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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921109013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892110901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892110901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-09
- Monat1892-11
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kk WHANN<WeNtApre1D k» der Hasptrxpeditton od« de» tm Stadd» bezirk u»d de» Vororte» rrttchtetea A»«- vabestellea ab geholt: Viertrljäbrltch>l4.50, bei zwetmaltarr täglicher Zustellung iu< Hau» ^l b^ü. Durch die Post bezogen für Deutfchlaud and Oesterreich: vierieiiadrltch . Direct» tägliche Kreuiband^ndung tu» Lullaud: monalltch ^4 9—> DieMorgen-Au-gabe erscheint täglich'/,7 Uhr, dt« Abend-Ausgabe Wochentag» 5 Uhr. LeLartto» und Lrpe-Uiou: J,ba»«e»,affr 8. Die Expedition ist Wochentag« unanterbrochr» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale»: Vit» Me««'« Gartim. (Alfred Hatzi»), UntverfitLtsltrabe 1, Laut« Lösche, »athariuenstr. 1«, part. und »SoigSplat 2* Moegen-AnsgaVe. mZM.Tageblatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- and Geschäftsverkehr. J«sertio«rprei- Die 6 gespaltene Peützeile SO Psg)' Reclamr» unter dem Redaction»strich (4 ge spalten) 50-4, vor den Familteuaachrichte» (S gespalten) 40^. Trößerr Schriften laut unser«« Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Zisferusatz »ach höherem Tarif. Extra-vetlage» (gesalzt), nur mit b«, Morgea-Au-gabe, ohne Poilbeförderuug ^l M.—, w»t Postbesörderuug ^l 70.—. Iinnahmrschluß fiir Inserate: Ab»»d-Au«gab«: Vormittag« 10 Uhr. Piorgen-Au-gabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtag- früh '/,9 Uhr. , Lei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halb« Stund« früher. Inserat« find stet« a» dt« «rßtvttia» »u richte». Druck and Verlag von E. Pol« in Leipzig. ^- 573. Mittwoch) den 9. November 1892. 88. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Lekannimachunz. Die nächste NeujahrSmessk beginnt mit dem 2. Januar 1893 and endigt mit dem 15. Januar 1893. Eine sogenannte Vorwoche, d. h, eine Frist zum Auspacken der Waarrn und zur Eröffnung der Meßlocale vor Beginn der «igent- lichen Messe, hat die Neujahrsmesse nicht. Jede frühere Eröffnung, sowie jede- längere Offenbalten der Meßlocale in den Häusern, ebenso das v«r»etttgt All-Packen an den Ständen und in den Buden wird außer der sofortigen Schließung jedesmal, selbst bei der ersten Zuwiderhandlung, mit einer Geldstrafe bi- zu 75 oder entsprechender Haft geahndet werden. Leipzig, den 4. November 1892. Der Math »er Stadt Leipzig. vr. Georgi. Morch«. Sekannlmachung. Di« MefibSrs« für die Leder-Industrie t» nächster Neu- iahr-mess« wird Montag, den 2. Januar 18S8, Nachmittag» von 2—4 Uhr im Saale der „Neuen Börse" hier abgehalte« werden. Leipzig. d«n 4. November 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Morche. Vermiethungen. Ja den nachgenannten, der Stadtgemeinde gehörige« Grund stücken sind folgend« Miethräum« gege» viertel- bez. halbjährige Kündigung anderweit zu vrrmiethra: 1) Markt Nr. 1 — Nathhau« — Berkauf-gewölb« Nr. 28 am Naschmarkt, 2) Nafch«arkt Nr. 4 — Alte Börse — da» an« 2 ALthei- lungen bestehende Gewölbe Nr. IN, 8) Galzgiihchen Nr. 2 «ine Hofniederlaae, 4) NeichSstrahe Nr. 1 — Selter« Hm — a. eine geräumige Wohnung t» der lll. Etage, b. «in« große tzoswohnung i» der I. Etage, 5) Brühl Nr. 80 — Sonnenweiser — Ntederlag-rämne tm L Rnpfergitzche» Nr. L — Gewalt»« Arnwertzan» — ». die I. Etage, d. »in« Kellerabthttlung, 7) Untvrrfität-straße Nr. 24 «t»« »eklerabt-eilung, 8) Wt«d«ühle»ftra»» Nr. 