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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921122022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892112202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892112202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-22
- Monat1892-11
- Jahr1892
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«bom»emeirtSpreiS k der Hauptexpedlttoa oder den km Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlichst 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus .sd 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Nreuzbandjendung ins Ausland: inonatlich .^t S-- Tie Morgen-Ausgabe erscheint täglich '/,7Nhr, die Abend-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Redartion und Expedition: JohaniicSaajjc 8. Die Expedition ist Wochentags nnnnterbrochea geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ltt« klemm » Sortii». (Alfred Hahn). Universitätsstrave 1, LoniS Lösche, Natharinenstr. 14, pari, und Sönigsplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. JufertiouSpreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Reclamea unter demRedactionSstrich (»ge spalten) 50, vor den Familienaachrichte» (6 gespalten) 40^. Größer» Schriften laut unserem Preis» verzeichn^. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. «-rtra-Beilage« (gefalzt), uar mit de. Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürdernu, ^t 60.—» Mlt Postbesörderung ^t 70.-». Ännalsmeschluß für Inserate; Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh '/»9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei», halb« Stunde früher. Inserat» sind stets an die Extzedttta» zu richten. Druck and Verlag von E. Polz tu Leipzig. 587. Dienstag den 22. November 1892. 86. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Litberlwolkwitz. Nachdem die unterin 8. nnd lO. dieses Monats diesseit-Z aus geschriebenen Arbeiten, betreffend Herstcllunn vo» Wölb- »uv Thouroh»schleuste» iu hiesiger Vlemriude, von uns vergeben worden sind, werden die nnbcrucksichtigt gebliebenen Bewerber ihrer Angebote hiermit enthoben. Liebertmolkwitz, am 21. November 1892. Ter (Hcmci»Vc»lUh. Tyck. politische Logesschau. ^ Leipzig, 22. November. Ob der Bunde» rath die Militairvorlage ganz unver ändcrl angenommen bat, ist nicht bekannt geworden; har c» der „Reicks-Anzeiger" doch nicht einmal für nötbig gehalten, milzntbeilcn, das; die Borlage überhaupt die Z»- stimmung der "Ausschüsse und des Plenum» gefunden bat. Tic Thronrede, mit der beule der Reichstag eröffnet wird, bringt hoffentlich Klarheit in diese Frage. Borläufig kann man auö kein, wa§ über die zur Teckung der durch die Mitilair- vorlage entstellenden Ausgaben geplanten neuen Rcicks- steuern bekannt geworden ist, schließen, daß der BundeSralb wesentliche Abstriche an der Borlage nicht vorgciiommcn Hai. Freilich reicht da», was als Ertrag der geplanten neue» RcichSsteuern berausgercchnct wird, nur völlig zu, um die jenigen laufenden Ausgaben zu decke», die im ersten Iabrc zur Durchführung der beabsichtigten Heercsorganisation nötbig sind. Auf die Tauer waren die Mebrkosteii dieser Organisation bekanntlich auf «i i Millionen Mari veranschlagt. Entweder ist also der Buntesralh geneigt, sich kleine "Abstriche an der Miliiair- vorlagc gefallen zn lassen, die eine Ersparnis; von 6—8 Millionen bedeuten, oder er behält sick vor, »och mit einer „Ergänznngo steuer" hervorzutrctcn. Es ist dabcr begreiflich, daß die