn dcü Gesetzes wegen des Unterrichte« im Griechischen in den hcllcnisckcn Bezirken Ost-RumclienS ab- znändcrii; die Regierung bezieht sich deö Weiteren auf die von der Hoben Pforte dom ökumenischen Patriarchen gcinachtcn Zusicherungen, daß die im Berliner Ver trage der griechischen Bevölkerung Bulgariens zu- gcjprockeiicn Reckte streng beobachtet werden sollen. Man war somit, fährt die Note fort, zur Annahme berechtigt, daß bnlgarifcherscits dem Unterrichte im Griechischen keinerlei Hinderniß bereitet würde, da ja das Griechische eine der amtlichen Sprachen Ost RnmeliciiS ist. Die Bulgaren jedoch bereiten mit Hiiitansctznng der Vertrage und der eigenen übernommenen Verpflichtungen dem Unterrichte in der griechische» Sprache Schwierigkeiten, um dieselbe allmälig durch ihre Sprache zu ersetze». Der ökumenische Patriarch, schließt die Depesche, bat seine Vorstellungen bei der Hohen Pforte erucnert, und die griechische Regierung glaubt, ihrer seits die Ailfmcrksamkcit der Mächte auf die offenkundige Verletzung der Bestimmungen des Berliner Vertrages lenken zu müsse». Deutsches Reich. Q Berlin, 5. October. Die „Freist Ztg." bringt bereits Betrachtungen mit der Uebcrschrift: „ RcichStagSauflösung in Sicht" und crmahnl die Parteigenossen im Lande, die politische Situation jetzt scharf i»S Auge zu fassen und in dem Maße, wie sich dieselbe weiter zuspitzt, überall die Wahl- mobiliiiackuiig, wenn auch zunächst nur auf dem Papier, sorgsam vorznbcrcitcn. Wir haben schon neulich auS- gcfiihrt, daß wir eine solche Wendung für unwahrschein lich Hallen, weil eine Auflösung auf Grund so be- dculcndcr »cncr Militair und Steuorfordcrungcn unter den heutige» Verhältnissen und Stimmungen schwerlich ein der Regierung günstiges Ergebnis; herbciführen würde. Die Folgen der Ablehnung der Militairvor- Fenilletoii. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschalk, tzf Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Enrico blieb sitzen, tief in Gedanken versunken; wie sollte er hier Wandel schassen? DeS VatcrS Eigensinn war ihm bekannt und hatte in letzter Zeit noch etwas Düsteres, Fana tisches angenommen; er war fast unnahbar geworden und hörte nur mit halbem Ohr auf Alle«, was sich nicht auf den Stein der Weisen bezog, den er in seinem feurige» Ofen suchte. Enrico war ibm besonders unbequem; er fürchtete seine Fragen, seine Kritik, denn die vorlaute Jugend maßte sich ja daS Vorrecht des BcsscrwissenS an. Darum verschwieg er dem Sohne seine Arbeiten, seine Pläne, seine errungenen und erwarteten Erfolge und hüllte sich ihm gegenüber in daS unverbrüchlichste Schweigen ein. Doch da« wußte Enrico voraus: jede Berührung der Landwirthschast würde ihn mit höchstem Mißmuth erfüllen . . und tan» die Geldfrage . . Da hörte er Schritte, daS fröhliche Gelächter eines Kindes . . eS war sein jüngster Bruder, der an der Seite der Mutter bcrankam. Mit sanftem Lächeln begrüßte ihn die Mutter, streichelte ibm die Hand und setzte sich neben ihn auf die Gartcnbank, während der Kleine auf einem Seitenweg einen langen Zug von Ameisen beobachtete, der gar kein Ende nehmen wollte und sich daneben auf der Wiese und in den Büschen verlor. Frau RiSpori sah noch jugendlich aus, kein Silbersadcn og sich durch ihre dunkeln Haare; ihre Erscheinung war