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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921103019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892110301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892110301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-03
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Abom»eme«tspreiS t» der Hanptrxpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierftllätzrlich>l4^ü, bei jwetmaltarr täglicher Zustellung in« Han« b.öil Durch die Post bezogen für Deutschload nud Oesterreich: vierteiiährlich S.—. Direkte täglich» kreuzbandjeudung tu« Ausland: monatlich ^l> 9.-^ Die Morgenausgabe erscheint täglich'/«7 Uhr, dir Abeud-Busgabe Wochentags 5 Uhr. Redaktion vnd Erpeditioa: Aahanne«gasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet oua früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filialen: kttt «e»m « D-rtim. («lfre» Hahn). Uaiversitätsstraße 1, Lau«« Lösche. Kathariueustr. 1«, Port. uut Söuigspla» 7. 582. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Donnerstag den 3. November 1892. JirsertionspreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter demRedactionSstrich (4ge- spalten) 50»t. vor den Familieunachrichte» (6 gespalten) 40 »j. Größere Schriften laut unserem Preis« verzelchaiß. Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gesalzt), »ur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne PoslbefSrderung 60.—, mit Postbesörderuug ^l 70.—. Iinrrahmkschluß für Inserate: Abead-Ausgab«: Vormittag« 10 Uhr. Margea-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn« und Festtag- früh '/,9 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Inserate sind stet» an di« Expedition zu richten. Druck u»d Verlag von E. Polz in Leipzig. 88. Jahrgang ^ Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Bei unserem Stadtorchester, welches den Dienst im Theater, dem GewandhauSconccrt und bcz. in den Kirchen zu versehen hat, solle» möglichst bald die Stelle je eines Aspiranten für a. u. Violine mit dem Jahresgehalt von 1200 (900 vom Theater und 300 ^l! vom Concert), sowie d. Posaune und beziehentlich Contrabatz mit dem Jahres- gehall von 1500 ^t, und zwar von 1200 für Posaune vom Theater und von 300 für Kontrabaß vom Concert, wiederbeseßt werden. ES werden auch Bewerbungen für da« Instrument Posaune allein angenommen. Die Anstellung erfolgt zunächst aus rin Probejahr. Geeignete Bewerber, welche sich einem Probespiel zu unterziehen haben, wollen ihre Gesuche nebst Zeugnißabschristen urd einem turzea Lebenslauf bis fpätcstcnS zum 15. Novemter k. A. bei un- rinreichen. Leipzig, den 27. Oktober 1892. Der Natd der Stadt Leipzig. I». 4296. Ör. Georgi, Oberbürgermeister. Wilisch, Aff. Bekanntmachung. Erledigt hat sich unsere Bekanntmachung vom 29. vor. Mts., die Diebstähle der messingenen Verschlußkapselo von den Wassnposlen in den hiesigen Vorstädten betreffend. Leipzig, am 2. November 1892. Da» Poltzeiamt der Stadt Leipzig, v. L. 3701. Bretschneider. Ass.W. Steckbrief. Gegen den unten beschriebenen HandlungscommiS Julius Aston Theodor Robbt, geboren den 12. November 1865 zu Chewmtz, welcher flüchtig ist, ist di« UatersuchuugShast wegen schweren Hieb- stahl« vrrhÜHgt» Es wtrversucht, denselben zu verhaften und in da« nächst, gelegen« Amtsgerichtsgesängniß abzaltefrru, hiervon aber umgeh«» Nachricht anher zu geben. Leipzig, den 2. November 1892. Königliche Staatsanwaltschaft. St. A. Ro. 39/92, V. 252. Martini. Beschreibung: Alter: 26 Jahre. Größe: 1,72 w. Statur: schlank. Haare: schwarz. Stirn: hoch. Augenbrauen: schwarz. Nase: spitz. Bart: schwarzer Schnurrbart und Fliege. Augen: braun. Kinn: rund. Sprache: deutsch, englisch und