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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921108028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892110802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892110802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-08
- Monat1892-11
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Tabellarischer und Ztsferusotz nach höherem Tarif. Extra-veilagea (gefalzt), nur mit de» Morgen-AuSgabe. ohne Postbefürdernag 60.—, mit Postbesörderuug ^ 70.--^ Ännahmeschluß für Inserate: Abead-AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« »Uhr. Sonn» und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je tittd halbe Stunde früher. Inserate find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol> i» Leipzig. .M 572. Dienstag den 8. November 1892. 86. Jahrgang' Amtliche Bekanntmachungen. Gefunden wurden vor einigen Tagen in hiesigen Gastlocalen zwei Beträge von ie Ltt« Zur Ermittelung der Eigenthümer wird dies hierdurch bekannt gemacht. Leipzig, den 5. November 1892. Das Polizei-Amt der Stadt Leipzig. m. 6049. Bretschneider. Ml. Zinn Beginn der parlamentarischen Zeit in Berlin. §8. WaS Alles den ganzen Sommer hindurch die Oeffent lichkeit als Zukünftiges beschäftigt hat, beginnt nun greifbare Gestalt anzuncbmen. Morgen wird der preußische Land tag versammelt und erbalt wohl schon übermorgen die Stcuervorlazen zugestellt; vierzehn Tage später wird der ein- berufene Reichstag die Militairvorlage vorfinden. Hat das Berliner Abgeordnetenhaus, als die Volksvertretung der deutschen Vormacht, von jeher die Aufmerksamkeit !von ganz Deutschland in Anspruch genommen, so ist dies unter dem neuen Cnrse in noch erhöhtem Grade der Fall. Zn der vorigen Session hat das preußische Parlament die fragwürdige Auszeichnung genossen, im ganzen Reiche den Gegenstand der gerechtfertigtsten Neactionsbefürchlunaen zu bilden. Die Besorgnis; war allerdings nicht vom Abgeordnetcnhause an sich eingeflößt, einer Bertretung, welche sich vielmehr Lurch zwei Jahre als nicht untüchtig zur Durchführung zeit gemäßer Reformen erwiesen batte; es war die Re gierung, welche durch die Einbringung der VolkSschul- vorlage und den Druck, den sie in dieser Angelegenheit auf die Conservativen übte, außerhalb wie innerhalb Preußens die Gemüther erregt und bei allen frei und national ge sinnten Elementen des Reiches die Befürchtung einer wach senden Unpopularität deS führenden Bundesstaates erzeugt hatte. Die Schulvorlage verschwand von der Tagesordnung, aber so dankbar diese Thatsache begrüßt wurde, so wenig Befriedigung konnte die Art und Weise erwecken, durch welche die Beseitigung erfolgt war. Das Sprunghafte, Widerspruchs volle und Persönliche in der preußischen Staatsleitung fand durch jene parlamentarisch nicht gebotene Zurückweisung einer politisch nicht gebotenen Borlage eine Beleuchtung, welche mehr Besorgnis; über die eigentümliche Natur der maßgebenden Initiative als Genugthuung über die Beseitigung eines verhängnißvollen Gesetzes Hervor rufen mußte. Bestätigt wurde das Nichtige dieser Empfindung dadurch, daß die durch das Schicksal, welches der Schnlvorlage bereitet worden war, geradezu bcrauSgefordertcEcntrumspartei die überraschende Entschließung mit erstaunlichem Gleichmnth hinnahm. Seit jener Zeit hat sich wenig geändert. Zwar hat das Schulgesetz dem Eultusministcr Grasen Zedlitz und dem preußischen Ministerpräsidenten Grafen Caprivi ihre Porte feuilles gekostet, aber der