Tabakintcrcssentcn trotz der Meldung, daß der Tabak frei gelassen werten solle, sich noch nicht bcrubigcn und die Besorgnis; äußern, der binkendc Bote werde noch Nachkommen nnd man habe sie jetzt nur in der Absicht geschont, nicht allzu weite Intcresscntrcise von vvrnberein gegen die Militair- vorlage eiiizuiicbmcn. Man erstellt bieraus, wie wichtig cS ist, daß die Tbronrede keinen Zweifel über die Frage läßt, ob die verbündeten Regierungen mit den dem BundeSrathe vorliegenden Stcucrvorlagcn auskommcn zu können glauben. Wesentlich wird allerdings auch in diesem Falle die "Aussicht der Militairvorlage nicht ge bessert, denn diese erfordert neben den dauernden Ausgaben auch noch einmalige von weitaus beträchtlicherer Höhe. An solchen sind zunächst für das erste Halbjabr 1803 91 rund «>l Millionen Mark eingesetzt. Weitere 5 800 000 -/,( sind für die nächsten Jahre Vorbehalten. Dazu würden dann noch die Kosten für die erforderlich werdenden neuen Easerncn und sonstigen Garnisonanstalten kommen, deren Betrag sich auf etwa 200 Millionen Mark belaufen würde. Diese ein maligen Ausgaben müßten selbstverständlich aus dem "Anlcihc- wege gedeckt werten. Man siebt, mil dem Stcucrplau dcü „ReichS-AnzeigerS" würde die Geldbeschaffung für die neue Militairvorlage noch lange nicht abgetban sein. Daraus erklärt sich der selbst in gut nationalen Kreisen, namentlich Süddeulschlands, ständig wachsende Widerstand gegen die Borlage, deren unveränderte Annahme durch den Reichslag in unterrichteten Kreisen bereits heute als nahezu ausge schlossen gilt. Aus P e st wird gemeldet, daß im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Unterhauses der Ministerpräsident Wekerle aus die Darlegungen der Opposilionörctner ant wortete und nochmals das Streben der Regierung nach der Erhaltung des confcssionellcn Friedens betonte. Bei der Reform des Ebcrcchls babe nicht der Liberalismus da» Motiv der Regierung gebildet, sondern die Nothwendig- keit und da» sittliche Interesse. Die Reform solle nicht das Verdienst einer Partei werde», sondern durch die Kraft der Einmüthigkcit ihre Lösung erfahren. Die Regierung werde nur auf ihrem Platze verbleiben, wenn ne die Inticattir in Ebcsachcn und die obligatorische Eivilebe gesetzgeberisch nach ibren Prineipicn dnrchznsühren ver mag. «Große Bewegung.) Der Ministerpräsident wies die Insinuation zurück, als wisse die Regierung bereit», daß sic mil der Eivilebe weder der Krone < gegenüber noch im Oberbause durcbdringcn könne. Hr. Wekerle schloß mit der Erklärung, die Kirchenpolitik dcS Cabincts werte die dauernde Sicherung de» censessioncllen Friedens sicher». Im Oberbause gab der Ministerpräsident Dr. Wekerle analoge Erklärungen ab wie im Abgcortnetenbausc. Graf Ferdinand Zichy erklärte sich gegen die EivilstantSrcgister »ud gegen die Eivilebe: etwaige Neuwaklcn würden zeigen, daß auch die Nation gegen Beides sei. In äbnlichcm Sinne sprachen sich auch Gras Geza Zichy unk NicolanS Esterhazy aus. Ter Ministerpräsident wies den erbotenen Borwurs einer falschen Informirnug deS Monarchen zurück und bat da» Oberhaus, mil seinem Urlhcii zurückzubalten, bis die Gesetzentwürfe vorlicgen. — Fast die gesammte Presse in Pest benrtheilk Wekerle» Antrittsrede vom günstige» Standpunct au». Selbst die Oppositionsblätter constatircn, daß die Rede einfach, obnc Prunk nnd ohne Zwei deutigkeit sei. Sie wollen aber daö neue Ministerium erst arbeiten sehen. Daß eS nicht ohne Sturm abgebcn wird, daö zeigen schon die oben inilgclbciiten