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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921021020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892102102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892102102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-21
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Mts. habe man von einer „eigentlichen Militairvorlage" noch nicht sprechen können, bis dabin habe der Reichskanzler, um bei dein bestehenden Plane mit den finanziell niedrigsten An sätzen vor den Reichstag treten zu können, selbst jeden Posten controlirt und alle- nicht unbedingt Rolhwendige entfernt, so daß die Borlage zwar in ihren principicllcn Grundlagen un verändert geblieben sei, aber doch „Abänderungen in der Richtung einer Hcrabminderung des Bedarfs" erfahren labe. Und heule belklupten diese selben „Berl. Pol. Nachr.", daß der gestern dem Bundesrathe zur Beschlußfassung unter breitete Gesetzentwurf „sich von dem im August bereits auS- zearbeiteten in irgend welchen wesentlichen Punclen nicht unterscheide." Die Beruhigung, welche der Hinweis auf eine Abänderung deS ursprünglichen Ent wurfs in der Richtung einer Hcrabminderung deS Bedarfs liier und da erzeugt hatte, ist also der so nöthigen Abwechse lung halber wieder beseitigt. Ucbrigcns bat das, was die „Berl. Polit. Nachr." gestern über die Entslehung des Ent wurfes und zu seiner Empfehlung beibracblen, einen an genehmen Eindruck nur in solchen Kreisen gemacht, die rS gern hören, wenn behauptet wirb, Graf Eaprivi habe Fehler verbessert, die sein großer Vorgänger gemacht. In anderen Kreisen dagegen hat gerade der Versuch, den Fürsten Biömarck zum Vater eines Entwurfes zu stempeln, den sein Nachfolger auö liebevoller Rücksicht auf baS Volk gründlich verändert und beschnitten habe, sehr unangenehm berührt und die Erinnerung an die Stellung wachgcruscn, die der jetzige Reichskanzler noch am 2?. November vorigen Jahres im Reichstage allen auf bedeutende Mehreinstellungen gerichteten Plänen gegenüber eingenommen hat. So schreibt unser Berliner ss-Evrrespondcnt: „Der nunmehr dem Bundesrathe zugegangenen Militairvorlage ist für die Oeffcntlichkett eine osficiös« Lebensdeichreibung und Em- pschiung mit auf den Weg gegeben worden. Die Mehrkosten werden auf 57 Millionen im ersten Jahre und aus 65 Millionen im Beharrungszustande angegeben. Das ist — nach dein osficivsen Kommentar — nicht viel, sondern ancrkennenswerth wenig. Denn — unter dem Fürsten Bismarck hätte die Salbe das Doppelte gekostet. Graf Laprivi fand nämlich, so wird in dem Begleit schein erzählt, bei seinem Amtsantritt einen „im Einvcrstänbniß mit dem Fürsten BiSmarck, Berdy und Waldersec auS- gearbetten" Entwurf vor, welcher die dreijährige Dienstzeit deibehtelt und das Doppelte der Mehrkosten verursacht hätte, di» Ära) Eaprivi heute fordert. Hier haben wir also diejenige cnptutiu bsuevolenliao, die nach der Meinung der Regierung heule am meisten „zieht". Die Regierung täuscht sich aber hierin. Es mag ja Manchem ein Gefühl der Äenugthuung bereiten, daß irgend eine Sache so ganz anders gemacht werden soll, wie sie — angeblich — der gehaßte erste Kanzler ungefaßt wissen wollte. Aber zwischen der Bewilligung von 65 Millionen jährlich und beispielsweise der kostenlosen und weithin populären Beseitigung d«S SocialistengesctzeS ist ein gewaltiger Unterschied. Indem ist, so lange nicht besseres Material als der osficiöse Artikel beigebracht wird, die Darstellung, wonach Gras Caprivt dem deutschen Volke jährlich 