französisch. Kleidung: Jaquet, Weste, Hose von dunkelblauem, geripptem Cheviot. Rehfarbener Schuwaloff- Mantel von Lodenstoff mit Petertuekrageu. Besonder« Kennzeichen: Narb« an der Stiru. Bekanntmachung. Mit Genehmigung der Vorgesetzten Kirchenbehörde soll di« Zahl der weltlichen Mitglieder de« hiesigen KirchenvorstandeS um zwei vermehrt werden. Die Zuwahl der beiden Mitglieder soll dergestalt erfolgen, daß ein- aus die Dauer von fünf Jahren (bis Ende Mai 1897) und eins aus di» Dauer von zwei Jahren (bis Ende Mai 1894) gewählt wird und das Loos darüber entscheidet, wer von ihnen zuerst auSzuschetden haben wird. Für die Sonntag, den 27. November, zu veranstaltende Wahl ist zuvörderst die Liste der Stimmberechtigten der hiesigen Parochie, d. i. der innerhalb der früheren Lnsarenzen von Gohlis wohnhaften Kirchcngemeinde- glieder auszustelle». Stimmberechtigt sind nach 8. 8 der Kirchen- vorstandSordnung alle selbstständigen Hausväter der Kirchengemeinde, welche daS 25. Lebensjahr erfüllt haben, sie seien verheirathet oder nicht, mit Ausnahme solcher, die durch Verachtung des Wortes Gottes oder unehrbaren Lebenswandel öffentliche«, nicht wieder gehobenes Aergernih gegeben haben oder von der Stimmberechligung bei Wahlen der politischen Gemeinde ausgeschlossen sind, sowie nach §. 2 des Kirchengesetze« vom 1. December 1876 derjenigen, denen in Folgt der Verweigerung der Taus«, Trauung oder Loafirmatioa die kirch lichen Ehrenrechte entzogen worden sind. ES wird nun hierdurch aufgesordert, die Anmeldung zur Ein- tragung in die Liste der Stimmberechtigten unter Angabe von Namen, Stand, Aller und Wohnung schriftlich oder mündlich, jeden falls aber eigenhändig bez. persönlich, in der Psarramtsexvedition bis längstens zum 17. November, Abends 6 Uhr, in den Stunden Vorm. 8 bis 1 Uhr und Nachm. 3 bis 6 Uhr Wochentag« zu be- wirken, indem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß »ur Die jenigen zur Bethetligung an der Wahl berechtigt sind, welche nach vorgängiger Anmeldung Ausnahme in die Wählerliste gefunden haben. Leipzlg-Gohli«, am 2. November 1892. Drr Wahlauaschutz. vr. W. S«hd«l, Pastor, Vorsitzender. Sparkasse Liebertwolkwitz. Unter «arantte drr Gemeinde. Reserven: 320 22« 88 Sparverkehr vom 1. Januar bi- 31. Oktober 1892. 8136 Einzahlungen im Betrag» von 1013 235 24 ^ 6335 Rückzahlungen « « « 789 549 8? ^ Verzinsung der Einlagen mit 8', "/,. Erpeditionszeit: Montag« und Donnerstag-. Die ZwriggrschäftSfttllr Stötteritz expedirt jeden Donners tag Nachmittags von 5—7 Uhr und die Zweiggeschäft-steile Paunsdorf ftdeu Montag und D»nner«ta, Nachmittags von 3-6 Uhr. Sparcafscn-Verwaltung. Dyck, Direktor. Bekanntmachung. Der in Nr. 528 Jahrgang 1892 des Leipziger Lageblatte« be kannt gemacht«, aus viittwo^. A. den S. November b. iormlttag» II Uhr im „Schlenkffchen Gasthos" zu Georgentbal in Thüringen anbe- räumte Grundstücks-Zwangsverkaus im Kirmse'schen Concurfe wird hierdurch in Erinnerung gebracht und nochmals daraus hingewiesen, daß die zum verkauf kommenden, im besten Zustande befindlichen Realitäten kvasthof, Wohnbau«. Brauerei, Scheunen, Ställe und Länberetgrnnbkückr) da« bormal« Bchlenk'sch« Besch- thum stad. Ohrdruf, de, «1. Oktober 1892. Herra^l. E. »>tt»,rrtcht LID Britfch»» »ancicht >«td»r Die protestantische Bewegung. Die Wittenberger Rede des Kaisers ist nur ein Glied in der Kette von Ereignissen, welche durch die Borläge deS Zedlitz'schen VolksschulgesetzcntwurfeS veranlaßt worden sind. Damals erwachte das protestantische Bewußtsein aus langem Schlummer, daS liberale BUrgertbum unter Führung der Universitäten erhob laut und eindringlich Widerspruch gegen die Fesselung der Heranwachsenden Generation Lurch die starren Formeln einer