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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921008027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892100802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892100802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-08
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Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. JnsertiouspreiS Die 6 gespaltene Petitzeile LS Pkq? Ncctainen unirr dem RedaclionSsirich (4qe« jpalten) üO^, vor Len Fainilieunachrichlcii (6 gespalten) 40 -H. Größere Schristcn laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernjatz nach hökerem Toris. Ertra-Beilagen (gei.iizt', nur mit der Morgen»Äuegabe, odiie Posil-eserderung 60.—, mit Poslbesorderung ,-t 70.—. Annahmeschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nackunitiags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh ' .0 Uhr. Lei de» Filialen und Annabmeslellen ;e eint halbe Stunde sruher. Inserate stad stets an die ErpeSitton zu richten. Druck uod Verlag von cr. Polz in Leipzig. .N S1K. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Erpedition ist morgen Sonntag, den S Oktober, Bormittags nur bis Uhr gevssnet. Lxpeültlou ües I^slprlxer LLLtztrlnlte8. Der Proceß Hugo Löwy. ss. Der Proceß Hugo Löwy, der vorgestern zu Ende Zangen ist, wird voraussichtlich und hoffentlich den mit der eitung der Börsen Untersuchung betrauten Persönlichkeiten als unschätzbare- Material im ernstbaflen Sinne des Wortes dienen. WaS biSber von den Ergebnissen der Untersuchung ver lautet hat, geht dabin, daß überwiegend eine Reform deSBörsen- wesenS im Allgemeinen weder als notbwendig noch als durch sührbar bezeichnet worden ist. Der Fall Low» widerspricht dieser Auffassung nicht geradezu, die Börse al« solche batte mit Herrn Löwy nichts zu schaffen, sie bat ibn „anSgcspicn", wie der Staatsanwalt sich auSdrücktc. Der vielbekannte Inhaber der „Commanditgesellschaft Hugo Löwy" bat in der Tbat auf der Berliner Börse niemals weder Eredit noch ein selbst für Leute seines Schlags schätzenSwertbes Eristenzmininiuin an Achtung genossen. Aus der Börse hat Löwy auch nicht gesündigt, sondern durch die Börse. Daß er und zahl reiche Andere zur ärgsten Schädigung des BolkswoblstandcS das konnten und können, ist aber auch eine „Börscnfrage". Der Göttinger Professor G. Eohn ist im vorigen Winter, al- die großen Berliner Bankkrache die allgemeine Aufmerk samkeit in besonders hohem Grate auf die Börse gelenkt hatten, in einer Erörterung tiefer Frage zu dem Schluß gekommen, daß die Börse ein unentbehrliches Glied in unserem wirthschastlichcu Organismus bilde, daß mit der Börse auch die herrschende Wirthschaftsordnuna unfehlbar Zusammen stürzen müsse. Der angesehene Nationalökonom gab der Ansicht Ausdruck, daß der weitverbreitet? und tirf- gewurzelte Haß gegen diese notbwendige Institution nicht verdient sei und ihr eigentlich auch nicht gelte, sondern jenen Elementen, welche wirthschaftlich und intellecturll zu Börsengeschäften absolut ungeeignete BevölkerungSswichten mit der Börse in Berbindnng dringen, mit andere» Worte», den Mittelstand zum Börscnspiel ver locken. Hierin rrblickt Eobn eine unermeßliche Gefahr, und gesetzliche Abwehrmittel gegen diesen Krebsschaden am nationalen WirthschaftSkörper erscheinen ihm geboten. Solche gesetzliche Cchutzmaßrcgeln existiren noch nicht, und deshalb gälte der Vertbeidiger des Löwy, eines typischen Vertreters jener Schädlinge dcS Mittelstandes, Recht, wenn er b-tontc, daß moralische