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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921115025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892111502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892111502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-15
- Monat1892-11
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So erwünscht der damit geschaffene Zustand der Parteileitung zweifelsohne wäre, so wird sie sich doch genölhigt sehen, den Antrag entschieden zu bekämpfe». Tenn »nt seiner Annahme wäre ossiciell zugestande», was die Führer nicht wahr haben dürfen, nämlich dass innerhalb wie ausserhalb der Partei die Haupt- »nd StaatSaetionen der ofsicieUcn Socialdemokratie an Interesse verloren haben. Der Parteitag i» Halle, der erste »ach Aufhebung des Sociatistcngesctzcs, war das Ereigniß des Tages auch in den Augen der „Bourgeoisie"; schon die Erfurter Bersammlung, obwohl sie die Programmrevision zu beschließen und sich mit Vollmar und den „Jungen" auscinanderzusetzen hatte, wurde mit mäßiger Spannung erwartet, und der jetzt eröfsnete Berliner Tag hat die Gcmütbcr völlig unberührt gelassen. Es wäre jedoch irrig, den Grund dieser Erscheinung in einem Rückgang der socialistischen Ideen zu suchen und diesen wiederum in dem allerdings erheblich schwächer gewordenen Besuch der socialdemokratischen Versamm lungen erblicken zu wollen. Was den Parteitag so wenig interessant erscheinen läßt, ist der Umstand, daß er nicht, wie er nach dem Wortlaut und Geist des Organi sationsstatuts sollte, die „Souverainetät" in der Partei repräsentirt, daß er diese vielmehr bei den Führern ruht und die überwiegende Mebrheit des Parteitages sich ans ihren Mamtukeu zusammcnsetzt, welche der thalsächtich bestehenden Eabinetsrcgierung keinerlei ernste Opposition zu machen in der Lage sind. Der große Sieg über die „Jungen", der i» Erfurt spielend leicht erfochten wurde, entsprach so wenig der allgemeinen Stimmung der „Genossen", wie die glänzenden parlamentarischen Erfolge des VicekaiserS Rvuher die Stim mung der großen Mehrheit des französischen Bolkes unter Napo leon lll. zum Ausdruck brachten. Der geradezu hewunderungö würdigeOrganisationsapparal thut seine Schuldigkeit und wird sie in der socialdemokratischen Partei »och geraume Zeit thun, aber die Hockmögenden der Partei, die Bebel, Auer und Liebknecht, sind lange nicht mehr in dem Maße von dem Vertrauen der „Genossen" getragen, wie unter dem Svcialisten- gcsetz — der Einfluß Singer'S ist mit richtigem Jnstinct von Anbeginn als eine Art Fremdherrschaft empfunden worden. Tie Abneigung gegen die Führer als „gesättigte Existenzen" spielt in der großen Masse außerhalb Berlins leine oder nur eine untergeordnete Rolle, die Unzufriedenheit, die sich rcckts und links gellend macht, ist tiefer gegründet: die Parteileitung treibt's im Wesentlichen wie Bollmar und betont die Grundsätze der Entschiedenen. Kein Wunder, daß sie nach der einen Seite durch ihre Worte und nach der anderen durch ihre Handlungen abstößt. Dazu kommt, daß man in weiteren Kreisen der Partei bei der Leitung einen Philosemitismus wabrzuiiehmen glaubt, der mit der programmmäßigen Auffassung der RcligionS- und Rassenfrage in unlösbarem Widerspruche stände. Bebel und Liebknecht werden auf dem Parteitag über diesen und andere hcitle Puiicte mit schönen und klugen Reden hinwegkonimen und die erwünschten Beschlüsse erzielen, aber die damit über stimmten