7 d«r 1. Lad«» von der Brüder- stratze au-, 9) VrterSstetnwe, Nr. 47 — Grüne Linde — eia, kleine Wohnung, 10) Dresdner Straße Nr. 22 — rhe«alige« Dhorhan« — der frühere Tpritzenschuppk«, 11) Warfchallstrafze Nr. 8 — Kenerwehrdepot — t» Lctpzig-Nendnitz, eine Hofwohnung in der lV. Etage, 12) Sttnemdramt-ftraße Nr. S in Leipztg-Ltndenau ». Ntedrrlag-räume tm Barterre link», d. ein« kleine Wohnung in der II. Etage. Die Miethräum« unter 1, 2, 6» und 9 sind dom 1. April 1893 ab und alle übrigen sofort »» vermiethru. Methgesnch« werdrn ausdem Rathhaus«, I. Etage. Zimmer Nr. 8, rntgegengenommrn. Leipzig, Le» 2L. October 1892. Der «ath »er Stadt Leipzig I». 4080. vr. Georgi. Krumbiegel. Gesucht wird der «n 10. Mai 1865 hier geboren« Vergolder .. Friedrich Earl Gufta» Biller, welcher zur Fürsorge für seine Famili« auzuhalteu ist. Leipzig, am 29. October 1892. Der «ath der Stadt Leipzig. . - ^ ...» >klrmr«-A«t, «bth. II) A. L. II. 1548«. tzeatschel. Hewtcke». Lekanutmachung. Die Leochtkmft b,« städtisch«, Leuchtgase- betrug i» der Zeit vom 1. bi- 6. November d. I. im Argandbrrnner bei 150 Litern stündlichem Lonsum da« lg,7 fach« der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von SO Millimeter Flammenhöhe. Da, spectfisch. Gewicht stellt sich t» Mittel auf 0.428. Leipzig, am 7. November 1892. De« Nath» Deputatton »« de« G««anftalten. Lekamltmachung. Der aus dem städtischen Lieb- und Schlachthof zu Leipzig in einer jährlichen Menge von ungefähr SO—60000 Clr. zu gewinnende Dünger, dessen Absuhr ausschließlich »liltelst der Eisenbahn zu er- ölgen hat, soll vom 1. Juli nächsten Jahres ab aus S Jahre an einen geeigneten Unternehmer vergeben werden. Die Bedingungen für die Vergebung und die AngebotSformu- lare liegen in der Expedition unseres Vieh- und Schlachthoses aus und können daselbst eingesehcn oder zum Preise von 0,30 .^i ent nommen werden. Auch wird von der Vieh- und Schiachthos- direction jede sonst etwa gewünschte Auskunst über die Dünger- absubr re. ertheüt. Der Dünger stammt etwa zu V« aus den Markthallen und Stallungen des Viehhofes, im klebrigen aus dem Schlachthosbetrieb. Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Dnngrrabsnhr ans dem Vieh- und Schlachthof" versehen bis zum 22. d. M. Vormittags 10 Uhr bei der Nuntiatur des hiesigen Rathhauses einzureichen. Die Auswahl unter den Bewerbern und die Ablehnung sämmt- licher Angebote behalten wir un- vor. Leipzig, am 4. November 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. I». 4648°. vr. Georgi. Lindner. Sekanntmachung, die Anmeldung zur Kirchenvorstandswahl in der Andrea» ttrchengemrinde betreffend. Nach §. 17 der Kirchenvorstond«- und Synodalordnung findet demnächst ein« Ergänzungswahi de- AndreaskircheavorstandeS statt. Stimmberechtigt sind all« selbstständigen, in dem Andreaskirchipiel wohnhasten Hausväter (Haushaltungsvorstände) evangelisch-luthe rischen Bekenntnisses, welche daS 25. Lebensjahr vollendet haben, verhcirathet oder nicht, mit Ausnahme solcher, die durch Verachtung des Wortes Gölte- oder unehrbaren Lebenswandel öffentliches, durch nachhaltig« Besserung nicht wieder gehobenes Aergernth gegeben haben oder von der Stimmberechtigung btt Wahlen der politischen Gemeinde ausgeschlossen sind, sowie derer, welchen durch Beschluß der Ktrchentnspection die kirchlichen Ehrenrechte entzogen worden sind. Alle, welche ihr Stimmrecht auSübeu wollen, haben sich entweder mündlich oder schriftlich anzumelden. Mündlich« Anmeldungen werden in der fechste« Bürgerschule (Arndtstraße 60). v«lk»Ptdltothrk»ztmmer tm Erdgeschoß recht», Montag, den 