Verwerflichkeit und volkSwirthschafllichc Gefährlich krit, wenn diese Eigenschaften im Verfahren Löwy'S ge sunden werden sollten, ihm nicht angerechnet werden dürsten, insoweit er tein bestehendes Strafgesetz verletzt hade Der Bertbeidiger ist aber darüber binauSgegangcn, er hat das Treiben seines Clienten auch sittlich zu rechtfertigen versucht und den Staatöanwalt verspottet, der „so viel Mitleid mit den armen Fliegen habe", die der Spinne (in diesem Falle seinem Clienten) in» Retz geratbcn „Rein", so rief der Anwalt mit Emphase aus, „wenn die Motten zum Licht binflattern, ist e» ihnen ganz recht, wenn sie sich verbrennen, und wenn Einer das Feuer schürt, indem er sich zum Blasebalg macht, so ist ihm daraus doch kein de sonverer Vorwurf zu machen. Der Herr Staatöanwalt bat daS Wort „Remissier" in seiner liebenswürdigen objec- tiven Weise mit „Schlepper" übersetzt, während doch die Sonnabend bekannteren Worte „Agent" oder „Acquisiteur" ibm auch z» Gebote stanken. Nun gut: Sollte» sich doch die Leute nicht schleppen lassen! Wer gern tanzt, dem ist leicht gepfisscnl... die SchuymannSsrau, welche speculirt, muß die ihr zu gesandten Geschäftsbedingungen lesen." Wir werden mit dieser, dem sociale» Geist unserer Zeit und anch dem Geist der neueren Gesetzgebung Gesicht schlagen den Expcctoration beS Sachwalters nicht rechten, respec- tiren auch daS Zartgefühl, mit dem er für das Gewerbe eines Hugo Löwy den Ramcn eines honellc» BerufSzweiacS beansprucht, wobei sich freilich die Frage nicht unterdrücken läßt, ob der Herr Vertbcidiger cs als ein dem Kuppler an- gelhaneS Unrecht empfindet, wenn man ibn (den Kuppler) so »nd nicht „Agent" oder „Acquisiteur" nennt. Mit Ansichten, wie die vom Vertbeikiger des Herrn Low» vvrgctragenen, muß man einen guten Tbcil de- allgemeinen Strafgesetzbuches und einen noch größeren der Polizeigcsctzgebung als brutale Hindernisse für den „legitimen BelbäligungSIricb" der Klugen, die daS Lickt für die Motte» bis in taS entfernteste Bauern haus strahlen lassen, vcrurlheile». Wie schon bemerkt, der rctnerische Bebels eines Vrr- theidigcrö bietet keinen Grund zur Erregung, wohl aber die Befürchtung, daß sie aus viel geringeren Widerspruch in der Oessenllichkeit stoßen könnten, als dies noch vor einem halben Iabre möglich gewesen. Es bat bereits wieder eine gewisse Gleichgiltigkeit gegen daö Treiben der „Acquisiteure" Platz gegriffen, wobl auö dem Grunde, weil die angendlicklickcn Porsenverbältnissc der Verlockung zum Disfcrenzspielc weniger günstig sind. TaS kann und wird sich bald ändern, die Gleichgiltigkeit könnte aber die Folge baden, baß die Gesetze, welche diese Schädigungen deS Volkswohlstandes und des socialen Friedens unbeirrt lassen, in Kraft bleibe». Die Börseiiiintersuchiing wird ja im Winter ihre Thätigkeit wieder ausiichinen, aber Untersuchungen haben sich schon oft als vorzügliche Schlafmittel für brennende Fragen erwiesen. Der nächste Reichstag wird zwar politisch, nickt aber geschäftlich stark belastet sei», und die Parteien, welche in der letzte» Session durch Initiativanträge die Angelegenheit in Fluß gebrack,l hatten, werten sich die Frage vorzulegen haben, ob sie die Sache »och ei» weiteres Jahr anstebcn lasse» sollen. Tic Schwierigkeit der Lösung ist jedenfalls nicht größer als ihre Dringlichkeit. Es gehen jährlich Tausend von kleinen Vermögen auf der Börse zu Grunde und zwar nicht, weil ihre Besitzer aus Gewinnsucht aus daö Börscnspiel verfallen, sondern weil sic von de» „Acquisiteuren" durch die rasfinirtcstc» Leckmittcl erst zum