zahllossen Andersdenkenden unter den „Genossen" im Lande werden der officiellen Partei nur noch mehr ent fremdet werden. Es wurde schon gemeldet, daß man in Wien bemüht gewesen ist, dem russischen Großfürsten-Thronfolger einen sehr herzlichen und entgegenkommenden Empfang zu bereiten. In den dortigen diplomatischen Kreisen hat diese überaus freundliche Art des Empfanges einen sehr günstigen Eindruck hcrvorgeruscii und man legt ihr einen großen Werth in friedlichem Sinne bei. Viel bemerkt wurde, daß auch die Kaiserin Elisabeth ihre gewohnte Zurückgezogenheit auf- gegeben und de» Thronfolger besonders empfangen, sowie dem Galadiner, das zu seinen Ebren gegeben wurde, beigewohnt hat. Seit vier Jahren ist die Kaiserin bei keiner solchen Veranstaltung mehr zugegen gewesen. Der Thron folger selbst hat über den ibm zu Thcil gewordenen Empfang in den lebhaftesten Worten seine freudige Befriedigung auSgcdriickt; er dankte dem Kaiser Franz Joseph und der Kaiserin Elisabeth aufs Herzlichste und versickerte, seinem Bater über die ausgezeichneten Ein drücke, welche er hier gewonnen, eingehenden Bericht erstatten zu wollen. — In Petersburg ist die Presse geneigt, in dem ehrenvolle Empfange dcS Zäsarewitsch in Wien einen Umschwung in der österreichischen Politik gegen über Rußland zu erblicken. Oesterreich beginne, so sagt die „Now. Wremja", endlich die Gefährlichkeit der gespannten Beziehungen zu Rußland einzusehen, weshalb es nun aus der Nolh eine Tugend mache. Ter Besuch des Tbronfolgers in Wien beweise übrigens vor allen Dingen, daß Rußland bereit sei zu einem innigeren Einvernehmen mit Oester reich. Bvm Grafen Kalnoky hänge das Weitere ab, doch werde Rußland die Freundschaft Oesterreichs nie um den Preis voller Indifferenz bezüglich der normalen Lage der Balkanstaaten verkaufen, Rußland werde seine eigenen Interessen nie opfern. — Von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus wird der Wiener Empfang des russischen Thronfolgers in der italienischen Presse be- urtbcilt. Die „Riforma" warnt davor, dem Besuch des russischen Thronfolgers in Wien irgendwelche Bedeutung beizulcgen; weder Frankreich noch Rußland würden jemals den i>tntu8 <ju» anerkennen-, sie warteten vielmehr nur den günstigen Augenblick zum LoSscklagen ab. Die Dreibund- mächtc müßten darum ibrerseitS ebenfalls jeden Augenblick auf Alles vorbereitet sein. — Wir fügen »och eine kurze Melkung an, wie man in den leitenden deutschen Kreisen das Ercigniß ausfaßt: Der „Pol. Eorrcsp." wird aus Berlin gemeldet, daß dort die Nachricht von dem Besuch dcö russi schen Thronfolgers in Wien freudig begrüßt worden sei, da die deutsche Negierung die guten Beziehungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland immer lebhaft wünlchen müsse und auch gewünscht habe. Dem künftigen ungarische» Ministerpräsidenten Herrn Wekerle wurden am Sonnabend Abend, als er im Partei- club erschien, die lebbastcsten Begrüßungen zu Thcil. Die selben galten in erster Linie der in hoben: Grade sympathischen Persönlichkeit deS seitherigen Finanzministers, dessen hervor ragende Eigenschaften selbst in oppositionellen Kreisen rück haltlose Anerkennung finden, dann aber auch dem in der Bcrufung Wckerle'ü nach der Auffassung der Pcstcr Politiker verkörperten Siege der ungarischen Politik über die Be slrcbungcn des KlerikalismuS aus kirchlichem Gebiete, wobei eS sich von selbst versteht, daß hierbei eben nur der Gegensatz gegen den