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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921105024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892110502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892110502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-05
- Monat1892-11
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S5.7S 102,— 102.— 1, 08.75 r. — los^o 118,75 58.— 100,10 70.— «».— 125.— 103A0 .33,— 38L0 101.V0 100.V0 88.— 21S.— 144.— 12S.Ü0 134,50 110.— 13».— bS,VO 51.— 21».— 127.— 227,— r ISS,— 1lH- 50.— 118,50 120.- 32,25 8S.L0 57.— »1.— Abo»«ementspreis A» der Hauptexpedltton oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus» oavestellen ab geholt: vi«rteljäl:rIich./!4.50, bei zweimaliger täglicher Zusiellung ins HauS 5.50. Durch die Post bezogen sur Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandjenduag ins Ausland: monatlich 9.— Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich >/,7 Uhr, die Bbeud-AuSgabe Wochentags 5 Uhr. Nrdaction und Erpe-ition: IohanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöss-et von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt» klemm'S Sortii». lAlfred Hahn), UaiversitätS'trabe 1, Louis Lösche, Satharinenstr, 14, part. uud LvuigSplatz 7. Abend-Ausgabe. UcMM TUMM Anzeiger. §W« für Politik, Localgeschichte, Kandels- und GesiMsverW. 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Cd" s7 8 — «4 lk»o. - 8. - 8. lO 8. !5 8. >0 b. 258 l5 8. >0 8. lb d» 508 i5 8. 15 8 -5 8. - v. w 6. 75 8. — t»8. 15 6. 15 6. 15 8 »5 8 M --- » inrinotir l^8 LO 8. 8. v. >.— 8. >,— li. ;,50 8. l — 8. >25 8. >,— 8. >.L0 lj. r.-^8. l.— 8. 1.50 8. 1.50 8. 3.50 ti. 3,— 8. S. >.— ». Zur gefälliM Scnchtung. Unsere Erpeditiou ist morgen Sonntag, den 6. November, Vormittags nur bis Vstt Uhr ^'öffnet. Ibxpeültlon Ü68 I,tzjp/,lL(6r Inr?el)1a1to8. Amtliche Bekanntmachungen. Lteckbriefs-Erledigung. Der unterm 22. November 1882 hinter dem Schlosser Ludwig Richard Vogel aus Reudnitz erlassene Steckbrief ist erledigt. Altona, den 1. November 1892. Ter Erste Staats-Anwalt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. November. Daß daS Reich große Anforderungen an die Kraft seiner Angehörigen stellt, von ihnen Einsetzung der Person und finanzielle Opfer bedeutendsten Umfangs verlangt, ist eine Thalsache, die freilich nicht zu bestreiten ist, aber auch von allen einsichtsvollen und patriotischen Männern als unver meidliche Nothwendigkcit anerkannt werden muß. Das Reich hat dafür auch die schwerste und undankbarAe Aufgabe in unserem öffentlichen Leben übernommen: die Sicherung des Vaterlandes gegen feindliche Anfälle, die Wahrung seines Ansehens nach außen, die möglichste Versöhnung der socialen Gegensätze. Wenn diese Aufgaben Jahr aus Jahr ein immer wachsende Anstrengungen der Volkstrast erfordern, welcher gerechte Urtheiler und Beobachter möchte daraus dem Reich als Einrichtung oder den jeweiligen Leitern der RcichSpolitik einen Vorwurf machen! Leider aber kann nicht verkannt werden, daß es vielfach zu geschehen ansängt und nicht allein von grundsätzlichen Gegnern unserer natio nalen Einheit oder radicaten Widersachern unserer staatlich- gesellschaftlichen Ordnung, sondern auch in sonst gut patrio- tischen und nativnalgesinntcn Kreisen kann man bisweilen Aeußerungen hören, die den Vateriandsfrcund mit Bclrübniß erfüllen müssen. Böse Stimmen alten, verjährt geglaubten Etammesbaters lassen fick wieder vernehmen, der Particula- rismns erbebt wieder sein Haupt Schon Fürst Bismarck klagte in den letzten Jahren seiner AmtStbätigkeit oft bitter über das Nachlassen der Reichsflulh; seitdem ist cs nur schlimmer geworden. Auch