Umtausch ihrer soliden Anlagcpapicre gegen Spccnlations- papicre und im weiteren Verlaus zum Eingehen reiner Differenzgeschästc vermocht werde». Gesetze, die nickt >»» ganzen werde» können, wird man ans diesem Gebiete noch weniger zu Wege bringe», als aus anderen, auch die Unter scheidung zwischen dem ehrlichen Bankier und bei» gewissenlosen Schlepper wirb sich im Allgemeinen nicht leicht treffen lassen, aber mit einem gewissen Muthe, an dem eS ander» Erwerbs zweigen gegenüber nicht fehlt, müssen sich wenigstens gegen den gröbsten Unfug Vorkehrungen treffen lasse». So z. B. kan» einem irgendwie beschollenen Mann die Erlaubniß zum Betrieb einer Schankwirthsckaft versagt werben. Herr Hugo Löwy hatte den denkbar schlechtesten Lciimund miter seinen ^landcö- genosscn. Charakteristisch dafür ist taS Witzwort eines Börse» manncs, der nach der Aushebung eines Berliner Kaufmanns durch den griechischen Ränder Alhana» »nler allgemeinem Schmunzeln an der Börse erzählte, taS Löscacld sei bei der Eommandile dcö AtbanaS, dem Hause Hugo Löwy angelegt. H. Löwy war auch in Paris bereits gerichtlich vcrnnbeilt; dem also beleumundeten Manne war cö aber »ach dem Staute der Gesetzgebung unverwchrt, ein Bankgeschäft zu errichte» und öffentlich im ganzen Reiche unerfahrene Leute als Kunden anzulocken. 8. October 189L 7" politische Tagesschau. * Leipzig, 8. October. Die „Rationalliberalc Eorrespondenz" schreibt heule: „Es wird uns zuverlässigsl bestätigt, dag von einem Constict zwischen dem preußische» Staalsministerium und dem Reichskanzler über de» Inhalt oder die gcichäittlche Be handlung derMilitairvorlaae nicht die Redesei» kan». Tie ganze Angelegenheit ist de» versasjungsmäßige» Weg gegangen. Daö Staatsministerium halt« seit längerer Zeit Kenntniß von der Vorlage und war lederzeit in der Lage, dielet he aus die Tagesordnung z» letzen." Auch die „Rat.-Lid. Eorr." batte sich, wie man sich er inner» wird, vcn den EonftietSgerüchlcn verwirren lasse», denen wir, unterstützt von unserem Berliner Corrcspen- dcntc», von allem Ansang an cntgcgciigetrctc» sind. Unsere Leser werten das Gefühl der Genugtbunnz, mit dem wir ans unsere Haltnng i» diesem „Streite »in dcS Kaiser- Barl" zurückblicken, und zugleich unsere Freude darüber tbcilen, daß den verwirreiiben Gerüchten endlich der Boken entzogen werte» und die völlig eorrcete geschäftliche Behandlung der so überaus wichtigen Militairvorlage nun mehr feslgcstcllt ist. Vielleicht ist cü aber deck am Platze, zur völligen Ausllärung des Mißverständnisses, welche- daS ganze Unheil ungerichtet hat, noch einige Worte zu sage», solange die Posten des Reichskanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten i» einer Hand vereinigt waren, war cs selbstverständlich, daß der preußische Minister präsident nicht »»r rechtzeitig auch von alle» Präsikial- anlrägcn an den Bniitesrath Kenntniß batte und seine» preußischen MiiiislercoUcgc» diese Kenntniß vermittelte, sondern daß er auch diese College» ossiciell zur Vcraibnng dieser Anträge entlud. Als Graf Eaprioi von der Leitung dcü preußischen Ministeriums zurücktrat, wurden Zweifel darüber laut, ob er mit seinem Nachfolger und besonvcrS auch mit kein preußischen Finanzminislcr in der rechten Fühlung bleiben werde. Und als nun verlautete, er habe die Militairvorlage dein preußischen Ministerium zur „Kenntniß- nabme" vorgclcgt, da stand cö bei jenen Zweiflern fest, daß nicht nur die wüiischciiswertbc Fühlung verloren sei, sondern sogar das preußische Ministerium um seinen legitimen Einfluß gebracht werten