abgestorbenen Zeit und einer früheren Erkenntnißstufe. Es siel auch daS be deutungsvolle Wort von der Einheit der Wissen schaft, die sich nicht nach Sckulgattunge» gliedern lasse, sondern stets den Weg zur Fortbildung in dem Geiste offen halte» müsse, in welchem der Unterricht in der Volksschule begrünen. Diese Bewegung zog wie ein reinigendes Gewitter über ganz Deutschland dahin und regte in weiten Kreisen Gedanken an, die bisher geschlummert hatten. Man wurde sich der hohen Bedeutung des Begriffes Unlerrichtöfreihcit bewußt und erkannte, daß sie durch Einsühruug deS klerikalen Einflusses in die Schule auf das Aeußerste gefährdet werden müsse. Nach glücklicher Beseitigung deS Entwurfs erschien die von Professor Harnack angeregte Frage auf der kirchlichen Tagesordnung, ob das evangelische Glaubensbckennlniß in allen seinen Thcilen wörtlich zu nehmen, oder ob der persön lichen Uebcrzcugung des evangelischen Christen Spielraum bei der Auslegung zu geben sei. Die Proteste gegen solchen „Unglauben" haben aber auf den Kaiser keinen Eindruck gemacht. Hat doch Kaiser Wilhelm in Wittenberg erklärt, daß es in Glaubenssachen keinen Zwang gebe, daß hier allein die freie Ueberzeuguna deS Herzens entscheide, und daß diese Einsicht die gesegnete Frucht der Reformation sei. Etwa gleichzeitig machte sich der ganze Uebermulh der Führer des CentrumS aus dem Katholikentage in Mainz geltend und Bischof Hasfner erklärte die Protestanten für Abtrünnige, die früher oder später in den Schooß der allein seligmachenden Kirche zurückkehren müßten. Außerdem wurde daS Verlangen erhoben, daß nicht nur die Volksschule, sondern auch die höheren Schulen bis zur Universität hinauf unter die Aussicht der Geistlichkeit zu stellen seien und daß die Jesuiten zurückbcrufcn werden müßten. Das Alles in einem Ton, als ob die Katholiken die Herren im Staate wären und nur zu beseblcn hätten, um ihren Willen auch burchzusctzcn. Alle diese Ereignisse haben in der protestantischen Welt eine Bewegung erzeugt, die allerdings noch in ihren Anfängen begriffen ist und von dem inneren Streite ge hemmt wird, aber trotzdem bereits erkennen läßt, daß sic kräftige Wurzel» hat und aus breiter Grundlage steht. Es dämmert überall das Verständlich für die Wichtigkeit der Lösung einer Frage, von welcher das Wohl und Wehe vieler Millionen abbängt. Einen mächtigen Bundesgenossen im Kampfe gegen den KatholiciSmuS hat der Protestantismus an dem Bildungs gänge, den daS deutsche Volk seit Luther genommen hat. Die von Luther ausgehende Bewegung ist ihrem ganzen Wesen nach deutsch, wie am besten daran- erhellt, daß er dem deut schen Volke den Inhalt der Bibel durch seine Uebersetzung zugänglich machte. Während der katholische Gottesdienst wesent lich in lateinischer Sprache abgebaltcn wird, trat von Luther ab die deutsche Sprache auch in der Kirche in ihre Rechte, und so hat sich unter dem Einfluß Lutbers die deutsche Sprache und Literatur zu immer höheren Leistungen emporgeschwungen, tiS sie im vorigen Jahrhundert-eine neue Rassische Periode von weltbewegender Bedeutung erreichte. An den Werken eines Lessing, Schiller, Goethe, eines Fichte, Schilling, Kant, Alexander v. Humboldt und vieler anderer deutscher GcisteS- bcroen baden sich nicht nur Protestanten gebildet, sondern ebenso Katholiken und die Bekenner anderer Religionen. Aber alle deutschen Classiker dieser Periode waren von protestantischem Geiste durchdrungen und durch ihn haben sic auch aus Nicht-Protestanten gewirkt. Im Jabre l873 er schien ein Buch von David Strauß unter dem Titel: „Sind wir denn noch Christen?" Dieses Buch war eine Frucht de« Gedankens, daß bei dem allgemeinen Bildungsstande die confessioiieUcn Unterschiede sich nicht mehr