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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921022021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892102202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892102202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-22
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Man schloß daraus, daß im Plenum erbebliche Bedenken irgend welcher Art gegen die Borlagt nicht erboben worden seien, und erwartete mit Spannung die Bestätigung durch tcn „Reichsanzeiger-, daß der BundeSrath wirklich jene Lerweisung beschlossen habe. Aber der „ReichSanz." meldet beule nur, daß der BundeSrath am 20. d. „zunächst über die geschästliche Behandlung mehrerer neuer Borlagen Beschluß czcfaßt" und dann einige unwesentliche Eingänge erledigt habe, von der Militairvorlage sagt das amtliche Blatt kein Wort; eS lhut, als ob diese Vorlage gar nicht existire. WaS soll man daraus schließen? Jedenfalls ist man zu der Annahme be rechtigt, daß die Leiter deS amtlichen Blattes für die tiefe Bewegung, die durch die bisher über die Militairvorlage in die Welt gesetzten Nachrichten im ganzen Reiche bervorgerufen worden ist, kein Berständniß besitzen und den Einfluß unter schätzen, den die überall vorhandene Mißstimmung auf das Schicksal der wichtigen Vorlage haben kann, die selbst dort Gegner findet, wo bisher die festesten Stützen der mili- laiiiscben Einrichtungen und eines starken Heerwesens zu finden gewöhnt war. Setzt doch ein großer Theil der conserva- liven Presse der Vorlage einen schärferen Widerspruch ent gegen, als er bisher aus einer anderen bei solchen Dingen in Bewacht kommenden Partei laut geworden ist. Allerdings gebt die conservative Presse bei ihrem Widerstande nicht von tcnselbcn Gesichtspunkten aus, wie die radicalcn Parteien, tie gegen den „Militarismus- eifern. Sie geht von den gegenlheiligen Anschauungen aus, sie will die angeblich bedrohten, bewährten militairischen Einrichtungen und Ucbcrliescrungcn gegen verderbliche Neuerungssucht schützen, sie fürchtet Gefahr ron der Einführung der zweijährigen Dienstzeit und würde am liebsten die einfache Erhöhung deS Präscnzstandcs ohne jedes Gegenzugeftändnist gesehen haben. Das conservative Hauptblatt hat sogar die Behauptung verbreiten helfen, die Regierung sei geneigt, auf die alljährliche Be willigung des HeereSetals einzugeben; eS konnte bei dieser Behauptung keine andere Absicht zu Grunde liegen, als die Urheber der Militairvorlage in dem Licht radikaler Umstürzler der Heerescinrichtungen erscheinen zu lassen nnd zu verdächtigen. Kurz, die conservative Partei, soweit sich ihre Gesinnung aus ihren hervorragendsten Zeitungen er kennen läßt, ist militairischer als der oberste Kriegsherr und seine ersten Ratbgcber in Heercsangclcgcnheitcn. In wie weit hierbei wahre Uederzcugung, in wie weit allerlei im Dunkeln schleichende Machenschaften und Quertreibereien zu Grunde liegen, wollen wir dahingestellt sein lassen. Jedenfalls wandelt die conservative Partei hierbei in sonder baren Bahnen, welche die volle Aufmerksamkeit der Rcichs- rcgicrung verdienten und die letztere veranlassen sollten, Alles zu thun und zu vermeiden, waö die auch in anderen Parteien beherrschende Verstimmung und Abneigung gegen die Militairvorlage nähren muß. Aber eS scheint nun einmal das Verhängnis; der Lenker des neuen EurscS zu sein, daß ie kein Berständniß sür die Regungen der Volksseele besitzen und deshalb reden, wo sie schweigen sollten, und schweigen, wo ein offenes Wort am Platze wäre. Auch die Vorgänge im Centrum sollten den Lenkern deS neuen EurscS zu denken geben. Bekanntlich hat am t!