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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189210310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18921031
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18921031
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-10
- Tag1892-10-31
- Monat1892-10
- Jahr1892
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1892
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der Haaptrxpedttio, od« de» i» Stadt« bezirk und den Vororte i, errtchtete» As«, oabkstelln, ab geholt: vierteliä-rtich^ls^O, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus >l b.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche KreuzbanLicuduag ins Lullaud: monatlich ö.—> LieMorgen-Au-gabe erscheint täglich'/,? Uhr, die Abeud-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Lrdaction uud LrpeLitiou: IuhanueSgassr 8. Dielkivedifioa ist Wochentag» unuuterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. FUialra: VtK ««««'s Eorttm. («l?rr» Hahn), Uuiversität-straß» 1, Louis Lösche, »atharinrnstr. 1s. pari, und Söulgsplatz 7. nMer TaMatt Anzeiger. Organ för Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. J»sertio»SPreiA Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrlch (sge» spaltea) 50-H, vor den Familienaachrichte» ^gespalten) 40»^. Größere Cchristen laut unskram Preis» Verzeichnis Tabellarischer und Zisserujotz nach höherem Tanj. Extra-vettagkt» (gesalzt!, nur mit de« Morgen-Ausgabe, ohne PoslbesSrdernng 60.—, mit Postbejorderung 70.—. AaaahMschluß für Inserate: Abend-AaSgabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags srüh '/,9 Uhr. Vel den Filialen und Aunabmesiellen je ein« halbe Stunde früher. Inserat« sind stets an die Srpevtttair zu richten. Druck and Verlag von E. Pol» ta Leipzig. 557. Montag den 31. October 1892. 8«. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Die Inhaber der abhanden gekommenen Sparbücher Ser. H Nr. 139296, 170154, 181191 und der von unserer I. Annahme, stelle gleichsall» alt verloren angezrigtr Ouitiungrschetn über die Sparbücher Ser. ll Nr. 8575, 29 224, 51 91!» werden hierdurch auf- gefordert, sich damit binnen 3 Monaten und längstens am 2. Februar 1893 zur Nachweijung ihrer Rechte bez. zum Zwecke der Rückgabe gegen Belohnung bet unlerjeichnelcr Anstalt zu melden, widrige», falls, der Sparcassenordnung gemäß, den angcmeidelen Lerlust- trägern nach erfolgter Beeidigung ihrer Anzeige an Stelle der ab handen gekommene» Bücher, welche alsdann für ungiltig zu er klären sind, neue Bücher ausgestellt, bez. die eingelieserlen Bücher auch ohne Rückgabe des ebensalls für uugillig zu erklärenden QuittungSjcheineS ansgchLndigt werden. Leipzig, den 29. October 1892. Di« lvertualtuug de» Leihhauses und der Sparkasse. Submission. Die tztlascr-, Maler- und Auftretchcrarbeite» ?ür den Nru- bau der 11. üathol. Kirche und de» VinreiltiuSstistrS in L-- Mrudniy sollen im Wege der Submission vergeben werde». Koftenanschtaassormular sowie die Bedingungen sind im Bureau der Architekten kratz L Meurer, Bayerisch« Straß« 42b, 1. Et., gegen Hinterlegung von 2 zu entnehme». Die Lfferten sind mü diesbezüglicher Ausschrist bi» zum 10. No vember 1893 an bas Sathol. Psarra«t tu Leipzig abzugeben. Leipzig, de» 87. Oktober 1892. Hubert Schmittmann, Superior u. Psarrer. Lekanntmachung. Taserneu-Reubau Vorna. Die Ausführung der Erd- uud Maurerarbeiten (ohne Llestrung