65 Millionen erspart, die Fürst Bismarck von ihm gefordert hätte, als un« glaubwürdig zurückzuweisen. War es wirklich ein „Entwurf", was Graf Eaprivi vorfand, und wa§ heißt überhaupt ein „im Einverstäudniß mit Bismarck, Berdy, Waldersee auSgearbeileter Entwurf'?" Höchst wahrscheinlich handelt es sich um Vorarbeiten zu einem Entwurf, die im Einvernehmen mit dem Fürste» Bismarck dem Generalstab aufgetragen worden waren. Jedenfalls wagt auch die ossicivse Empfehlung der Militairvorlage und des Grasen Laprivi nicht zu behaupten, daß da- von Letzterem Vorgefundene die Genehmigung des Fürsten BiSmarck erhallen hätte. Wenn der frühere Kanzler — durchaus im Rahmen der bestehenden Organisation — in die Mrhrsorderung von 18000 Mann für baS Jahr 1890 willigte, so engagirte er sich keineswegs für weitere „Raten", die die Militatrs in Aussicht genommen hotten. Daß Gras Laprivi also «inen von seinem Vorgänger angehäustcn Loaflictsloss au« der Welt geschasst, kann trotz der osficiü'en Verhetzung zunächst nicht alS richtig erachtet werden, wodurch der osficiös erhobene Ampruch aus „Ane» kennmig" entfällt. Hat nun aber der fetzige Reichskanzler bei seinem Amtsantritt bächst wahrscheinlich nicht einen fernggeslellicii und ge« nelstnigten Plan vorgesunden, so ist er doch zweifellos in de» militairischcn Kreisen aus die Absicht großer Truvvenvermebrunge» gestoßen. Er selbst verdichtet jetzt, im Oktober 1892, amtlich Liese Absichten zu einem Entwurf — wie in aller Weit vermag er die Sprache zu rechtfertige», in der er im November 1891 alle auf bedeutende Mehreinstellung gerichteten Pläne vcrurthetlt hat'? Warum stebt davvn nichts i» dem langen offieiösen Begleitschreiben? Was damals als Sport ausrangirier Ossicicre dem Hohngeiächier preisgcgeben wurde, wird heule der „vatrio« tischen Einsicht der Parteien und jedes Staatsbürgers" zur Annahme empfohlen. Wem sollen die Parteien und Llaalsbürger glauben, dem Grasen Laprivi von heute oder dem Grasen Laprivi vom vergangenen Jahr? Wir sind durchanS nicht der Meinung, daß man einem zu bänfigem rednerischen Austreien ainllich gezwungenen Staatsmann »des früher einmal gesprochene Wort bei jeder Gelegenheit vorrückcn dürfe, aber nach Zeit »nd Umständen erscheint der Wider spruch, in den sich der Kanzler und General mit sich leidst gesetzt hat, zu craß, ui» dem Appell an den Patriotismus senk Wirkung zu sicher», die sein Vorgänger in ähnlichen Lagen erzielt hat. Jeden« falls muß eS sofort zurückgewiesen werde», wenn ein „Feilschen" über die Vorlage mit dem Hinweis aus das Ausland alS bedenklich bezeichnet, d. h. die e» blue - Annahme der Vor lage als ein Postulat der Vaterlandsliebe hingeslellt wird. Um mit solchen großen Worten Eindruck zu mache», muß man, von ander» wichtige» Dingen abgesehen, vor Allem eine größere Autorität besitzen, als die gegenwärtige Regierung sie sich zu ver« schasse» gewußt hat." Wir können diesen Ausführungen nur znstimmen. Laß sie wie so vieles Andere, waS die Aussichl ans eine fried liche Einigung über die Militairfrage trübt, provocirt worden ist, bat Graf Eaprivi hauptsächlich der maßlos ungeschickten Weise zuzuschrcibcn, mit der seine Prcßtrabantcn ihm „Vor arbeiten". Von großen handelspolitischen Erörterungen wird sich der Reichstag, wie man erwarte» darr, in der bevor» siebenden Session ziemlich frcihalten. Es liegt dazu kaum ein Anlaß vor, und einen solchen künstlich hcrbcizuziebcn. dürfte auch nirgends viel Lust herrschen. Was von Vorlagen auf diesem Gebiet zu erwarten steht, ist nicht geeignet, große