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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921018028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892101802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892101802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-18
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Es ist noch in frischer Erinnerung, daß die meisten deutschen Blätter mehrere Wochen lang außer sich waren infolge der Nachricht, daß die Militairvorlage als „ P r ä s i d i a l v o r l a g c" dem preußischen Ministerium zugcaangen seij dadurch, hieß eS, sei dieses Ministerium um seinen legitimen Einfluß aus die Ausgestaltung der Vor lage gebracht. Und beute bringen fast genau dieselben Blätter die Meldung, der Kaiser habe am Sonnabend die Militairvorlage nach dem Anträge deS Reichskanzlers unter zeichnet. Wenn das richtig wäre, so könnte doch die Vorlage nicht bereits vor Wochen als Präsidialvorlage den Ministerien der Einzelstaaten rugegangen sein! Es ist allerdings, da von berufener Seite über die geschäftliche Behandlung der Vor lage nichts verlautet, für die Presse sehr schwer, über die wirkliche Sachlage sich zu oricntircn und das Wahre vom Falschen zu trennen, aber das hätte doch Jedem klar sein niüssen, daß von den beiden erwähnten Nachrichten die eine die andere auSschlicßt. — Je näher übrigens der Zeitpunct der Einbringung der Vorlage im Reichstage rückt, lliil so mehr hält die „freisinnige" Presse es für angezeigt, Vcrmutbungen über die Stellung der nationalliberalen Partei zu der Militairfrage anznstcllen. Dieser Eifer stimmt nicht ganz mit der von derselben Seite stets wieder holten Behauptung, daß die nationalliberale Partei im gegen wärtigen Reichstage für die Entscheidung der Militairfrage gar nichts bedeute. In Wirklichkeit ist sie in dem sehr wahr scheinlichen Falle, daß das Centruin sich spaltet, für ein positives Ergcbniß schlechterdings nicht zu entbehren. Diese Erwägung würde aber gar nicht erst erforderlich sein, um die nationalliberale Partei der bevorstehenden Militairvorlage gegenüber mit deniselbcn patriotische» Ernste zu erfüllen, de» sie in Len entsprechenden kritischen Augenblicken der Vergangenheit stets bewährt hat. Vor Allem vermeidet man cs deshalb aus natioualliberaler Seite, im Voraus zu Vorschlägen Stellung zu nehmen, welche in beglaubigter Form bis jetzt gar nicht und in unbcglaubigter noch recht ungenügend be kannt sind. Tic ganz unerwartet hohen Angaben über die neuen Opfer, welche man dem deutschen Volke zumutbet, laben allerdings auch in den nationalliberalen Kreisen auf das unangenehmste überrascht und die stärksten Zweifel wachgerusen, daß für die Unerlaßlichkeit dieser li^pser eine Begründung gegeben werden könnte, welche die eiilgegenstehenden schwerwiegenden volkswirthschaftlichcn Bedenken zu überwinden vermöchte. Jndeß wird man zunächst abzuwarten haben, in welcher Gestalt die Vor lage aus dem BundeSrathe hervorgcht, und eS wird alsdann Aufgabe deS RcickStatzS sein, unter gewissenhafter Berück sichtigung der volkswirthschastlichen Interessen zu prüfen, bis zu welchem Grade die Mehrleistung für militairische Zwecke als unerläßlich anerkannt werden muß Von vorhinein tie Nothwendigkeit irgend einer Mehrleistung in Abrede zu stellen, wie eS in radicalen Blättern vielfach geschickt, wider spricht einfach den allgemein bekannten europäischen Berbältnissen. Daß gegenüber der Möglichkeit eines Krieges mit zwei Fronten eine erheblich umfassendere Heranziebung der Wehrpflichtigen zur Ausbildung in den Waffen militairisck wünschcnswerlh er scheint, liegt auf der Hand, und jeder Unbefangene ist mit voller Sicherheit darauf gefaßt gewesen, daß am Ende deS laufenden Scptennats eine stärkercAuSnutzungder wachscndenBevölkerungs- ziffer verlangt werden würde. Die Gründe