>. d.M. in dem nicderbaycrischcnReichStagSwahlkreiS Kelhcim eine Ersatzwahl sür den verstorbenen EcnlrnmS- abgeortneten Kirchammer stattgesunden. Der Wahlkreis ist mir Ausnahme der GcsetzgebungSpcrioke von !87t—74, wo unter der Einwirkung der frischen patriotischen Begeisterung ein nationaUibcralcr Abgeordneter gcwäbll war, unaus gesetzt und ohne jeden ernsten Widerspruch durch Männer des Centruins vertreten gewesen; nur eine geringe Minderheit nationaUideraler Stimmen, die sich im Jahr 1890 auf 1980 gegen 7727 klerikale Stimmen belief, Pflegte abgegeben zu werden. Ter Wahlkreis konnte also als eine der niibcstrittcnsle» Besitzungen deS EentrumS gelten. Für die jüngste Ersatzwahl hatte sich nun zu allgemeiner Ucber- raschung gegen tcn Candidaten des EentrumS, Rauchen ecker, eine wilde ultramontane Eanridatur in der Person deS sattsam bekannten Münchener RedacteurS 1>r. Sigl er hoben. Die Blätter tcü Eenlrums nicht nur, sondern auch viele andere hatten diese Eandidatur sehr geringschätzig be handelt. So schrieb die „Gerniania": „Lv weil ist die katholische Wählerschaft deS Kreises Kclkciin denn deck noch nicht zurückgegangcn, daß sie fähig wäre, einen Iw. Sigl als ihre» Vertreter i» den Reichstag zu schicke»." Die Geistlichkeit machte die größte» Anstrengungen, um de» EentrniiiScandidalcn gegenüber dem SchreckenSklnre deS vsficiellcn IlltramonianiSmus zum Sieg zu verhelfen. Trotz alledem batte nach tcn letzten, allerdings noch nicht vollständigen Berichten Iw. Sigl einen Vorsprung von 2 Stimmen voraus. Der EcntrilinScandidat mag ja schließlich gesiegt haben, gleichwohl aber ist eine mächtige, gegen das Eclitrum gerichtete Iluterstroinung nicht zu verkennen. Ein liberaler Eantidat war diesmal nicht ausgestellt. ES ist wohl auSgeschlosic», daß Wähler, die früher nationalliberal be stimmt Hallen, für den Hetzer und Preußens, esfer Sigl cui- gelretcn sein tonnten; sic werden sich wohl der Stimme ent halten, vielleicht auch für den EentrumScandidatcn gestimmt haben. Der Vorgang ist ein deutliches Zeichen, daß der Boden, iil dem daS Centrum wurzelt, brüchig zu werden beginnt nnd daß selbst die strengste klerikale Zucht nickt stark genug ist, von vornherein die Eandidatur eines Mannes aussichtslos zu machen, der sich bei den Wählern durch nichts zu insinuiren wußte, als durch das wüsteste Schimpfen aus Preußen nnd das Reich. DaS peinliche Aufsehen, welches die Auflösung des Reickcnbergcr Stadlverordneten-EollegiumS in den weitesten Kreisen bervorgerufen bat, wird noch dadurch vermehrt, daß das Teeret der böhmischen Statthalter«:« in Bezi>b auf die Gründe nicht bestimmter gefaßt ist, als der officiose Eommcnlar in dem Organ des Grafen Tbun, dem „Prager Abendblatt". Es kann doch nicht verlangt werden, daß die Behauptung, von dor Ncichcnberger Stadt- vertrclung sei eine objcclive Amtsführung nicht zu er warten, ohne Weiteres als stichhaltiger Grund fiir die Nothwendigkcit der Auflösung angesehen wird, zumal da diese Behauptung von einer Seite erhoben wird, die selbst im Getriebe der böhmischen Parlcistrciligkcilc» siebt, lind mit Reckt darf