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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921121020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892112102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892112102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-21
- Monat1892-11
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Aus der iu unserer Srnntagsttummer milgelheilte» Mel dung deS „9teichsan;eigers" über die dem Bundcsrathe zugegangeuen Steuergcsetzentwürfe, mit deren Hilfe der durch die in Aussicht genommene HeereSvcrslärkung verursachte Mehrbedarf an fortdauernden Ausgaben gedeckt werden soll, crgicbt sich, daß der Tabak durch sein kräftiges HilfSgeschrci vor neuer Blutung sich bewahrt und der in Ansehung der Mehrzahl seiner Erzeuger (wenn auch in keinem anderen Betracht) vornehmere Branntwein durch seine Bcrbindnngen ohne plebejischen Lärm wenigstens so viel erreicht hat, daß ihm nur ein kleiner Aderlaß rugcinnlbet wird. Nach dem Gesetze von 1887 beträgt die Bcrbranchsabgabc von einer IahreSmenge, welche l'z Liter Alkohol ans den Steps der Rcichsbcvölkeriiiig glcichkomnit, 50 jnr den Hektoliter Alkohol, während die darüber hinaus hergeslcllle Menge 70 .L für den Hektoliter Alkohol zu entrichlc» hat. Tas bevorzugte Quantum beträgt gegenwärtig nahezu zwei Millionen Hektoliter, die bei ihm ersparte Bcrbranchsabgabc 10 Millionen Mark. Nach der Rechnung der Raticalcn, die aber den Rückgang des Verbrauchs außer Acht läßl, bildet diese ganze Lumme eine „Liebesgabe" für die Brenner. Ein Borlheil für die Brenner liegt jedenfalls darin, daß sie dem Eonsninenten auch für diejenigen Mengen, die sie ihrerseits mir 5» versteuert haben, die Ver- brauchsabgabe von 70 V/ abnehmcn können. Tie Negierung selbst, indem sic die beiden Sätze einander zu näher» vvr- schlägt, erkennt an, daß der Unterschied von 20 keinem volkswirlhi'chaftlichcn Bckürfniß entspricht. Tie Erhöhung des niedrigere» Latzes beträgt 25 Prcccnt deS bisherigen UnlerschiedcS, d. l>. lo Millionen Mark von der „Liebes gabe". Bei den großen Plänen der Heeresverwaltung würde demnach der Branntwein nur einen kleinen Theil, etwa ein Sechstel, des Mehrbedarfs zu erbringen haben. Tie Ehre, für den verhälliiißmäßig größten Theil der Mehrkosten aufzn- tommc», ist von der Negierung dem norddentschenBicroder richtiger dem Bier der Norddeutschen zugedacht. Die Branstencr beträgt gegenwärtig 2 .E vom Eentner Malz. Ter Ertrag ist ciuschliesttich der UebergangSabgabe von süddeutschem nnd des Zolles aus ausländisches Bier für das laufende Etalsjahr auf rund 21 Millionen Mark angenommen. Tie Bcrdoppclung der Steuer würde also ein Mehr von gleicher Höhe ergeben, wenn nicht die Stcuercrköhung die Wirkung übt, daß in den meisten Brauereien „billiger cingesotten", d. h. weniger Malz zur Bicrbercilnng verwendet wird. Der dadurch entstehende 'Abgang von dem erwarteten Mehrertrag würde aber jedenfalls reichlich ausgewogen werden durch die Einbeziehung des NcichSlandeö »i die Brausteuergemeinschaft und die Herab setzung der den einzelnen Staaten für die Erhebung der Steuer zustcbeudcn Bcrgütnng. Bon den 58 Millionen, welche die Negierung wünscht, bleiben aber noch immer 2' Millionen »»gedeckt, nnd Liese a»S der Verdoppelung der Steuer aus Börsengeschäfte (die Lotterieloose sollen dem 'Anscheine nach nicht weiter behelligt Werken) herauszuschlagc», wird in den gegenwärtigen Börsenzeitläuften kaum möglich