ans Kreisen, die den nationalen Gedanken als Mittclpunct ihres politischen Streben« und Denkens zu hegen pflegten, werden jetzt mitunter Stimmungen laut, die von trüber Resignation oder auch ungerechtester Berbitlerung zeugen. Das tritt z. B. in einzelnen Aeußerungen hervor, !die neuerdings in Versammlungen und Zeitungen Süd- ideutschlandS gefallen sind. Man konnte da Andeutungen Ihören, als ob der Norden unseres Vaterlandes die Kosten IdcS Reichs mehr und mehr auf den Süden abzuwälzcn ge ^enke. Wir lassen uns nicht gern in solche unerquick mche Auseinandersetzungen ein, aber die Gerechtigkeit rsorderl doch, hervcrzubeben, daß das gerade Gegcntheil n Wahrheit der Fall ist. Große Einnahmequellen, ans ^enen das Reich einen guten Theil seiner Ausgaben bestreitet, Branntwein, Kaffee, Zucker u. a., fallen in bedeutend höherem Maß dem Norden zur Last vermöge dcS hier herrschenden Nachweisbar weit stärkeren Verbrauchs; an der Bierbesteucrnng, deren Erhöhung in Aussicht genommen, ist Süddeutschland ver möge seiner Reservatrcchtc überhaupt nur ganz indirect be- tbcitigt. Es widerstrebt uns, auf diesen Gegenstand näher einzugeben. Wir möchten aber dringend wenigstens unsere Parteifreunde ermahnen, Erörterungen dieser Art den reichS- ,zersetzenden Elementen zu überlassen, die ja leider zahlreich nd mächtig genug in unserem Vaterlande sind. Bei aller Verstimmung und Verbitterung, wie sie, gerecht und ungerecht, iclsach herrscht, dürfen wir in einem Gedanken nicht ersetzenden Elementen zu überlassen, die ja leider zahlreich und - V vielfach wankend werden: in der Hochhaltnng dcö Reichs und der nationalen Einheit. Daß in den vatikanischen Kreisen die Wittenberger Rede des Kaisers mit ihrer energischen Betonung des Fest- baltens am Evangelium bis in de» Tod überrascht und er bittert hat, ist, wie schon hervorgchvben worden, eine begreif liche Folge der Hinneigung zum Eenlrnm, die der Nachfolger des Fürsten Bismarck bei den verschiedensten Gelegenheiten zur Schau getragen hat. Diese Hinneigung hat am Ende im Vaticau den Glauben erwecken müssen, daß der Protestan tismus auf dem Sterbebett läge und an maßgebender Stelle in Berlin als bald lodt betrachtet werde. Die Art und Weise, auf welche der frühere preußische Gesandte beim Vatikan, Herr v, Schlözcr, von seinem Posten entfernt worden war, bat die vatikanische Diplomatie in dem Glauben, daß künftig daS Verbältniß Preußens und des Reiches zur römischen Euric und dem Ecntrum ein andere» und noch innigeres werden tolle, nur bestärken können. Wie diese Ent fernung bewerkstelligt worden ist, darüber hat, wie Or. Hans Blum erzählt, Fürst Bismarck dieser Tage seinen Leipziger Gästen folgende Mittheilung gemacht: „Herr von Schlözer hat durchaus nicht seinen Rück tritt genommen. Es giebt Leute, welche behaupte», inan habe ihn beseitigt, weit er das Unrecht begangen habe, Sachkenntnis! und Erfahrung in seinem Bern», auf seinem Posten, zu zeigen. Sicher- lich hat man aber davon dem Betheiligten nichts gesagt. Tenn man hat Herrn von Schlözer überhaupt keine Gründe für seine unfreiwillige Entfernung von Rom. für die Maßregelung eines der verdientesten und tüchtigsten Diplomaten Preußens angegeben. Vielmehr hat die Münchener „Allgemeine Zeitung" den Wortlaut der höchst einfachen geschäftlichen Anzeige des Grase» von Eaprivi an Herrn von Schlözer schon mitgetheilt, aus welcher dieser Gesandte un vorbereitet, wie er sich halte, die Neuigkeit erfuhr, daß er in Rom überflüssig sei. Es ist nämlich das bekannte Schreiben, in welchem Herr von Schlözer unterrichtet wird: Daß bei den, allgemeinen diplvmatijchen „Revirement", welches Gras Eaprivi vorhabe, auch der prcußifche