man fragen, warum die Regierung, wenn sich schon seit dem Zähre l885 Ilcbclstände in der Ver waltung hcrauSgebiltet haben, nicht schon eher cingesckritten ist. Bezeichnend genug ist cö übrigens, daß die officiöse „Presse" behauptet, die extrem-nationalen Tendenzen deS Stadtverordneten-Collegiums seien auch in der Führung der Geschäfte zum Ausdruck gekommen, und diese ungerecht fertigte Behauptung dadurck zu begründen sucht, daß sie > schreibt: „Im Herbst dieses Jahres ereigneten sich neuerlich Vorfälle, welche außerordentlich viel böscS Blut machten. Mau erinnert sich, daß im ganzen dentsckcn Reiche diesmal die Sedan-Feier ziemlich still begangen wurde, da infolge der Cholera-Epidemie die Stimmung öffent lichen Lustbarkeiten nicht geneigt war. Nur die Reichenbcrgcr Machthaber konnten eö auch diesmal nicht unterlasien, ei» olenneS Sedan-Fest zu feiern, und so erlebte man das pcin- ticke l?) Schauspiel, daß die Erinnerung an einen Sieg des dcnlschcn Heeres in keiner einzigen reickSkcutscken Stadt so laut unk tcinonstraliv gefeiert wurde, wie in der östcrrcickiscken Statt Reickcnbcrg. Es stiminle dies zum Snstem einer Statt Vertretung, welche mit besonderem Raffinement die Cvmmunal wackc in eine Uniform Neiden ließ, welche der der preußi sckcn Soldaten bis auf die Rockknöpfc und Hclmspitze glich." Wenn die ossiciösen Eommentarc ans diese Weise, statt durch Anführung ganz bestimmter Ddalsackcn, die allein die Grund lage für die Aufhebung der Autonomie einer Gemeinde geben könne», die Maßregel der Slattbaltcrei einleuchtend macken wollen, dann wird die öffentliche Meinung allerdings die Ursache der Auslösung nickt mit Unrcckt in einer anderen Richtung suchen müsfen, um so mehr, als die sonstige Ver Walrung der Stadtgemcinde Reichenberg, wenn man von dem poliliscken Moment absicbt, den Ruf einer »nistergiltigen genießt. Vor acht Monaten noch bat Graf Taassc in einer JntcrpeltationSbcantwortung im Ab- geordnctcnhause dem Neichenberger Magistrat das Zeugniß ausgestellt, daß er gewissenhaft und corrcct vor gehe, und darum befürchten selbst liberale Blätter, welche mit der deutschnativnalcn Haltung der Reickcnbergcr Partei der Herren Prate und Sckücker nicht übercinslinimcn, daß die Negierung, welcher die Unterdrückung deS DculscklhumS in den czcchisckcn Slädicn nicht unbekannt sein kan», einen dcktagcnSwerthcn Irrlhum begangen hat. Der Bestand einer sehr ernsten ungarischen M i n i st e r k r i s i s wird jetzt von keiner Seite mehr ge leugnet. Tie Ministcrbcrathungen unter dem Vorsitz deS Kaisers baden keinerlei Resultat ergeben Nach wie vor stehen auf liberaler Seite die Minister Wcckerte, Gras Esakq nnd Szilazyi, zu denen in diesem Falle auch der Ackerbauminister Graf Bcthlen hält, während aus der anderen Seite die politisch weniger Tbclangreiche Minorität dcö EabinclS für den Standpuncl deS Grafen Szapary cintritl. Alle AnSgleicködcinühnngcii scheiterten bisher, da Graf Esaly jede halbe Maßregel pcrhorrcScirt und sein Verbleiben davon abhängig macht, daß die HcranSsorderungc» von klerikaler Seite eine unzweideutige Erwiderung erfahren, wie sie eben der Gesetzentwurf über die Einführung der obligatorischen Eivilcbc enthielte. Allem Anscheine nach wartet man im Ministerium nur das Ende der derzeitigen, nach jeder Richtung bin peinlichen Debatte über das Honvcd- und das Hcntzi Monument ab, che die Entscheidung