solle Man vergaß ganz und gar, daß ein Reichskanzler, der nicht zugleich preußischer Ministerpräsident ist, das preußische Ministerium zur Prüfung einer BundcSrathSvorlagc gar nicht cinladen kan», sondern dies dem preußische» Ministerpräsidenten überlassen muß, und man vergaß es ferner, daß kein Reichskanzler, der auf eine große Vorlage kaS reckte Gewicht legt, so leichtherzig sei» kan», eine rechtzeitige Fühtungiiabmc mit dem preußischen Ministerium über diese Vorlage zu niitcr- lasscn. Daß man den Grafen Caprivi einer solchen Unter lassungssünde für fähig hielt, hat er trotz so mancher Hand lung, die fast allgemeine Mißbilligung findet, nicht verdient; und je offener wir sonst derartige Ha»dl»ngen der Kritik unter werfen, mit um so größerer Entschiedenheit glaubten wir jenen Gerüchten cntgcgcntrctcn zu müssen, die nach »nscrcr Kenntniß der staatsrechtliche» Verhältnisse und der in Betracht kvminendcn Personen eine lhatsächlichc Unterlage nicht habe» konnten. Was die preußische Negierung niit ihrer vom Grasen Caprivi inauguririen VersöhnungSpolitik den Polen gegenüber erreicht hat, lehrt der nachstehende Erguß de» „Dzienn. Poz.": „Wir bekenne», daß wir mit Sehnsucht nach handgreislichen Zeichen einer geänderten Politik, nicht als einer Gnade und einseitiger Concessione», sondern als Gewährung eines uns z»- slchcnde» Rechtes ansschauen. Tie bekaniilc Reihe gesetzlicher u»b ndniinistraliver Verordnungen hat nach Grundsätze» brutaler Gewalt, Betrügerei »nd elender Rabulistik uns den vor züglichste» Tbcil unserer bürgerliche» Rechte genommen, »ns in eine Ausnahmestellung gebracht, uns >» dein enivsindsamsten Innern unseres Gesichts betrogen. Alte diese Berordnuiigen bestehen bis zu diesem Augenblicke »»verändert, »»d so lange sie bestehen, ge statten sie nicht, »ns zu entwickeln und durch dass.: zu con- sotidircn, was für uns zum vollen bürgerlichen Lebe. i:n Staate erforderlich ist." Die zügellos frechen Worte über die „brntaie Gewalt, Betrügerei unk elende Rabulistik", worunter taS Polentbnin in Preußen zu leiben bade, verdienen keine Wiberlcgung: deutlich tragen sic für Jeden, der die tbatsäcklichen Verhält nisse kennt, den Stempel gehässiger, vcrbctz»»gssück>liger Ent- stellung der Tinge und Gründe auf der Stirn. Was den Uilinnik der polnische» Hetzpresse unb Derer, von denen sie ibre Eingebungen empfängt, erregt, ist — wie die „V. Z." treffend bemerkt — einzig bie Tkatsache, daß sich der preußische Staat bisher nicht der Abwebrmittcl gegen die Slawisirung einer östliche» Provinzen und gegen tie planmäßige Er ziehung der Bevöllcrung im Sinne der großpolniiche» Zn- kiiiislSträunie begebe» bat. Uns können derartige maßlose Ausfälle gegen bas deutsche Regiment nur erwünscht sein. Denn sic erscheinen nothwentig, aber auch geeignet, uni der gegenwärtige» Regierung den Irrlbum zu benehmen, als ob „versöhnende" Nachgiebigkeit da am Platze sei, ivo rast lose tculschfeindtiche Wühlarbeit wachsame Strenge zur Pflicht macht. ES ist begreiflich, baß die Nom reise des bäuerischen Ministerpräsidenten Freiherr» von Crailsheim ver schiedenartige Bcurthcilung erfahre» hat. Die Reise halte, wen» man ncucrcn ans Rom cingcgangencn Miltbeituiigen Glauben schenken bars, keinen politischen Zweck. Frei herr von Crailsheim begab sich ans einen Monat ans Urlaub nach Italien und bcsnchle mit seiner Tochter Rom, Neapel »nd Sieilicn. In Rom stattete er zuerst den italienischen Ministern einen Besuch ab» bernach wurde er in diu- slündigcr Audienz vom Papst cmpsaiigcn und machte später seine Aufwartung