der Materialien) zur Herstellung des Wohngebäudes für Unter officier«, des Wirthschastsgebäudes, der Beschlagschmiede und Wasch- ouslait. des Krankeustalles und Wagenschnppeas uud endlich des »oblenschuvveus soll vergebe« werden. Di« Berdtngungsanschläge sind gegen Hiaterlegnug einer Mark beim unterzeichnet»» Stadtrath zu entnehmen. Vt« Bauzeichnungen, sowie dt» allgemeinen nnd speciellrn Be dingung»« können «beudaselbst oder bet Herren Architekten Schmidt Sr Wohlig« in Leipzig, Weststrab« Nr. 10, «tagrsehen werden. DK Angebot« sind mit entsprechender Ausschrist versehe» bis 8. Napemtrr dieses Jahres, Aden»» L vhr, a» den unterzeichnet«» Stadtrath «ta,»senden. Dt» Auswahi uatee den Bewerbern und dt« etwaig« Ablehnung »Her Sedot» behält sich der Stadtrath »o«. Bern«, de» 8». Ott» »er 1888. Der Stadtrath. Löscher. ZUM 31. October. * Leipzig, SO. October. Die Erneuerung der Wittenberger Schloßkirche ist voll enden morgen, am IabrcSlage des Thesen-AnschlazeS, sinket die Einweihung des Gotteshauses statt. Aller äußere Glanz, den die Gegenwart des kaiserlichen Paares, aller ankeren protestantischen Fürsten und der hervorragendsten Vertreter de« ganzen evangelischen Bolle« der Feier geben kann, wird bei dieser entfaltet werden. Ader zu einer auch innerlich so recht erhebenden, diese» ganze evangelische Volk gleich mäßig begeisternden und entflammenden und mit dem Be wußtsein innigster Gemeinschaft erfüllenden Feier wird es — das fühlt Zeder mit Beklemmung — doch nicht kommen und nicht komme» können. Wird auch bei all den Reden, die ge halten werden, auf da« Sorgsamste Alles vermieden, wa» au^ der einen Seite verletzen, auf der anderen zur Ueberhebung über ander« gefärbt« Glaubensgenossen führen könnte: schon di« Thatsach« allein, daß rin solche« Vermeiden nothwcndig ist, wenn die Gegensätze und Risse innerhalb de« Protestanten thum« sich nicht noch mehr verschärfen und verbreitern sollen legt sich wie ei» Mehltbau auf die der gemeinsamen Erhebung und Begeisterung bedürftigen Gemüthcr. Und diese«, au« der Zerklüftung und Zerspaltung, dem Streit und Hader im protestantischen Lager entspringende Gesübl der Beklemmung wird noch vertieft durch die Sieges zuversicht, mit der alte und neue Feinde de- Protestantismus gegen diesen zu Felde ziehen. .Katholisch ist Trumps!* schallt e« au« dem ullramontanen Lager, da« au« jener Zer klüftung, au« der politischen Nvtblage und Schwäche ein zelncr Regierungen und au« dem Entgegenkommen spccisisch protestantischer Parteien die Hoffnung auf die Herrschaft über die Schule, die Knebelung der Wissenschaft, den Canossa- gang de« deutschen Kaiser« schöpft. Und Hohngelächter über Alle«, wa« trotz aller Gegensätze den hadernden Protestanten wie den Katholiken heilig ist, schallt au- jenen Colonnen, die mit der gesellschaftlichen und staatlichen auch die religiös- sittlich« Ordnung umstoßrn möchten, um auf den Trümmern da« ihnen selbst noch unfaßbare Reich der Zukunft auf zurichten. Seine gefährlichsten und siegreichsten Waffen nimmt dieser Gegner au« dem Kampsarsrnal aller kirchlichen Parteien Alle Verketzerungen, alle Vorwürfe, alle Schläge, die au« rinem kirchlichen Lager i» da« andere gesendet werden, trägt er zusammen, um sie al« Brandraketen in die verwirrte Masse dineinzuscnden und ihr zu .beweisen*, daß die Eon sessionen selbst die Religion erschlagen und da« Kircheutdum m seiner Grsammtheit eine Negation der Religion