Kämpfe zu entfesseln. Die Handelsverträge mit über seeischen Ländern, deren Vorlage erwartet werden darf, sind untergeordneten Ranges. Stärker würde natür lich ein Abkommen mit Rußland die wirtlsschastlicüeii Interessen Deutschlands berühren; allein dasselbe siebt offen bar noch in weitem Felde, und ebenso ist cs noch zweifelhaft, ob definitive Vereinbarungen mit Rumänien und Spanien bis zum 1. Dccembcr zu Stande koinnic» werden. Bis zu diesem Tage ist bekanntlich das Gesetz giltig, wodurch der BundeSratb ermächtigt wirk, die ermäßigten Tarifsätze der neuen Handelsverträge auch solchen Staaten zu gewähren, die einen Anspruch aus Meistbegünstigung nickt haben. Voraussichtlich wird daher eine Verlängerung der Dauer dieses Gesetzes vorgeschlagen werden und schwerlich Widerspruch finden. Die wobltbätige Wirkung der Handels Verträge, die stets auch von gegnerischer Seile trotz vielfacher Bedenken anerkannt wurde, zeigt sich darin, daß in unsere handelspolitischen Verbälknisse für eine Reibe ve» Jabrcn mehr Rübe und Beständigkeit eingczogen ist, daß gerade die Hölle, welche die heftigsten wirthschafllichcn Gegensätze und Kämpfe hervorgerufen hatten, auf längere „»seit gebunden und dadurch einem Streit um praktische Ziele vorläufig entzogen sind. Niemand wird bedauern, daß unsere parlamentarischen Debatte», für die obncbin überreichlicher Zündstoff verbanden ist, von diesem aufregenden Gegenstand niebr, als cs in früheren Sessionen der Fall war, verschont bleiben werken. Eine nicht gerade überraschende, aber bockst bedeutsame Nachricht liegt heute aus Spanien vor. Ter „Magdcb. Zig." wird nämlich aus Madrid vom 20. d. telegraphisch geincldcl: „Ein Vertreter der Regierung begab sich gestern zum Vor« sitzende» des spanischen katbolikencongresscS »nd erttartc ihm, die Regierung könne Kundgebungen zu Gunsten der weltliche» Herrschaft des Papstes mit Rücksicht ans Italien nicht dulde». Eine Wiederholung dieser Kund gebungen würde die Regierung zur Auflösung des Eoiigresse- zwinaen." Solche Rücksichten nimmt die katholische spanische Regie rung, die mit Italien durch kein Bündniß vereinigt ist, ans diesen Slaak, während in Deutschland die ultramontane Agitation zu Gunsten der weltlichen Herrschaft des Papiles trotz deS Dreibundes nicht nur geduldet,^sondern auch noch von den Ossieiösen als die harmloseste Sacke der Welt de bandelt wird! In Italic», wo mau mit Reckt längst ver stimmt ist über die Toleranz, mit der in Berlin die Auge» gegen die ultramonlanen Hetzereien wider dem „Tbronräuber im !p.uirinal" verschlossen werten, wird man nickt verfehlen, einen Vergleich zwischen der Rücksicht Spaniens »nd dem Verhallen der Venter des neuen deutschen Eurses anzuslellcn, und wen» dadurch der Dreibund auch noch nicht in die Brüche geben wirk, so wird er doch trotz der angeblichen "Nothwcndigkeil verstärkter Rüstungen gegen gemeinsame Feinde sicherlich nicht befestigt werbe». Auch der Reichslag wirk sich bei der Bcralbung der Militairvorlage mit der Angelegenheit zu befassen habe». Die Prager Ezechcnblättcr jubeln über die Auslösung der Rcichcnbcrgcr Sladt Vertretung und bedauern nur, daß sie nicht mit der Ezcchcnseindlichkeit Reichcnbcrgs begründet wird. Tie „Politik" versleigt sich sogar zu der Behauptung, daß die Regierung mit der Auslösung der deutschen Linken eine» Liebesdienst erweisen wollte, eine unter slellung, die schon durch die abfällige Bcuribeilniig hinfällig wird, welche diele Maßregel durch die Parteiorgane der Linken erfährt. UcberLicS scheint nach einer Prager