Klerikalismus, nicht gegen die Kirche als solche gemeint sein kann. Einen bezeichnenden Ausdruck findet diese Anschauungs weise in der Thatsachc,daß der nunmehrige Ministerpräsident den seitherigen EultuSminister Grasen Esaky auch in seinem Eabinetc in der gleichen Stellung beibehält. Was die Be setzung der andcrweiten Portefeuilles betrifft, so steht noch nichts fest, bezügliche Eombinationen eilen den cndgiltigen Beschlüssen um mehrere Tage voraus. Wenn oppositionelier- seits gemeldet wird, der Chef der ungarischen Abtheilnng der königlichen Eabinetskanzlei, ScctioiiSchef Stefan Pagay, sei zum Minister des königlichen HoslagerS auserschen, so entbehrt diese Nachricht jeder Begründung. Für diese Stelle «st vielmehr jetzt cndgiltig Graf Ludwig Tis za, Bruder von Koloman TiSza, auserschen. Für das Ministerium des Innern stehen augenblicklich zwei Namen im Bvrdergrunde: der erst vor zwei Wochen ernannte Präsident des obersten Rechnungshofes, Karl Hicronymi, uud der Präsident dcS Abgcordnetenkauscs, Baron Banffy. Etwas Bestimmtes hierüber verlautet jedoch noch nicht. Herr Loubet und seine Eollegcn im französischen (5 ab in et tl»in zwar so, als seien sie cisrigft bcmübt, die Näthscl der anarchistischen Sphinx zu lösen. Ihr ganzes Verhalten beweist aber, daß cS ibncn damit nicht Ernst ist. Die Kammer macht eö nickt viel besser. Jeder einzelne Dcputirtc, von den intransigenten Radiealen und den „ziel- bewußten" Socialisten natürlich abgesehen, gesteht fick ,»»- geheim, daß er und seine Genossen Schwackköpfe sind, die zu allem Anderen eher passen, als in schweren Zeiten das vcr- antwortuligsreichc Mandat von Volksvertretern zu üben. So bald sie aber in parlamentarische Action treten, wird der Hobe Kothurn bestiegen und der französischen Nation dao stolze Schauspiel geboten, daß die Republik ihr Schicksal Männern anvcrtraul Kat, denen auch in Augenblicken der größten Gefahr die — Zunge nickt versagt, ereil acht Tagen regnet es nur so Briefe und Zuschriften aus den Departements an die resp. Kammervcrtrcter, die an der gouvernemciitalen Lotterwirlh- schafk, welche unter den Auspicien desEabinets Loubet eingerissen ist und in der Assaire von Earmaux so wundersame Lorbeeren geerntet bat, schärfste Kritik üben und das gegenwärtige Re aicrungssystem vu bloe für die neueste Kundgebung des Dynamilschreckcnö verantwortlich halten. Es geht ein re aetionairer Geist durch daö Land, der den Mniithelkeii ii» Palais Bourbon insiiiictiv zuwider ist. Da stützen sie noch zehnmal lieber das im Amte befindliche Ministerium, so wenig sie dasselbe zu respcctiren vermögen, cbc sie sich aus Anregungen einlicßen, welche aus dem .Kreise der Wähler kommen. Herr Loubet thut übrigens, was billigcrwcisc von ibm verlangt werden kann, indem er Jedem, der cs bören will, erzählt, er werde schon dafür sorgen, das Gesetzwidrig keilen, wie das Spazicrciisüyren der rothcn Fahne in Earmaux unv das Auslegen von Sprengbomben in belebten Stadt gcgendcn von Paris, nickt wieder Vorkommen. Wie er das ansängt, wird strengstens verschwiegen, inzwischen treiben die Ressortminister Politik auf eigene Faust und scheuen sich selbst nicht einmal, wie der Zwischenfall mit der Schweiz beweist, die Republik in auswärtigen Dinge» zu compromittiren. Niemand aber hat den Mutb, das Kind beim rechten Namen zu nennen, aus Furcht, eine Eabiuetskrise und im Anschluß daran vielleicht gar eine Slaatskrise bcrvor- zurufen. Nur so kann cs geschehen, daß