darstrll« Wa» diese .Beweise* gefruchtet haben, steht klar vor Aller Augen, ebenso klar, wie dir Gefahr, di» dem Pro- testantiSmu« von ultramonlauer Seite droht. Und trotz dieser doppelten großen Gefahren eine wachsende Zerftüftung, rin immer heißerer Streit, eine immer erbittertere innere Bekämpfung, di« selbst in Wittenberg morgen im besten Falle nur einen augenblicklichen Stillstand findet nnd nach dem Fest« forltobt, auch wenn morgen all« Stimmen noch so harmonisch sich vereinigen in de« Gesang«: ,E« muß un« doch gelingen I* Wir wollen wegen dieser unseligen Streitigkeiten inner bald de« deutschen Protestanti-mu« keinen Sleio auf «ine der kämpfenden Richtungen werfen. Mag auch hie und da etwa« Herrschsucht mit unterlaufen, so vertreten doch im Großen und Ganzen di« Kämpfenden ihr« tiefste Ueberzeugung. Und diese kann man nicht aus Befehl wechseln wir ein Kleid. Man tan» Gesetzen gehorche», di« man nicht billigt, aber man kann nnd s»L nicht bekenne». Wal »an nicht glantt. Aber was man glaubt, soll man vertheidigen. Und gehen die GlaubcnS- richtuugen so weit auseinander, wie in unsrem gährungSvollen Zeitaller, so ist der Kamps unvermeidlich, der allerdings in milderer Form geführt werden könnte, aber nicht völlig zu beschwichtigen ist, wenn nicht ei» gewaltiges Ercigniß einlritt. Welcher Art dieses Ercigniß sein müßte, lehrt uns viel leicht ein prüfender Blick in die Berga»gc»heit, auf die Luther- lhat vom 31. October 1517. Die 95 Thesen .für die Erklärung deö WertbS der Ablässe*, welche I>r. Lull,er am Abend des 31. Lclobcr 1517 an der Schloßkirche zu Wittenberg anschlug, erscheinen in der protestantischen (Überlieferung als die entscheidende That, durch die der Ncsoriuator sick vom Papstthum losgcsagt habe. Die Frage, ob diese Auffassung begründet sei oder nickt, lann kurzab weder bejaht noch verneint werden; denn die Thesen sind reich an conservativcn Zügen, sie cntbalten, wie man wiederholt gesagt hat, nichts, was nicht der orthodoxeste von den damaligen Theologen ruhig hätte unterschreiben könne». Lulber ist noch weit davon entfernt, das Papslthui» als olcheS unmittelbar und grundsätzlich anzugreiseu. Er erkennt mcbrsach die Schlüsselgewalt des obersten Pontifex an, ja, er erklärt Jeden für verflucht, der wider die Wahrheit der apostolischen Ablässe spricht» er unterscheidet zwischen de», Papst uud den Ablaßprcdigcrn und betont, daß der Papst von dem Gebühren und den Lehrmeinungen der Ablaßprediger nicht« wisst, sonst würdd er sich von ihnen lossagen. So wenig diese conservativcn Momente in den Thesen übersehen werden können — der Sckwerpunct liegt doch nicht in ihnen. An sich schon war rS ciu Schritt von überraschender lkühnbeit, daß ein schlichter Mönch den Ablaßprcdigern, Sendboten eines Erzbischofs und Schützlingen des heiligen Vater», den Fehdehandschuh hinwars. Aber auch dicö allein macht die Thesen noch nicht so bedeutsam. Wohl läßt Luther da« päpstliche System noch bestehen: indessen e« ist ein andere« System al« da« herrschende. Die maßlosen Vorstellungen von der Natur de« päpstlichen Amles werden in zwei Puncreu eingeschränkt, indem Luther erklärt: der Papst kann nicht« erlassen al« die kanonischen Strafen, welche er auch auf- ertegen darf, beides vermöge seiner Schlüsselgewalt, und er kann diesen Ablaß auch nur den Lebenden ertheilen, nicht aber den Seelen ,m Feaefeurr. Damit ist dir in« Jenseits übrrgreifrndr Macht de« Statthalters