ausrecht erhalten ließen. Der Bcrfasscr verneinte die von ihm ausgestelltc Frage, machte aber damit wenig Eindruck. Womit sich die öffentliche Meinung nicht einverstanden erklärte, waren seine Vorschläge, das Bcdürsniß nach Erbauung auf anderem als religiösem Wege zu befriedigen. Er empsabl die Lectüre der Elassiker, die Beschäftigung mit den schönen Künsten ic. DaS Buch war ein Zeichen der Zeit, eS siel mit der Höbe des CuitlirkampfeS zusammen. Heute ist es vergessen, man spricht nicht mehr davon. Die damals herrschende religiöse Gleichgiltigkeit war hauptsächlich die Folge der Anschläge Pius' IX. auf die Denk- sreiheit, wie sie in der Togmalisirung der unbefleckten Empfängnis, und der päpstlichen llnseblbarkcit enthalten sind. Da- Uebermaß der geistigen Knechtung der Katholiken blieb auch nicht ohne Wirkung aus die evangelische Christenheit; cS war eine allgemeine Abneigung entstanden, sich mit kirchlichen Dingen zu beschäftigen, man wurde auch auf protestantischer Seite inne, daß eS dort Geistliche gebe, die an GlaubenSeifer und Buchstabcnlyraiinci hinter keinem katholischen Fastenprediger rurückbliebcn. Diese Periode bat aber nicht lange gedauert; der Rückschlag trat ein, als die Angriffe LcS Papstes gegen den Protestantismus immer heftiger wurden, und dieser Zeit punkt siel mit der Ueberhandnahme des SociaiiSmuS zu sammen. Da wurde ein großer Theil der ßlcichgiltigen Protestanten der Nothwendigkeit inne, daS religiöse Leben des BolkeS zu erhöhten Regungen zu treiben. Freilich besaß die extreme Richtung den meisten Einfluß, der sich in der Vorlage deS Zedlitz'schen Volksschul-GesetzcntwurfcS äußerte. Gerade diese Acußerung aber wurde zur kräftigsten An regung für eine gesunde Bewegung. Heute befinden sich weite Kreise wieder im Fahrwasser eines gesunden religiösen Lebens, daS unS den Werth einer Religion vollkommen würdigen läßt, welche sich mit der geistigen Ent wicklungsstufe de« Volks im Einklang befindet. Die Religion ist die Grundlage unseres SittengesctzeS; auf dem Stand puncte stebt nur ein verschwindend kleiner Theil de« Volke-, daß er da« Gute um be« Guten willen lhut. Wir I steyra heut« iu Deutschlaad noch durchau« aus dem Boden deS christlichen Staates und unsere Nachkommen werden noch nach Jahrhunderten auf demselben Boden stehe». Dieser christliche Staat muß aber so eingerichlel sein, daß er die Glaubensfreiheit als seine Voraussetzung anerkennt, sonst leidet die geistige Entwickelung Schaden »nd diesen Schaden können wir nicht verschmerzen. Der Kalbo- lieiümus steht dem Protestantismus feindlich gegenüber, aber nicht ans Seite der Laien, sondern nur unter dem Drucke einer unduldsamen Geistlichkeit. Deshalb ist auch die Erwiderung auf die Wittenberger Rede deS Kaisers von Nom unmittelbar erfolgt. Tie „Voce della Verita" nennt Luther einen Rebellen und Deserteur, dessen Verbündete heute den Papst gefangen halten. Dann aber plötzlich in einen anderen Ton übergehend, iieiint das päpst liche Blatt den Papst Triumphator und erklärt, daß die römische Kirche heule mächtiger sei als je, während der Protestantismus längst gestorben sei. Nun, diese Schmähung kommt gerade zur rechten Stunde, um die Lebciiölrask, deren der Protestantismus durch die Wittenberger Feier sich be wußt geworden ist, zur Thatkrast zu entstammen. Der ullramvntane Widerstand gegen die Ausstellung der Büste Luther'ö im Neichötagögchäude ist vollends dazu angethan, die Protestanten auö ihrer bisherigen Zurückhaltung herauszulockeii und sie gemeinsam auf den Kampfplatz zu rufe». In wenigen Tagen wird der preußische Land tag und der deutsche Reichstag zusainmentreten, dort müssen die Gegensätze auf einander stoßen. Es wird zu Erklärungen über den beiderseitigen Standpunct kommen und wir werden mit dem Ccntrum Abrechnung batten über sein Bcrfahren aus dem Katholikentage in Mainz. Tie Negierung wird dabei freilich sehr ins Gedränge kommen, weil sie dem Centrum eine an Unterwerfung grenzende Nach sicht seit langer Zeit bewiesen hat. Solche Verhältnisse lassen sich aber immer nur so lange aufrecht erhalten, als aus beiden Seiten Maß beobachtet wird; fehlt cS daran, dann über- flurhen die Wogen der Leidenschaft die schützenden User. * Deutsches Reich. k. Berlin. 