Meldung der „Deutschen Zeitung" die geheime Absicht des böbini scheu Slatlhallcrs, Graf Tbn», vorzuwatlen, durch die Austösung der Reichcnbcrger Stadlverlrctiing einen Keil in die bisherige Einigkeit der deutsch böhmischen Organisation zu treiben. Tic Angelegenheit wird jedenfalls im österreichischen Abgeordnetenhaus» , das am 2. Nooembcr Zusammentritt, den Gegenstand einer Anfrage an die Regierung bilden. In Rcickenberg bleibt die Stim mung fortdauernd eine erregte. Emc gestern Abend statt gehakte Versammlung der Mitglieder der aufgelösten Slatt- vcrlrclnng hat den Beschluß gefaßt, gegen die Auslösung keinen Rceurs, sondern nur einen Protest cinzulcgcn und die Statthaltern zu ersuchen, die Neuwahlen sofort anszn schreiben. Die bisherigen Stadtvcrordnelcn werden alle aufs Neue als Eandidalen ansgestcltt. Die für den 2. November in Aussicht genommene Ent hüllung des Hvnv cd-Denkmal cs in Pest sollte »ach der Ansickst der Elilekrcise de» ungarischen Bolkes sich zu einem würdige» Scitcnslnck deS im vorige» Somiucr so enthusiastisch gefeierten .Krönungs-Jubiläums gestatten. Das einfachste Gerechtigkeitsgefühl wie der politische Takt er forderten, daß aus diesem Anlaß dem Andenken der im lbt'.lcr .Kriege sowohl ans Seile der Ungarn wie der kaiser lichen Armee Gefallenen gleiche Ebre z» Tbcil würde. Das Wort Fra»; Teaks, des große» Palriolcn: „Vergessen wir die Vergangenheit!" sollte auch ans initila>rischem Gebiete sich zur Thalsache hiiiturchringcn. In gcwobulcc Hochherzigkeit balle der oberste Kriegsherr ^csiailel, daß der banplstärlisckc Eorps Eomniandant FML. Fürst Lobkowitz Namens der gemeinsamen Armee einen Kran; auf das zn enthüllende Honvctdcnkmat nicberlcgc, wogegen der Prä sitciit des Honvctvcrcinö die gleiche Elire dem im Dienste des Kaisers bei der Erstürmung Ofens gesallcncn General der österreichischen Armee, Hentzi, erweisen unk dessen Denk mal bekränzen sollte. So wäre die Idee der Versöhnung zwischen der gemeinsaincn Armee und den national ungarischen Mstilairlratilionen in einem harmonischen Schlußaeeord auS- gcklungen. Man balle hierbei nur einen Factor übersehe», der stck jetzt um so lärmenber in Erinnerung dringt, den Ebauvinismus, welcher offenbar dem Miiiisierpräsidenlen Grafen S zaparn den Ruhm dieser wahrhaft versöhnenden staatS- männischen Thal »ickl gönnt und alles ausbielct, die Stimme der "Vernunft, rer Billigkeit, der Besonnenheit durch einen Appell an ungesunde Bolkslcikcnschastcn zu üderschreien. Es ist ein beschämendes Schauspiel, was hier eine llciiilicke, selbstsüchtige Parteitaklik vor de» Augen Europas aussübrt. Wenn man bisbcr »ock au der Hoffnung sesthallcn konnte, daß bis zum 2. November die erste stürmische Erregung der heißblütigen Blaste» fick gelegt haben würde, so scheint es nach dev icuestc» Nachrichten leider, daß diese Hoffnung sich nicht er- rillen werde. Die Bewegung m der Denkmalaffaire nimmt un ii»aarische» Rcicksiagc einen zusehends größeren Umfang an. Tie äußerste Linke ist entschlossen, die Erörterung im Reichstag bis über den 2. November, für welchen Tag die Enlbüllungsfcier programmgemäß an- beranmt wurde, b i » a » s z u z i e h e n und damit daS ganze Programm zu vereiteln. I» der Regierungspartei herrsch: hierüber Bestürzung. Tie Regierung schiebt letzt die ganze Beraiilworiung ans den Lantes-Honved-Verein, von welchem der Gekaute dieser Feier ausging. Dieser Verein hält beule eine Sitzung ab, um z» beralbcn, ob das Fest programm eiiigeballen werken soll. Falls die Einhaltung tesselbc» beschlossen wird, dann wird die äußere Linke eine große Geaeiillindgehuiig veranstalten auf dem Grabe deS >8 1'.