14. Nov««der, u. Dten»taa, de« IS. No»e«d«r, uiu»«terdr«chen »o« vormittag« 1« Uhr dt« Nachmittag« 4 Uhr entaegenaenommen. litche Anmeldungen mit genauer Angabe 1) de« Bor- und Zunamen«, 2) deS Stande- oder Ge. werbe-, 3) de- Geburtstage- und -Jahre-, 4) der Wohnung können von hente an bi- Dienstag, den 15. Rove«der, Nachmittag« 4 Uhr in der UirchenexPeditton, Arndtstraße 80 d, abgegeben «erben. Zum AndreaSkirchsptel gehören nachstehende Straßen» bez. Etroßentheile und Plätze: Altenburger Straße. Arndtstraße, Bayerische Straße Nr. S7—99, 54—62, Brandvorwerkstraße, Elisenslraße Sir. 69-77, 54—60, Fichtestraße, Hardenbergstraße, Kaiser Wilheimsiraße, Kaiserin Auqusta- straße, Kantstraße, Kochstraße, Köruerstraße Nr. 2— sdie rechte Seite), Kronprinzstraße, Lüßntger Straße Nr. I I—von der Kürnerstraße bi- zur Kaiserin Auauslastraße. Mahlmannstraße Nr. 2—16. Moltke- jtraße, Scharnhorststraße, Schenkendorsstraße, Schleußiaer Weg von oer Mahlmannstraße in südlicher Richtung, Strinstraße, Südplatz, Südstraße. Bei der Wichtigkeit und Bedeutung der bevorstehenden Wahl für das kirchlich« Leben unsrer Gemeind« fordern wir all« stimmberech- tiate» Glieoer der Andrea-gemeinde dringend aus, sich recht zahl reich an der Wahl zu bethetltgen und die Bumeldaug zu derselben rechtzeitig »» bewirken. Leipzig, den S. November 1892. Der Wahlausschuß für die UtrchenvorstandSwahl her Andreasktrchcngrmctndc. vr. pH. Schumann, v. Steckbrief. Gegen da- Dienstmädchen Marie Syrbe, geboren am 1. Sep tember 1873 in Guandorf, zuletzt aufhältlich in Magdeburg, welche flüchtig ist, ist die Untersuchungshaft wegen Diebstahls verhängt. ES wird ersucht, dieselbe zu vrrhasten, in da« nächst« Gerichis- Gefänglich abzuliesern und z« den dicsseitigeu Actea X 3. 183,92 Nachricht zu geben. Magdeburg, den 4. November 1892. Der Königliche Erste Staatsanwalt. vie italienischen Wahlen. Nach den bisher bekannten Wahlergebnissen kann da- Ministerium Giolitti auf eine Mehrheit von 400 Stimmen rechnen in Bestätigung der vorher angestelllcn Wahrscheinlich keits-Berechnungen. Das ist aber eine imaginaire Mehrheit, weil unter ministerieller Flagge viele Gewählte fahren, die ihre Abstimmung später so emrichlen werden, wie eS die Ber- häitnisse zu empfehlen scheinen. Ministeriell sind sic nur so lange, als ihnen die Haltung de« Ministeriums gefällt. Vor läufig genügt ihnen, daß die Regierung am Dreibund und an der bcstct,enden Militair-Organisation sesthält und einen Plan zur Beseitigung des Fehlbetrages vorgeicgt hat. Wenn sich das in Wirklichkeit so gestaltet, wie e« von den Ministern in ihren Wahlreden dargesicllt ist, dann ist ein fruchtbare« Zusammenwirken von Regierung und Parlament zur Er reichung des Staatszweckes zu erwarten, andernfalls wird die ministerielle Mehrheit bald in die Brüche gehen. Das wichtigste Ergebniß der Wahlen ist, daß die Haupt- schreicr Jmbriani und Eavallotti nicht wieder gewählt sind. Mit diesen beiden Personen verschwindet das Element der Scandalmachcr auS Grundsatz aus der Volksvertretung, und damit ist außerordentlich viel gewonnen. Wie groß der Schade ist, den Jmbriani dem Parlament und damit Italien verursacht hat.ist schwer zu ermitteln; jedenfalls hat sichJmbriani die größte Mühe gegeben, die Begriffe der italienische» Wähler zu verwirre» und ihre Leidenschaften anzustachein, sie gegen Oesterreich-Ungarn aufzuhetzen und den Dreibund in Frage zu stellen. Und wenn er die Hörer wenigstens zu inter- rssiren verstanden hätte, wenn hie und da ein Körnchen Wahrheit in seinen Auseinandersetzungen mit untergelausen wäre l Aber nicktS von alledem; nichts alö seichtes, ödes