Personenwechsel hat nicht zugleich einen Wandel in der Uebung herbeigeführt, wonach die Minister weder nach politischen Grundsätzen erwählt, noch auch jenes Maß von tatsächlicher Initiative besitzen, die ihrer Ver antwortlichkeit entsprechen würde. Wird ja auch das morgen zusammentretende Abgeordnetenhaus den Sitz des Ministers des Innern anders besetzt finden, ohne daß irgend Jemand einen politischen Grund für diesen Wechsel anzugcben wüßte. Es Hai sick in der That in der Hauptsache nichts geändert, und wenn Gras Caprivi im vorigen Jahre als preußischer Minister präsident ohne alle Nötigung mit einem die große Mehrheit des Volles erschreckendenSchulaesetzevor den Landtag trat,so erscheint er dieses Jahr vor dem Reichstag mit einem HeereSgesetz, das nicht minder beunruhigt und dem Niemand anders als er selbst vor kurzer Zeit den Existenzzrund der Notwendig keit, ja selbst der militätischen Zulässigkeit abgesprochen hat. „Untröstlich ist's noch allerwärts", lind das deutsche Volk sieht mit gegründeter Beklommenheit der Eröffnung der par lamentarischen Campagne in Berlin entgegen. Das ArbcitSprogramm des Landtags an sich bietet aller dings hierzu keinen Anlaß. Der erste Theil der Steuerreform bat sich bereits im Ganzen und Großen als gelungen und segensreich erwiese», ihr Abschluß darf als erwünschte Not wendigkeit bezeichnet werden. Da wir die Stenervorlagcn noch in dieser Woche ihrer authentischen Fassung nach kennen lernen werden, so ist eS überflüssig, den Gegenstand beute zu berühren. Jedoch Eines zu bemerken, kann man sich bei der Bewillkommnung des preußischen Landtags nicht versagen. Sleucrgcsctze sind mehr als Gesetze, welche bestimmen, woher der ^taat die Mittel für seine Erhaltung zu nehmen hat. Ist es z» weit gegangen, wenn man sagt, die Frage der direkten Besteuerung sei die sociale Frage, so wäre es doch noch irrtümlicher, die große sociale Bedeutung der Lastcnvertheilung zu verkennen, zumal in einem Staate, welcher, wie daö deutsche Reich, einen großen Theil seiner Bedürfnisse ans Ausschlägen auf notwendige BerbrauchS- miltel deckt nnd noch auf lange Zeit hinaus zu decken genötigt sein wird. vr. Miguel soll in den Steuervorlagen bereits mehr Wasser in seinen socialen Wein zu gießen genötigt worden sein, als den Wünschen dieses Staatsmannes ent spricht. Vielleicht sicht er sich bei der parlamentarischen Beratbniig genöthigt, noch weitere Zugeständnisse zu machen. Zn hoffe» und zu wünscken steht aber, daß dem Minister in dieser Richtung nicht allzustarke Zumutungen gemacht werden. Eö hieße den Geist dcrZeit verkennen. Die Lage des preußischen Staatshaushalts mit seinem Gebahrungsdeficit ist recht dazu an getan, den einer billigen Mehrbelastung der fund irten Einkommen a»S theoretischen Erwägungen Widerstrebenden den Bruch mit der Doctrin zu erleichtern. Andererseits wird die mißliche Finanzlage des größten deutschen Staates Anlaß geben, leichtherzigen Militairsinanzpolitikern jede Aussicht ans Er höhung der Matricularbeilräge zu Heereszwecken auf das Gründlichste zu benehmen. Hier ist einer der zahlreichen Puncte. wo sich das Kritisch: der RcichSpolitik mit preußischen Zuständen berührt. Der wichtigste dieser Puncte ist nnd bleibt das Vcrbältniß der Negierung zmn Ce nt rum, d. h. die Frage der Entschädigung von Rcichstagsleistungen der Ultramontanen im preußische» Staat. Bei der doppelzüngigen Sprache, welche die Centrums- leiter Angesichts der Militairvorlage führen, steht man hier vorerst vor einem dunkeln Rätsel. Wie