chlank, ihre Haltung von vornehmer Sicherheit; ihre Züge hatten etwas Mildes und Weiches, die von den langen Wimpern bedeckten Augen etwas Träumerisches. Doch mit kein scharfen Auge der Sobiiesliebc enttccktc Enrico Sorgen fallen im Gefickt rer Mutter, die cr früher nickt dort bc merkt, und auch in ihrem Lächeln lag jetzt clwaS Schwer müthigeS. Er bemerkte daS beule im Schein der Hellen VormittagSsonnc mehr als bisher. Hatte doch auch die Freude über seine Heimkehr einen verklärenden Schimmer über die Züge der Mutter gebreitet; jetzt gewann die AlltagSstimmniig wieder ihre Reckte und da traten anck Sorge unk Gram mehr hervor; die Schwingen der Seele falteten sich wieder zusammen und man sab, was man beim raschen Aufschwung übersehen, daß sic geknickt n»d gelähmt waren und sich ans die Dauer nickt oben in den freien Lüften erhalten konnten. Mitleid erfaßte Enrico mit der geliebten Mutter und er drückte einen glühenden Kuß aus ihre Lippen. „Wenn Du, geliebter Sohn," sagte Frau RiSpori, „doch einmal Einblick in des Vaters geheime Werlstatt gewinnen könntest . . cS würde »ns allen znm Heil gereichen. Dock cr wird auch Dir gegenüber sei» Geheimnis? wahren wollen; cr brütet über unerhörten Ueberraschungen unk darüber geht uns daS ganze Leben verloren." „Ich fürckte", versetzte Enrico, „das; cr gerade mir gegen über daS hartnäckigste Schweigen beobachten wird; denn nicht« ist den Laien, die irgend ein Steckenpferd reiten, widerwärtiger, als das Unheil der Kundigen, das sie leicht a»S dem Sattel werfen kann." „Du nennst Deinen Vater einen Laien . . doch Wohl mit Unrecht. Er hat Jahre lang Tag und Nacht studirt . . die gelehrtesten Bücher und auch die Experimente, die cr macht, mögen sie auch noch nickt ganz geglückt sein, zcngen doch von einer genauen Kenntniß der Stoffe, ihrer Mischung und Lösung . ." „Und doch tappt er dabei gewiß im Dunkeln: cS fehlt daö klare, sichere Urtheil, welches nur die geläuterte Wissenschaft gewährt." „ES wäre entsetzlick . . so viel Arbeitskraft . . o, ich be wundere ibn! Und liegt nickt in diesem rastlosen Streben die Bürgschaft deS Erfolges? Tein Vater hat etwas von dem Stoff, anS dem man die großen Männer macht . . cr fühlt dies . ." „Vielleickt nur zu sehr", sagte Enrico seufzend. „Tadeln wir ibn deshalb nickt", versetzte die Mutter, „nur wer festen Glauben bat, etwa« Großes -u vollenden .. dem wird cS auch gelinge». Obnc solchen Glauben erlahmt der äußerste Fleiß, der Opsermiitb . . ." „Er opfert mehr, als cr zu opfern ein Recht bat," sagte Enrico. „Nur darüber klage ick, das; da« Glück unserer Häuslichkeit getrübt ist. Es kein reckte« Behage» mehr bei uns, über das Nächste sieht der Vater hinweg; immer ist sein Blick dem fernen Ziele zngewandt. Was sind wir ihm da alle? Er selbst bat keine Freude, er gönnt sich keinen behaglichen Genus;; seine Gedanken sind stets bei der Arbeit, ans der Wanderschaft vom Erreichten z»m Unerreichten und von Jakir zu Jahr wird er uns fremder." „Du bist mild und gut, Mutter, und hast keine Anklage als diejenige inniger Liebe, welcher die Erwiderung versagt bleibt. Und diese leise Anklage bat schweres Gcwickt; doch ick, deS Hauses ältester Soh», darf dem Vater eine andere Anklage nickt ersparen; cr gefährdet da« Erbe seiner Kinder. Unser Wohlstand hängt ab von der