dafür sindNiemandem ein Geheimniß, nur waren sie in der öffentlichen DiScussion etwas in Bergcffenbeit gerathen. Vielleicht bat die ossiciöse Presse ein Interesse daran gehabt, in den letzten Jabren die europäische Lage rosiger darzusteUcn, als sie thatsächlich war; das rächt sich jetzt in der höhnischen Ungläubigkeit, mit der ihreVcrsuche, die be denklichen Seiten der S ituation zu zeichnen, vielfach ausgenommen werden. Bonden nationalliberale» Kreiscnglauben wir behaupten zu dürfen, daß man sich in der Beurtbcilung der inter nationalen Verhältnisse weder durch Optimismus, noch durch Pessimismus bat beeinflussen taffen. Man hat die europäische EonsteUation, soweit sie sich auf absehbare Zeit überblicken läßt, immer als eine recht ernste aufgcsaßt, und unter diesem GesicktSpuncte wird man zweifellos auch die neue Militairvorlage beurtkeilen. Nimmt man hinzu, daß die nationalliberale Partei Eonflicte in Militairfragen schon dem AuSlandc gegenüber stets zu verhüten bestrebt gewesen ist, so bedarf eS nicht erst der Versicherung, daß dieselbe auch jetzt zu einer Verständigung bereit sein wird, wenn eine solche unter genügender Berücksichtigung der wirlhschastlichen Inter essen zu erreichen ist. Die Einberufung des preußischen Landtags auf den neunten November — nicht auf den neunzehnten, wie »ns gestern Abend der Telegraph fälschlich berichtete, — ist jetzt amtlich bekannt gemacht. Eö ist voraussichtlich die letzte Tagung der ersten sünsjährigen GcsetzgebungSperiode. Ungewöhnlich früh tritt der Landtag zusammen und un gewöhnlich groß und bedeutsam ist der ArbcitSstoff, der seiner wartet. Im Miltclpunct steht die Durchführung und, inan man kann wohl sagen, Vollendung der Steile rreform. WaS jetzt den, Landtag vorgeschlagen und hoffentlich zu Stande gebracht werden wird, das wird das Stcucrwcsen Preußens aus Jahrzehnte binaus aus feste und dauernde Grund lagen stellen und die Folgezeit wird höchstens »och Ver besserungen im Einzelnen vorzunchmen haben. Im Allgemeinen wird inan aus den bisherigen Erörterungen über die Steuer reform den Eindruck gewonnen haben, daß die Vorlagen eine überwiegend günstige Stimmung vorsindcn werte» und daß alle Aussicht vorhanden ist, ein befriedigendes, positives Er- ebniß, gestützt durch die Zustimmung einer bedeutenden Nehrhcit der Häuser des Landtags, zu Stande kommen zu sehen. Die Legislaturperiode würbe dann hiermit und mit der Landgemcindcortnung so bedeutsame Ergebnisse bintcrlassen, wie seit langer Zeit keine in Preußen. Im klebrigen wird sich der Landtag, im Himblick aus die große, durch die Steuerreform und die damit zusammen hängende Neuordnung deö Wahlrechts verursachte Arbeit, wvbl nur mit Geschäften zweiten und dritten RangcS zu be fassen babcn, abgesehen vom Staatshaushalt. Es wird eine arbeitsreiche und voraussichtlich langwierige Session werden, die auch manche Hindernisse durch das ausgedehnte gleich zeitige Tagen mit dem Reichstag und die hier bevorstehenden parlamentarischen Kämpfe und Schwierigkeiten zu überwinden haben wird. Man muß eS dem Grafen Kalnoky lassen, er versteht cs bei den Vcrbandtunzcn in den Delegationen in ganz aue- gezeichneter Weise, ein zutreffendes Bild von der Politik, die er verfolgt, und von dem jeweiligen Stand der hierbei in Betracht kommenden Fragen der internationalen Politik zu entrollen. Einen vorzüglichen Eindruck bat wieder die Er klärung hervorgebracht, die Gras Kalnoky über den Dreibund und die allgemeine Lage abgab ein Eindruck, von dem sich einzig und allein die Jungczcchcn und ihr Wortführer Eym, frei wissen. Die Befriedigung dieser Herren zu erlangen, darauf dürfte jedoch Kalnoky ein für allemal verzichten, denn er kann und wird den Preis dafür — Bruck mit dem Dreibund und enges Anlclmen an Rußland und Frankreich — niemals gewähren wollen und können. Wenn