Acnßcrungcn im ungarischen Oberbause. In der That blasen die Klerikalen in Ungarn Alarm. Der „Magyar Allam" bringt folgende Meldung: „In den nächste» Tagen, nachdem sich die Regierung über die obligatorische Zivilehe und die steie Religionsübung in ossicieller Weite geäußert Paten wird, findet wahrichcinlich eine BitchosS- l!o»serc,iz statt. Wie wir insoriiiirl sind, hält ein angesehener Theil dcS (Lpiilvvats es für geboten, da» nicht nur ein gemeinsamer Hirienbries erlassen, sondern daß auch eine Provinzial-Syrode ab- gehalten werde, aus welcher die katboiische Kirche ihren Standpunct vräeisirc» würde. Gleichzeitig müsse eine Ackion eiiigcleitct werde», damit die katholischen Fonds den ttatbolike» ansgciolgt werden." Es wird sich nun zeigen müsse», welche Kraft und Wider standsfähigkeit da» Ministerium Wekerle dem klerikalen Ansturm gegenüber zu entfalte» im Stande ist. Sehr wesenl iich wird c» darauf ankommcii, worüber etwas Genaues nnd Bestimmtes noch nicht bekannt ist: welcher Grad von Ein verständnis; zwischen dem Träger der Krone und dem Eabinel Wekerle besteht. Eine so klägliche Rolle, wie gegenwärtig das Eabinct Loubct, hat wobt niemals zuvor ein französisches Ministe rinin gespielt. Am Freitag setzte nach dreitägigem heiße» Rcdekampf Herr Loubct cs durch, daß die Kammer mit einer nach dem BorauSgcgangencn überraschend großen Slimmenmehrheit die Einzclberalhnng seines Preß- gcsctzcntwnrses und damit eine Bertrauensknndgebung für ihn beschloß, und am andern Tag strich sic aus dem Entwürfe die wichtigste Bestimmung, nämlich die vorläufige Berkaslung und Beschlagnahme, um derent willen allein die Vorlage überhaupt eingebracht und von Loubet selbst als unbedingt nöthige Waffe gegen den Anarchismus bingcstellt worden war. Das französische Preßgcsetz ist also in der Hauptsache geblieben, wie cs war, die Kammer bat mit der eine» Hand wieder genommen, wa» sie Tags vorher mit der andere» gegeben hatte, das Eabinct ist „gefoppt", als ob man den l. April schriebe, und Radicale, Reactionairc und Anarchisten lacken ibm inS Gefickt. Was nun? Wird Herr Loubet den ibm angctbancn Tort mit scineni Rück tritt beantworten oder gelassen kinncbmen? Die bis zur Stunde vorliegenden Berichte ans Paris lassen die» im lln- gcwissen; vielleickt ist der französische Ministerpräsident selbst noch so verblüfft, daß er bislang zu keinem festen Ent schlüsse gelangt ist. Ist cö doch leicht möglich, daß schon in diesem Augenblick in Paris kein Mensch mcbr an den possen- basten Zwischenfall mit dem Preßgesctz denkt, nachdem eine andere Angelegenheit, ein Skandal in dcö Worte» saftigster Bedeutung, die allgemeine Aufmerksamkeit mit zwingender Gewalt ans sich gelenkt hat. Als vor drei Tagen die „Eoeardc" mit der Enthüllung bcrvortrat, Herr Floquet habe im December 1888 der Panamagescll- schast 300 000 Francs zur Bekämpfung Bonlanger'S zwangsweise abgcnomnien, konnte mau dies noch für eine haltlose, der Rachsucht entsprungene Berlcumdnng ballen; in der Sonnabciidsitzung der Kammer hat Floquet eine anSdrückiche Erklärung dieses Inhalts abgegeben und Glauben wie Beifall im ganzen Hanse gesunden Auch der unvcrzüglicke Widerspruch Frcycinct'S gegen die Behauptung der „Libre Parole", er habe 200 Otto Francs von der Panama- gesellschasl „genemincn", wurde allseitig gläubig ansgenommen. Allein nun kam ein unerwartetes, schrcckcnövolleö Ereigniß: Baron Jacob Reinacb, einer der hervorragendste» Panama inänncr, den die „Eoeardc" vorgestern arger