Christ« vernichtet. Nock olgenreicher als diese Doctrin, welche die Spitzede-Priesterthum« traf, ist die neue Auffassung vom Priesterthum überhaupt. Der katholischen Grundanschauung, die zwei Massen von Christen unterscheidet, Priester und Laien, Leiter >und Ge leitete, und die den Priestern dir Vermittelung zwischen Gott und den Laien Vorbehalt, stellt Luther di« Ansicht entgegen, daß jeder Christ, der wahre Rene über seine Sünde empfindet, aller Güter Christi und der Kirche durch Gottes Geschenk theilhaftig ist auch ohne Ablaßbrief, von Rechtswegen. Die priesterlichc Absolution zwar wird nicht beseitigt, aber sic bedingt nicht mehr die objective Tilgung der Sündenschuld, sondern bedeutet nur d,e subjective Vergewisserung des Sünders, daß ihm Gott wegen seiner wahren Reue die Sünde vergeben hat. Der Priclter ist nicht mehr der Herrscher über den Laien, soweit religiöse Dinge in Frage kommen, sondern er steht dem beichtenden Sünder nur al- Tröster und Beratber zur Seite. Zn dem Augenblicke aber, wo die Kirche aufhört, selbst das Heil zu sein und es zu bringen, bat die LoSlösung de» Christen von der Herrschast der Hierarchie begonnen. Man darf daher sagen, daß schon dir 95 Thesen eine befreiende That von höchster Bedeutung enthielten Wenn unser Volk damals die Tragweite der neuen Lehre instinctiv erkannte und die Thesen mit stürmischer Zustimmung ausnahm, so bat es damit einen Ruhme« titel von unvergänglicher Dauer erworben. Die Zeit umstände freilich mußten schon an und für sich die Tbesen populär machen. .Wie viele", schreibt G. Egelhaaf in seiner neuen Geschichte der Reformation, „hatten mit Zähneknirschen dem Treiben der Ablaßprediger zuacschen; nun war aber ein Mann aufgestanden, welcher Tausenden und Abertausende» da« Wort von den Lippen nabm und Namens de« empörten Gewissens den Mißbrauch offen und furchtlos an den Pranger stellte. Noch niemal« war dir Sitte akademischer Erörterung zu einem so allgemein interessirendcn Zwecke verwendet worden. Hier handelte e« sich nicht ui» gelehrte Grübeleien, sondern um eine hervorragende Frage des praktischen religiösen Leben« überhaupt. Zeder, welchen die Frage: wie kann ich selig werden'? angstvoll in seinem Znncrn bewegte, mußte Luther zuhören. E« war kein bequemer Weg, de» der Wittenberger wie«. Weit einfacher war eS, dem Priester- lhum Devotion zu bezeugen, seinen Sendboten zu glauben und sich Ablässe zu kaufen. Daß die Mahnung Lutbrr'S, fortwährend durch« ganze Leben Buße zu thun den Beifall de« Volke« davontrug, da» ist und bleibt ein Zeichen sittlicher Größe und Lauterkeit, welche« die Herzen erhebt*. Ein Volk, da« in einer so zerrissenen und von Mißbrauchen erfüllten Zeit zu solcher Größe sich aufschwingcn tonnte, wird eine« solchen Aufschwünge« auch wieder fähig sein, wenn ibin der Mann ersteht, der das rechte Wort findet, nach dem Millionen Herzen sich sehnen. Nock war es nicht die volle Luthcrthat, die am 3l. October 15l7 vollbracht wurde, aber wa« die 95 Tbesen kündeten, war der prägnante Ausdruck dessen, was unbewußt in den Seelen schlummerte, wa« Ge lehrte und Ungelehrte ersehnten, ohne e« erfassen zu können Wie Offenbarung von oben klangen diese gewaltigen Sätze, Alles erleuchtend und gewaltsam sortreißend, wa« den Weg zum Heile suchte. Da« war ein Lichtstrahl in dem Dunkel, ein Pfad in der Dildniß, ein Pfad, der nach oben sükrcn mußte und aus dem da« ganze Heer der Heil-bedürftigen dem kühnen Mönche