etwas im Stande war, den Eindruck der Erklärungen des Leiters der österreichisch-unga rischen auswärtigen Politik noch zu erhöhen, so bewirkten dies die am vcrwichencn Freitag von dem Minister im ungarischen -v ele- aations-Aussckuß gethancn Aeußerungen. daß .die Theil- nehmer an dem Dreibunde in steter freundschaft licher Fühlung sieben, an dem Geiste desselben treu sesthalten und sich in diesen völlig eingelebt haben", worin ein bcachtenSwerther Factor sur alle Eventualitäten enthalten sei und dcSbalb auch der Zukunft mit Beruhigung und vollem Vertrauen entgegengeseben werden könne. Diese Kundgebung hat in den ernstesten Kreisen deö In- und Auslandes die größte Beachtung ge linden. An diplomatischen Stellen wurde derselben eine unqewöbnlicke Tragweite beigemcssen und dies nickt etwa aus dem Grunde, ' weil sie ein Novum zur öffentlichen Kenntniß gekrackt hätte, sondern weil hier in einer bisher kaum dagewcsenen feierlichen Form verkündet worden >ft, daß daS. was allenfalls der Wortlaut der Bündnißverträge offen läßt, durch tie Innigkeit der vertrauensvolle» Be ziehungen zwischen den Verbündeten „für alle Eventualitäten" ersetzt wird. Alle Meldungen aus Paris stimmen darin überein, daß die Lage des Ministeriums Loubel eine sehr schwierige und verwickelte ist. Man erwartet unmittelbar nach dem Zusammentritl der Dcputirtcnkammcr Debatten, welche höchst wahrscheinlich eine Ministerkrisis Hervorrufen werte». Man weiß, daß Loubet regicrungömüdc ist und nichts tbun wird, um sich gegen Angriffe ober Ränke zu halten. Die Gefahr, die dem Ministerium droht, kommt dieses Mal hauptsächlich von de» Gemäßigten, die gegen Loubet aufgebracht sind, weil sie seine Haltung gegen die Carmauxcr Ruhestörer viel zu lau und unentschieden finden. Die Radicalen werden vielleicht auch heftig reden, aber nicht gegen Loubet stimmen, denn sie wollen seinen Sturz nicht. Der Führer der Schutzzollpartci, MSline, ar beitet hinter den Eoulissen, und da diese Partei über die Majorität in der Kammer verfügt, so ist in der Tkat das Ministerium gefährdet. Möline ist eS lieber, daS Ministerium fällt iu der Car««»Lfr»ge, als wegen de» schweizerischen Handelsvertrages. Dieser würde mit dem Cabinet zugleich verschwinden und Möline wäre der Verantwortlichkeit cnt- boben, durch Verwerfung des Vertrages da» besreundete Schweizervolk vor den Kopf zu stoßen. Nach heute vorliegenden Meldungen sind die diplo malischen Beziehungen zwischen Griechenland und Rumänien abgebrochen worden. Die russische Ge sandtschaft in Bukarest hat die Bertretung der griechischen Interessen übernommen. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern erfolgte von griechischer Seite, weil Rumänien sich weigerte, den Spruch eines Schiedsgerichtes in der ZappaS'schcn Erbschafts- Angelegenheit anzuerkennen. Bor mehreren Jahren starb in Rumänien der griechische Millionair ZappaS, welcher sein Bermögen dem griechischen Staate für bestimmte Zwecke vermachte. Die rumänische Regierung ver weigerte die AuSfolaung, da nach den Landesgesetzen ein fremder Staat als solcher nickt Erbe sein könne. Es kam zu einen, längeren Notenwechsel und schließlich zur Ent scheidung durch die rumänischen Gerichte. In allen Instanzen wurde die Auffassung der Bukarcstcr Regierung bestätigt worauf daS Athener Cabinc» eine schiedsrichterliche Ent scheidung vorscklug und, als diese von Rumänien abgelehnt wurde, den erwähnten Schritt vollzog. Die „Agencc Roumainc" schreibt über denselben: Der Beschluß der griechischen Regierung, die diplomatischen Beziehungen zu Rumänien abzubrechen, sei in keiner Weise gerecht st rtigt. Tie rumänische Regierung müsse die Ordnung der das Testament ZappaS' betreffenden Fragen den rumä nischen Gerichten überlassen, welche allein competent seien in Sachen des in Rumänien gelegenen unbeweglichen Eigen tbumS