Betrügereien beschuldigte und von dem man allgemein wußte, daß er die BcsteckuiigSgcldcr der Gesellschaft an Zeitungen, Politiker und Filianzleute geleitet hatte, wurde bald daraus todt in einem Hotel ausgcsundcn. An eine» natür lichen Tod glaubt Ricmand; die Nächstliegende "Annahme, daß ein Selbstmord vorlicgt, stößt bereits ans Wider spruch, es wird die Bermutbung ausgesprochen, Reinach sei gewaltsam aus dem Wege geräumt worden. Er war gleich den beiten LcsscpS, Baron Eoll», Fontane und Eissel für den 2 t. November vor den AppcllationsgcrichtSbos geladen. Unter solchen Verhältnissen wird die beute in der Kammer beginnende Bcralbnng über die Panama-Ansrage voraussichtlich einen scbr bewegten, vielleicht sogar für da» Ministerium vcrbäug nißvollen Verlauf nehmen. Ucbcr die Vorgänge in Pari» wird der „Voss. Zlg." Folgendes gemeldet: Paris, "21. November. Die Panamasache versetzt die össent licke Meinung in die größte "Ausrcgu»,;. Ter plötzliche Tod des Barons Iacciuea Reinach, der i» der Nacht auf Sonntag erfolgte, wird natürlich allgemein ans Selbstmord zurückgesührt, vbjchvn der Familienarzt Hirnblutung bescheinigt. Tucret, Herausgeber der „Cvearde", welche die Enthüllungen der Panainagaiinercieil betreibt, geht aber weiter und erklärt cs als seine llcberzeugung, Laß Reinach ermordet worden sei. denn Reinach sei der Vertheiler der Panainatrinkgelder an die Parlamentarier gewesen und wisse viele» Leute» zu viel. Derselbe Tucret behauptet, er habe alle Papierchcn, welche die Be stechung von 192 Senatoren und Abgeordneten beweise». Bon früher her zu Geldbußen von zusammen 7500 Francs verurtbeilt, erhielt er gestern den Befehl, das Geld binnen süns Lage» zu bezahle» oder andernfalls die Erjatzhast anz»- Irele». Tucret jagt, das sei eine Rache Ricard's; ma» host'c ihn mundtodt zu machen, da er kein Geld habe, also sich ein- iverrcii lassen müsse. Er wolle aber von Len ihm noch bleibenden süns Tage» ausgiebigen Gebrauch machen. Baron Reinach soll achtzig Millionen hinterlnsscn; er ist Oheim und Schwiegervater des bekannten gleichnamige» Politikers, seine Baronie erhielt er 1866 von Italien, sie wurde >867 in Preuße» anerkannt. Tic K iagczusteilung an die Panamaleitcr erfolgt heute. Wie schon in einem Tbeile der Auslage der Morgen- nummcr gcmeitct, hat gestern in der Tepulirtcnkammer in Betreff der Panama-Angelcgcnbeit eine sehr bewegte Sitzung slattgcsundcn, in welcher der Abg. Delahayc (Boulangisff die zum Theil schon in der „Eoeardc" erhobenen schweren Anscknldiguiigcn erneuerte und bclontc, die Panamaassairc übcrtresse noch den Wilsonskandal. Es sei an 150 Parla mentarier die Summe von 3 Millionen seiten» der Gesell schaft vertbeilt worden. Gegen Liese Eröffnung erhob sich ein wüster Tumult; auch Floquet wurde wiederholt angegriffen, erklärte aber vor jedem Gericht oder Ausschuß Rede stehen :u wollen. Man verlangte stürmisch von Delahayc dir Nennung der "Namen der Bestochenen. Schließlich wurde eine Eommission von 33 Milgliedern zur Untersuchung der "Assairc ernannt. Die Stimmung der Börse, sowie der Presse ist eine äußerst erregte. Wie wir e» gethan, vertritt die Mehrheit der deutschen Presse die "Auffassung, man werde, ehe man über Crispi'S Rede ein bestimmtes Urtheil abgeben könne, gut thun, aus- lübrlichere Berichte über die Rede abzuwartcn. Immerhin gicbl der vorliegende telegraphische Auszug ans dem steno graphischen Berichte Denen, welche in Erispi's politischem Ebarakler immer einen Zug von Zweideutigkeit erblickten, ein