in der EabinclSsragc getroffen wird. Diese unangenchnie Militair-Assaire muß durch die Negierung in ihrer jetzigen Zusammensetzung becgelegt werde». Wen» daö vorüber ist, wird die ciikgitlige Entscheidung fallen, schon darum, weil bei der unmittelbar bevorstehenden Bcratbung des EultnSbudgclS im FinanzanSschiiß des Abgeordnetenhauses auch die Kirckcn- srage aufs Tapet gebracht werden wird. Zn diesem Falle kann die TiScussion nickt mehr umgangen werden. Wie immer man aber über die augenblicklichen Schwierigkeiten hinwcgkomiiic, so ist dock nur geringe Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß daS ungarische Eadincl in seiner heutigen Zusammensetzung unverändert bis zum ZahreSschluß beisammen bleiben sollte. Ter Kampf um die Wablrcvision in Belgien ist ein scbr langwieriger und hartnäckiger. Zwei Leichen be decken bereits ras Schlachtfeld: einmal das allgemeine Wahlrecht (Antrag Zansvn) und daS sogenannte HauS- standSwahlrccht (Antrag de Smet de Nanger). Ter Tod dieses letzteren, von der Regierung befürworteten Wabl- »steinS wurde durch den klerikalen Führer Woeste vcr- cknldet, welcher dein liberalen Abgeordneten Neujean gegenüber sich bereit erklärte, mit der Lütticher gemäßigt- tibcralen Gruppe einen Evmpromiß einzugchen aus Grund lage einer Verbindung deS CapacttätSsystemS mit dem ab- gesckwäckte» EensuSsystcm (Herabsetzung des WahlccnsuS ans l<> FrcS), oder mit anderen Worten, der Heran ziehung der GemcinderatbSwählcr zu den allbemeinen Wahlen Da die große Mehrheit der Rechten mit ihrem Führer Woeste blindlings durch Tick und Dünn geht, so ist tie Erklärung der „grünen Eminenz" gleichbedeutend mit einem TodcSurtbcile für daö HauSstandSwaklreckt, dessen während der EommissionSderalhungcn zum Vorschein ge kommene Undurckfülirbarkeit der scharfsichtige klerikale Führer jedenfalls deutlich erkannt hat. Mit dem Köder des EapacitätS» snsteins, für welches die Lütticher Abgeordneten, mit Fröre» Orban an der Spitze, eine sonderbare Voreingenommenheit habe», snckt nun Woeste diese Gruppe der gemäßigt-liberalen Partei sür die Beibehaltung deS EensuS zu gewinnen und da durch der klerikale» Partei nicht nur abermals auf Zahrzehnte hinaus das politische Ilcbergcwicht zu sichern, sondern auch in tcn Reihen der Liberalen eine unheilvolle Spaltung her- vorznrnfe». Die Lütticher Abgeordneten baden sich biS jetzt noch nicht darüber geäußert, ob sie tcn angebotcnen Vergleich Wocste'ö annebinen werten oder nicht. Hoffentlich werden dieselben den Vorstellungen der gcsammten liberalen Presse der Hauptstadt Gebär schenken, welche den greisen Fröre- Orban bittet und beschwört, „am Abende seiner politischen Laufbahn nickt Dasjenige freiwillig zu zerstören, wa- er selbst durch die Tbätigkeik seines ganzen Lebens hat aufbauen Helsen." — WaS die llin gcstaltung deS Senats betrifft, so ist der RevisionS Ausschuß nach mehrtägiger Bcratbung zur Abstim mung vcrschriitcn DaS System der Znlercsscnvertretung wurde mit l7 gegen 2 Stimmen abgelebnt, ebenso das System der Wahl des Senats durch zwei getrennte Wäblerabtbeilungen mit II gegen 10 Stimmen. Angenommen wurde hingegen mit Ui gegen .'» Stimmen der Antrag, den Senat durch die nämlichen Wähler zu ernennen wie die Kammer, jedoch mit der Einschränkung, daß der Wähler das 35. Lebensjahr er reicht haben muß. Der Ausschuß beschloß serner mit großer Mehrheit, das