folgte. Rur,,n solcher Mann, nur eine solche Dbat, eia solche« Ereigniß hebt auch un« hinan« über unsre Kämpfe, hinan« über dir Gefahren, die von allen Seiten die Schöpfung Luther'« bedrohen. Und e« wird kommen, diese- Ercigniß, denn r« kündigt sich an in diesen nach Licht rinnenden Kämpfen, e« kündigt sich an in der Sehnsucht von Älillioiien Herzen nach einem erlösenden, vereinigenden, die düsteren Nebel zer reißenden Worte. Wir Nr. Martin Luther kommen mußte nach Christo, so muß «in neuer Luther kommen nach dem Schöpfer der Wittrnbrr-rr Ihrsr» l Er wird und kann nicht morgen aufstcben in Wittenberg, denn die Dhat, die er zu vollbringen hat, ist nicht die Thal eines Feiertag«, sondern eines geistigen SchlachttagrS. Aber er komint wie das Ge witter »ach der drückende» Schwüle, wie die Erfüllung nach der Verheißung. Vielleicht ist noch manche Trübsal »kling, bevor die Zeit reif ist zur Erfassung seiner Worte. ^ Wir müssen seiner harre» in Geduld. Was wir thun könne», ihm die Stätte bei nnS in bereiten, ist die Pflege des BcwußlscinS, daß er uns volbig ist, nöthig wie Iw. Martin siither seiner Zeit. DaS giebt nnS jene Dcinulh, welche die Thore des HcrzenS jeder großen Botschaft am weitesten öffnet und Ocl gießt in-die Wogen des unvermeidlichen Kampfes. Möge cS morgen während der Waffenruhe nicht chlci, an Worten eindringlichster Mahnung zu dieser Denilltb, welche Denen ziemt, die im Jahre 1892 nach der Thcsciislättc mit Lulhrr'S Namen auf den Lippen, aber mit dem Schwerte unter dem Mantel wallen! Weiland Kronprinz Friedrich Wilhelm dct «er Etnwrthun« «er Lntdrrhalle tn Wittenberg am 13. September 1883. * Die in diesen Tagen von u»S ausgesprochene Vcrinulhung, daß Kaiser Wilhelm bei der Feier in Wittenberg ganz in dem Sinne sich äußern werde, wie die« sein Vater im Aufträge Kaiser Wilhelms I. bei der Einweihung der Luther- Halle in Wittenberg am 13. September 1883 gclhan, wird bestärkt dadurch, daß dir,Nord d. Allgeni. Zlg." an der Spitze ibrcr heutigen Ausgabe mit Sperrschrisl da« Folgend« veröffentlicht: Die ernste und erhebende Feier, durch welche morgen, als am Resvnnattontfeste, in Wittenberg die Wtederkinweihung der kchloh- kirch« begangen werden soll, glauben wir nicht besser einleile» zu küni-en, al« indem wir an jene Worte erinnern, welche der erhabene Balcr und Großvater unseres erlauchten Monarchen anläßlich der Einweihung La Lntherhaüe tu Wittenberg am 18. September 188.1 gesprochen. Bet diesem Anlass« hielt Krouprinz Friedrich Wilhelm folgende Ansprache: „Nachdem Ich eben in ans»« Sammlung tun Grab« unsere« großen Reformator« gewellt, betrete Ich n»amehr die Stätte, in welcher der glaubensstark« Mann in rastlos« Arbeit di« Weg« suchte, aus denen er freudigen Muthe« vorwärt« schritt »» sein« großen weltgeschichtlichen That. Beauftragt, Sk. Majestät bei dem heutigen Festgotte «dienst« zu vertreten, soll «» in Luther'« Wohnhaus Met» Erste« sein, di« Wort» zu verlesen, welch« da Kais« uud König au» Anlaß dieser Fei».' an Mich «lassen hat: ,Ln den Tagen vom 12. bi« 14. September d. I. soll ln Wittenberg eine Lutherseier abgehalten werden, welchr durch da» Heraunaden de« 400jährigen Gedächtnißtaae« von Luther'« Geburt veranlaßt ist. Di« an mich gerichtete Bitte, periönlich dabei zu erscheinen, Hobe ich nicht gewähren können. Ich empfinde aber al« evangelischer Christ und al« oberster Inhaber de« KirchenreglmcntS lebhafte Theilnahme für jede derartige