GesandljchaftSvvsicn beim Vaticau eine andere Besetzung zu gewärtige» habe. Fürit Bismarck bat daraus, wie Dr. Blum weiter mit theilt, dargelcgt, in wie rücksichtsvollen Formen für de» Nächstbelbnligtcn solche Tinge früher behandelt worden seien, und der Herrn von Schlözer widerfahrenen Behandlung das zutreffende Eigenschaftswort beigelcgt. Es mag nickt allzu- böflich ausgefallen sein. Immerhin ist es jcrcnsalls noch böslicher gewesen, als die Schmähungen, welche die enttäuschte vaticanische Presse nach den Wittenberger Borgängen gegen den Kaiser und indirect auch gegen seine Bcrather schleuderte. Man kann nur wünschen, daß die Letzteren, und besonders Graf Eaprivi, sich bewußt werden, wie der Batican auch ihnen dankt und was er von ihnen erwartet hat. Man mußte einigermaßen gespannt darauf sein, wie die Pariser Biätter sich über die Wittenberger Feier äußern würben. Es liegen bis jetzt nur wenige derartige Kund gebungen vor, darunter eine sehr bemerkenswerte und zwar die des „TempS", der sehr objectiv bemerkt: „Europa, das oft nur Augen hat für die ausfälligen Feste »nd pruiikhastcu Feierlichkeiten, die der „Gefangene im Batican" ver- anslaltet, sollte diesmal einer Art feierlicher Abhaltung des großen Eapitcls der germanischen Reformation beiwohnen. Ter Ge danke war geeignet, einen Geist wie den jungen Kaiser >» Versuchung zu führen, denn seine Verwirklichung konnte be deutende Unzuträglichkeiten mit sich bringen. Man muß sich hüten, die Gefühle der katholischen Minderheit im Reiche zu verletzen, und andererseits beanspruchen die orthodoxen wie die liberalen Protestanten in gleicher Weise für sich die Erinnerung an die Reformation und an den großen Namen Luthers. Wilhelm 1t. lief also Gefahr, bei der Feier dcS großen Tages des 91. Lctober 1517 das Centrum sowobl wie de» rechten oder den Unken Flügel derjenigen seiner Uili.rthanen zu verstimmen, die der evangelische» Kirche augehören. Er scheint diese Schwierigkeit sehr geschickt überwunden zu haben. Er hat sich erinnert, daß die Hohenzollern stets über den religiösen Meinungen sich gehalten habe» und daß sie außerhalb der Forme» des strengen Lulherthums und des resormirten EalviniS- mus ihren Uiiterthaiien eine Art kirchenpolitischer Verständigung auserlegt habe», in der vielleicht weder Wittenberg noch Gens sich wiedererkaiinicii. Erhat cs verstanden, dem Glauben, diesergroßen Tricb- seder der Thäligkeil und der Lehre Luthers, warmes Lob zu spenden, und cS mit einer beredten Befürwortung der Duldung zu verbinde»; er hat i» größerem Maße als bisher bewiese», daß der Geist der Ver söhnung und Weisheit bei ihm eine Stätte finde» kann. Infolgedessen hat diese Feier ihre» geschichtlichen Charakter bewahrt und war aller Herausforderung und Polemik entkleidet, und das ist wvhithuend für Deutschland, sür die öffentliche Meinung und auch sur die beiden rivalisirendci, Kirchen." Dieses anerkennende Urtbeil eines französischen Blattes, welches gewiß nicht ini Verdacht denlschfreundlicher Ge sinnungen steht, kann die Ueberzcugung nur bestärken, daß auch im Vaticau die Wittenberger Vorgänge rußig und sachlich beurtbeili worden wären, wenn nicht vorher die innere deutsche und preußische Politik nngemessene Hoffnungen und Ansprüche bei der römischen Enrie genährt hätte. Die französischen Operationen gegen Dahomey ziehen sich derartig in die Länge, daß man in Paris an ihrem erfolgreichen baldigen Abschlüsse überhaupt zu zweifeln beginnt, Oberst Dvdds hat die unverzügliche Einnahme der feindlichen Hanplstadt nun schon zu wiederholten Malen in feste Aussicht gestellt, ohne jedoch bis jetzt zur Einlösung seines Versprechens in der Lage zu sein. WaS ist da natür licher, als