Recht, ihre Meinung al» bestätigt anzusehen. Crispi soll Giolitti ursprünglich als Platzhalter betrachtet haben, nun dieser aber anscheinend seine Aufgabe selbstständiger auffaßt, scheint EriSpi neue Sailen anschlagcn zu wolle», durch deren Töne er die Majorität zu sich herüber ziehen zu können bofft. Ob ihm, den die Rechte und ein großer Theil der Linken nicht will, daS gelingen kann, das ist freilich eine andere Frage. In der Hauptsache war das Ministerium Rudini-Nicotera das Ziel seiner Angriffe, welche in dem Borwurs gipfelten, daß bei der Erneuerung deS Dreibundes und beim "Abschluß der neuen Handelsverträge die politischen nnd wirtbschaftlicken Interessen nicht gleichmäßig wahr- genommcii, t. b. daß letztere vor den crstcren zu sehr in den Hintergrund geschoben worden seien. Das Merkwürdigste an Erispi's Rede ist seine plötzliche Hinneigung zu Frankreich. Wir sind gespannt auf das Echo, welches die Auslassungen Erispi's in der Pariser Presse wecken werde». Ob er sich wobt durch dieses .,i>utor zmconvi" Verzeihung für frühere Sünden erkaufen will ? Ter Sieg deS demokratischen Präsidentschafts can divaten bei dem jüngsten großen Wahlkampfe in den Vereinigten Staaten wird, wie wir schon mehrfach zu betonen Anlaß nabinen, aus die Gestaltung der amerikanischen Zoll- nnd Wirlbsckasispolilik in den nächste» Monaten noch keinen Einsluß auSübcn. Präsident Eleveland tritt sein bvbes "Amt am 1. Mär; k. I. an. Verfassungsmäßig bat er das Recht, zu diesem Termine auch die BertrctungSkörper» schaffen der Union ;n einer außerordentlichen Tagung einzuberusen, während sie im regelmäßigen Verlaus der Dinge erst gegen Ende deS IahreS zusammentreten. Es ist aber durchaus nicht wabrschcinlich, daß Prä sident Eleveland zu einer vorzeitigen Berufung dcS Parlaments die Hand bieten sollte. Tic Erwägungen, welche sein Handeln bestimmen, würden in diesem Falle lediglich praktischer Natur sein und dein Streben entspringen, jeden allzu schroffen Wechsel im wirthsckasts- und zollpolitischen System der Bereinigten Staaten hintanzuhalten. Die Demo kraten sind, obwohl keineswegs Probibitivzöllncr wie ihre repu blikanischen Gegner, doch noch gar weit von Schwärmerei für de» Freihandel, wie er diesseits des Atlantic verstanden zu werden pflegt, entfernt. Sic sind eben in erster Linie Amerikaner und Anwälte der Interesse» des eigenen Landes. Letztere aber erkciscken zur Zeit ganz zweifellos die Entfaltung großer Bcbutsamkeit auf wirtbfchastSpolitischem Gebiet. Zahlreiche iiitnstriclle Betriebe, welche unter den Anspielen des Mac Kinley-TarisS in den Bereinigten Staaten neu entstanden sind bczw. zu einer gewisse» Blütbe sich entfaltet haben, würden sich durch einen schroffen Systeniwcchsel ruinirl finden. Dazu will und kann Herr Elevcland als guter Patriot und kluger Geschäftsmann seine Hand nickt dielen, da eine industrielle Krise Verwüstungen anrickten würde, mit deren Odium sich das Programm seiner Partei belasten darf, welche actions- n»d regierungsfähig zu bleiben entschlossen ist. Bevor also das amerikanische Parlament im nächsten Jahre ordnungsmäßig Zusammentritt, ist an keinerlei Modi- Feuilleton. Dämmerungen. Nomon in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) Es kamen jetzt beiße Erntetage, und NM die Last der trüben Stimmungen abzuschütteln. detbciligte sich Enrico selbst an der Ernlcardcit: cs gab ibm ej„ freudiges Genügen, wenn er in Hcmdärmcln mit der Sense wie die bäuerlichen Schnitter dis zur körperlichen Ermüdung