Feier, bei welcher das evangelische Betennti'-ß ungeschwächten Ausdruck findet. Auch würdigeJch vollaufdell reichen sege», welcher für unser« theure evangelische Kirche oavou »nsgchen kann, daß ihre Glieder aller Orten an da« groß: Erbe und di« edlen Güter erinnert werde», welche Gott der Herr durch die Resormalivn uns bescheert hat. Zumal i» Wittenberg, dem nächste» Schau, platz von Luther'« gewaltigem und gottgesegnetem Wirken, möchte Ich bei solchem Fest« nicht unvrrrreten sein, um so weniger, al« dasselbe über den Rahmen einer blo« localen Feier hinauSragt. Demzufolge will Ich Eurer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit und Liebden Meine Bertretung bei dem bezüglichen Feslgottesdicnst hierdurch übertragen. Zu Gott dem Herrn aber flehe Ich, Laß die bevorstehenden Luther- feste gereichen mögen zur Weckung und Berticsung evangelischer Frömmigkeit, zur Wahrung guter Sitte und zur Besestigung de« Frieden- in unser« Kirche I Schloß Babelsberg, den 25. August 1883. Wilhelm."" In sinniger Weis« sind in diesen Räumen au« den Tagen der Reformation Andenken aller Art vereinigt, deren Vermehrung und Vervollständigung Ich glücklichen Fortgang wünsche. Denn unser Volk kann nicht vit und nicht lebhaft genug an die Segnungen erinnert werden, welche es dem Manne verdankt, dessen Namen diese Halle trägt. Wer gedächte nicht hier und heute Dessen, was Martin Luther S Geist und Wirken aus mehr als einem Gebiete deutich-nativnalen Lebens für uns erworben bat! Möge diele seinem Gedächtnis gewidmete Feier unS eine heilige Mahnung sein, die hoben Güter, welcht die Reformation nn« ge- Wonnen, mit demselben Mulhe und in demselben Geist« zu behaupten, mit den« iie einst errungen worden sind! Möge sie insbesondere uns in dem Entschlüsse befestigen, all« Zetten «inzutrelri, für unser evangelische« Bekenntniß und mit ihm sllr Gewissen-freiheit und Duldung! Und mögen wir stet» Testen eingedenk bleiben, daß di« Kraft und da« Wesen des Protestantismus nicht im Buchstaben beruht und nicht in starrer Form, sonder» in dem zugleich lebendigen und demüthigen Streben nach der Srkcnntniß christlich« W a hrheitl In diesem Sinne begrüße Ich den heutigen und die noch folgenden Lutherlage mit dem innigste» Wunsche, daß sie beitragen „lögen, unser protestantische« Bewntztsein zu stärken, unsere deutsche evangelische Kirche vor Zwietracht zu bewahre» and ihre» Frieden fest und dauernd zu begründen." politische Tagesschau. * Leipzig, 30. October. Noch weiß man nicht, ob der BundeSratb Veränderungen an der Mititairvorlage vornimmt, und völlig im Un klaren ist e«, ob er auf seinen Forderungen streng bebarren oder AbandcrungSbeschlüsscn de« Reichstage« seine Zustimmung ertbeilen wird. Trotzdem erheben sich bereit« Stimmen, die den Reichstag ermahnen, die Vorlage resolut anzunehmen. Co der bekannte Philosoph E. v. Hartmaun, der in einem Schristchen »Zwei Jahrzehnte deutscher Politik und dir gegenwärtige Weltlage*, den schon öfter au-gcsprochcnen Ge danken weiter auSsuhrt, Frankreich werde sich mit jedem Blutstropfen dagegen sträuben, Deutschland« Ueberlegenbeit militairisch und politisch al« unaushebbarc Thatsache an zuerkennen und aus die Möglichkeit einer Revanche zu vrr zichtcn. Selbst die Rückgabe Elsaß-Lothringen« würde hieran nickt« ändern. E« werde versuchen, Deutschland militairisch schließlich zu überflügeln und. wenn r» s» wett zu sein glaube, den Angriff auch oyne Bunde«geaoflen unternehme» Falls dir Milita»r»orlagr nicht angenommen wrrd«, steh« dieser Augenblick bald bevor. Natürlich kommt diese Schrist der Nordd. Allg. Ztg.