2. November. Die Beziehungen zwischen Deutschsrcisinn und Centrum werden seit einiger Zeit wieder ersicklUch wärmer, wenigstens soweit sich aus deutsch- freisinnigen Kundgebungen schließen läßt. Man würde zwar, darüber waren wir keinen Augenblick im Zweifel, bei >e»cn sonderbaren Demokraten dem Centrum die Bewilligung unerhörter Militairforderungen weit leichter verzeihen, als man die Genehmigung viel geringerer den „Cartciparleicn" und namentlich de» Nationalliberalcii nachgcschcn hat, aber um der Leute willen ist eS doch angenehmer, daß die CcntrumS- presie entschieden Front gegen die Militairvorlage zu machen beginnt. Ob cS dabei bleibt, ist Nebensache, vorerst kann man ungcnirt mit dem wieder „Vvlkspartci" gewordenen UltramontaniSmus gegen den gemäßigten Liberalismus gemeinsame Sache machen. Herr Richter spricht beute, ganz wie die „Germania", von einer Katholikenhctze, weil ein uatwnailiberalcr Historiker in Karlsruhe vor den Machl- aspirationcn Roms gewarnt hat. Der Stuttgarter Demokrat Haußmann hat in der badischen Hauptstadt dasselbe gethan. Gras Ballestrem erweist sich für diese Unterstützung des uilramontancn Trugs der Gleichsctzung von katholisch und Ultramontan erkenntlich, denn ein paar demokratisch-deulsch- srcisinnige Mandate lassen sich ja für die Bildung einer klerikal- conservativen badischen Kammcrmehrheit unbedenklich in den Kauf »ebmc». Die badische CentrumSpartci hat dieser Tage den sckion früher proclamirten Grundsatz: „Immer gegen die Nationalliberalen, falls kein Socialdcmokrat in Frage kommt, strengste Neutralität bei Kämpfen zwischen Nationailiberalcn und Socialdemokraten" — förmlich adoptirt. Alle Parteien sollen gegen die Nationalliberalen unterstützt werden, ohne daß das Centrum „dafür eine Gegenleistung" beansprucht. Sehr begreiflich, da man dem Ultramontaniömuö thatsächlich nichts Wcrthvolles „leisten" kann, als die Verdrängung des gemäßigten Liberalismus. Den Radikalismus zu fürchten, haben ihn seine Erfahrung längst als kindische Regung ver achten gelehrt. In einem Puncte stellt sich Herr Richter mit den ultramvnlanen Gönnern unzufrieden. Er sicht nicht ein, warum es den Deulschsreisinnigen vom Cen- trum untersagt Worte» ist, socialbcmokratische Hülse anzunehmeu. Herr Richter weiß aber ganz genau, daß eö den großgünsligcn Ultrainontanen mit diesem Verbote nicht ernst ist. Wäre daS anbcrS, so würde sich der deutschfreisiiiiiige Führer in seiner abhängigen Stellung gehütet baden, den Wohllhäter durch Unbescheidenheit zu reizen. Da» Centrum läßt sich selbst recht gern social- demokratische Unterstützung gefallen (vgl. aus neuester Zeit Hildeöbeim) und wird nichts dagegen haben, wenn sich die hilfsbedürftigen Radicale» von den Sociaidcmokrate» gegen die Nalioiialliberalen helfen lassen. Kennzeichnend für den politischen Markt in Baden ist, daß die Hanimcrstciii und Stöcker, die Verbündeten der Lieber und Ballestrei», nicht daS Mindeste gegen die Unterstützung deS TeulschfreisinncS durch ihre Freunde einzuwenden haben. Herr Richter lebt also mittelbar auch von der Gunst der „Junker und Pfaffen". ^ Berlin, 2. November. Der rührige Verein für Social Politik hat soeben wieder zwei größere Veröffent lichungen erscheinen