Ge schwätz über Dinge, die er entweder nicht versteht, oder sich den Anschein giebt, nicht zu verstehen. ES ist derselbe Ton, den die Junaczechen in das österreichische Abgeordnetenhaus und in die österreichische Delegation eingcführt haben, — lauter Reden ohne Sinn und Verstand, blo« daraus berechnet,Aufsehen und Verwirrung zu stiften. ES ist ein günstiges Zeichen für die fernere Entwickelung der Zustände Italiens, daß die Wähler ihren bisherigen Vertreter für Bari haben fallen lassen: sie haben sich damit das Zcugniß ausgestellt, daß sie Einsicht genug besitzen, um ru erkennen, daß die Vertretung ibrer Interessen bisher nicht in den richtigen Händen lag. Auch dir Niederlagen, welche Hektar Ferrari, Maffi und General Eanzio erlitten habe», sprechen für eine Gesundung der parlamentarischen Verhältnisse in Italien; der Stand- punct dieser Radicalen war stet« unhaltbar. Dagegen tritt ein anderes Moment bei den Wahlen hervor, das nicht für eine gedeihliche Entwickelung deS Parla ments spricht, und das ist die äußerst geringe Wahlbctheiligung. In Genua mußten sämmtliche Wahlen für ungiltig erklärt werden, weil keiner der Gewählten das erforderliche Sechstel der wahlberechtigten Stimmen aufznweisen hatte. ES ist daS übrigens eine Erfahrung, die sich unter zerrütteten Verhältnissen auch anderswo zeigt. Wenn alle Bemühungen vergeblich er scheinen, den verfahrenen Staatswagen wieder auf den rechten Weg zu bringen, dann stellt sich allmälig Gleich giltigkeit ein, die erst dann wieder erhöhtem Interesse weicht, wenn di« Entwickelung eine andere Wendung nimmt. In Italien war der yöchste Grad der politischen Reise erreicht unter dem Ministerium CriSpi, dieser be gabte Staatsmann hat es aber nicht verstanden, seine anfänglich große Partei zusammen zu halten, er bat seine Anhänger durch sein anmaßendes Wesen verletzt und dadurch selbst seinen Sturz hcrbeigesührt, der bei einiger Mäßigung von seinerSeite leicht hätte vermieden werden können Aber CriSpi ging auch in seiner Kirchenpolitik schließlich Wege, die in Berlin nicht auf Zustimmung rechnen konnten, denn er übte eine Kritik an der deutschen Kirchenpolitik, die au deren Berurtheilung hinauskam. Z. B. tadelte er die Wiederaufnahnie der diplomatischen Beziehungen zwischen Berlin und dem Batican als ein politisch nicht zu recht fertigendes Entgegenkommen. Man ist damals über diese Aufsehen erregende Rede CriSpi'S hinweggcgangen, weil man sie als eine der bei CriSpi gewohnten geistreichen Ueber- eilungen ansah, aber die Sache hätte doch wohl zu weiteren Erörterungen geführt, wenn ste nicht durch seinen Sturz ad geschnitten worden wären. Giolitti hat in seinem Programm daS Vrrhältniß Italiens zum Papste überhaupt nicht erwähnt und damit wahrscheinlich daS Richtige getroffen; Rudini hatte bekanntlich die Unantastbar keit de« GarantiegesctzeS als eines TheileS der Verfassung erklär, aber damit keineswegs allseitig« Zustimmung gefunden. Wen» der Papst die ihm eingcräumten Neckte in der Weise miß braucht wie danialS, als er die Engelsbrücke dem alleinigen Gebrauch deS Papstes Vorbehalten erklärte; wenn er offen gegen den Bestand Italiens durch Agitationen gegen den Dreibund thätig ist: so sind das allerdings Gründe, welche die Frage nahe legen, ob nicht das Garantiegesetz zu Un gunsten deS Papstes einzuschränkcn ist. Giolitti scheint durch die Erfahrungen, die CriSpi und Rudini gemacht haben, be lehrt worden zu sein, was er zu thun und zu unterlassen habe, um die Klippen zu vermeiden, an welchen beide gescheitert cnd. Rudini hat die Finanzfrage nicht mit der Sorgfalt behandelt, die sie verdiente, aber