Princip des EensuS als Grundlage der Wähl barkeit für den Senat beizubehalten, den EensuS aber auf 2000 Francs herabzusctzen Die Beschlüsse des Ausschusses haben keinen endgilligen, sondern nur einen „consultativen" Charakter, daS beißt, der Ausschuß behält sich vor, nochmals darauf znrückznlvmmen. Die Entwickelung der Dinge in Dahomcy bildet einen kräftige» Ansporn sür die regierungsfreundlichen Parteien in Franlrcich, zu Gunsten der Errichtung einer franzö sischen Evlonialarinee tbätig zu sei". Es heißt, daß die Regierung selbst sich sür die möglichst baldige Befassung deS Senates mit einem dahin zielenden Gcseycittwnrse ent schlossen habe, jedcnsallö sind die ihr nahestehenden Preß- organe schon eifrig darüber aus, dem Plane das Wort zu reden nnd ihn der öffentlichen Meinung annehmbar zu machen. Der bisherige Zustand, wo Truppenthcilc des stehenden Heeres nach Bedarf zu dem Eolonialdienst bcrangezogcn wurden, bat fick aus die Dauer als mit den politischen nnd wirtbschafl- lichcn Zntcrcsscn des Landes unvereinbar erwiesen. Da der Dienst im sichenden Heere selbstredend auf ganz andere Ver hältnisse berechnet nnv zugescknitten ist, als in den Eolonien maßgebend sind, so ermangeln die dem Verbände desselben entnommenen Truppcnthcile so ziemlich aller »nd jeder Vorbedingungen sür die Erzielung ersprieß licher Resultate ini Eolonialdienst. Wenn der Führer der Expedition gegen Dakomcy, Oberst DoddS, so günstige Erfolge erringe, so danke cr eS nur dem Umstande, daß cr seine dem stehenden Heere entnommenen Leute vorher sorgfältig babe auSwählcn können. Mit frisch vom Feuilletsii. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. INI Nachdruck »ertöte». (Fortsetzung.) „Gewiß . . irgend eine Störung der Nervcnccntrcn an der Gehirnrinde. . eine Erweichung jener Heerde des geistigen Lebens . . eine Verknorpelung oder Verknöcherung . . auch nur Blutarmutb oder Blntfülle, durch welche daS Gebirn zu wenig oder zu sehr gespeist wird . . das ist unser Fatum! Und nicht Athene hat einst dem AjaS den Sinn verwirrt, daß er in die Heerde als Schlächter cinbrach und ihren Lcitbock löttctc . . eS war ein Anfall von Tobsucht, nnd in seinen Hallucinationen sab er die Schafe sür seine Achaier an. Störungen im Gehirn . . in der Nervenleitung. . im Blut- nmlauf . . der AjaS ist nur ein pathologischer Charakter! Und wenn solche Störungen die Gewaltigen, die Staaten lenker, heimsuchen, dann erhalten wir die Schlachtfelder mit den hunderttausend Leichen und die Völker sind die Heerde», welche daS bluttriefende Schwert in der Hand der toll- gewordenen Allmacht niedermetzelt. „Die Politik ist daS siaium", sagte Napoleon; wir aber sagen: „Gehirn und Nerven sind LaS Fatum." „Doch nur für die Unglücklichen", warf Enrico ein, „deren iinieres Uhrwerk Schaden genommen Hai. Gott sei Tank, sonst herrscht in der Welt doch noch der klare Geist und der feste Wille." .Und WaS richten Sie damit aus, wenn Zhr Cchxksal abhängig ist von jenen dunkeln Gewalten? Die aus dem Gleise gerathcnen Maschinen zerschmettern Alle, die >» ihre Nähe kommen. Das edelste Gefühl, das ruhigste Tcnken, das energische Wollen, sic müssen der blinden Nattir- -cvelt den Sieg gönnen; gleichviel, ob sie sich äußert im reden, zermalmenden Stoß^ oder in den klclttisckc» Ent ladungen einer gestörten Seelcnthälizkeit. Sie haben S ja schmerzlich genug selbst erfahren." Enrico