fleißigen Bewirlbschaslung dieses Gutes — und gerade diese vcrnacklässigt der Vaicr; ja cr läßt daS Gut zu Grunde gehen. Und dazu die erstaun lichen Koste» seiner Experimente." „Wir wollen ihm nicht hinciiircdcn in das. waS seine Freude ist . . könnten wir nur den Gatten, den Vater zurück erobern." „Da muß erst die abscheuliche Hexenküche in Flammen aufgcbcn", versetzte Enrico mit dem volle» AnSbruch des Zornes, den cr bisher zu dämpfen verstanden. Da kam der kleine Umberto hcrbeigespriliigen, schmiegte sich an die Mutter und küßte sie, während eine Tbräne an ihren langen seidenen Wimpern stand. „Mutter, warum renne» denn diese Ameisen so?" „Sic sind bei der Arbeit." „Vater arbeitet doch auch und dabei sitzt cr still drüben im Hanse, a»S dcm'S immer dampst und rauckt" „Diese Ameisen, mein Kind, sitzen anck oft tief im Ban", sagte die Mutter. „Doch sic holen bisweilen Futter für ihre Jungen oder geben auch aus Ranbziigc an«. Jeder sorgt süc das Glück der Seinen, so gut cr kann." „Oder cr sorgt auch nicht dafür", versetzte Enrico, während die Mutter ibm einen vorwurfsvolle» Blick zuwars. Ta zeigte sich plötzlich im Rondel ei» merkwürdiges zwcrghasleS Wesen mit einem großen Kopf und struppigen Haaren i» einem grauen, mit Band- und Stosssleckcn ver sehenen n»v durch allerlei Farbe» tättowirtc» Rocke: eS war der Famulus deS Herrn RiSpori, Basilio Siniili, ein Erd nnd Fcucrgcift, mit einem bald kohlschwarze», bald fcuer- rotbe» Gesicht, ein Schreck der Kinder, nnd auch Umberto wandte sick ab, als cr ihn erblickt hatte, und schmiegte sich fester a» die Mutter. Basilio Simili gehörte zwar zu de» Mensckc», aber cr besaß nicht die Gabe, sich andere» Sterb lichen verständlich zu mache». Denn alles, waö cr sprach, balle eine» gcheiiniiisivollen Anstrick und war durchwirkt mit de» Kiliisiausdrücke» der alten Alchymie, deren Werke ihm den Kopf verwirrt batten. „WaS bringen Sic, Simili?" fragte ihn Frau RiSpori, während sich das kleine Ungcthüm mit einem seillänzcrartigen Sprung ihr näherte. „Einen Gruß auö dem Reiche deS grossen MagisteriumS »nd iinsers Hermes Trisiiicgistos! Excellenz RiSpori lassen Signore Enrico entbiete», alsbald gu ihm zu kommen." „Ins Laboratorium?" fragte Enrico. „O »ein, nicht ins Goldhauö . . das darf kein fremder Flis; betrete». Pardon, Signore — Sic sind der Sohn deS Hause«; aber fremd ist »nS Alle«, WaS nickt die Weisheit dcö Herme« studirt bat oder gar mit spöttischem Zweifel i» unser Hciligtbum tritt. Und Sic habe» auch die Wissen schaft studirt. aber eine Wissenschaft, die dort still steht, wo die nnsrige beginnt! Nein, der Herr wünscht Sie in seiner Wohnung, in seinem Arbeitszimmer zu sprechen." „Er gewöhnt sich vielleicht wieder daran, da zu ver weile», sich da wieder heimisch zu fühlen", sagte die Mutter mit einem freudigen Aufleuchten ihrer Züge. „Und wann soll ich dort erscheinen?" „Sogleich! .. Einer von uns Beiden »nis; immer die Mischungen überwache», doch sobald ick zurückgekebrt bin, wird der Signore in seine Wohnung binübcrgcbcn." Und mit lübncn Sprüngen, wie cr gekommen, entfernte sich Basilio, das Faclolum deS Laboratoriums. „Es freut »lick, dass Dein Vater mit mir Nücksprackc nehmen will", sagte Frau RiSpori, den kleinen Umberto
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