« erschossenen ungarischen Ministerpräsidenten Gras Ludwig Ballhyann. Sollte da» Festprogramm fallen gelassen werden, so stchl für die Regierung eine beträchtliche Niederlage bevor. Die streikenden Bergleute in Earmaux haben zuletzt dock, nock der Vernunft Gehör geschenkt und eingcsehen, daß cS das Klügste ist, den Bogen nickt allzu straff zu spanne». "Nack einer von beute aus Earmaux vorliegenden telegraphischen Millheiluiig wurde gestern Abend nach drei stündiger stürmischer Bcralhniig von den Ausständigen beschlossen, das Schiedsgericht Loubet's an- z n n e b m c n , nnd zwar unter der Bedingung, daß der Schiedsrichter beite Parteien höre und eine Abordnung von vier Bergleuten vernehme. Diese Bedingung läßt sich hören nnd flickt weit von dem Trotze ab, den die Streikenden, wahrscheinlich nur in Folge von Aufhetzung, bisher an den Tag legten. Heule Bvrinstlag ist bereits die Deputation der Bergarbeiter gewählt worden, welche sich zu Loudet begeben soll, und man darf nunmehr, wenn nicht aber mals die Leircnjwast den Süm über die Bernnnft davon trägt, wobl hoffen, daß cs in Earmanx zu einem friedlichen Ausgleich kommt. Die weitere» vom Kriegsschauplatz in Dahomey ciiigegangciu» Nackrichic» kennzeichnen die Schwierigkeiten, welche tic Franzosen dort ;» bewältigen bade», die Ent schlossenheit nnd Todesverachtung, mit welcher die Dabomeyer ihr Land vcrtbcidigen. Die Franzosen haben nicht viel Zeit zu verliere», de»» »u» rückt die schleckte Jahreszeit heran, die Flüsse trocknen ein und tic Verpflegung der sranzosischen Truppen wird sich immer schwieriger ge statte»; Oberst TotdS wird alle Kräfte anstrengen müsse», den „Spaziergang nach Abomcy" rasch »nd glück lich zu beenden. Tie Botschaft des Obersten Dodds hat in der französischen Hauptstadt Beklemmungen bervorgernsen. Daß die LNippe» König Bcbanzin's anzrisfswcisc Vorgehen können, beweist, daß ihre bisherigen "Niederlagen kaum sehr schwer waren; die Befürchtung wird immer allgemeiner, daß der KricgSzug mil unzulänglichen Streitkräften unter- Feuilletsir. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 181 Slachdrulk veriiolea. (Fortsetzung.) Und vor Oswald s Augen schwebte das Bild der mit dem Tclck bewaffneten Teresa, die grundlos einem Drange der Selbstvernicktung folgte; vielleicht eine alte Erbschaft des VluteS, die ihr Recht verlangte. Wieder sah er das sanfte liebe Gesichtckcn vor sich; doch diesmal machte cS nicht den beruhigenden Eindruck wie sonst; er empfand bange Sorge um sie. Er hatte sie längere Zeit nickt gesehen; und wie, wenn sein Bruder sich ihr mit un gestümer Werbung genähert hätte? Er fürchtete seinen Bruder — und auch sie fürchtetet«: ihn wie bas Böglcin die Schlange und ihren dämonisch bannenden Blick. Sein Brüter ... o, auch diese Halbgenics gehörten in daS Reich der Dämmerung. Bulcanischc Ausbrüche einer Glutb, tic nur kurze Zeit zum Lickte wird, desto mehr alles verschüttende Asche, llnv dazu die ewige llnbcsriedignng, die den Taumel sucht und ihn findet in der Leidenschaft, zu der sie sich die berauschte Genossin wirbt! Dabei der furchtbare Egoismus einer Schöngeisterei, welche die Welt verbraucht zu ihrem Studium, Herz und Leben der andern einer löschpapierncn Unsterblichkeit opfert, die sich allzu früh als die vergäug lichste Maculatur erweist Scho» große Genien haben die Etappen zum Rubin zurilckgelegt, indem sie jede Station mit einem gebrochenen Herzen bezeickneten; bock gefährlicher