rechtzusprechen. Sie müsse dies um so mehr» al« in dieser Angelegenheit bei den rumänischen Gerichten seiten» ablrcichcr legitimer Erben deS Verstorbenen daS Ansuchen um IliigiltigkcitSerllärung deS Testamente» desselben anhängig seien. Die rumänische Regierung sei daher nicht berechtigt gewesen, auf einen Vergleich oder einen SchiedS- pruck kinzugchcii. Der bei den Gerichten schwebende Prvceß werde dcSbalb seinen weiteren Lauf nehmen und bereits am »l. Letobcr vor dem CassationShof in Bukarest zur Ver handlung kommen. In Persien hatte bekanntlich die Einführung de» Taba kn, Duopols ausgegebcn werden müssen und zwar wegen des erbitterten Widerstandes der Bevölkerung. Um der betreffenden englischen Gesellschaft die gezahlten Gelder zurückcrstatten zu können, bat die persische Regierung neuer dings einen anderen Ausweg, als den bisher gemeldeten, gr ünden. Rach einem Drabtbericht der „Times" aus Teheran wurde zwischen der persischen Regierung und der Pariser „Sociötö de Tabac" in Konstantinopel ein Abkommen ge troffen, kraft dessen letztere für die Erlangung größerer Er- leickterungcn für die TabakauSfuhr au« Persien der Re gierung 150 000 Lstlr. in 25 Jahresraten zahlt, deren erste im November fällig ist. Der englische Gesandte in Rio de Janeiro berichtet dem Londoner Foreign Office, daß die brasilianische Regierung sich mit dem Plan trägt, die Einwanderung nach Brasilien im größten Stile zu oraanisiren. ES ist zwischen der Regierung und einer Privatgesell- chast ein Bcrtrag über die Lieferung von nicht weniger als einer Million europäischer Einwanderer geschloffen worden. Laut 8- des Vertrages sollen die Leute nach den drei Plätzen Pernambuco, Bahia und Victoria ge liefert werden, welche sämmtlich in dem subtropischen Strich der brasilianischen Küste liegen. Dieser Umstand genügt, um daS ganze Unternehmen als ein für AuS- wandcruugSlusUH« i« höchst«» Grab« »erdächtiß«« er scheinen zu lassen, dem gegenüber ein Hinweis auf die zahl reichen früheren behördlichen Warnungen vor den Umtrncben brasilianischer Auswanderungsagenten sich vollständig recht fertigt. Seit dem Sturze des Kaiserreichs sind die VerhÄt- niffc Brasiliens noch unerquicklicher geworden, so daß hundert zeaen eins zu wetten ist, daß, wer etwa durch die in Rede Icycnde Manipulation sich cinsangcn lassen sollte, in Brasilien seiuem sicheren Ruin verfallen wird. Deutsches Reich. 88 Berlin, N. October. Es bestätigt sick, baß die Ein berufung deS Reichstags für den 22. November in Aus sicht genommen ist, wenn auch der Termin erst in etwa vier zehn Tatzen endailtig festgesetzt werden soll. Wann aber die Militairvorlage dem Reichstage zugeben wird, ist noch nicht vorherzusagen, und die Meldung, daß dies zugleich mit dem ReichshauShaltSctat geschehen solle, dürfte wobt nur aus einer Vermuthuug beruhen. Denn formell ist die Mili- tairvorlagc dem BundeSrathe bis zur Stunde nochnichtz u ge gangen, und wenn sie auch, wie wir bereit» vor mehreren Wochen mitgetheilt, ibrcm Inhalt nach längst allen Bundesregierungen und deren Vertretern beim BundeS- rath bekannt ist, so muß sie — einschließlich der erst nachträglich ausgearbeiteten Begründung — dem BundeSrath doch noch in aller Form zugcben. Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß sic von dem Plenum dem Heeres- und dem Finanz- Ausschuß zur Vorprüfung überwiesen wird, und wenn sic am 22. November bereit« an'den Reichstag gelangen soll, dürfte die Einbringung an den BundeSrath nicht mehr lange verzögert werden können. — Heute war der Ausschuß deS 'BundeSrath« für Handel und Verkehr zusammcngetreten, Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 151 Nachdruck verton». (Fortsetzung.) „Nicht vor Ihnen .. vor mir selbst! O Sie wissen nicht, wie eS in mir auSsieht . . mir ist nur wohl, wenn ich die Menschen wie Schatten an mir