ein Ministerium, das eigentlich keinen einzigen Freund, keine einzige Stütze mehr hat, ganz gcinüthlich weiter wirthschaftet. Es hat zwar die Führung der Lage längst verloren, aber Niemand ist da, der sich vermessen könnte zu sagen, er wisse die Richtung an zugeben und innczuhalleu, welche die Entwickelung von Slaal und Gesellschaft einzuschlagen habe. Nach einem Telegramm der „Times" ans Fe; scheint es ganz so, als ob die Engländer den Liebesdienst, den ihnen die Franzosen vor einiger Zeit durch die Vereitelung der Mission des britischen Gesandten Smith erwiesen, derb beim- gezahlt haben. Verschiedene Vorschläge der französischen Ge sandtschast in Marokko sind aus hartnäckigen Wider stand beim Sultan gestoßen. Es liegt folgende Mel dung vor: * London, 14. November. Das Ergebnis; der bisherigen Unterbandlunge» d'Aubigny's mit dem Sultan von Marokko ist folgendes: Es wurde die Erlaubniß gewahrt für Len Bau von Wasserwerken, sanitäre Reformen und sür den Bau guter Straßen in Tanger. Ter Handelsvertrag ist noch nicht unterzeichnet, aber der Sultan genehmigte die zeitweise Ausfuhr von Kork und Rinde sür Gerberzwecke, sowie eine kleine Ermäßigung der Ein fuhrzölle aus gewisse französische Erzeugnisse. Verschiedene von der französischen Regierung geforderte Zugeständnisse, wie die Revision der Grenze zwischen Marokko und Algier, den Bau einer Eisenbahn über Figuig nach Tust, wurden vom Sultan ver- weigert. Nach und »ach werden Acußcrungcn hervorragender politischer Persönlichkeiten der Bereinigten Staaten übcr daS Ergebnis! der Präsidentschaft sw ah len belannt. Präsident Harrison lcbut cS zwar vor der Hand ab, etwas zur Veröffentlichung Bestimmtes über das Wahlresnltat zu sagen, aber einer seiner nächsten Freunde lbcitl mit, daß der Präsident sehr überrascht gewesen sei über das Wahlergebnis; im Staate New sZork; er könne sich den dcinokratischen Sieg nicht erklären link bedauere nur, daß die Republikaner Indiana verloren bade». Whitlan Reib, der republikanische Vice Präsidentschaftseandidal, sagte, es sei klar, daß nicht alle Republikaner die Tarifpolitik ihrer Partei billigen. „Persönlich", sügtc er hinzu, „habe ich wenig zu bedauern, da ich bei der Rückkehr aus Frankreich die feste Absicht batte, mich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziche». Och habe die Nomination nicht erstrebt und kann meine Niederlage mit Ruhe tragen, aber ich bedauere die Niederlage meiner Partei. Es geht mir, soweit ich persönlich in Betracht komuie, wie jenen« Knaben, welcher geprügelt wurde — ich bin zu alt, um zu weinen und zn stark verletzt, n»i zu lachen." Grover Eleveland weigert sich, irgend etwas zur Veröffentlichung zn sagen. Der Gelicralposiincistcr Wo»amaker behandlet, daß vas fremde Element i sotl beißen die Deutschen) in New "ftork nud Ebieago „es gelhan habe". Mil einem Witz bat der Gcucralstaatsaiiwalt Müller über die unangenebme Assaire biiiwcgzntominen versucht: „Ich will über das Wablergebniß nichts lagen", bemerkte er, „wenn ein Mann die Pocken hat, liegt ihm nichts daran, stehen zn bleiben und karübcr zn spreche», aus welche Weise er sie bekommen hat." McKinley weigert fick etwas zu sage», allein vic rcpubtitauischcn Zeitungen werfen hauptsächlich auf ihn die Schuld sür die "Niederlage der Partei. — I» keinem Staate der Union ist die Ucberraschuuq größer gewesen, als in dem Staate McKinley s, Ohio. Selbst die Teniotratcn befürchteten, daß die Republikaner im