sein. Für das laufende Jahr ist der Ertrag der gesammtcn sogenannten Börsenslcucrn »iir rund 28,2 Millionen ver anschlagt. Darunter befinden sich aber rund 7,3 Millionen Erträgnisse der Lotlericstciupelabgabe. Tie Verdoppelung würde also, so lange der Börsenverkehr sich nicht hebt, 21 Millionen ergeben. Es blieben mithin über 3 von den 58 Millionen Mehrbedarf ungedeckt. Indessen, dies ist ein nebensächlicher Einwand. Biel bedenklicher ist die im Ver- hältniß zn der schüchternen Heranziehung der Branntwein brenner hohe und empfindliche Mehrbelastung des Bieres. Tic Erhöhung der Biersieuer kann den Eonsumcntcn treffen n»V wird ihn vielfach treffen: bei der Berinindcrung und selbst der Aushebung der Differenz zwischen contiuaen- liricni und nncontingcntirtem Spiritus bliebe der Ver braucher gänzlich unberührt. Schon aus diesem Gründe ist der Branntwein der für eine Vermehrung der RcichS- cinknnste geeignetste Gegenstand. Er braucht gar nicht mehr zu „bluten", die Begünstigung der großen Brenner braucht nur in stärkerem Maße verkürzt zu werden. Selbstverständlich sind wir weit davon entfernt, mit diesem Eingehen aus die Finanzpläne der Regierung die Berechtigung einer all jährlichen Mehrausgabe von 58 und mehr Millionen für Militairzwecke anerkennen zn wollen. Die Beleuch tung der Fiuanzvorschläge bleibt aber von Werth, wenn die Mililairoorlage sehr erheblich umgestaltct wird und selbst, wenn sie ganz fällt. Denn die Bedürfnisse des Reiches werden sich auch ohne Acndernng der Heeresorgani sation steigern, und zu ihrer Deckung ist der priviligirte Groß- brcnner jedenfalls eher berufen, als der Eonsnment eines Getränkes, ans dessen Genuß man angesichts der verheerenden Branntwcinpest vielmehr eine Prämie setzen sollte. Der parlamentarische Zusammenstoß im österreichischen Abgeordnetenhaus«: hat auch eine praktische Folge »ach sich gezogen: Tie Ezcchcn beiderlei Bekenntnisses haben dem böhmischen Staatsrechte den Schwur der Treue feier lich erneuert. Sowohl die Inngczcchen, als auch der feudale böhmische Großgrundbesitz gaben Erklärungen ab, in denen sie gelobten, für dieses Staatörcckst einzustebcn. Diese czcchiscke Methode, zuerst zn erklären, daß nicht die geltende, sondern eigentlich eine ganz andere Verfassung zu Neckst bestehe, und dann wohlgeuiuth in sämmtlichen auf Grund dieses Unrechts tagenden VerlretungSkörpcrn, Land tag, ReichSratb und Delegationen, niilzurathcn und mitzu- lkatcn, ist gewiß recht sonderbar. Aber dieser eigenthümlichen Auffassung stetst die entgegengesetzte Ueberzcugnng nicht bloS der Deutschen, sondern auch anderer Völker gegenüber, daß die staatliche Selbstständigkeit Böhmens gleich bedeutend mit der Zertrümmerung Oesterreichs unk daß es in ihrem höchste» Interesse gelegen sei, diese nicht zuzulasse». Das ist ein Kampf zwischen zwei politischen Anschauungen, zwischen Ceiitralismns und FörbcraliSiiins, aber nicht rer Kampf zweier Rechte gegen einander. ES gicbt in Oesterreich nur Ein StaatSrecht, das besteht, über das cs zweierlei Meinungen nicht geben kan», nnd das ist die vom Kaiser sanclwnirte Verfassung. Das sollte dock ein- für allemal sestgestellt sein. Diese Verfassung ist nickt unab änderlich, das gebe» wir zu. Aber so lange sie besteht, kann cs neben ihr kein selbstständiges böhmisches StaatSrecht geben, nnd wer cS versuchen will, sie in diesem Sinne umzugcskallcn, der muß gewärtig sei», Vcrthcidiger der Perfassung auf seinem Wege