schwieg einen Augenblick; cr sträubte sich gegen k diese Weisheit nnv war nicht geneigt, vor ihr die Waffen zu strecken. Doch war cr auch nicht in der Stimmung, einen geistigen Kampf ausznnchmcn und fortzufübren. „Zcdcnsalls danke ick Ihnen, Herr Doctor", sagte cr, „daß Sie mir eine vcrbängnißvollc Quelle meines Unglücks auf'gczcigt. Dock ick habe noch eine Bitte: Sic sind .'vtanS- arzl im Hanse Senden; ein Hausarzt ist ein Hausfreund ; Sie erfahren Vieles, wovon inan draußen nichts weiß. Würden Sie die Güle baden, mir öfter mitzutbeilcn, wie öS dort gebt und WaS sich dort znträgt? Zck male mir in schluni'.ncrloscn Nächten die entsetzlichsten Möglichkeiten aus ... nnd dock, ... ich bcsie »och immer! Irgend eine Wendung . .. mein Scharfsinn kann sie nicht ausspüren; aber gegen das Unleidliche müßten doch Erd' und Himmel sich empören." „Gern tbeil' ich Ihnen mit, was ich dort erfahre! Doch ick, komme nur, wenn ich gerufen werde . . . nnd das wird wohl erst dann wieder der Fall sein, wenn Frau von Senden eine nnüberwindlicho Langeweile cmpsindet und irgend ein sterb liches Wesen braucht, um mit ihm ecketlircn zu lvnnen und sci'ö auch nur eine so ungeeignete Person wie der Hausarzt." „Und das wird gewiß lange währen . . . nnd ich kann inzwischen verzweifeln ... ja, denn »och von einer andere» Seile zieht sich ein Netz Uber meinem Haupte zusammen. Die eine Verbindung ist gelöst . . . man ist geschäftig, eine andere zu knüpfen . . . und auch hier hängen starke Gewickle an der Folter, welche mir die Glieder zerfleischt" „Nun, Ihnen zu Liebe will ick, vielleicht einmal den unbc- schäftiglcn Hausarzt spielen und in Heimersheim einen jener »ngcriifcncn Besuche machen, durch welche ja manche College» ihre Liguidationen abzurunden suchen." Enrico schüttelte dem Doctor herzlich die Hand . . . irgend eine Hoffnung mußte cr ja von Heimersheim mit bringen; eS war ja undenkbar, daß seine Marie ihm für immer verloren sei» sollte. Kaum war sein Wagen sortgcrollt, als auch der Doctor die Fahrt nach der Stadt antrat. Die Vorahnung irgend eines Unglücks lastete ans seinem Gemütbe; cr machte sich Vorwürfe, daß cr so lange nicht nach Tcresa'S Wohl und Webe gefragt batte. Kanin in der Stadt angckommcn, eilte cr ;n dem wackcrn Bäckermeister, bei dem er immer gern gesehen war. Ein Arzt ist hierin begünstigt, er erscheint stets als Heiser in dcr Notb, und wie das Elend bat auch die Hilfe überall freien Zutritt. Diesmal empfing ihn indcß Herr Stobitzer nicht ohne Ver legenheit, als cr ibn bat, ans bei» Sopka Platz zu nehmen; cr fuhr sich mclirnialö in baS scinmelblondc Haupthaar, von dem ibin einige Strähnen über die Stirn hcrabficlen und wurde erst beruhigter, als auch Mabame hinzu kam, an deren Rockschößcn die Enkel Georg und Rosa hinge» ; doch auch die Toilette von Madame war nicht so sorgfältig wie sonst. Frau Stobitzer war in der Regel wie auö dem Ei geschält; die weiße Sckürze war sonst von einer blendenden Sauber keit, und war ein Exemplar durch einen Unfall in Küche nnd HauS verwüstet worden, so durste eS vor einem fremden Be sncker nicht paradircn ; c- wurde rasch beiseite geworfen und aus dem Wäschsckrankc ein tadelloser Ersatz hervorgesucht. .Acute aber zeigte ric Schürze einige brandige Flecke und das «Lchürzenband war locker, sehr locker . . . unk cS batte dock sonst die schwere Aufgabe, der Taille der Frau