dein Cardinal Rampolla. Ter Valican erhob leine Schwierigkeiten, den Freiherr» v. Crails heim »ach seinem Besuche bei den italiciiischr» Ministern zu cmpsangen, obgleich er Protestant ist; der heilige Stuhl ist in dem Falle nicht so streng. Hohe katho lische Persönlichkeiten sind es, tie er zu cmpsangen sich weigert, wenn sie vorher von den ossicicllcn Würdenträgern Italien» enipsangen worden waren. Herr von Crailsheim bat sich freilich mit dem Papste von den zwischen Bauer» und dem heiligen Stuhl schwebenden Fragen »nterbalten, aber cs ban delte sich nicht darum, wie behauptet werden, die Nuntiatur des Papstes in Bayer» zu einer vom Range erster Classe zu erbeben. In Wirtlichkeit ist ei» solcher Schritt »n- inöglich, so lange die Legatio» Preußens und die Legalion BaucriiS beim heiligen Stuhle nicht den Rang einer Bot schast habe». Allein weder Preußen noch Bayern hat die Absicht, beim Papste Botschafter zu criiemicu. Wir haben schon gemeldet, daß die „Nene Frei Presse" die Richtigkeit ihrer Millhcil»iigcn über im Scbooße des ungarischen Ministeriums auSgebrochene ernste MeinuligSvcrschicdeiikcitc» gegenüber einem osfieiösen Dementi aufrecht erhält. Daß die Sache in der Tbat einen ernsteren Hintergrund bat, darüber liegen bcntc verschiedene Nachrichten vor. So meldet ein Berichterstatter der „Voss. Zlg.", es sei zwar wabr, daß der Constict noch nicht auS- gebrochen »nd auch nech nicht vor de»-König gebracht worden sei, indessen könne nicht daran gcnveisclt werden, daß liefgebcnke McinungSverschickcnbcitc» obwalte», da Graf S zaparn für ein Einlcnkcn sei, während der Culliismiiiistcr C b a ky.Iustizni inister Szitagyi und Finanzminister Wckcrlc gegen zctcs Nack- geben Front machen unb die Einsükrniig der Civilebe und der Civitmatrikctn fordern. Wabrscheinlich bürste der Streit, so bemerkt der Berichterstatter weiter, in irgend einer Form neuerdings bcigclcgt werden, koch sei gewiß, daß diese Frage über de» Bestand des CabinctS entscheiden werde. Unter diesen Umständen gewinnt ein durch Pcstcr Blätter nachgcdrucklcr Artikel ans der Londoner „Contemporary Review" besondere Bedeutung. Der Verfasser soll ein ungarischer Geistlicher sein. Derselbe bekennt srciinütbig, der Papst svrtere von den Feuilleton. Dämmerungen. Roman ln drei Büchern von Rudolf von Gottschall. Nachdruck vrrdotkn. (Fortsetzung.) „ES Wundert mich mir", sagte er, „daß Sie bei Ihren Heldentbaten nicht öfter mit den Gesetzen in Constict gc- rathcn sind." „Ich tbue nicht» Ungesetzliches., ich kenne die Para- grapben und weiß mich danach zu richten. Doch Sie brauchen >a nicht weit zu gehen, Herr RiSpori, um an die rechte Thür z» klopfen. Da ist ja Ihre Tante, Frau Locca.. sie ist steinreich und bat eine schöne Tochter Nora!" „Ich habe sie seil meiner Rückkehr noch nicht gesehen." „Sie ist schlank, groß, hat edle Züge.. da- wissen Sie ja von früher her, aber daS ist alle- jetzt voller, schöner geworden; ich bin sebr uneigennützig, wenn ich Ihnen die- Mädchen empfehle; denn es fällt nicht- dabei für mich ab. Sie haben Zutritt als Vetter! Sollte aber die Wittwe Locca Schwierigkeiten macken . . eS kommt ja anch bei Vettern und Verwandten dergleichen vor, so bin ick vielleicht doch nickt, überflüssig . . dann sind die Liebenden aus Heimlichkeiten angewiesen . . und das gehört in mein Revier." Jetzt ließen sich schwere Schritte hören j es rumorte unter den Möbeln . . sie wurden unsanft beiseite geschoben, wo sie im Wege standen. Der Hausherr drack sich Bahn durch sein zusammengehäufte» Bcsitztbum. Herr Abrabam