vorzusindcii. Mit lebhaftem Interesse war in Italien dem gestrigen Erscheinen Erispi's vor seinen Wählern i» Palermo entgegen gesehen worden. Die Bevölkerung bereitete ihm eine» herzlichen Empfang. Am Abend fand ihm z» Ehren ein großes Festessen statt, zn dem sich 500 Tbeilnehnicr, darunter 27 Abgeordnete, angcmeldct hatte». Erispi hielt eine große politische klicke, wobei er ausführlich seine Dichtig keit als Ministerpräsident besprach. Im Weiteren griff er nach einem allerdings nur in dürftigem Auszug vor liegenden telegraphische» Bericht die Rechte hcftcg an nnd betonte die Nothwcndigkcit einer Reconstruction der Parteien. Zwischen den Anhängern der Linken und deren Gegner», den Mitgliedern der Rechte», bestehe eine weit gehende Spaltung. Die Monarchie unterscheide sich von der Republik nur dadurch, daß erster«: ein ständiges, die letztere ein aus einer Wabl hcrvorgchendcS Oberhaupt besitze. An dieser Idee halte er mehr denn je fest, weil sich an der Grenze Italiens die französische Republik gebildet habe. Erispi schloß daran warme Lobsprüchc ans die französische Republik, indem er hiiizufngte, daß diese Lobsprüche aus seinem Munde nicht als Schmeicheleien erscheinen würden. Redner erörterte sodann die Reformen, deren Durchführung er wünsche, und erklärte, aus einer Reform des staatlichen Kirchen rechtes bestehen zn müssen. Bei Besprechung der auswärtigen Politik bemerkle Erispi, Italien habe sich im Iabrc l882 de» beiden Kaiserreichen behufs gemeinsamer Vcrtheidigung angeschlosscn. Es sei das Princip eines Bündnisses der contincntalcn Staaten, nach welchen Italien strebe, die Bereinigung der Waffen sollte jedoch von jener der wirthschaftlichcn Interessen be gleitet sein. Den letzteren sei durch die abgeschlossenen Handelsverträge nur schlecht entsprochen worden. Er spreche gegen das Ministerium, daS die Verträge mit Oesterreich- Ungarn und Deutschland erneuert habe, keinen Tadel aus, er mißbillige nur die überstürzte Art und Weise, er würde in die Erneuerung der Verträge nur ans anderen Grundlagen nnd unter anderen Bedingungen ge willigt haben. Italien sei diejenige der drei verbündeten Mäcklc, die am Meisten von der Tripelallianz leide. Erispi besprach sodann den erbitterten wirthschaftlichcn Krieg, den Frankreich gegen Italien seit elf Jahren aus politischen Gründen führe und in der Ueberzeugung fortsctze, Italien ermüden nnd dann über dasselbe trinmphiren zu können. Tas Ministerium hätte bei der Erneuerung deS Dreibundes von dem Gedanke» dnrckdrungeii sein sollen, daß es unmöglich sei, die wirthschafllichcn Fragen von der Politik zn trenne». EriSpi schloß mit der Versicherung, daß ihn Ent täuschungen nicht entmnthige», daß er vielmehr die Zukunft deS Vaterlandes noch in rosigen Farben sehe Er appellire vertrauensvoll an die jüngere Generation, damit dieselbe sich einen Führer wähle, der sie zur Errungenschaft eines freien, große» und geachteten Italiens zn geleiten und die volks- tbümlicke, durch die Einheit deS Landes gewährleistete Monarchie unerschütterlich zu gestalten im Stande sei. — Wir bezweifeln, daß der vorstehende kurze telegraphische Bericht die Aeußcrnngcn CriSpi's allenthalben richtig wieder gicbt, und glauben das namentlich von den Bemerkung», die Erispi über den Dreibund getkan haben joll. Hätten sic in der Thal so gelautet, wie sic vorstehend an gegeben sind, dann müßte sich Erispi aus dem entschiedenen «vrcunb des Dreibundes, der er früher war, fast in