vorübergleiten lasse, wenn ich in daS Leben, in die Welt mit stumpfer Gleichgiltigkeit blicke» kenn, als ginge mich da» Alles nichts an, als weilt' ich nicht mit unter den lebenden Wesen. . doch ich lebe ja, und ick muß arbeiten, um zu leben. DaS aber Hab' ich schon erreicht, daß mir deS Tages Arbeit eine glcichgiltigc ist, ohne Freude, ebne Aerger und Verdruß! Nichts macht meine Pulse höber schlagen .. Der Beifall vermag dies ebensowenig, wie irgend eine Aeußerung deS Mißfallens. Und diese klanglose und farblose Ocde meines Innern giebt mir ein Gefühl von Behagen und Sicherheit . . ich will wie eine Blinde durck'S Dunkel wandeln! Würde ick die Augen öffnen, so würde mich Schwindel und Schreck erfassen vor den erdrückenden Gewalten der Erde." „Nun . . und daS ist jetzt ander- geworden?" „Ich hatte ein Gcfübl stiller Neigung . . nennen Sie eS Liebe . . meinetwegen! Doch diese Liebe beruhigte mich . . e» war nur etwa« Sonnenschein für die vorüberziehende Schattenwelt . . aber eS war kein Sehnen, kein Begehren, keine Qual des Wünschen» und Wollen-, War der Freund >n meiner Nabe, so war mir unendlich wohl zu Muthe; war er fern, so dachte ich sein mil stillem Dankgesuhl, mit freund licher Erinnerung." „Und nun . . ich wiederhole meine Frage . . hat sich das Alle» geändert?" ,,E« soll sich nicht ändern . . ich will e» nicht . . ich sträube micb dagegen." „Und jo darf ich wohl auf mich die Schuld nehmen dieser für mich so verheißungsvollen Unruhe? So hat meine glühende Tbeilnahmc für Sie auch in Ihnen warmen Antheil erweckt und Sie sebenS nickt glcickgiltig mit an, wenn ein einsamer Wanderer wie ich Ihnen begegnet auf dem verlassenen Pfade und Ihnen die Hand reichen will, um gemeinsam diejStraße weiter zu ziehen?" „Glcickgiltig . . daS ist'S ja eben", versetzte Teresa vom Sopha ausjpringcnd, obne in Lotbar'S dargebotene Hand die ihrige gelegt zu haben, „gleichgültig . . nein! Ich bekenn' cs offen, Sie reiße» mich an« meiner Bahn! Doch ich liebe Sic nicht, ick baffe Sic vielleicht; aber auch dieser Haß bringt mein Blut in Wallung, wirft mich heraus aus ruhigem LebcnSglcise, aus diesem ausgefahrenen Gleise, in welchem sich von Tag zu Tag der Karren fortschleppt. Gewiß, ich Haffe Sie!" „Dock womit Hab' ich diesen Haß verdient?" „Damit, daß Sie sich in meine Nähe gedrängt, daß Sie sind, wie Sic sind . . ein Dämon. Oft Hort' ich von dem gespenstigen Geiger Paganini: er war ein lang fingriger Zappelniann, aber er war auch ein Zauberer, welcher in diese vier Saiten ein unheimliches Leben hauchte. Da schossen die Töne Purzelbäume, herauf, her nieder; ein ganzer Carneval brauste mit kecken MaSkenschcrzcn herüber, hinüber; dazwischen aber klagte unendliche Sehnsucht und der stille Schmerz wurde hincingerisscn in den wilden Taumel . . da» war Zauberei . . der Wundcrbogen weckte diese Welt von Tönen . . ach, so ist mirS zu Muthe in Ihrer Nähe. Ein Gesiihl von Grauen vor dem Anstifter dieses Earncvals in mir — Sehnsucht, Verwirrung, Taumel . . alles, was ich meiden, WaS ich fliehen wollte." Jetzt erhob sich auch Lothar: „Sie irren, ich bin nicht die Schlange, welche da» Vöglcin bannt! Sie bannen mich nicht weniger. . eS sind unsere Seelen, die sich gefunden haben, arme, verlorene Seelen, am Kocyto» irrend, wie der Dichter sagt, und doch noch einmal erlöst a»S der Schattenwclt und sei'» zum Taumel de» Glücks. So lieb' ich Sie . . so lieb' ich Dich . . und ich sühl'S, so erwiderst D» meine Liebe. In göttlicher Trunkeubcit, in heiligem Rausche hinweggezebrt de» Leben« Druck und cnd lose Langeweile . . einen Augenblick deS Glück» abgcrungen dieser glücklosen Oede de» Dasein« . . zwei Flammen, die sich suchen und finden über der zerstäubenden Asche eines ausgebrannten Lebens." Und er schloß sie in seine Arme und drückte einen glühenden Kuß auf ihre Lippen. Sie ließ eS