noch sind diese neuen Männer des ErperimenteS, „welche Selbst- erlebtes brauchen, um eS beschreiben zu können;" ja der rnman expenmeotnl ist eine Fallgrube, in welche unschuldige Lpfer gestürzt werden, doch Teresa ist zu gut dafür, um als Weib im Leben vernichtet und ,m Roman an den Pranger gestellt zu werdnl. Längst batte O-wald sein Heft zugrklappt, und auch bei der Messung vom zwei Verbrecherschaktlu verfolglen ibn diese Gedanke». E, faßt« den Plan, sofort nach der Stadt zu fahren und Teresa auszusuchcn. Hatte koch auch sc!» I Bruder ibm längere Zeit keinerlei "Nachricht von fick gegeben, j Scho» hatte Oswald seinen Wagen bestellt nnd sich zur Abfahrt gerüstet, als Enrico RiSpori sich bei ibm melden ließ. Oswald liebte den jungen Mann nnd beklagte die traurige Wendung seines Schicksals; er ließ ibn bitte», cin- zutreten und verschob die Fahrt nach der Stadt. „Ich habe Sie lange nicht ausgesucht", sagte Enrico, „doch beute heim Borbcifabren ..." „Sie sind dock nicht etwa krank?" fragte der Arzt. „«krank ... wie man'S nimmt! Wir sind schon krank, wenn wir'S nickt fühlen, daß wir gesund sind, wenn unser sterblicher Tbcil uns empörend gleickgiltig ist; ja oft möckt' ich mir ein herzhaftes Fieber herbciwünschcn, mit seinen ver worrenen Delirien, statt dieser verzweifelt klaren, anszchrendeli Grdankengängc." „Nein, nein, die Klarheit ist ein unschätzbares Gut ... mit ihrer Hilfe überwindet man die schlimmsten Geschicke. DaS Fieber aber ist ein böser Gast." „O wenn uns so unsere schönsten Hoffnungen vcrnichlet werden . .. was bleibt uns da übrig vcm Leben?" „Neue Hoffnungen tauchen ans mit der Zeit —" „Doch ich bin nicht nur ärmer a» Hossnungcn. »ein, auch ein Bild, das »lick immer zur Verzweiflung bringen wird, steht mir vor der Seele. Ick sehe daS arme Geschöpf, dem mein Herz gehört, in de» Händen eines WüthricbS .. . und mich crarisf oft schon die verbrecherische Lust, wenigstens diesem Jammer ein Endo zu machen und den Entsetzlichen, der das Berhänzniß eines mir so lieben Wesens wird, aus dem Wege zu räumen." „Nichts Gewaltsames! DaS würde ein Leid nur durch ein audcreS, tieferes ersetzen." „Ist c- nicht ein Verbrechen, ein grenzenlose- Verbrechen der Eltern, ein Kind in solcher Weise zu opfern? Und warum ... weil tbörickte Verschwendung den Ruin ihres Vermögens herbeigeführt ..." „Gewiß ... doch wir wollen Herrn von Senden nickt z» hart anklagen, er ist im Grunde ein gutmütbiger Herr...!" „Und wüthet grausamer gegen sein eigenes Kind, als eS der schlimmste Rabenvater zu thun vermöchte." „Er ist krank!" „Wie? Baron von Senden, der ja wie das Leben selbst auSsiebt, leichtblütig, beweglich, immer die sanfte Rölbe im Ge fickt .. . ohne Nerven, ohne Galle ... was sollte ibm fehlen?" „Sie urlbeilcn nach dem Schein ... und doch ... er ist krank — geisteskrank!" „UnniogÜch — ich habe weder schwermntbige Anwand lungen noch verkehrte Gedanken bei ihm bcinerll." „Gewiß nickt — aber dock — verkehrte Handlungen! Ein origineller Kauz, sagen die Leute reu ihm — nnd doch — es ist dies ein Jrrlbnm. Die Welt mag sich über seine Sonderbarkeiten wundern ; wir tragen ibn in »»'er Rubriken ein, wo er nur einer ist unter sehr vielen! O cs ist schwer, originell zu sein; auch mil den größte» Sonderbarkeiten ge- bört man irgend einer Gruppe an. auf welche die Wissen schaft ihr Zeichen drück!. Der Wahnsinn erscheint als das Regelloseste . . und doch herrscht über ibm wie über allem Irdischen Regel und Gesetz, erkennbar dem denkenden Geisse!" „Sie werden mir doch nicht cinrcten