einen Gegner desselben verwandelt haben. Was soll die Behauptung bedeuten, daß Italien derjenige der drei Verbündclcn sei, der am Meisten von der Tripelallianz leide? Und dann die ausfallend freundlichen Verbeugungen gegen Frankreich, dem Erispi seither so abhold gesinnt war. Kurz, cS wird nölhig sein, weitere ausführliche Nachrichten über Erispi's Rede ab- znwartcn, che ein bestimmtes Urtheil darüber abgegeben werden kann. Nirgends spielen Wahlen bekanntlich eine so große Rolle, wie in der Schweiz. Fast keine Woche vergeht, ohne daß die eine oder die andere Wabl staltzusiiiten bat. Neuer dings beschäftigt sich daS schweizerische Volk mil einer Re form LcS Wablverfahrciis und zwar soll das sogenannte proportionale W a h l v c r f a h r e n zur Einfübrnng gelangen. In drei Eantvnen, Tessin, Neuenburg nnd Genf, ist bereits der Anfang gemacht, jetzt will St. Gallen Nachfolgen, lieber die erstmalige Anwendung dieses Verfahrens im Eanton Genf wird Folgendes berichtet: „Es gab 18 820 Wähler; 13115 gütige Wahlzettel wurden abgegeben. Ter Große Rath zählt loo Mitglieder; somit berechtigen 13t Stimmen zu einem Sitze. Die liberaleonservatioc Gruppe („Demokraten") erzielte 1500 Stimmen, erhielt also (1500: l31) 33 Vertreter; die Unabhängigen (richtiger die Ultramontanen) 2025 Stimmen, demnach (2025:131) 11, dazu noch l, weil ein starker Bruchtheil vorhanden, somit 15. Der rechte oder con- servativc Flügel zählt somit zusammen 33-j-15 — 48 Vertreter. Bei der Wahl von 1800 hatte er 51 Vertreter (38 Demo kraten nnd 13 Ultramontane), herrschte also im Saale mit einer Stimme Mehrheit. Unter den drei Gruppen des linken Flügels brachte es die radicallibcrale aus 5000 Stimme», somit auf (5000 : 131) 38 Vertreter; die Socialistcn ans 1100 Stimmen, daher auf 8 Vertreter; die Nationalliberalcn auf 865 Stimmen, erhallen demnach 6 Sitze. Die ganze Linke verfügt jetzt über 52 Sitze (180«» über 10), hat somit eine Mehr heit von zwei Plätzen. Die Linie erreichte eine Stärke von 6065, die Rechte von 6535 Stimmen, was dem Verkältniß von 52 :18 ziemlich genau entspricht. Billigkeit und Richtigkeit wird man dem neuen System, wie dasselbe hier angewendct wird, nicht absprecken können. Die Ultramontanen glaubte» aus wenigstens 3000 Stimmen rechnen zn dürfe», somit ans 22 bis 25 Vertreter, allein sie täuschten sich um ein Dritte!. Am wenigsten Stimmen und Vertrerer weisen die National liberalen auf. Trotzdem spielen sie eine sehr wichtige Rolle im Ralhe, denn sic entscheiden bei jedem Entschlüsse; ohne sie ist die Linke ebenso in der Minderheit wie die Rechte." „ES läßt sich nicht leugnen", sagt die „Neue Züricher Zeitung", „daß daö proportionale Wahlverfahren b»S jetzt bedeutend« Erfolge errungen bat. Im Tessin haben in Folge seiner Einführung die Klagen über Vergewaltigung durch ungerechte WablkreiSeincheilung aufgehört. Und damit ist schon ein sehr bedeutender Schritt zur Beruhigung der Gemüther gethan worden. Auch in Genf haben die Beschwerden über Wahl- betrügereien, die sonst nach jeder Wahl nie ausgeblieben sind, sich noch nicht Horen lassen. Auch der Einwand» daß daS neue System schwer zu verstehen und nicht leicht anzuwenden sei, ist hinfällig geworden, seitdem eS sich gezeigt, daß die Wahlergebnisse mindestens ebenso früh als beim ander» System können bekannt gemacht werden." Vor einigen Tagen demonstrirte Professor Pawlow in der Generalversammlung der Gesellschaft zum Schutz der Volksgesundheit