die "Ackren niedcr- mädte. So geschah cs auch an einem schwülen Iulitag — nnd er war kein vereinsamter Arbeiter; denn daneben aus dem Korndündcl saß seine Mutter . . ein Lackeln schwebte um ibre Lippe» und verklärte daS Madonncnangesicbt, daS sonst eine» so sck'inerzdaffcn Ausdruck batte . . es war die Freude über den Sot>n;sie durfte ja nickt verzweifeln an der Zukunft, wenn sie seine Ausdauer, seinen Flcst;, seine Energie sab. Das war ja die Minier Erde, die einen frischen lebens vollen Duft ansbaucbte, erquickend, crmntbigend — sie war unwandelbar geblieben, immer segensreich, immer gleiche Schätze svcndenb, wenn Menichensleiß sie ikr abzugewinnen wußte, lind über dem golknen Korn, da» noch des nächsten Hügels Rücken krönte, schwebte ein abendgoldiicS Lickt; mil ver klärenden Tinten batte fick der Himmel geschminkt . . Frau Rispori sab den vcrbcißnngSvoUcn Schein . . cS mußte sich ja noch Alle» znni Bessern wenden. Unk als sic nicderblicktc ans den kleinen Umberto, der vergnüglich zu ibre» Füßen saß und vergeblich versiickle, einer kleinen Pfeife Töne zn entlocken, und dann eine über die frischen Stoppeln büpscndc Grille zu crbasckcn suckle. . da süblte sic sick von liebenden "Armen umschlungen, süklic de» Kuß inniger Liebe auf ibre» Lippen: cS war Enrico, der die Sense bei Seite gelegt und näher getreten war . . so gcrübrt batte ihn der Anblick dieser sanften, herzensguten, viclgcqnälten Frau, die ia Alle liebten, Alle, dock keiner so wie er . . cS war ja seine Mutter! In diesem einen Wort, in diesem einen Gcsübl lag so nn'äg lickcS Glück und Web, daß er alle» Andere darüber vergaß, ' und als er sie in seine» Armcn dielt, da sagte er sich, daß er auch alles Andere vergessen müsse, um sie glücklich zn machen. Immer glühender färbte sich der Himmel . . das rothe Fcucraugc der erlöschenden Sonne blickte über den Waldbügel zur Rechte» . . das Tagwerk war vollbracht. Die rüstigen Arme der Schnitter nnd Schnitterinnen warfen die "Aehren- bündel auf de» Erntewagen und Enrico war der rüstigsten einer. Anö den sonngebräunten Gesichten der Knechte und Mägde lackte die Freude über des jungen Gutsherrn ehrende Genossenschaft, welche ibre Arbeit hob in ihren eigenen Auge» .. lustig kletterten zwei Mägde binauf aus den sich immer böber tbürmcnden Erntcscgcn und legten zwei riesige Feldblumen kränze ans die goldenen Bündel — und als sie dann von oben berabsaben auf die Welt zn ibre» Füße», da lag etwas wie fürstliches Behagen auf ibren breite» Zügen, und sie ließen sich kaum herab, die Scherzworte der Burschen zu erwidern, welche über ibr Hinanfklcttcrn einige schnöde Be merkungen machten. Enrico aber griff zur Peitsche; er wollte den letzten Ernte wage» selbst biiienisabre» i» die Scheuer; er war eben im Begriff, sich zn seinem Fubrmannssitz cmporzuschwingen, als er ein fröhliche» Lacken börle nnd zwei elegant gekleidete Damen erblickte, die sich ans dem Fabrwcg »äderten. „DaS muß man sagen", rief Frau Locea aus, indem sic mit der Spitze ihres Sonnenschirm» auf den bcmdärmcligcn Schnitter mit der Peitsche in der Hand zeigte, „dieser junge Schnitter nnd Rosselenkcr verdient ans einem Gcmäldc wie dasjenige von Robert abgcmalt zn werden — freilich, da sind cS nur Ochsen, die an den Hörner» geführt werden; dock auck als Lenker eines solchen Gespann» würde sich Enrico nicht übel machen: er ist ja jetzt gehörig von der Sonne gebräunt nnd er bat gewiß Muskeln wie ein Ochscn- birt aus der Eampagna." Lachend empfing niit diesen