man kann ihm daraus auch keinen großen Vorwurf machen. Denn unter sein Ministerium relen Ereignisse wie die Erneuerung des Dreibundes und der Abschluß der Handelsverträge, er hatte den Streit wegen des GarantiegesctzeS, welcher durch den Delegirtcn aus Sud tirol auf die politische Tagesordnung gesetzt war, auSzu- zlcicken und endlich die Angelegenheit in Betreff der Morde in Ncw-Orleans zu regeln. Daß bei so reger Entwickelung deS internationalen Leben« die Finanzfragc mehr als wünschcnS- werth in den Hintergrund geschoben wurde, ist erklärlich, und außerdem mußte der Zufall eS fügen, daß Rudini einen Colombo zum Finanzminister hatte. Ziehen wir die Sumnie aus den: Gesagten, so ist das Er- wbniß der Wahlen sowohl für Italien selbst, als auch für den Dreibund günstig. Italien scheint auf dem Puncte angelangt zu sein, wo eS der Aufregungen Uber internationale Angelegen heiten überdrüssig ist und sich ausschließlich der Regelung seiner inneren Entwickelung widmen will. Ob die Vorschläge, welche daS Ministerium Giolitti für die Beseitigung des Fehlbetrages macht, den angcstrebtcn Erfolg erreichen werden, laßt sich ohne genaue Kcnntniß der italienischen Verhältnisse nicht beurtheilen, auf die Italiener selbst scheinen sic diesen Eindruck gemacht zu haben, und daS genügt vorläufig. Giolitti hat die Absicht, an den bewährten Grundlagen der italienischen Politik im Innern wie nach außen fcstzuhaltcn, und das wird er nach seinem Charakter in ruhiger und maßvoller Form thun. Es wird auch ihm nicht an Gegnern fehlen, CriSpi wird ihm gewiß scharfe Opposition machen, vielleicht auch Colombo, aber diese Art von Opposition dient dazu, die Erörterungen im Parlament zu beleben, wohl kaum, um auf de« Sturz Giolitti'S hinzuarbeiten. Hür große Actioncn im Sinne CriSpi'S fehlt eS augenblicklich an der geeigneten Stimmung; die gcsammte Zeitlage bietet dazu keine Handhabe. Alle Großmächte sind mit ihren Finanrverhältnifscn vollauf be- sckäftigt und Deutschlands Ausmerkjamkeit ist fast ausschließ lich auf die neue Mililairvorlagr gerichtet. Niemals hat man in Italien weniger von JrredentiSmuS und Gallomanie gehört als gegenwärtig; die Wogen der politischen Leidenschaften haben sich beruhigt, und Italien wird froh sein, wenn die Sicherheit aus Sicilien und in der Romagna wieder auf einen erträglichen Grad gebracht wird. Wie sich die internationalen Verhältnisse gestalten werden, kann Niemand Voraussagen, zumal unter Umständen, wie die jetzigen, wo Rußland systematisch darauf auS- geht, auf der Balkanhalbinsel einen Eclat berbeizufübrcn. Die fortgesetzten Nadelstiche, denen die Türkei auSgesetzt ist, haben jedenfalls tiefere Gründe, die jetzt noch nicht offen liegen, aber eines TageS durch Tbatsachcn ihre Aufklärung finden werden. Bis dahin kann sich Italien der Verbesserung seiner inneren Zustände widmen. * Deutsches Reich. Berlin, 8. November. Es ist nicht recht klar, woher in der Presse plötzlich der Gedanke der Aufhebung der Franckenstrin'schen Claus«! austaucht. Da die neuen ReichSstcuerprojecte noch immer keine feste Gestalt gewonnen zu haben scheinen, so ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Ge danke in Zusammenhang mit denselben zur Erwägung gekommen ist. Man sieht indeß nicht recht, was die NcichSfinanzverwaltung in ihren gegenwärtigen Nöthen dadurch gewinnen sollte. Die auf Grund der sogenannten Franckcnstein'schcn Clausel den Einzelstaaten vom Reiche zu überweisenden Einnahmen aus den Zöllen und der Tabak steuer, den BranntweinvcrbrauchSabgaben und der Börsen- steuer sind im Etat für 1892/93 mit rund 351 Millionen, F-ttillatsn. Die