lassen, welche von hohem und zeitgemäßem social- und wirlhschastSpolitischem Interesse sind (Leipzig, Verlag von Duncker >L Humblot). Die eine behandelt: die Verhältnisse der Landarbeiter in Nordwcstdeutsch- land (bearbeitet von Vr. Kärger) und in Württemberg, Baden und den Reich -landen (bearbeitetvon l)r. Losch); zwei weitere Bände über dieselbe Frage in anderen deutschen Ländern und Landschaften werden folgen. Die Darstellung ist auf Grund der vom Verein für Socialpolitik veranstalteten umfangreichen Erhebungen aufgebaut und liefert sehr zuver lässige« und lehrreiche« Material für die Beurthcilung der landwirthschaftlichen Zustände, der Lebenshaltung, der Lohn-, Arbeit«- und Erwerbsverhältniffe, der Eulturentwickclung rc. auf landwirthschaftlichem Gebiet. — In der zweiten Ver öffentlichung behandelte Professor von Philippovich in Frci- burg i. B. die Auswanderung und die AuSwaude- rung«politik in Deutschland, nach Berichten ver schiedener Mitarbeiter über di« Entwickelung und den gegen wärtigen Zustand des Auswanderungöwcsens in den Einzel- slaatcn und im Reich. LI: Berlin, l. November. Die Bodenbesitz-Reformen machen neuerdings wieder lebhafte Anstrengungen, die Socialdcmokraten für sich zu gewinnen. Zwei Anhänger der ersten Richtung, beide Rechtsanwälte, sprachen zu dem Zweck jüngst in einer Versammlung unabhängiger Socialisten über das fragliche Thema. Sie erklärten >m vollen Ernst, daß in der Bodenbesitz-Reform das Mittel liege, die sociale Krage zu lösen. Durch den Ilcbcrgaiig des PrivatbcsitzeS an Grund und Boden in die Hände deS Staates und der Communen werde zunächst dem arbeitslosen Er werb, wie Wucher, HyPothekenzinS rc., ein Ziel gesetzt, wodurch ein wichtiger Schrill zur Vergesellschaftung gc- tha» sei. Auch die Erbschaftssteuer müsse anders geregelt werden. Die Betriebsmittel seien jedoch nicht zu verstaat lichen. Bei den Socialisten fanden die Vertreter der Boden besitz-Reform indeß wenig Gegenliebe. Nächstens findet wieder eine Discussion über dasselbe Thema statt. — Gestern wurde wiederum der „Socialist" consiScirt, und zwar wegen de« in der letzten Nummer enthaltenen Artikels „Die Er läuterung unserer Principien" und den sich daran anschließenden „Entwurf einer Principien Erklärung." — Die Maschinisten und Heizer Deutschlands wollen sich zu cuiem Verbände vereinigen. Z» dem Zweck wird am 20. d. M. hier eine Dclcgirlcn-Cvnsereiiz der Deutschen Vereine der Maschinisten und Heizer abgchaltcn. V. Perlt», 2. November. (Telegramm.) Im Anschluß an die Erklärung des W i e » e r D i st a n z r i t t - C o in i t v s bezüglich der Anschuldigungen gegen die österreichischen Osjiciere verössenliichen die Abendblätter eine Zuschrift deS Obersten von Bissing, worin er Namens des Ber liner ComitöS >ene Anschuldigung entschieden zurückweist und sich der Erklärung des Wiener ComiteS im vollen Umfange anschlicßt. — Der Kaiser hat dem Prinzen Johann von SchleSwig-Holstein-Glücksburg, dem jüngsten Bruder des Königs von Dänemark, der den König Christian IX. bei der Wittenberger Feier vertrat, den hohen Orden vom Schwarzen Adler verliehen. Dem Vertreter der Königin von Holland, Ober-Mundschenk Baron v. Har den brock, hat der Kaiser den Kronen-Ordcn l. Classe verliehen. — Dem hiesigen Magistrate ist aus die an die Kaiserin gerichtete Geburtstags » Glückwunsch - Adresse das folgen Dankschreiben zugegangen: „Dem Magistrat von Berlin danke Ich aufrichtig für den Mir zu Meinem Geburtstage erneut dargcbrachlen Ausdruck guter Wünsche und treuer Gesinnung. Cs ist wahr, daß Ich auf ein reich gesegnetes Jahr in Meinem Hause zuriickblicke. Mit freudigem Stolze konnte Ich die Entwickelung Meiner Söhne verfolgen und die Geburt Unserer Tochter erfüllte