im Saale des „Rothen Kreuzes" zu Lt. Petersburg die Bedeutung de« kleinkalibrigen Gewehres in in ilitair-sanitcirer Hinsicht. Nach dem Referat des „Grashdanin" führte der Vortragende aus, daß jedes Gewckrsystem in der Armee eine eigenartige zer störende Wirkung im menschlichen Organismus bervorbringe. Die Bcrdankugel z. B., indem sic in den Körper dringt und einem Knochen begegnet, plattet sich ab und überträgt dadurch ihre Krast den Knochensplittern, die in ihrer Vorwärtsbewegung eine fürchterliche Zerstörung in den sie umgebenden Weich- llieilen verursachen. Jetzt kommeii die Berdanaewehre aus dem Gebrauch und werden durch die kleinkalibrigen Gewehren ersetzt, deren Kugeln mit einem Mäntelchen bezogen sind. Der Durch messer der neue» Kugel variirt in den verschiedenen Staaten zwischen 7 nnd 8 nun. Die neuen Gewehre schießen mit rauchlosem Pulver und senden die Kugel mit immenser Ge schwindigkeit aus ganz riesige Entfernungen hin, hinter welchen die Berdankugcl weit zurückbleibt. Dort, wo die Berdankugcl ihre Kraft bereits vollständig verloren hat, vermag die neue Kugel noch einige Bieter zu durchschlage». Professor Pawlow führte eine ganze Reihe paralleler Versuche mit dem Berdangewehr und dem kleinkalibrigen Gewehr auS, indem er Holz, Eisen, Wasser in Gefäße» »nd Knochen durchschoß, und gelangte dann zum Schluß, daß die künftigen Kriege fürchterlich sein werden, daß aber die Kugel deS neuen Gewehrs, vom sanitären GcsichtSpuncte aus betrachtet, als ein humanes Geschoß gelten könne. In den Körper eindringend, zer reißt es die Weickibeile nickt, wie es bei der Berdankugel in so erschreckender Weise der Fall ist, sondern läßt, durchschlagend, nur einen engen Eanal zurück. Gegen einen Knochen schlagend, verursacht die kleinkalibrige Kugel nicht diese Menge Splitter, sondern fliegt durch oder »mgiebt die Wunde nicht mit Riffen. Alles das berechtigt die Milikair-Aerzte zu der Hoffnung, daß mit de», Gebrauch des kleinkalibrigen Gewehrs die Zahl der Verwundung«:» wachsen, indessen die Zahl der Leiden und der Opfer deS Todes sich vermindern werde. Deutsches Reich. * Berlin, 20. November. Vor kurzem brachten daS „Berl. Tagcbl." „ach einer englischen Quelle und die „Frkf. Zta." unter Berufung ans eigene Nachrichten Mittheilungen über angebliche Aenßernngcn des Fürsten Bismarck zur baltischen Frage. Auf diese Mittheilungen, deren Tendenz natürlich gegen den Fürsten gerichtet war, antworten die „Hambg. Nachr." wie folgt: „Die „Franks. Ztg." verbreitet dieselbe» Angaben, wie der Londoner „Speaker" über angebliche Aeusterungen des Fürsten Bismarck, betressend die Balten in Rußland. Danach hätte der frühere Reichskanzler Ansangs der siebziger Jahre in Gegenwart des Kaisers Alexander II., des jetzt regierenden Zaren, deS Fürsten Feuillets,,. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 12j Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Tn bist Deiner heiligen Wissenschaft untren geworden und verstrickst Dick in Liebesbändcl. Doch Du bist ja ein so ungewöhnlicher Mensch — welches sterbliche Wesen hat an Dir Geschmack gefunden?" „Nun", versetzte Basiliv mit Stolz, „Fräulein Snsettc!" „Du sprichst sie öfter?" „Wenn es meine Zeit erlaubt . . wir stellen ja jetzt bis weilen den Dampf ein. Snsettc weiß, was sic an mir bat. . und wenn der Stein der Weisen entdeckt ist . ." „DaS Kat gute Wege, Basilio'." Nur einen Augenblick malte sich Enricos Phantasie dies merkwürdige Liebespaar