daß der ohnehin zum Mißtrauen und zum Klein mut!) neigende französische Volkscharakter Unrath wittert und den Scklnß zieht, daß die Berichterstattung vom Kriegsschau platz in Dahomey nicht mit der vollen Wahrheit hcrausrücke? Bewußt oder unbewußt spricht bei dieser Auffassung der Lage immer die Vorstellung mit, daß französische Truppen im ordentlich-n Verlauf ver Dinge nur »Lthig haben, sich zu zeigen, um auch sofort de» Sieg an ihre Fahnen zu fesseln. Ge schieht das nun nicht oder nicht mit der erwarteten Raschheit und Gründlichkeit, dann gebt nach französischem Dafürhalten die Sache nicht mit rechten Dingen zu, sondern hat mindestens einen, wenn nicht mehrere Haken. Im vorliegenden Falle muß durchaus Deutschland de» Dabomeern mit Rath und Thal bcistchcn, denn sonst wäre Oberst DoddS ja mit den Soldaten und Amazonen des Königs Behanzin schon längst fertig geworden. Man würde sich vielleicht minder hartnäckig an diesen Fabclwahn klammern, wenn man seiner nicht für den Fall bedürfte, daß Oberst DoddS noch in letzter Stunde sich zur Antretung des Rückzuges bewogen finden könnte und man dann eine Aus rede und einen Siindcnbock bei der Hand haben müßte. Zu beiden Zwecken sind die imaginären deutschen Gegner brauch barer, als die wirklichen dakonicnf'iscken. — Nack amtlicher Meldung beträgt der französische Verlust in Dabomey bis jetzt 90 Ofsicicre und t>(»0 Soldaten. Die Pariser Blätter beben hervor, vaß die Negierung diesmal nickt, wie bisher, immer den Wortlaut der Meldung DoddS veröffentliche, sondern einen Auszug, also mulhmaßlich etwas zu verheimlichen habe; ferner daß die Dahomcer noch immer angriffswcise Vorgehen und nach der eigenen Dar stcllung DoddS bis an die Mündung der französischen Geschütze gelangen. Zur Stelle der Meldung, welche sagt, daß DoddS seine Stellungen behaupte, bemerkt PeUelau in der „Iustice", die Truppen seien nicht nach Dahomey geschickt worden, um ihre Stellungen zu behaupten, sondern um die Dahomcer aus den ihrigen zu vertreiben. Morgen,Sonntag, finde» endlich die Wahlen in Italien statt. Wenn nicht außerordentliche Zwischenfälle den Gang der Wahlbewcgnng noch beeinflussen — was nicht anzunehmen ist — so wird das Eabinct Giolitti am Abend des 0. d. M. seine Berufung an das Volk durch die Wahl von etwa vier hundert Regierungscandidatcn beantwortet sehen. Der äußere Erfolg scheint Giolitti gewiß; er kann mit Bestimmtheit auf eine stolze Mehrheit in der italienischen Kammer rechnen. Auf dem Monlccitorio webt aber eine gefährliche Luft. Von einer gleich stattlichen Mehrheit wurde nach den allge meinen Wahlen im November 1890 Francesco EriSpi gewählt, und drei Monate später wurde das Ministerium EriSpi gestürzt. Die ziffernmäßige Stärke der Mehrheit erwies sich als kein sicherer Boden zur Leitung der Staatsgeschäfte, denn cs fehlte die innere Gliederung der Parteien. Jede neue politische Frage verschob daS Verhältnis; der Parteien zu ein ander. Man wird nun abwarten müssen, ob sich dieses Mal die gedachte Erscheinung wiederholt oder ob die Italiener durch die gemachten Erfahrungen gelernt haben, an die Stelle der bisherige» Parteizerrissenheit und des steten öden Partei- haderS ein gesündere» und besseres Verhällniß zu setzen. Wir wollen das unseren Bundesgenosse» jenseits der Alpen wünschen, aber Nachrichten, wie die, daß Erispi und Giolitti sich wieder bittere Fehde angesagt haben, lassen leiber »och Zweifel ia dem gedachten Sinne auslommen. Die Krisis im ungarischen Cabinet, welcher eine Zeit lang die Regierung »nd die Regierungspartei rathlos gegenüber standen, gewinnt jetzt das Aussehen, als ob eine Lösung bevorstände. Freklich ist nickt abzuschen, ob diese Methode