Mein Herz mit Dank gegen Gottes Güte Wenn Ich auch in dem abgelanfenen Lebens>adre bestrebt war, leiblicher und sittlicher Noth durch Förderung und Anregung christlicher Liebes- thätigkeit cntgegenzuwirkcn, so bleibt doch aus diesem Gebiete »och sehr Vieles zu thun übrig, und Ich vertraue gern, daß es der Magistrat auch sernerweit an opferwilliger Mitarbeit nicht fehlen lassen wird. Diene« Palais, den 27. October 1892. gez. Auguste Victoria, Kaiserin und Königin." An den Magistrat von Berlin. — lieber die Untersuchung, welche wegen der Veröffent lichung der neuen Heeresvorlage tingeleitet wurde, schreibt der „NeichSbote", der sich die Miene giebt, gut unter richtet zu sein: „Auffallend ist es, daß man nicht unmittelbar nach der in der „Köln. Ztg " erfolgten Veröffentlichung die Recherchen an der rich- tigen Stelle «»gestellt hat. Wie uns mitgcthcil» worden ist, soll dem Beamten, der die Vertheilung der Drucksachen regelmäßig aus führt, bei dieser Vertheilung ausgefallen sein, daß ein Exemplar von der hier in Frage stehenden Drucksache fehlt und daß er davon auch sofort seiner Dienslhehürdc Anzeige erstattet hat. Der richtige Weg wäre also gewesen, rückwärts nach der Druckerei zu forschen, wo das Exemplar geblieben ist. Denn es dürste außer Frage stehen, daß gerade das fehlende Exemplar dasjenige ist, welches in die Hände der „Köln. Ztg." gelangt ist. Ein Theil der Beamten ist sehr ungehalten darüber, daß nicht hier die Nach- forschungen angestellt sind und statt dessen der Verdacht aus Andere gelenkt wird." — Für den Verfasser des Artikels der „Deutschen Revue", welche die bereits mitgelheiltc Erklärung der „Nordd. A. Zkg " zur Folge hatte, wird nach der „Nal.-Ztg." Herr Gefscken gehalten. — Der „Köln. Ztg." wird telegraphisch von hier ge meldet: „Wie es scheint, haben verschiedene Kundgebungen dcutsckier Colonialvereine, in denen eine Abänderung oder Anfechtung Lcr der englischen Gesellschaft verliehenen Concessio» in Südwest- asrika befürwortet wurde, in England eine gewisse Erregung hcr- vorgcrufen und Anfragen darüber veranlaßt, ob Deutschland nicht doch vielleicht die Concession nicht anssübren oder gar Süd- wcslasrika zum Gegenstände eines Tauschgeschäftes machen »nd eS gegen andere roloniale Compensatione» abtreten werde. Es kann daraus mit oller Entschiedenheit erwidert werde», daß Deutschland die Concession in ihrem ganzen Umsang ausrechl- hält und nicht im allerentserntesten daran denkt, sich unter welchen Umstände» auch immer seines südwcsl- asrikanischen Besitzes zu entäußern. Der Reichskanzler von Cavrivi ist über diese Angelegenheit befragt worden und seine Er klärung läßt über die diesbezügliche» Ansichten der Reichsrcgicriing nicht den mindesten Zweifel. Es steht zu erwarten, daß in nächster Zeit eine hochosstcielle Kundgebung der Regierung erfolge» wird, die diesen Standpunct bekräftigt. Damit dürften dann auch den Be strebungen derjenigen Colonialvereine, die aus Aenderung oder Um- stoßung der Loncession abzielen, der Boden entzogen sein." — Die fortgesetzte Arbeit deS BLrsen-UnlcrsuchungS- au-schusseS läßt erkennen, daß die Aufgabe, die ihm gestellt ist, in absehbarer Zeit noch nicht gelöst werben kann. Wie die „K. Z." kört, sind die Mitglieder der Commission selbst von dem Umfang und der Bedeutung deS Materials über rascht, welches durch die Erbcbungen gewonnen worden ist. Nach dem bevorstcbendcn Abschluß der Vernehmungen von Sachverständigen aus allen Gebieten deS Börsenverkehr- wird die eigentliche Arbeit der Commission erst beginnen, und es ist noch gar nicht abrusehen, zu welchem Zeitpunkt der Bericht de« Au«schusse« dem Rrich«kaozler übermittelt werdrn kann.
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