aus. Siisctte schwebte ihm immer mit dem schwarzen Heirelbeer-Müiidchen vor nnd dazu dieser zwcrghastc Famulus auS der Zauberküchc; doch alsbald »ahmen seine Gedanken eine andere Richtung; er koniile ja von diesem Freischärler, der ans seinen Strcifzügcn HclinerSheim berührte, Kunde erhalten von Marie und ihrem Befinden. „Und wie geht cs dem Fräulein auf dem Schlosse?" „Dan'c", sagte Basilio, der sich als Snscltens Liebhaber zu den dieiistbaren Geister» der Baroncß rechnete, „wir sind nickt ohne Besorgnis, um sie, sic ist öfter leidend, bisweilen bettlägerig." „Und der Graf?" „Immer gut bei Kräften; doch jetzt hält er sich häufig in der Stadt ans." Mit tiefem Weh dachte Enrico der Geliebten, die sich in Gram verzehrte ... so grausam »m ihr LcbcnSglück bclrogcn, wie er selbst. Und Alles unabänderlich . .. „Es wird Wohl bald die Hochzeit sein", versetzte Basilio ; „in letzter Zeit hat der Graf mehrfach davon gesprochen. Es werden Federn geschüttet, Ueberzüge gesäumt ... die arme Snsettc m»ß oft bis spät in die Nackt sich mit dem Weißzeug die Aiigcn verderbe n. Und daS Unerhörte ist ge schehen, die Frau Baronin ist nach der Stadt gefahren. Einen solchen Entschluß hat si seit langer Zeit nicht gefaßt; sie hat Einkäufe gemacht in den großen Läden und ganz wie der Herr Baron ... immer großartig. Ich bin ihr selbst dort begegnet." „Was hast Du den» in der Stadt gemacht?" fragte Enrico, den dickköpfigen Gesellen am Ohrläppchen zupfend — Basilio grinste aus Verlegenheit »nd nahm den Hut ab, indem er sich mit dem Schnupftnche den Schweiß ablrocknctc. Bei dieser Gelegenheit bemerkte Enrico ans der Stirn einige Beulen und Schramme» und auch unler dem Auge einige mit Blut nntcrlanfcnc Streifen. „WaS ist denn das? Du hast Dich dock' nicht mit Deiner Snscuc geprügelt?" „Um HiniinclSwillcii, was denke» Sie, Herr Nispori .. ." Basilio wurde immer verlegener. „Tas deutet ans schlimme Händel .. . was ist denn vor- gefallcn? Mein Baker wird Dich ans seinem Dienst ent lassen. wenn Tn -solche Streiche machst . . ." „Im Gcgcntheil... ich verliere meinen Dienst, wenn ick, erzähle . . ." „Und Du wirst erzählen", sagte Enrico jetzt mit ernstem Nachdruck, indem er stehen blieb »nd seine Hand schwer auf die Schultern des Männleins fallen ließ, „cs geben hier Dinge vor, von denen ich Kiindc habe» mnsi! Diese Sendungen in die Stadt habe» etwas zu bedeuten — nnd das soll mir verschwiegen werden." Er schüttelte den Fcncrmolch gewaltsam, bis dieser, kirsch- rolb im Gesicht vor Angst und Aergrr, bat. ibn mir zur Be sinnung teminc» zn lassen ; er wolle ja Alles beichten, wenn der gnädige Herr nur nichts seinem Vater vcrrathe. „Der Veil Aron hat eine knöcherne Faust; ikm verdank' ick diese Auszeichnungen, die ich für meinen Herrn RiSpori 8«?lli,»- geleistete» treuen Dienste erhalten." „WaS suchst Tu bei dem Wucherer Veit Aron?" „Es gebt niiö schleckt mit dem Hermes TrismcgistoS. Tic chemische Fabrik in SciscrShcim will nichts mehr schicke», bis die alle Schuld gänzlich getilgt ist ... da galt cs Geld a»f;»nch»icn — und dazu wurde ich schon mehrmals in die Stadt geschickt. Ich lief dort von Dhllrc zn Thürc — wahr haftig, ich hält' eö lieber nicht aetba», dock, es gilt ja die große Entdeckung, wodurch wir berühmt werden . . . der Herr Rispori, aber auch ich, Basilio Simili . . wer daran An tbcil hat. der Meister und der Jünger . . man wird »ns nie vergessen, man wird Lieder auf nnS singe»." „Am liebsten