Laricatur. von G O G Nachdruck verboten. Im December vorigen Jahre« weilte ich beim Fürsten Bismarck. Unter Hinweis auf eine soeben eingetroffene Nummer der .Fliegenden Blätter- äußerte der Fürst seine Ansichten über humoristische Zricknungen und bemerkte speciell über Earicaturen etwa Folgende«: Die feine Earicatnr, wie ich ste mir denke, erfordert dieselbe Beobachtungsgabe und eine ebenso vollkommene Beherrschung der zeichnerischen Technik, wie die ernsthafte, nur nach höchster Leben-Wahrheit strebend« Wiedergabe einer menschlichen Gestalt, einer Situation u. s. w. Denn dir Caricatur bedingt nicht allein ein Festhalten Dessen, wa« der Künstler sieht, nicht allein die Fähigkeit de« Sich, vertiefen« in da« Charakteristische und nicht allein da» — ich mochte sagen — subalterne Nachempfinden, sondern auch die Fähigkeit zu einer gewissen souverainen Kritik de» Ge schauten und Empfundenen. Sehen Sie diesen Schlittgen'- scken Lieutenant, da ist nickt ein Strich, der unwahr wäre, der ganze Prachtmensch atymet Leben und Natürlichkeit von den spitze» Lackflirfrl», de» englischen Beinkleidern bi- hinauf zu der typischen Art, wie er den Gla«splitter im Auge trägt; und doch prägt sich m der Zeichnung rme so treffende, aber deceute Satire, ein ko packender Humor au«, daß man sich mit inmgem Wohlbehagen in da« vild vertieft. Diese Auffassung de« Fürsten äußert sich auch in der be sondere» Vorliebe für de» grnialru E. W. Aller«, welcher im März und im April d. I. ein überaus gern gesehener und allseitig beliebter Gast in FricdrichSruh gewesen ist. In einer kleinen Abschweifung von meinem eigentlichen Thema sei hier bemerkt, daß der Fürst einem gesunden, ur wüchsigen Humor, der sich in den Grenzen vornehmer Denkart bewegt, die größte Werthschätzuug cntgegenbringt. Wie er selbst gern humoristische Episoden aus seinem reicken Sckatze von Erinnerungen erzählt, ist er auch der dankbarste Zuhörer für dergleichen, und in seinem Antlitz spiegelt sich dann daS lebhafteste Vergnügen. An jedes politische und gesellschaftliche Ereignis, daS zur Sprache gelangt, weiß der greise Staats mann irgend eine fesselnde, attisch gewürzte Schilderung früherer ähnlicher Vorkommnisse oder ein Bonmot zu knüpfe». Und Wenn eS — wie hier und da bei größerem Fremdenbesuch — vorkommt, daß Themen angeschlagen werden, deren Erörterung der Fürst aus diesem oder jenem Grunde vermieden sehen möchte, so ist es wieder eine humoristische Wendung, mit der er, für den weniger scharfen Beobachter unmerklich, die Unter haltung auf ein anderes Gebiet aolenkt. So eifrig er auch den Laus der politischen Dinge verfolgt und rückhaltSloS er örtert — es giebt eine Reihe von Fragen, insbesondere „Perfoaen-Fragen", auf die der Fürst memal« und unter keinen Umständen reaairt. Der jüngst verstorbene Lothar Bücher wurde von BiSmarck nicht nur als ein vielseitig gebildeter, erfahrungsreicher Beamter und später al- unersetzlicher Mitarbeiter an den diplomatischen Denkwürdigkeiten, für dir der Fürst ein un geheure« Material zu sichten hat, geschätzt, sondern auch al« ein Freund geliebt, dessen trockener Humor ihm manchen Unverstand de« Leben« genießbar machte. Wenn bei der ehernen selbstständigen Natur Bi-marck'S von dem Einflüsse einer Persönlichkeit seiner Umgebung auf ihn überhaupt die Rede sein kann, s» hatte da« .Bucherchrn" oder .Büchlein", wie man den Verstorbenen im engeren Kreise der fürstlichen Familie nannte, relativ einen solchen Einfluß. Es würde ari dem Rahmen des Feuilleton« herauStretrn und Uber den Strich hinaus in da- politische Gebiet hinüberschweiscn, wenn ich die ausgleichenden