aber auch die Regierung sich zum Ccntrum und das Centrnm sich zur Regierung stellen mag, die nationalen und liberalen Politiker im preußischen Ab geordnetenhaus werden sich der Aufgabe nicht entziehen können, mehr, als es früher möglich und geboten schien, ihre eigene Politik zu machen. Die Zeit verlangt von dem Patrioten, daß er geradeaus schaue, weder nach oben, noch zur Seite. Im vorigen Winter waren Reichstag und Landtag bedeutungslos, wie niemals vorher; die Entscheidungen, auch die dem Par lamente vorbehaltcnen, sielen außerhalb deS Hauses. Fürst Bismarck hat diesen Zustand in seiner großen Jenaischcn Rebe beklagt und einen Wandel der Dinge im Reichstage als die Voraussetzung einer gedeihlichen Entwickelung des Reiches bezeichnet. Vom preußischen Landtage gilt nichts Anderes. Mit dem Ausweichen, den diplomatischen Versuche», Schlimmes abzuwcnden, wird man der Situation nicht ge wachsen bleibe». Entschlossenheit, sowie Unzweideutigkeil der Sprache sind allein im Stande, dem Parlament die ihm in den letzten Jahren, wir möchten sagen: weggelächclte Autorität wieder zu verschaffen, b'nrtitor in ro lind t'ortitor in moclo will die Nation das Austreten ihrer Vertrauens männer. Die Entwickelung ist dabin gediehen, daß man ein Verhalten, wie cs z. B. in der Dombaufrage im vergangenen Jahre noch begreiflich gefunden werden konnte, beute nicht mehr verstehen, geschweige denn verzeihen würde. Die morgen beginnende Session ist die letzte vor den allgemeinen Wahlen' Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. November. Die ultramontane „Köln. Volkszcitung" und die conscrvative „Lcipz. Ztg." befinden sich gemcinjam in dein Jrrthumc, wir und unsere Gesiniiungsgcnossen zitterten vor einem „Leipziger Katholikentage" und suchten wer weiß was für Hebel i» Bewegung zu setzen, um das Zustandekommen eines solchen Tages zu hiiiterlreibcn. Daß baö rheinische Blatt einem solchen Jrrthumc verfällt, befremdet uns nicht. ES überschätzt die Zahl und das Ansehen seiner Gesinnungsgenossen im Königreich Sachsen, unterschätzt den Zusammenhalt der sächsischen Protestanten und zweifelt daher ebensowenig, wie der Herr Reichskanzler an der Annahme seiner Militairvorlage zweifelt, an einem gewaltigen Erfolge deS geplanten Leipziger Katholikentages. Und deshalb muß das ultramontane Blatt auch glauben, wir zitterten vor einem solchen Tage. Aber wie in aller Weil kommt daö conscrvative Blatt zu einer solchen Ansicht? Verwechselt es seine Emsindungen mit de» unsrigen? Haben wir etwa unser» Lesern vorgcredct, das Zusammengehen mit dem Centrum in manchen wichtigen Fragen sei unbedingt nothwendig, um das Vaterland vor Gefahren zu behüte», und müssen wir daher befürchten, die hier sich versammelnden Centrumsführer und-Anhänger könnten durch ihre Reden und Beschlüsse unsere Freunde irre machen an unserer politischen Einsicht? Derartiges haben wir nie gesagt uno solche Folgen haben wir auch nicht zu besorgen. Wir haben stets das Ccntrum geschildert wie eS ist, welche Maske cö auch hier oder dort vorbindcn mochte, um seine jeweiligen und örtlichen Zwecke zu erreichen; von jeher haben wir aus diese Zwecke hingewiesen und mit dem Hinweise auf diese Zwecke unsere Warnung vor einem Zusammengehen der Negierungen und der Conservativen sowohl, wie auch der Dcutschfrei- sinnigcn mit dem Centrum begründet. Zieht nun der ultra- momane Heerbann zu einem Demonstrationötagc in Leipzig ->-i^r'.llt hier wi( in Mainz >— und das „einheitliche und zielbewusste" Ccntrum