Staate eine Mehrheit von 25 000 Stimme» haben werden. Und jetzt ii't cs mehr als Zweifel Haft, ob Elcvcland oder Harrison i» Ohio gesiegt bat. Nie mals hat seit Washington Jemand eine so große Stimmen »icbrheit gehabt als Elcvetand. Die Republitanncr haben in l l Staate» und die Demokraten in 25 gesiegt. In L. hio machten die Demokraten gar keine Anstrengungen, den Staat zu erobern, weit sie ihn für unbedingt republikanisch hielte». Ohio ist n-emal« demokratisch gewesen. Elevetaiid wird seine Präsidentschaft mehr als Erwählter des Volkes, als einer besonderen Partei antrcten. Wahrscheinlich ist die Wahl der Vorbote der Auflösung der republikanischen Partei. Als Elcvcland daö erste Mal Präsident ivae, war der Senat republikanisch und ans diese Weise war er sehr gebindert. Jetzt wird er keine Opposition haben n»d im Zolltarif und anderen Sachen große Reformen durchführen könne», so daß die demokratische Partei tange am Ruder bleiben wird. Zur Zolltarisrcform wird cs hoffcnttich in Bälde kommen. Deutsches Reich« HZ Berlin, li.November. Tie verschiedenen Ausschüsse des Bundes rat Hs sind täglich mehrere Stunden versammelt und bcrathen die einzelnen ^hcil des Etats, sowie einige von uns mitgetheilte Vorlagen, welche dem Reichstage demnächst zugcke» sollen. Nur über die Berathung und das Schicksal der Militairvvrlagc im BundcSrath hört man nichts. Bcrmuthet wird, daß auch die bezüglichen Ansschuß- berathungen geheim gehalten werden, während von anderer Seite wieder die Verinuthnng ausgesprochen wird, daß der Gesetzentwurf längst von den Ausschüssen ge nehmigt sei und nur noch an der Fertigstellung der Begründung gearbeitet werde. Aber es sind eben Alles nur Bermuthungcii, aus RegierungSkreisc» ist gar nicht« Sicheres zu erfahre» und überall wird darauf vertröstet, daß in den nächste» Tagen bereits der Reichstag Zusammentritt, welchem gleich nach der Eröffnung die Vorlage überreicht werden soll. Wenn auch die Eonstituirung des Reichstags Feuilletsir. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 36 s Nachdruck »ertöten. (Fortsetzung.) Sechstes Capitrl. Die ganze Stadt sprach von den Vorgängen im Theater. Es war gerade sonst nichts BemerkenSwerthes vorgefallcn ... kein Mord, kein Selbstmord, keine Ehescheidung, kein Skandal- proceß, und da die Komödie dcS Lebens nichts Effektvolles bot, so beschäftigte man sich um so lebhafter mit der Komödie auf der Bühne oder vielmehr im Zuschauerrauin. In einer Weinstube saß Graf Febrenthal mit zwei Frei herren, benachbarten Rittergutsbesitzern, und einem Bank- bircctor zusammen; sic planten ein ncncö industrielles Actien- nnternebmcn und die vernehmliche, laute Stimme des Grafen, welcher flüsternde Verschwörungen nicht liebte, beherrschte de» ganzen Raum. Was Graf Fehrcnthal beabsichtigte oder anssübrte, brauchte die Kritik der Welt nicht zu scheuen; cS war damit empfohlen, daß er'ö mit seinem Namen deckte. Die Kellner drängten sich geschäftig um ihn mit ganz besonderer Beeiferung; er wetterte bisweilen auf sie los und goß eine ganze Flnth von Schimpfwörtern über sie auS: ja es gefiel ihm einmal, zwei der geschmeidigsten, die sich zur Reckten und Linken an ibn drängten, ebne das Bestellte schnell genug besorgt zu haben, mir den Kopsen zusammen- zustoßcli, daß man glaubte, die Nähte ihrer Schädel müßten auseinander platzen. DaS ließen sie sich gefalle», ohne in ibrcr T ienstbeflissenhcit nachzulafsen; der Graf zahlte dafür auch riesige