* sehr gelegen; sic bemerkt zu derselbe» u. A.: „Man kann sich den Couclusionen de- Verfassers im Allgemeinen wobl anschließe», wenn er die Ansicht aussprtcht, daß Franircic!, mit dem Augenblick, wo e« de» Hühevunct seiner «och im Zuge be- indlichcit Rüstungen erreicht haben wird, sich darüber entschieden ,ab»n muß, ob e« ave Opfer umsonst gebracht haben, oder ob <4 die systemathisch vorbereitete Abrechnung vornehmen will, den» eS icht alSdnnn vor der Frage, ob »S den finanziellen Ruin über sich >ereinbreche» lassen, ob es dem unaufhaltsamen wirthschastlichen Niedergang verfallen will. Tann, so endet der Autor seine Be trachtungen, tritt für Frankreich der Moment ein, wo cS auch dann iosschlagen müßte, wenn »hm Elsaß-Lothringen niemulS abgeiivmnien worden wäre, oder wenn ihm dasselbe heule zurückgegede» tvürd ', den» die Empsiiidlichkcit über diesen Verlust ist nur eine Maöke, um de» Schmerz üb« die erlittene moraliiche Temüthigung zu »er- bergen. Tie französischen Revanchegelüsle sind wcjeutlich idealer Natur und auf die Versöhnung der verletzten nationalen Eilelteit gerichtet, aus die Wiederherstellung des RnbmeS, die erste militairische Grostmacht der Weit und die kriegerischste der Nationen zu sein!" Mit solche» Gründen kann man jede beliebige Militair- vorlagr vertheidigen. Aber gerade weil sic so allgemeiner Natur sind, fehlt ihnen jede Beweiskraft für den spcciellen Fall, für den dem BundeSrathe jetzt vorliegenden Entwurf und seine unklaren Bestimmungen. Daß gerade diese Vor lage nöthig sei, ist zu beweisen, und wenn der Herr Reichs kanzler für sie nichts beizubringen wüßte, als was Herr v. Hartman» sagt, so können wir dem Entwürfe ein günstiges Geschick nicht Voraussagen. Die Aufgabe ist eS jetzt nicht, Hypothesen darüber aufzustcllcn, was Frankreich eventucll hun würde oder möchte, sondern an der Hand zuverlässigen latistischen Materials klarzulcgc», wa» un» für den schlimmsten Fall fehlt, und dann zu tintersuchcn, wie wir dieses Minus unter sorgfältiger Berücksichtigung unserer wirthschastlichen Lage zu ersetzen vermögen. Das wird der Bundcsrath und wird der Reichstag thun, und trügen nicht alle Anzeichen, o wird sich Herausstellen, daß der vorliegende Enlwurs nicht nit Haut und Haaren verspeist zu werden braucht, um un» lcher zu stelle» vor drohenden Gefahren. Bei der Größe und Bedeutung der gesetzgeberischen Auf- abrn, die dem Reichstag sowohl al» dem preußischen andtag im devo.stehendeu Winter gestellt sind, werden sich diese parlamentarischen Körperschaften von vornherein in einer schwierigen und die sorgsamsten geschäftlichen Ufi- ordnunacn erfordernden Lage befinden. Man wird vosarrs» etzen dürfen, Laß sich die Präsidenten hierüber rechtzeitig ins Einvernehmen fetzen und manchen Fehler vermeiden, der in dieser Hinsicht in früheren Sessionen begangen worden ist. Nan wird annchmen dürfen, daß im Abgeordnetenhaus! sowohl, als im Reichstag gleich anfangs alle Kraft auf den Haupt- gegenstand, dir Militairvorlagc einerseits, die Steuergesetze andererseits gerichtet wird. Bei dem Zusammentretcn des Reichstag» kann da- Abgeordnetenhaus bereit« die erste Lesung der Stenervorlagen becndigt habe» nnd den Schwrr- punct seiner Tbätigkcit in die Stenercomiiiission verlege», wodurch dein Reichstag