Stobitzer eine wünschcnSivertbe Hilfe zu leisten. Schics säst daö weiße HalStüchlein, und die Knöpfe der grauen Jacke, die sonst so stramm in Reil, nnd Glied anfmarschirt waren, ließen alle DiSciplin vermissen: sic waren zum Tbeil aufgesprungen, zum Theil schief geknöpft. Und nun bestätigte sich eine Erfahrung, die Iw. Bingcr oft genug gemacht hatte; solche Verwahrlosung im Aeußcrn nnd wenn sic auch gar nickt angcnsällig nnd nur feinerer Beobachtung sichtbar war, deutete immer ans eine Störung deS inneren Behagens, und so schloß cr denn, das; auch ini Seelenleben der Frau Stobitzer Einiges falsch zu geknöpft war. DaS breite volle Gesicht des Gatten entschloß sich nur schwer dazu, einen knmmeroollcn Ausdruck anziinehnien, und doch erkannte man an der etwas bangenden Unterlippe »nd der Verwirrung der sonst glatlgcscheiteltcn Frisur, daß auch der Frieden seiner Seele einen äußerlich merkbaren Stoß erhalten babe. Aus die Frage deS ToctorS nach Teresa erfolgte zunächst keine Antwort . . ein leises Achselzucken, »nd die beiden Ehe leute fallen sich sragcnv an. „Sic wohnt nicht mcl,r bei unS", sagte dann Frau Stobitzer. „Und Sie baden sie ziehen lassen . . die Nichte, daS Mädchen, das Ihrer Aufsicht anvcrlrant war?" „Wir konnten sic nicht halten", versetzte Stobitzer; „sie ist unsere Verwandle, dock wir habe» kein Recht, ihr zu be fehlen; sic ist eine selbstständige Künstlerin." Oswald war vom Sopha aufgesprungen, so plötzlich, daß der Tisch ins Schwanken gcrictb und die beiden jungen Stobitzer erschreckt ihr Gesicht in den Rocksalten der Mutter verbargen; dock, cr gewann bald seine Fassung wieder, setzte sich, strick, sich »iil der Hand über die Stini und fragte dann rubig: „dock wie ist dies gekommen?" Herr Stobitzer sab bilfeflehend nach seiner Frau, die sich auch entschlossen auf dem Stuhle zurecht rückte und zu er zählen begann, nachdem sie die Kinder z»r Rübe crniahnt und diese Ermahnung dadurch unterstützt batte, daß sic Georg einige Knüffe crtl,eilte »nd Rosa bei dem Ohrläppchen zog. „Ja. unsere Teresa ist ein eigenartiges Geschöpf, ganz wie Deine Schwester war, Stobitzer; das wirst Du bestätigen können." „O ja", sagte der Bäckermeister, sich hinter den Ohren krauend; den» er fürchtete noch öfter mit peinlichen Fragen belästigt zu werben und war zu solchen Zeugenaussagen nicht sonderlich aufgelegt; dock seine Besorgnisse waren unbegründet; denn Frau Stobitzer öffnete bald die Schlenßcn ihrer Bcredt- samkcit . . und da liebte sie eS nicht mcbr, sich selbst zu unter brechen. „Sic batte stets ihre Geheimnisse, ging ihre eigenen Wege . . nnd da konnte eS nickt auSblcibcn . . Rosa, geh' in die Küche und wasche mir die Kaffeetassen a»S!" Diese Unterbrechung war durch den Gang der Ereignisse geboten. Schmollend verließ Rosa daS Zimmer und ging in die Verbannung, voll Neid auf ihren bevorzugten Bruder Georg, dem seine Mutter schon jetzt die nötbigr männliche Charakterfestigkeit zutrante, »in das überwinden zu können, was sür ein zartes Mädcliengemülk ein Stein des Anstoßes sein mußte. Auch zeichnete sich Rosa durch eine rasche Auf fassungsgabe a»S, während Georg etwas schwerfällig im Be greifen war nnd über etwas IlnvcgnsieneS sich auch nie den Kopf zcrbrack. Wa.S ibn inleressiren sollte, mußte die Gestalt von Bleisoldaten annckmen. I (Fortsetzung folgt.)
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