Trinkgelder, und man weiß ja auch in anderen Kreisen viel von den Fußtritten zu erzählen, die man sür rin gutes Trinkgeld mit in den Kauf nimmt, auch Wenn s mit einem schöneren Namen über die Taufe gehoben wirb An einem andern Tisck, nicht writ von der Gründer- grsellschaft, saßen junge Officirre, die sich über das letzte Manöver und das letzte Wettrennen unterhielten und lustig die Ehampagnerpfropfen knallen ließen. Unter ihnen befand sich auch Herr von Schollen, der erst heute von einer Dienst reise zurückgekehrt war; er hatte einer Schießübung in einer benachbarten Stadt beiwohnen müssen. Er blickte düster vor sich bin, wie er überhaupt den Zechgelagen der Kameraden iemlich autheilloS, nur aus einem gewissen vs^rit ckv eorf>8 eiwoknte. Was ihn heute besonders schwcrmüthig stimmte, war die Kränkung, die man der von ibm so innig geliebten Künstlerin bereitet hatte und ein böser Zufall wollte, daß überall, wo er Hinkain, das Gespräch sich um dies unselige Ercigniß drcbte, so oaß er eben erst seine Kameraden gebeten hatte, nickt diesen für ihn so peinlichen Gesprächsstoff n berühren. Er brütete über dem mutbniaßlichcn Grunv olcher Feindseligkeit, zcrmarttcrte sein Gehirn nnd konnte darüber nicht ins Klare kommen. Die Herren Gründer batten inzwischen ibre geschäftlichen Verhandlungen beendigt; sie wiegten sich in den Träumen einer glänzenden finanziellen Zukunft, bliesen den Duft ihrer Eigarrcn behaglich in die Luft und begannen über die gleich- gilliaen Dinge zu plaudern, die der Tag mit sich brachte. Der Bankdirector war öbunstsreund; er gab Soirüen, in denen die hervorragende» jdünstlcr und Künstlerinnen nickt fehlen dursten, natürlich solche, an deren Ruf kein Makel war. Die Primadonna der großen Oper, die nicht nur durch eine zahlreiche Familie ihren Sinn für Häuslichkeit beweisen koiinte, sondern die auch außerdem als leidenschaftliche An hängerin der vegetarische» Lebensweise ibre Abneigung gegen rokere Genüsse, vinläuglich an den Tag legte, war ein regel mäßiger Gast, ebenso die erste Liebhaberin, welche ibre Liebes- sccnen in Trauerspiel und Lustspiel so ungeschickt spielte, daß die Kritik ihr Mangel an Routine vorwarf, was aber in moralischer Hinsicht ein offenbarer Vorzug war. Ter Bank- director selbst besuchte indeß häufiger da» Operettentheater als das große Schauspielhaus, obschon er dort eine Loge hatte. Ernste GeschäftSmänner brauchten de» Abend» Zer streuung; das Rübrstück tanze nur sür dir Schnupftücher der Frauen, und die Tragödie — darüber könne man bcutigcn Tags nur die Achsel zucken. Er habe einmal einer griechischen Primaneraufsührung beigewohnt, bei welcher sein Sohn die Antigone gespielt — und von der er natürlich kein Wort verstanden. So kämen ibm alle Tragödien, auch die deutschen, auf den großen Bühne vor — Eaviar fürs Volk und für ihn selber! „Der kleine Direktor", fuhr er fort, „bat neulich ü In l,ais8v speculirt. Hundert gegen Eins — er hat selbst den Skandal in seinem Operettentheater veranlaßt, um von seiner Bühne recht viel reden zn machen." „Was hat sich denn da ereignet?" fragte der Graf. „Man hat eine Operettcusängcrin ausgezischt und auö- getrommclt!" „Ich halte nicht viel von diesen Leuten", sagte der Graf, „Alles was sich für Geld zur Schau stellt, gekört zum gesell schaftlichen Kehricht, und cs gicbt da keinen Unterschied zwischen Theater- und Thierbuden! Es ist jetzt Mode, von den geschminkten Herren, welche oein Publicum auf der Bühne