Wechselbeziehungen zwischen der geraden, immer kampsfcrtigen Natur de« Fürsten und der verschlossenen, immer abwartenden Reserve Bücher« mehr al- andcuten wollte. — Lothar Bucker hatte seit 1866 alle Staatsactionen Bismarck s mitgemacht, war mit fast allen Persönlichkeiten in Berührung gekommen, zu denen der Fürst in Beziehungen stand, und somit in der Lage, nicht nur der Neigung de» Fürsten zu ReminiScenren ernster und heiterer Art mit Verständnlß entgezenzukommen, sondern auch selbst Er innerungen zu erwecken. Noch deutlicher, al« au« der familiären Stellung de« Geheimraths im Hause BiSmarck, die ja, wie schon augedeutet, noch andere Ursachen hatte, ergiebt sich die Vorliebe de« greisen Staatsmannes für Witz und Humor au« dem freundschaft lichen Vertrauen, welche« BiSmarck seinem HauSarzte, dem vr. Sckweningcr, entgegenbringt. Dieser urwüchsige Bayer besuchte ihn zum ersten Male im Jahr« 1880 und eroberte sich die Zuneigung de» Reichs kanzler« wie im Sturm. Der biderbe, treuherzige Humor de- ArzteS berührte den Fürsten derart sympathifch, daß er ihn gleich dabehiclt. Seither ist «in Besuch Schweninger « in FrirdrichSruh oder Varzin ein Fest, eine Quell« gesunder Er- beiterung, welche z. B. besonder« reichlich sprudelt, wenn die Ermahnungen Schweninger'« auf (übrigen« nie ernst ge meinten) Widerspruch stoßen oder nicht genau beobachtet wurden und der gekränkte Arzt dann mit einem ehrlichen .Donnerwetter" dazwischenfährt. — Doch da« nur beiläufig. Fürst Bi«marck hat, wie kaum eine andere berühmte Persönlichkeit, Gelegenheit gehabt, di« Caricatur ia ihrer er laubten und excessiven Gestaltung mit Bezug auf sich selbst kennen zu lernen. Jedes politische Witzblatt — gleichviel, ob eS sich mit Recht oder Unrecht so nannte — gab die markanten Züge bcS Kanzler» und hervortretende Aeußcr- lichkeiten — Reitersticfel, lange Pfeife rc. — in immer neuen Variationen wieder. Die Zahl der zeichnerischen Anziiglich- kcilcn gegen ihn ist Legion und — eS hat sie sich kaum Einer so aufmerksam angesehen, sie so objectiv kritisirt, als der Reichskanzler selbst. Und es ist eine höchst merkwürdige Er scheinung, welche die bestimmte Disposition deS Fürsten für den Humor in allen erlaubten Formen ebenfalls deutlick er kennbar macht, daß er, der sonst dem Widerspruch in Wort und Schrift nicht gerade mit Gleichmuth begegnete, jede ge glückte — wenn auch gewagte — zeichnerische Persiflage mit Humor, ja mit aufrichtiger Anerkennung aufnahm. Allerdings bat BiSmarck nur in selteneren Fällen jenes ästhetische Princip bethätigt gefunden, das ich eingangs citirte. Abgesehen davon, daß di« illustrirten politisch-satirischen Wochenschriften mehr in der Fixigkeit als in künstlcrflcker Be ziehung Erstaunliche- leisten und mit der größeren Actualität oft eine geringere Vertiefung in Bild und Text zu erkennen geben, hat man sich in Deutschland eigentlich noch nie bemüht, die zeichnerische Satire von der plumpen, possenreißerischen Verzerrung zu unterscheiden. Wo liegt denn der Witz in Figuren, deren Köpf« doppelt so groß sind als die winzigen flüchtig skizzirten Körperchen? Glaubt ein Künstler mit fcnrr siirchtvaren Nase, die er dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien zum tausend und ersten Male auzeichnet, etwa« Zwerchfell erschütterndes zu Papier zu bringen? E« ist ja klar, daß dir politische Animosität, welche die Mutter der hier in Frage kommenden Satire ist, ebenso sehr den Stift de« Zeichner» als di« Feder de« Leitartikler« zu — sagen wir; drastischeren Bildern führt, aber bei de« tz«»
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