kann doch in Leipzig seine Mainzer Festredner und Beschlüsse nicht verleugnen — sein „Katholisch ist Trumpf!", fordert hier sein „Recht" auf die Schulen, sei» „Recht" aus Zulassung aller geistlichen Orden mit Einschluß der Jesuiten, geht hier über den Protestantismus zur Tages ordnung über und verlangt von hier aus die Wicdcrker stcllniig der weltlichen Macht des PapstlhnmS: WaS hätten wir dann zu fürchten? Nicht daö Geringste! Wir hätten nur zu hoffen. Ucbcrall, selbst in jenen katholische» sächsische» Kreisen, in denen man sich im Stillen dcrMainzer Reden und Beschlüsse schämt, sie nicht bei u»S an die große Glocke gehängt sehen möchte und u»ö zürnte, weil wir „ohne Roth so viel Geschrei von dem Mainzer Tage gemacht hätten, der uns in Sachsen doch gar nichts anginge", wird man uns zugcstehen, daß wir die Glocken nicht ohne Noth geläutet und nicht ohne Grund vor dem Centrnm als dem schlimmsten Feinde unserö inneren Friedens, des Protestantismus und unserer Cultur ge warnt haben. Auf die meiste Zustimmung haben wir aber, wenn der „Leipziger Katholikentag" zu Stande kommt, in jenen Kreisen zu rechnen, die sich von Len conservativen und „freisinnigen" Rednern und Blättern über die wahre Natur des bisher im Königreich Sachsen nur wenig bekannten Ultramontanismus haben täuschen und von der Nothwendig- kcit eines zeitweiligen Zusammengehens mit dem Ccntrum haben überzeugen lassen. Gerade diesen Kreisen wird es wie Schuppen von den Augen fallen, wenn das Ccntrum mit seinen Schaaren in Leipzig cinzieht und von hier ans seine Beschlüsse aus unmittelbarster Nähe in die Ohren der „conservativen" Protestanten donnert, die bisher ibre Weisheit aus den Spalten der „Leip ziger Zeitung" und verwandter Blätter geschöpft haben. Wir rühren daher nicht eine Hand, nicht einen Finger, um den geplanten „Leipziger Katholikentag" zu Hintertreiben. Sein Einzug ist die Einleitung eines politischer' Sieges tages für uns und unsere Freunde. Und wir werden ibn ansnntzeii nach Kräften! Das Zittern überlaffen wir anderen Leute», die's nöthig haben und die ihre eigene Angst, obgleich sic dieselbe hinter einem krampfhafteiiLächeln über unsere angebliche „Katbolikensurcht" verbergen möchten, durch Klagen über den Undank des Centrums und durch den thränenschweren Seufzer verratben : Wehe Dir, daß Du unS, die wir so gern mit Dir in mancherlei Fragen znsammengegangen wären, durch Enthüllung Deines wahren Gesichtes in unserer unmittel baren Nähe zur Fehde zwingst! Haben wir das um Dich verdient, die wir schon die Socken anzogen, die unS trotz de« Mainzcr Tages leise zum Cartel mit dem lieben bösen Lieber, dem herzigen bösen Grafen Ballestrem und all den theuren bösen Feinten des schnöden Liberalismus führen sollten?! — Diese Socken werden min freilich, nachdem die „Köln.VolkSztg." so entschieden und offenherzig die Fortsetzung der ultramontanen Bemühungen um das Zustandekommen des „Leipziger Katholiken tages" «»gekündigt bat, vorläufig bis auf bessere/das heißt auch vom Cenlrum zum Wandeln aus Socken benutzte Zeiten in die conscrvative Rumpelkammer gestellt werden müssen. Da sollte man sic aber auch ruhen lassen und nicht den Versuch machen, sic uns an die Füße zu prakliciren. Wir lassen uns das nicht gefallen, am wenigsten von Leuten, die, wenn sie in der dem Cciitrniii mit der Miene des betrübten Lohgerber- an- getundigtcil Fehde mit Ehren bestehen wollen, an uns und unsere Freunde mit dem Ersuchen um Unterstützung und um leihweise Uebcrlassuug kräftigen