eine Rettung für das Eabinct bedeutet. Gewiß ist nur, daß ans jedem anderen Weg noch weniger Aussichten sür den Weiterbestand des Ministeriums vorhanden sind. Da die Krone sich beharrlich weigert, die obliga torische Eivilehc zuzugeste ben, und die Regierung nicht in der Lage ist, eine ÄillcnSändcrung des Trägers der Krone berbeizuführen, soll nun die Regierungspartei die Angelegen heit >n die Hand nehmen. In einer am Montag statt- findcnden Parteiconfcrenz werden die leitenden Männer der Partei erklären, sie könnten die Regierung nur unter der Be- dingungunterstntzen, wen» siedic obligatorifchcEivilchccinsühre. Gelingt cs, einen einhelligen Beschluß der liberalen Partei in dieser Richtung berbeizuführen, so wird die Regierung erklären, sie nehme dieses Programm an und stehe und falle mit ihrer Partei. Die Regierung würde dann auf Grund dieses Beschlusses neuerdings an die Krone herantrcten und zugleich, wenn ihre Vorschläge al'gelcbnt würden, die Demisflon des gcsamnttcn Eabincts überreichen. Die Krone würde dann vor der Alternative stehen, entweder die obligatorische Eivilehe anznnchmen, oder den kaum vor Jahresfrist gewählten Reichstag neuerdings auf zulösen. Die politischen Kreise glauben, die Krone werde sich nicht zur Auslösung entschließen, sondern Zugeständnisse machen in der Richtung, daß anstatt der obligatorischen bloS die sacultativc Eivilehe eingeführt werde. Damit könnte sich dann die Regierung und die liberale Partei begnügen, und an den bestehenden Verhältnissen würde weiter »icktS geändert. DaS ist augenblicklich der Stand der Angelegenheit, doch wechseln die Stimmungen und Entschlüsse fortwährend, so daß möglicher Weise bis zur entscheidenden Eonferenz wieder eine andere als die hier geschilderte Lage vorhanden sein kann. — Vor der Hand liegen folgende neueste Tele gramme vor: Wie», 5. November. (Telegramm.) Aus Pest wird eine entschiedene Wendung in der kirchenpolitischen Frage in den nächsten Tagen in Aussicht gestellt. Nach der „N. Fr. Pr." sei Gras Szapary »nd das ganze Eabinct entschlösse», ibr Schicksal mit der Entscheidung in ver kircheiipolitijche» Frage zn verknüpfen. Tas Ministerium wird im Abgeordnetenhaus«: die Erklärung abgebeu, daß im geeignete» Zcitpuncte eine Vorlage über eine Modisication des gesanlintcn EherechtcS und über die obligatorische Eivilehc ge macht werde. Pest, 5. November. Aus bester Quelle verlautet, das, Szapary ans die Forderungen des liberale» Flügels bereits eiugegangen ist und unter Hinweis aus die Stimmung der Partei U—8 t«.— L 5.— 8. > pro Stlle». t31» in »u-V»wpk»r > «111 4«, ipt» ,8r»1 >-p«r»tt»dr1 , MieN 6«r- >r«n. — Xu- 1 ?»»»»r>»i- >r»I-er-oU» l» I^lvrir. iekUn. »»er Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. -DOj Nachdruck verboten. (Foryetzung.) Und doch... es gab ein Elend, über da« sie nicht hinweg ommen würde. Ihr Bräutigam war weit angcsebcn im szanzen Lande; vor dem Grasen Febrentbal zogen sie den )nt, Hoch und Niedrig; er mochte in den Anfällen seines oilden Temperamentes übers Ziel binausgehen — er suchte nes stets wieder gut zu macken; er konnte andere miß- landeln, wo er glaubte in seinem guten Rechte zn sein . . . Iber der stählerne Schild seiner Ebrc war unbefleckt. Oft lckon hatte er mit Säbel und Pistole einem oder dem andern Inner StandcSgcnossen Rede sieben müssen. So an dem un glücklichen Tage ihrer Verlobung — als er die Hand ans selmerSheim legte ... in aller Frühe, wie der Vater ihr rzäblle, hatte er einen Zweikampf mit dem Baron Lonon Ibeslanden und ihn am linken Arm verwundet. Dock daS war Inur wie eine Motion vor dem Frühstück, etwas GleichgiltigeS l. . . daS färbte nickt ab bei ihm. Dock nirgends entzog