für die Militairvorlagc die Zeit freier zur Verfügung steht. Tie zweite Lesung der Steuer- Vorlagen kann vor Februar im Adgcordnclcnhausc nicht ins Auge gefaßt werden, bi» dahin kann aber auch der Etat, wenigsten« größtenthcilS, und einige« sonst noch dringliche Material zur Erledigung kommen. Der Reichstag seiner- fcit« kann mit der Militairvorlagc vielleicht bis Weltmächten fertig werden und sich alsdann, wen» nicht »nvorgcschene Zwischenfälle rintretcn, dem Etat zuwcnden. Eine derartige Disposition dürfte Wohl die Schwierigkeiten der geschäftlichen Anordnungen am besten mildern und erträglich machen. Wer in den letzten zwei Monaten in Frankreich in der Lage war, mit unbefangenem Blick den Verlauf der Dinge in dem Arbetterkrieg von Carmaux zn ver folgen, dem ging niituntcr die nachträgliche politische Er leuchtung darüber auf, weSbalb seit einem Zabrbundcrt schon zweimal die Republik der unumschränkten Herrschergewalt hat Weichen müssen: auf der einen Leite die scyrankenlose, wahnwitzige Verhetzung der Massen durch socialdcmokratische Demagogen, die z>elbewnßt der Anarchie rusteuern, auf der andern die erbärmliche Schwäche, die feige Unschlüssigkeit der StaatSlciter, die nicht die Courage haben, Gesetz. Reckt und Ordnung gegen die wüsten Schreier und ihr irregeleitetes Gefolge zu vertheidigen, weil sie unan- gcnebmc Austritte in der Kammer und Verluste bei den Wahlen besorgen. Dazwischen sehen sich die arbeitsamen, die gebildeten Classen, die Schichten, i» welchen seit Jahr hunderten da« Erde der nationalen Tbäligkeil an geistigen und materielle» Güter», da« Erbe der besten Arbeit, errungen, gemehrt und gehegt wird, schutzlos der Willkür preisgegede». Kein Wunder, daß unter solchen Umständen allmälig der Glaube, das Vertrauen zu der republikanischen Staatsform auch bei Solchen erschüttert wird, deren Iugendidcal die Republik war; kein Wunder, daß schließlich die StaatSsorm, die ihre erste Pflicht, die Erhaltung der Ordnung, die Durchführung des Gesetzes, versäumt hat, unter Blitz und Donner zwar, aber von den Besten ocr Nation nnbetrauert, zusammenbricht und »ntcrgcbt. Tic dritte Republik hat sich nunmehr zwanzig Zaüre gehalten, aber e« kann kein Zweifel darüber obwalten, daß Episoden, wie der Arbeiterstreik in Carmaux, ihr am inncrn festen Gefüge unrrmeßlichen Schaden zusügen. Es ist sehr bezeichnend, wenn unter dem frischen Eindruck der jüngsten Ereignisse heute rin Pariser Blatt der Regierung zürnst: „Giebt r« denn zweierlei Gesetze bei uns, ein« für dir Republikaner und ein- für di« Ucbrigcn? Unter dem Kaiserreich war eS nicht so. Unter dem Kaiserreich hat man allerdings einmal da« Gesetz verletzt, allein sobald der Staatsstreich vollzogen war, gab eS nur ein Gesetz für Alle. Wir, die wir Kinder waren, als man den 2. Tccemder schrieb, wir haben niemals Vorrechte, Classen und Kategorien gekannt. Jedermann war gezwungen, de» Gendarmen Folge zu leisten, Jedermann mußte sich der Polizei fügen, eS gab keinerlei Ausnahme. Selbst im Puncte der Ausschreitung aus der Bahn des Gesetze« war e« besser: eS ist immerhin besser, ein einzige« Mal einen großen, gründlichen Staatsstreich, al« jedcn Morgen einen kleine» zu unternehmen. Es wirkt da« auch weniger entnervend. Man nebm« sich daher das Kaiser reich zum Muster, und wenn die Operation vollzogen ist, so organiflr« mau etwa« Vernünftige«, etwa«, wa« zusam-
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