wollen", versetzte Enrico, „daß Herr von Senden wahnsinnig ist." „Nein, er ,ss blos ans dem Wege dazu, aber er bal schon mehr als die Hälfte diese» Wege» binlcr tick! "Wir kennen auch die Marschroute solcher a»S dem Gleichgewicht gckom menen Geister . . und c» sind immer dieselbe» Meilensteine, welche sie zuriicklcgen Mil solcher sinnlosen Verschwenkung kündigt sich der Größenwahn an. Manche Fannlie siebt noch bcwniieernd empor zu dem Familicnhanpt, in welchem sie einen kühn nnlcrncl»nenden Geschäftsmann erblickt .. wie wohldurchdacht sind seine Pläne, wie sorgsam geführt seine Rechnungen, welch ein klarer Kops, welch ein genialer Finanz- mann! Und doch wird er willenlos getrieben von einem Dämon, der sich feiner bemächtigt bal, und eines schönen Tags liegt der Ruin der Familie wie ein anfgcschlagcncS Buch vor Aller Augen. Und so ist'S mit den Knnsllicbhabe- rcicn, mit den Anlaufen ohne Maß und Schranke, mit jeder Art des übertriebenen Luxus. Der innerste Kern dieser Verschwendungssucht ist die Sucht, zu glänze», sich selbst zur Sckau zu stellen, jede "Ncbcndublerschast zu überstrahlen, und c« ist nur ein kleiner Schritt von dieser Art von Sclbstrcr- götternng. die jedes Augenmaß für da« Nächste verloren bat, liS zu rcr gänzlichen Verblendung, die mit geträumten Millicnen um sich wirst und auf die Rothschild s verächtlich l r.'absieht!" „Sic eröffnen niir da einen traurige» Einblick in trost lose Zustände, deren Opfer ich selbst geworden bin." „lind Herr von Sende» ist nur ei» Exemplar einer weit verbreitete» Spceies! Es ist kein uierkwürdiger Fund, mit dem ein Gelehrter wie ick» Aussehen erregen konnte. Dies Eremplar ist oft beschrieben in den Eapilcln der deutsche», wie der französischen »nd englischen Werke über Seelenheil- künde; cS gehört in kein Raritäleneabinct." „Und warum tritt man so verderblichem Treiben nicht in den Weg? Warum schweigt Alles, wo cS daö Glück einer Familie gilt?" „Es ist eines der »»veräußerlichstc» Menschenrechte, sich zu Grunde richten zu dürfe» lind wer konnte vorder de» Baron in seine Acten und in seinen Papicrsckirank sehen? Für einen steinreichen Mann waren seine Ausgaben nicht unerschwinglich. Er war cs nicht .. er ist cs nickt .. daS wissen wir jetzt! Nun erst zeichnet sich seine Silhouette kcnllich ab mit jenem Profil, daö ihm mit allen Thoren gleicher Sorte gemein ist; denn inimcrbin ist er »och ein Thor, bei dem die eigentliche Narrheit nickt ganz z»»> Ausbruch gekommen ist. Auch gegen die Tborheit kan» man cinschreilen; cS gicbl eine Eittmünriamig für die Bcrschwcnder, dock wer sollte den Antrag stelle»? Er hat keine näheren Bcnvaiitlcn, die Familie der Senden ist ansgestorben außer ibm . . nnd die armen ahnungslosen Wese», Frau und Tochter . ." „Und jetzt . . »nd jetzt", rief Enrico^ wie von einer krampshaflc» Hoffnung erfüllt, als könne bei dieser Lage der Dinge noch Wandel geschaffen werden. „Für Sic ist Alles verloren, lieber Freund! Jetzt herrscht der Graf allein i» Heimersheim »nd mit eisernem Griffe hält er daS Täubchen fest Dasür bezahlt er die Gläubiger .. "Nieinaiid hat Grund zu klage», nur Sic, Acrmster." ,.O» ich kackte schon au Alles, an jede Grcueltbat, a» Duell, an Entführung . ." „Das Märchen kann Ihnen ja nicht folgen; dann brächt« cS die Elter» an den Bettelstab." „Unlösbar . . diese Kelle, die man nackschleijt . ries Enrico rerzweiicll. „da spreche einer neck von« Fatum! DaS Fatum habt Ihr ja festgenagelt, ihr Seelenkundizcn." (Fortsetzung folgt.)
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