grüßte RiSpori mit einer gewiffen Herablassung, »nt als er erfuhr, daß dieser rin Anliegen an ibn habe, winkte er ibn ia sein Eabinet. daß durch eine Tapetentbür von dem Waarcn- lagrr getrennt war. Abraham batte nicht- von einem Sbhlock. . er war von stattlicher Gestalt und batte eine vornehme Art» sich zu geben. Er stammte von christlichen Eltern und Groß- ltrr». Sein Haar und Bart waren noch dunkel» seine Wangen etwas geröthct; und so entsprach er in keiner Weise dem Bilde, welche» man sich von einem Wucherer zu machen pflegt, der sein Gewerbe hinter dem Schacher ::>il altem, verstaubtem Kram versteckt. Und bock war er ein Wucherer .. und Enrico konnte bei de» Verhandlungen die Hand merken, welche gewohnt war. ihren Opfern die Keble zn- zuscknüren. Er prüfte die Abschriften dcSHnpotbckcnslande», die gerichtliche, die landschaftliche Taxe und sagte dann, herab lassend wie ein Minister, der einem Schutzbefohlenen einen Beweis seiner Gnabe giebt: „Da» sieht noch leidlich au», wenn nur nicht dem Alles verschlingenden Drachen da oben ein Stall gebaut wäre . . ick meine, bas Laboratorium. ES bleibt ein Wazniß. . die Stelle ist hoch .. die Summe ist bedeutend." Dabei schnippte er mit dem Finger und rückte aus dem Drehsessel bin und her, aus den er sich niedergelassen. Nach dem er so in der Aufregung seiner Würde Einiges vergeben, fand er dieselbe wieder, indem er mit bestimmtem Te» und mit einer gewisse» Feierlichkeit seine Bedingungen dictirlc. „Trcißigtausend Mark . . schreiben wir vicrziglansend .. dann will ich die dreißig zahlen und mich mit fünf Procent begnügen". „O, daS wäre unerhört", rief Enrico aus. „Unerhört? Da kennen Sic die Geschäfte nicht. ES bleibt immer noch unsicher .. eine Gefälligkeit". „Das ist Wucher, Herr Abrabam!" „Keineswegs! Der Wucher betrifft nur die Zinsen. Die Verhandlungen über taS Capital bleiben davon unberührt." „Und das ist Ihr letzte» Wort?" „Mein letztes! Mag der Herr Vater sehen, wo er das Geld austreibl für seine Hexenküche. Er macht wobl Gold . . der Herr Papa! Nun, wenn - fertig ist, werte ich mich dei ihm nielten. Vorläufig wird eS dort nur verspeist unb nickt geboren; ich will mich aber an der Fütterung nicht be- »beiliaen ohne genügende Sicherheit. Ick weiß nicht, ob tie Kub Milch geben wird, unk de-balb gebe ich ihr mein Heu nur, wenn es ordentlich bezahlt wird." Enrico schlug höhere Procente vor, doch vergeben» .. un verrichteter Sache mußte er die Höhle des GeldmanneS verlassen. ') Es blieb ihm jetzt nickt» übrig al» der Gang zu der Tante zu dem er sich schweren Herzen» entschloß. Er wußte, daß sic bereits eine ansehnliche Hypothek au» dem Grundstück des Vaters hatte; eine neue Hypothek würde sic zur Haupt gläubigcrin mack'c» und eine inimcrbin gefährliche Macht in iure Hand legen. Und der Grund, warum er daS fürchtete, hieß Nora. Die» Mädchen halte zu ihm von Kindheit her eine warme Neigung gehegt; er batte dieselbe nicht er witcrt, wen» er auch immer ans freundlichem Fuß mit ibr gestanden. Sie war ibm stets als ein Mädchen von ge winnender Schönheit erschienen; aber eigenwillig und eigen mächtig in ihrem Wese», wie auch die Mutter als eine rück haltlos durchgreifende und zugrcifcnde Frau gefürchtet war. Sein Herz aber gehörte der lieblichen Marie . . wie bedrohlich für ihn, wenn sich der Vater in die Gewalt der reichen Dame begab! Welche Verwicklungen waren da möglich . . welche Anforderungen konnten einmal an den Sob» gestellt werden! Er sah vorahnend seines Hauses Fall und eine Rettung, bei der er und seine Liebe da» Opfer