er »sich der Rechenschaft, wo seine Leidenschaftlichkeit ihn fort I gerissen batte . . . und waren'S geringere Leute, so gab er Itbnen Geld und Gut zur Entschädigung. Er war hoch geachtet in allen Kreisen, beim Adel, dem Hose, bei den Börsenmännern und Kantleuten, und wenn die Bedienten, IReitknechte und Kellner Ursache batten, fick über seine Hef tigk?,t zu lcklagen, so rühmten sie doch wiederum seine Frei gebigkeit. So hatten Vater und Mutter ibr daS Bild des Mannes gezeichnet, der ihr Gatte werten sollte, und was s sie von ihren Freundinnen gekört, war auf denselben Ton gestimmt. Einem angesehenen und ehrenhaften Mann durfte sie ihre Hand reichen, ohne vor sich selbst zu errötlien; dock wieder trat das schreckhafte Traumbild vor ihre Seele, wenn auch ^ Roß und Reiter längst im fernen Staubgewölk ver schwunden waren. Wie, wenn sie erkennen müßte, daß der Sckild der Ebrc, der den Ritter deckte, doch vom Rost zer fressen war, daß den wilden Jäger eine alte Schulv oder gar der Sünden Menge dahinhetzle über die Haide, durch den Forst, über die Wipfel der Bäume wie einen feurigen Wolkenschei». Die öffentliche Meinung kann geblendet sein; sie hat hundert Scheulappen, um nickt nach rechts und links zu sehen — und wie sie oft blinelingö verdammt, so ver herrlicht sic ein antercs Mal blindlings — und cS ist bequem nachzusprechen, was hundert Zungen flüstern. Doch das 'Auge der Liebe würde schärfer jeben: in traulicher Gemein schaft würde sich Vergangenes und Gegenwärtiges aus allen Schleiern lösen . . . und wenn d,.bei Verächtliches, Ehrloses hcrvorträte, wenn sic erkennen müßte, daß unter dem stolzen Namen sich lichtscheue Thatcn verbärgen? Man darf sich opfern ohne Liebe, dock nickt fortwerfen ohne Achtung. Dock Marie faßte sich ein Herz und schüttelte diesen Alp bedrückender Gedanken von sich: wozu fick mit schaurige» Möglichkeiten Plagen, wenn die Wirtlichkeit schon tiefdunkel vor der Seele liegt? Da sab sic mit scharfem Blick in der Ferne drei Reiter des Weges kommen; es war ein Weg, der abging von der großen Straße, die von Heimersheim nach der Residenz führte, ein Weg, der sich in mannigsachen Krümmungen den Waldbügeln znwendcte, den Stätten süßer Erinnerungen, und dort, den Bcrghang umkreisend, wieder zur Höhe von Buderodc hinlenktc. Man tonnte ihn von der Schweden- sckanzc genau beobachten, denn an einer Stelle näherte er sich derselben in einem scharf vorspringenden Winkel. „Mein Schimmel", rief Susette plötzlich, die noch ein schärfere« Auge batte als ihre Herrin, und sie sah sich wieder bock zn Roß Uber die Waldwiese traben und dann im Grase liegen, wie eine abgcschüttclte Frucht, die Enrico so eilijz aus- gehoben; sie zweifelte nicht, daß sie eine süße Lockung für ihn gewesen war. Und da saß er ja selbst aus seinem Schimmel, der schöne, junge Mann, und als der Weg sich der Schwckenschanze näherte, da zeichneten sich die Umrisse der Reiter schärfer ab durch eine Lucke, welche die Obstbäume ließen. „Es ist keine Täuschung", ries Susette au-, die eine An wandlung von Eifersucht empfand, so wenig Reckt sie dazu batte, nur weil sie andern Damen nicht seine Nähe gönnte, „ich >eh' cs genau — es sind zwei Damen, mit denen Herr Enrico spazieren reitet." Auck Marie sah es jetzt. Hock hatte ihr Herz geschlagen, als Susette zuerst den Namen Enrico nannte — so konnte sie aus der Ferne noch einmal sein liebe« Bild erblicken. Doch dann . . auch sie erkannte die zwei Frauen, und eS gab ihr einen Stich ins Herz. Es waren stolze, vornehme Dame» . . sic sab es, als sic näher beran^esprengt kamen mit den webenden Schleier» der Aniazoncnkute. Da hielten sie plötzlich die Pferde an; es war ein Aussichtspunkt auf