Gesichter schneiden, viel berzumachen, als wenn sie mit den großen Künstlern und Dichtern, wie ein Raphael und Shake speare, auf gleichem Fuße stünden — und doch sind cS nur Papageien, welche nachplappern, was ihnen von den Dichtern vorgesagt wird, und dabei ihre ganze Persönlichkeit einsctzcn, die gelegentlich auch eine Zielschiebe für faule Acpfel werten kann." „Nein, bester Herr Gras", versetzte der Bankdirector, „Sie denken zu gering von der Kunst, die ich hochschätze und deren Vertretern ich meine Salons öffne." „Das ist Gcschmacksache! Ich würde fürchten, die mcinigcn durch die Anwesenheit dieser gefeierten Herren und Damen in einen Affenpavillon ru verwandeln, wie er im zarckin ckv8 pinnten und im Regent s Park zu sehen ist." „Sie stehen sehr allein mit dieser Anschauung! Scho» im AlteNhum hat man die Bühnenkünstler gefeiert; RosciuS ist so berühmt wie Cicero und in neuer Zeit — denken Sie an Napoleon und Talma!" „Der Advocatensohn von Eorsica und der Mime Talma waren schon besreundet, als der erste ein hungriger pensio- nirter Ossicier war. Und als er dann Kaiser wurde, ließ er den Jugendfreund zu sich kommen nnd sich von ibm die Toga in Falten legen nnd DrctamationSuutcrricht ertheilen. Tie Rolle eine- Kammerdieners und LectorS — davon läßt sich doch nicht viel Wesens machen. Und dann wer war denn Napoleon selbst? Ein großer Komödiant nnd nicht einmal aus den böhoren Stände». Man kan» Kaiser werden nnd doch kein vornehmer Herr sein. Ter alle "Adel Frankreichs hat die Napoleon« niemals als ebenbürtig anerkannt." „Wenn Sic weder von Napoleon, »och von Talma etwas wissen wollen, so müsse» Sic doch die Stimme der öffent lichen Meinung höre». Und diese, sowie alle Kuiistgelebrten von Rus und Bedeutung sind darin einig, der Schauspiel kunst eine hohe Stellung cinzuräumc». Och kümmere mich nicht um die Philosophie-, aber Professor Schmacke, der eben falls in meine» SalonS heimisch ist, erzählte mir ncntich, daß einer der berühmtesten neueren Philosophen, der »och dazu von Adel ist, Eduard von Harlmaiin beißt er, wie ick glaube — diese Kunst noch höher stellt als alle Vorgänger." „Einem deutschen Philosophen ist alles möglich; doch soll er von anderen Sterbliche» nicht verlangen, daß sie die Welt aus seinem Wölkenkuckucksheim betrachten." „Und deutsche Fürsten zeichnen die Schauspieler, ja selbst die Schauspielerinnen mit Orden aus. Ick bekenne, daß diese Thatsache vor allem meine Bedenken überwunden und mich bestimmt hat, sie in meine Salons cinzuladcii." „Ich würde", versetzte der Gras, „dic,cn acünstlcrn höchsten« bei ihrem fünfnndjwanzigjäbrigcn Jubiläum eine Dienst- schnalle geben, wie pc mein Kutscher, der Landwcbrmann, bat. Fahrendes Volk — weiter Nichts! Doch lassen wir das! Wie heißt denn die Operettensängerin, die von der Bollsjnstiz be troffen wurde!" „Teresa Stern", sagte der Bankdirector. „Teresa Stern?" Der Gras wurde nachdenklich; eS war daS Mädchen, das er im Wagen vor dem WirthSbause auf der Landstraße gesehen. Ihr Gefickt hatte ihn peinlich be rührt wegen einer Aehnlichkeit, die ihm unwillkommene Er innerungen erweckte. ,Hm ... und was hatte sie verbrochen? Ist eS eine so traurige Schauspielerin, daß man sic Hals über Kopf von der Bühne forljaacn will?" „O nein — sie hat ein hübsches Talent, ist eine aa- genckme svmpathischc Person. Wer weiß, was da hinter den Eouliffen spielt." (Fortsetzung jolgt.)
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