wäre. Und koch, bcr Gang zu Frau Locca war jetzt unvermeidlich geworden. Bald stand er vor dem stattliche» Wobnbause mit den beiden bochsenstrigcn Stockwerken, da» ohne den aufdringlichen Prunk der Faber'schcn Villa einen geschmackvoUcii und vornehme» Eindruck »lackte. Ein Livröebedikiiter sübrte ibn in den EinpfangSsalon, welcher mit Gobelin» geschmückt war, die den Markusplatz in Venedig darsicUten. Daneben war ei» trauliches Boudoir, mit de» prächtigsten südliche» Blumen, die über der Causcnse eine duftige Laube bildeten. Enrico kannte Salon und Boudoir; er war oft genug ei» Gast der Frau Locca gewesen ; und was ibni da ans der Causcnse schon Nora als kleines Mädchen in- Lbr geflüstert, da» waren schalkhafte Neckereien der kleinen Cousine, in denen eine nickt versteckte, sondern offen herzige Zuneigung sich aussprack. Sollte diese vielleicht in den Jahren seiner Abwesenheit gewachsen sein? Doch nein, ein so schöne» und reiche- Mädchen batte gewiß zahl reiche Bewerber gesunden und ein liebedürftigcs Herz verrielh ja schon da» baibwncbsige Kink. Zurrst trat Frau Locca ein, küßte und umarmte den Vetter mit einer Zärtlichkeit, die kalb mütterlich war, halb mit dem ewig Weiblichen, der Zuneigung der Frauen zu junge» schönen Männer», ziisammenhiiig. Frau Locca stammte zwar aus Venedig; doch sic war i» ihrem Wesen eine eckte Römerin, mit scköiigcscknittcne» junonischen Züge», voll und üppig »nd noch jung genug, »in die Leidenschaft zu empfinde», welche die Messaliiien aus dem Palatin schönen Jünglingen eiitgegenbrackte». „Wir habe» Sie schon seit Tagen erwartet", sagte sic, „wie freue ick mich, Sie wiedcrrnscbcn! Und so ganz frisch n»v unvcräiidcrt! Weder der Nebel Altengland» mit seinen Splccngedanken, noch die unendliche Langeweile, die unter dem Slernenbanncr gäknt, bat c» Ihnen angclban Sic sind deutsch geblieben. Wir sind zwar alle aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt; deck bei Ibrer Familie ist » schon lange ber »nd das ausgcimpsic Dcutschtbnm treibt bei Ihnen die schönsten Blülben. Ick n»b meine Tochter, wir haben uns erst später dem schönen Hcimatblande ciitsrcmtct. Setze» Sic sich hier unter die blühende Laube. Hier ist Italien!" Frau Locca plauderte so lebhaft, als sie Beide ans der Causcnse saßen; sic überbäustc ibn so mit verwandtschastlicken Zärtlichkeiten, welche durch die immerhin entfernte Verwandt schaft kaum gerechtscrtigt waren, daß Cnrico aus de» Ge danken kam, die vorsichtige Mutter kabe fick erst ein kleine» «s-lv-ü-töt» mit ibm gesickert, che sic die Tochter hcrbciricf. So konnte er wenigsten» die Gelegenheit benutze», um sein An liegen vorzubringcn. Frau Locca schic» darüber nicht sonderlich zu erschrecken; ehe sie indes; eine Antwort gab, erschien im iLalon Nora » bobc Gestalt, tie offenbar zufällig herein - getreten war. Enrico sprang auf unb eilte ibr entgegen. Nora preßte die Hand auf ihr bochllopienkc» Verz, cbe sie dieselbe ihrem Iugcndgespielc» und Vetter reichte. Er küßte die schöne, seine Hand . . und um zwei durstige Lippen legte sich ein Schmcrzen»zug der Enttäuschung. So waren sie vor drei Jahren nickt geschieden . . batten die Zeit und die Ferne sie einander entfremdet ? Nora freilich war au» einem anmulbigeii Mädchen eine stattliche junge Dame geworden Von ibrer Jugendlichkeit kalte sic nickt» cingebüßt; schlank »nd edel war ibre cNstalt. Tie üppige Fülle der Mutter batte den Adel ibrer Erschei nung nicht beeinträchtigt; Loch alle» Halberschlosscnc, Knospen,
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