einem kleine» Hügel, von zwei hoben Ulmen eingefaßt — und die eine der Damen zeigte mit der Reitgerte auf HelmcrS- beim, welches da im Parkschatten gebettet seitwärts von ihnen in der Thalmulde lag. Und dann schwang sie die Gerte durch die Luft. . cs lag etwas Feindseliges in diesen Bewegungen, etwas Stolzes, Verächtliches, als müßte daS arme HelmerShciin sich »och tiefer im Laubdickicht verkriechen vor dem Zorn der stolzen Frau Enrico aber hielt lässig die Zügel seines RoffeS und blickte, wie eS schien, mik stiller Schwermnth aus daS Grab seines Glückes. DaS mußte ja tröstlich sein für Marie, und doch konnte sie einen bittcrn Schmerz nicht verwinden, als die Reiterinnen sich ihm zuwandten mit lebhaften Geberden, und dann er selber mit freudigem Schwung dem Rosse die Sporen gab und alle drei stürmischvon dannen jagten, den Walkbiigeln zu. Sie sprang auf von der Bank, eine Thränc im Auge, »nd eilte so rasch den Hang des SckwedcnbergeS binab, daß Susette ihr kaum zn folgen vermochte. WaS kümmerte Marie Enrico'S Thun und Lassen? Sie batte ja jedes Recht auf ihn aufgcgcben, und doch drang'- ihr tieseinschneidcnd in« Herz, als die athemlose Susette, die ibr nachgccilt war, mit ihren, kecken Mutterwitze auSrief: „Er tröstet sich, der junge Herr! Hier sind ihm die Trauben sauer geworden, da pflückt er sich süße am Gelände, die ihm bequemer hängen. Wer kann eS ihm wehren? Obacull ü svu — und sie trällerte da» Liedlein de- Prinzen OrlosSky aus der „Fledermaus." Viertes Eapitel. Teresa saß in der IaSminlaube und las Goethe'S „Iphigenie" . . cS drängte sie einmal, den classischcn Hauch echter Dichtung zn verspüren, ckncr edeln Gestalt dcS Alter- thnniS näher zu treten, während sie bisher nur dazu verdammt war, die Fratzen der schönen Griechinnen auf der Bühne zur Schau zu stellen. Und sie war nicht uncnipfänglich für den edeln Ton, die scelcnvolle Wärme dieser Dicktuiig, deren un vergänglich schöne Worte sich ihrem Gedächtnis; unwillkür lich cinprägtcn. Und dock gemalmte sie da« alles fremdartig — WaS war ihr „Hckuba", was „Iphigenie? Sic körte die Stimme ihres geistigen Mentors, der ihr ins Obr flüsterte, das sei keine Poesie sür die Gegenwart. In der Thal batte sic Lothar gestern bei der Lectürc überrascht und ibr seine unverblümte Meinung über die Elassiker aus gesprochen. „Die Elassiker mit ihrer blankgeschenerlcit Dichtweise . . . das ist nur nech für die Schulbänke. Iphigenie . . . wie sollen wir uns sür ein Frauenzimmer interessircn, daS von einem Gott in einer Wolke cinauartiert und so über Land und Meer gcluflballont wird, bis cr'S, man weis; nickt recht warum, zu den wilde» Barbaren hcruntergondcl» läßt? Und dann dreht sich alles um einen doppeldeutigen Orakclspruch — und die Lösung dieses delphischen Rebus bringt das Ganze zu einem versöhnliche» Abschluß. Das ist ja alles Abiruricntcn- poesic; dock unsere Zeit bal das MaturitätScramen längst be standen. Schöne Worte — ja, aber das ist ein Firniß, der gegenwärtig abgrbröckelt ist! Und was sollen unsere jungen Mädchen aus der Iphigenie lernen? Höchstens daß es besser ist, die Wahrheit zu sagen, als zu lügen ... »nd das werden sie nicht glauben und noch weniger danach bandeln." Das klang Teresa noch immer in den Ohren; sie fühlte wie Lothar, aber so oft sie die Dichtung wieder in die Hand nahm, übte der Schönheitszaubcr dieser Verse stets die gleiche bestrickende Wirkung aus — und sie vermochte es nicht, so gering wie jener von dieser rubigcn Harmonie der Schönheit zu denken, obschon ihr ganze- Naturell dem fried lichen Genügen widerstrebte, das aus jeder Zeile der Goethe'schen Dichtung athmete.
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