Schuhwerks sich wenden müssen. Die Ministerkrisis in Ungarn ist plötzlich acut ge worden. Ten Anlaß hierzu hat Koloman TiSza gegeben, der mit seinem Anhang auf weiter gehenden liberalen For derungen besteht, als Graf Sz ap ary sie gewähren will oder mit Rücksicht ans die Haltung der Krone gewähren kann. Man ist zwar über die bürgerlichen Ehematrikcl, die den Wegtaufeustreit aus dem Gebiete des Staates hinausverlegen, so ziemlich einig geworden, indessen es bandelt sich nun noch um die wichtige Frage, ob die sacultativc oder die obligatorische Civilehe cingcsührl werden soll. Die Krone ist gegen die obligatorische Civilehe, und diesem Standpunct bat sich nach längerem Schwanken Gras Szapary angeschlvsscn. In der liberalen Partei ist »lan vielfach aber damit nicht einverstanden und eS bat dieselbe überhaupt die schroffe Haltung der römischen Kirche sehr unangenehm berührt. Koloman Tisza hat eS verstanden, diese Stimmung sich dienstbar zu machen I nnd er gebt nach Allem, wie die Dinge augenblicklich sieben, daraus ans, das Cabinct Szapary zu stürzen. Daß er selbst der Nachfolger Szapary's werden wird, glauben vor der Hand nur Wenige, vielmehr werden für den Fall eines Cabiiictswcchselö Graf Kbuen - Hedevary nnd Koloman Szcll genannt. Sicher ist, daß Szapary ohne die Untcrjtütznng der Gruppe TiSza nicht weiter regieren kann. Tic Entscheidung wird jedenfalls in der aus Mittwoch anberaumtcn Versammlung der liberalen Partei fallen, lieber die augenblickliche Lage liegen folgende neueste Telegramme vor: * Wien, 7. November. Die Meldungen der hiesigen Abend blätter über den Stand der ungarischen Ministerkrisi« lauten widersprechend und gehen insbesondere betreffs der Frage, ob das Cabinct bereits seine Demission gegeben habe, auseinander. I» ungarischen Kreisen wird bestritten, das; die Demission bereits erfolgt sei, und hcrvorgchoben, das; die Entscheidung von dem Verlauf der am Mittwoch stattsiiidenden liberalen Partciconferenz abhänge. Wie das „Reue Wiener Tagblatt" versichert, wäre Grat Szapary unter keinerlei tlmständcn geneigt, an der Spitze des Cabinet« zu bleiben. Nach übereinstimmenden Meldungen der Blätter wird die Le«illetsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 22s Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) Käthe Blau batte wieder ihren besonders schwermütbigen Tag; alle ibre Gefühle batten sich i„ einen Schmollwinkel zurückgezogen; düster blickten die Augen unter den zusam- mcngczogenen dichten Brauen nnd der verdrossene Zug um den Mund zeigte heute mehr Falten und Fältcben als ge wöhnlich; der Champagner vermochte das verliebte Eich kätzchen nicht zu erheitern. „Die Stern bat ihr wieder eine Rolle fortgenommcn", versetzte der Banticr, um den gleicbgiltig mißmutbigen Gruß rn entschuldigen, mit dem Kälbc Blau den an ihrem Tisch sich setzenden Rentier abgefunden. „Es ist schon die dritte, in kurzer Zeit", sagte Käthe, in die plötzlich ein krampfhaftes Leben- fuhr; sie erhob sich von ihrem Sitze wie von einer Sprung feder in die Höbe geschnellt, „und cö sind Spielrollcn, in denen wenig gesungen wird. Die Stern ist doch eine Sängerin; aber dem Dircctor bat irgend wer die Grille in de» Kopf gesetzt, daß sie vor allem eine ausgezeichnete Schau spielerin sei nnd daS stand auch in den Zeitungen. Sie bält'ö mit der Presse ... da ist der Lothar Binger ... der ist ihr Verehrer und er hat so einige grüne Recensenten am Fädchen, denen er seinen GeniuS einbläst. Da liest man ihr Lob in allen Blättern und in