würfe ich Dich in den feurigen Ofen", sagte Rispori, „da könntest Du selbst Dein Lied singen. Nnn . .. »nd die Prügel, die Tn erhallen, Du Mißgeburt . . ." „Es ist keine Kunst, einen wehrlose» Menschen zn be leidigen. Mißgeburt? Frage» Sie Snsettc." Und der Kleine richtete sich stolz empor. „Ich habe schon manchen Wechsel nulergebrackt. Freilich hohe Proccnle und kurze Fristen. Doch daö schadet nichts, Herr Rispori . . . lauge dancrtS nicht mehr, dann sind wir Millionairc!" Mcbr mit Wchmuth als mit Widerwille» blickte Enrico ans diesen sich aufblascnden Jünger der Alchymie: er sah in ihm nur das Zerrbild seines armen VatcrS, und die Blase», die das Gehirn dieses wasscrköpsigcn Burschen trieb, erinnerte» ihn an die traurige Verwüstung, welche der gleiche Größen wahn in seines Vaters Gedanken angcrichlct. „Nun, ich habe schon neulich höbe Proccnle bewilligen müssen . . . heute aber verlangte der Veit Aron, nachdem ick durch die ganze Iudengassc Spicßruthcn gelaufen, eine» WuckerzinS ... ich schäme i»ick, cs z» sage». Da riß mir die Geduld . . . um so mehr, als der Jude verächtlich sprach von nnscrcr Arbeit nnd auch über mich einige Bcmc>kn»gen machte, die mir sehr mißfiele». Ich bin ein guter Katholik, Herr, und weiß, daß e>» Inte eigentlich mis de» Sckeilcr Hanfe» gehört, und daß cS eine offenbare Nachlässigkeit ist, sie so frei herumlanfcn zu lassen. Einen Maulkorb wenigstens müßte man ihnen anlcgen; denn sie bellen und beißen, wo sie nur könne». Doch es wird schon anders werden, man hat jetzt ei» Einsehen. Und »nn hat dieser Veit Aron ein Ge sicht zum Erbarmen, eine große Hakennase, ein paar spitz findige graue Angen und um de» Mund etwas so Nieder trächtiges, daß man sich fürchtet vor dem Gift und Geifer, die er bei jedem Wort licrvorsprudclii muß. Kurz, mir war das Alles so klar, daß ich es dem Veit Aron aus- cinandcr setzen mußte. Da siel er über mich her nnd eine Art von Simson kam ihm zu Hilfe, der hinten am wurm- zcrfrcssencn Pulte saß nnd sich ans einmal groß anfrichtete; ich wußte gar nicht, daß cS noch heutigen TagcS im Volke deS Herrn solche Sinison'ö giel't. So sehr ich mich zur Wehr setzte, so gelang cS doch ihren vereinten Bestrebungen, mich so zuzurichlc», wie Sic mich hier sehe», und mich auf die Straße zu werfe». DaS Schlimmste aber ist, daß ich kein Geld mit »ach Hause bringe . . . und ick» fürchte ... die Fortsetzung folgt." Er machte dabei eine bezeichnende Geberde. Die Enthüllungen des kleinen GnoinS versetzten Enrico i» eine verzweifelte Stimmung: soweit war eS mit seinem Pater gekommen; zornig wandte er sich dem kleinen Be gleiter zu: „Du »iiterslehst Dick, nickt mehr, solche Gänge in die Stadt zn macke», oder sie müssen wcnigstcnü erfolglos bleiben wie beute, »nd zwar obnc daß D» von den Wucherjuden Schläge erhältst. Du erklärst meinem Vater, sie batten sich geweigert, seine Wechsel aiiznnchmc» " „Ich muß aber in die «stakt geben dürfen, sonst komme ich ja auch nickt nach HclmcrSheim." „Geh' wohin Dn willst, zn Deiner Suselte oder zum Teufel; »nr keine Geldgeschäfte mehr, bei mcinenl Zorn." Und Enrico schwang sich anss Pferd »nd überließ dem Kleinen den schwcrmütbigcn Gcrankcii, die ibn um so mehr bedrückten, je näbcr er der hohen Eise tam, die nicht minder schwermüthig i» die Lüste ragte obnc Rauch nnd Dampf, in trauriger Zwecklosigkeit, da das Feuer unten erloschen war. (Fortsetzung solgt -
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