geschehen . . willenlos . . eS war ihr Ver- kängniß. Wie oft hatte sie als schöne Helena die Hand deS Verhängnisses verspotten müssen . . sie bereute fast diesen Spott . . eS gab ein uncntfliehbareS Schicksal. Alles war in ihr wachzcstürmt; sie erkannte sich selbst nicht wieder . . ihr Herz klopfte, ihre Pulse flogen, doch sie war sprachlos; die plötzliche Anwandlung hatte ihr Sin» und Wort geraubt. „Doch so fern dürfen wir einander nicht bleiben wie bis her — und in Deiner Klause Dich aufzusuchcn . ." „Die Verwandten werden eS nicht zugeben", flüsterte sic. „Es ist auch dort zuviel Familienglück für freie Geister .. Nein, nein . . wir iiiüsseu uns ungestört sehen. Frau Abraham wird Rath sckaffen . . die Dame sieht ganz aus wie eine Vorsehung der Liebe. Wir haben unS viel, unendlich viel zu sagen . . denn wir sind nicht, wie die andern, die da» Verbum lieben! nach jeder Grammatik regelmäßig auch conjugircn. Bei unS gehört eS zu den unregelmäßigen Verben! Wir feiern den Triumph der Weltveracktnng i» den Bacchanalien des Entzückens." Sie merkte nickt, daß Lothar sich schon mehr in einem Romancapitel als in der Wirklichkeit befand, daß er sein Gefühl in den Qualm und Schwulst seiner Dichtweise übertrug: sie stand unter dein Banne seines Wesens und war mit berauscht von seiner Trunkenheit. „Du kommst, wenn ich Dir schreibe?" fragte er. Sie nickte zustimmend und verbarg ihr Köpfchen an seiner Brust. Doch e» war Zeit, den anderen in den Nachbar salon zu folgen. Hier sah eS bunt genug au«. Zwischen den älteren und jungen Damen eingesprenkeltc Herren, die kamen und wieder gingen. Diesem oder jenem merkte man große Aufregung ai, Schweißtropfen aus der Stirne, blasse Züge, krampfbast zitternde Hände. Selbst der Bankier Sciter fuhr sich mehrmals mit dem Schnupftuch über die Stirne und seufzte, und als da» blaue Wunder ihn nach der Ursache seiner Sckwcrniutb fragte, sagte der ältere Herr mit schmerzlickcm GesichtSauSdruck: „Tu bist Schuld daran, mein Engel! Du kennst ja da» Sprichwort: Unglück im Kartenspiel.. doch eS gilt corriger la loilunvN Und damit verschwand er wieder durch die Eorridorthür. „WaS haben denn diese Herren?" fragte Lotbar, „gewiß eine Sitzung . . eine politische Debatte! Zuckersteuer. . Rc»chöanlcibc für die Eolonien!" „Ach, sind Sie grün", sagte Frl. Blau, mit den Achseln zuckend, ,,i» den Hintcrziniiiicru ist ein großer Spielsalon . . und die kier so angescujzt kominen . . das sind die fast oder ganz rninirten Spieler." Oii diesem Augenblicke ertönte vom Corridor herüber ein wilder Lärm. Die Donnerstimme des Grafen Fchrenthal machte sich vernehmbar. Die Tbür deS Salons wurde auf- gerissen und herein stürzten in großer Aufregung mehrere fashionable Herren anS dem Kreise der SportSmen. „Er bat wieder seinen Ansall", ries der Eine. Der Graf trat ein, blutroth im Gesicht, mit funkelnden Auge». „Sie haben falsch gespielt, Baron Born . . ich kann'« nicht beweisen, aber ick weiß eS." „Sic werken mir Rede sieben", ries der junge elegante Baron, der allerdings aus dem Spiel ei» Metier machte, dem eS im Uebrigcn nicht an Scyneitigkcit fehlte. „Gewiß . . da ick'S nicht beweisen kann . . doch daS Wetter soll in diese Spielhöllen schlagen! Daß man so wenig Zerstreuung in der Welt Kat. um stets wieder dem Spiel teufel zu verfallen. Hallunkengesinkel! Man sollte da» ganze Nest ausbeben und zertreten." Der Gras sah a»s wie ein nordischer Berserker . . di« Hünengestalt drohte mächtig Alles ringsum zu zerschmettern . . seine Fäuste waren geballt . . und ein Zucken überlief dir riesigen Glieder. „Ab, die Damen", sagte er, wie anS einem Traum er wachend und sick gewaltsam bezwingend. Schon stand Frau Abrakam neben ibm. „Folgen Sie mir in mein Boudoir, Herr Gras! Ich habe Ihnen eine Mittb»>>»»o r»
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