Wahrheit ist sie nur eine Mittelmäßigkeit; doch wenn sich so viele Literaturlümmel an die Röcke hängen, da fängt die Glocke doch zuletzt an zu läuten." „Käthe hat Recht", sagte Seiler die Gläser vollschenkend, „nichts als Reclame!" Faber, der sich recht behaglich suhlte bei diesen Herzens ergüssen der Künstlerin, nickte zustimincnd. „DaS Publicum ist sehr mißvergnügt über diese unver dienten Begünstigungen", fuhr Käthchen fort, beweglich hin-> und herfabrend, daß der Bankier die Champagnergläser mehr mals in Sicherheit bringen mußte, „und wir armen Künstle rinnen werden zuletzt ganz beiseite geschoben. Wir haben ja keine Fächer mehr beim Theater und der Dircctor befiehlt einem schüchternen Veilchen wie eine üppige Rose zu blühen, nnd wenn einer nur Talent zum Kohlkopf hat, so soll er wie Flieder und Goldregen die Welt durch Blüthenpracht ent zücken. Heute ist man impertinenter Backfisch, morgen lchwärmerischeS Mädchen, übermorgen eine starke Heldin. Und wenn unS der Herr Dircctor loswerden will, so stellt er uns in Rollen hin, in denen wir uns unmöglich machen müssen, weil sie für u»S unmöglich sind. Mit dem Fach ist unsere einzige Stütze dahin . . . jetzt sind wir ein Kautschuk, werden auseinander gezogen orcr zusammengequetsckt, in alle Fächer gegossen, wie cs dem Dircctor beliebt. Alle guten Rollen der einen, alle schlechten der anderen! Ta muß daS Publicum einmal seine Stimme erheben und das unterdrückte Talent unterstützen, indem cs die bevorzugte Talcntlosigkcit »ach Gebühr behandelt. DaS ist meine Ansicht, und das Publicum sind Sie, meine Herren!" Jetzt zuckten ein paar lustige Flämmchen in den Augen deö blauen Wunders; sic warfen bittende und liebkosende Blicke den Tiscbgencffcn zu; eö lag etwas Geschmeidiges, An schmiegsames in der Art, wie sic sich zum Bankier Seiler hinübcrneigle, und dann suckle sie wieder daS innere Gleich gewicht herznstcllen, indem sie taS äußere auch dem anderen Nachbar gegenüber zu verlieren drohte. Dabei büßte der mürrische, muffige Zug um den Mund nichts von seiner Ver drossenheit ein. „Käthe bat Recht", wiederholte Seiler und griff wieder nach der Champagnerflasche. „Gewiß", versetzte Faber, „wir brauchen unS nichts auf- dräugcn zu lassen, auch nickt eine Teresa Stern ; sie hat zwar viele Freunde, weil sie ein hübsches Mädchen ist." „Dergleichen sagt man nicht in Gegenwart anderer Damen", warf Seiler ein. „Hübsch?" sagte Käthe und ihre Mundwinkel zogen sich tiefer herab, „mm ja . . . diese goldblonde Heilige! Ibre i Mutter hat wahrscheinlich einmal eine hölzerne Madonna, wie sie da in den Alpen am Wege stehen, zu lange betrachtet und diese Augen — wenn man da hincinsieht, empfindet man eine Langeweile ... die reicht für vierundzwanzig Stunden ans! Ihre Seele muß eine häßliche Larve sei», denn larvcnhaft ist ibr Blick." „Gleichviel", meinte Faber, „ob hübsch, ob häßlich, sie soll sich nicht in den Vordergrund drängen. Solche Lieblinge der Direktion, man kennt das, oder gar der Presse . . als wenn wir mit unscrm Urthcil warten müßten, bis der Binger und Consortcn das Ihrige mit Hilfe der Drucker schwärze in die Welt geschickt. Nein, ich dulde keine Un gerechtigkeit .. nnd was an mir liegt. . ich werde protcstircn und Genossen suchen. Wie wär' cs, Freund Seiler, wenn wir uns verständigten .. an einem bestimmten Theaterabend .. Sie haben Ihre Leute, ich habe die mcinigcn." „Kommen Sie heute Abend zu mir", sagte der Vanqnier, „ich habe einen Prächtig abgelagerten Johannisberger; ich bin Ehrenpräsident eines Markthclfervercins. Nun, Käthe, nimm Dir Deine Tornwiesc mit dem Blumenbeet vom Nagel . . ich muß auf die Börse. Tu sollst mit mir zu frieden sei». Hausse für Tick und eine Baisse für die Acticn Deiner Nebenbuhlerin, daß cs ein förmlicher Krach werden soll! Man sorgt am besten für den Rubin der Einen, indem man dem der Ändern ein Bein stellt.. das ist der sogenannte Kampf ums Dasein." Käthe hatte sich ihren mit Blumen rcichgcschmückten Hut aufgesetzt. „ES freut mich, einmal für Deine künstlerischen Interessen thätig sein zu können; ich habe bisher nur für Deine Börse gesorgt." „Und Du wirst hoffentlich auch darin nicht ermütcn?" flüsterte sie ihrem Begleiter zärtlich zu; „cs ist trostlose Ebbe in meiner Casse." „Daö ist Euch doch einmal die Hauptsache, ibr Evas töchter, und den Ruhm schätzt ibr nur, wenn er in der Ge statt von Gage sich tazirc» läßt. Komm, Du kleines Un geheuer, Du süßer Verdruß! Tu läckelst immer nur mit den Augen! Wenn Tir's einmal einfallcn sollte, mit dem Munde zu lächeln, dann sind wir geschiedene Leute; dann bist Du wie die andern und Haft Deinen aparten Reiz verloren." Und der Banguicr verließ den Keller, indem er dem blauen Wunder seinen Arm bot. Er kümmerte sich wenig darum, was die Leute dazu sagten; er war ein bekannter Welt- und Lebemann und Kunstfreund und konnte seinen Ruf nickt gefährden, da derselbe durch seine Millionen vollkommen gesichert war. Faber setzte sich zu seinem Bau- und Maurer meister a» den Tisck unv wurde mit dem Respcct begrüßt, welchen Kunst und Handwerk dem Geldhcrrn schuldig sind, der ihnen den freien Spielraum giebt, sich zu bewähren; nur der leise ironische Zug um die Lippen des >ungen Architekten gab den Kundigen zu verstehen, daß hinter diesem äußern Rcspect sich eine gewisse vornehme Herablassung deS geistig Höherstehenden zum geistig Armen verbarg. Der Rentier begann mit einigen Frage» über seine neue MiethScascrnc, welche der Maurermeister Heinrich baute und über die neue Villa, die nach den geschmackvollen Zeichnungen deS Archi tekten Wolf ins Leben gerufen werden sollte. Faber beschwor die beiden Herren, bei der Ausführung so sparsam wie möglich zu Werke zn gebe»; er nahm sogar eine schwermüthige Miene an und ließ die Unterlippe fast hängen, wie Käthe Blau, als er über die schwere Noth der Zeit klagte: „Die übertriebene Baulust bat die Mictben berabgedrückt, die Etagen stehen leer. Alles will Häuser bauen. Die Bau- gcsellschastcn geben den größten Credit, »in Scheineigenthümer vorznschieben. Die wahre Geldkraft, welche sich um die Stadt verdient machen will, wird lahm gelegt. Ich hoffte schon immer, daß ein Stadttkeil oder wenigstens die Hauptstraße desselben meinen Namen führen werde; doch jetzt pfuschen mir andere da herein. Das Areal wird an Krcthi und Plethi verkauft und dann wird die Straße nach irgend einem be rühmten General oder berühmten Geiger benannt." „Warum nicht?" warf' der Architekt ein. „hat doch Amphion mit seiner Leier die Mauern Thebens ausgebaut." „Dock diese Geiger haben mit ihrem Fiedelbogcn noch keinen Stein bewegt, nnd unsere Feldherren beschäftigen sich mehr damit, die Häuser in den Straßen nicdcrzukartätschen und anzuzüiike», als diese sriotlichen Verkehrswege mit schönen Baulichkeiten auSzustatten. Und in diesen schleckten Zeiten sink wir Hänscrbaiier, welche allein verdienen, in den Namen der Straßen verewigt zu werden, „Märtyrer des Gemein wohls!" (Fortsetzung folgt.)
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