Worten Frau Locea die ibr entbcgeneilcnbc GulSbcrrin, die stets von einem tröstlichen Gctübl crsüllt war, wenn sic diese» Bestick begrüßen konnte; denn in Frau Locca sab sie den guten Schutzengel ihres Hauses, und nicht weniger war die schöne, stolze Nora ibr willkommen, die in das fröhliche Gelächter der Mutter nicht mil ciiisliiiintte; ikr war es nicht angenehm, Enrico so unter dem Gesinde zu sehen, so umstanden von den lachenden Mägden, denen der junge Gulsbcrr ganz besonder» zn ge fallen schien, seitdem er sich selbst verändert und Kncchts- gcstalt angenommen batte. Enrico aber senkte die Peitsche zum Gruß, trat näher und reichte den beiden Damen die Hand. „Sie sehen mich hier tbätig in meinem Berns", sagte er, „und Sie müssen mich zunächst entschuldigen, wenn ick mein Tagewerk, wie ich'S begonnen, auch zn Enke führe und den Erntcsegcn selbst in Sicherheit bringe. Meine Toilette ist freilich nickt salonfähig; doch wir, die wir die Scholle pflügen und daS Korn schneiden, wir slclm der Natur näher als der Gesellschaft, und auch Du, liebe Nora, wirst wvbl einmal durch die Finger sehen, wenn Tu mich liier erblickst in dem uralten Ncgligü des ältesten und ersten Standes der Erde... Iionii)- i><üt 'ini mal ^ xeuLv . . . ans baldiges Wiedersehen, meine Damen!" Mit diesen Worten schwang er sich ans den bochbcladcncn Wagen ... die Peitsche knallte ... die Pferde zogen an ... hinterdrein ertönte fröhlicher Gesang der Schnitter nnd Schnitterinnen, deren Waffen, Sicheln und Sensen, im jener rothcn Abendschein glitzerten und die dinier kein schwanken den Gefährte heimwärts zogen. Frau Locea nnd Nora waren zum Erntefest eingeladcn worden, welches am Abend dcö nächsten Tage« stallsindcn sollte: sie waren indes; zu jeder Zeit willkommen. Budcrode war überhaupt ibre zweite Heimalb geworden; sic hatten oft zu dieser Sommerfrische ihre Zuflucht genommen an heißeren Tagen und Enrico mußte sic bei ibren Spazier ritten begleiten. Nachdem die Verlobung mit Marie von Senden zurückgegangcn, war eö seiner Mittler innigster Wunsch, daß er sick um "N'ora'ö Herz und Hand bewerben möge. Der Zustimmung der Frau Locca war man sicher — und was Nora betraf, so hegte sic offenbar eine lcitcn- schastliche Zuneigung zu ihrem Veiler, die sich hinter der Zurückhaltung, die ihrem vornehmen Sinn und schwärmerischen Gemülb eigen war, kaum verbarg. Frau Rispori, welche in dieser Verbindung die einzige Rettung dcö ziisanimciibrccbcndeii Hausstandes sah, ver schmähte für ibre großen Zwecke auch die kleinen Mittel nicht . . . und sie sorgte ja dabei in aller Hcrzciisgütc für das Glück ihre» Sobncs, dem sie die Hand eine» schönen und reichen Mädchens zuwcnren wollte. Sic wußte cS oft so einznrichleii, daß Enrico mit Rora allein blieb ... so wurde cs ibm leichter, daS entscheidende Wort zu sprechen. DaS Duett ist ja seil Anbeginn der Welt und längst vor Erfindung der Oper für die LicbcSsprachc die einzig geeignete Form gewesen. Ia, in ihrer mütterlichen Fürsorge ging Frau Rispori so weit, der schönen Nora eine eigene Wohnung cinzuräiimcn, wo sic sich allein und getrennt von ihrer Mittler cinrichten konnte. Ein rebcn- ninsponnencs Häuschen, das dicht an der Scheune des GutS- boscs gelegen war, mitten in einem wohlgepslcgten Blumen garten, das erste Wohnhaus des ersten Besitzers, batte auf Nora siel» einen überaus anmiilhendcn Eindruck gemacht; eS war eine zarte Aufmerksamkeit, wenn cs ibr bei ibren Be suchen in Bntcrodc ganz zur Wohnung eingcränmt wurde; im Erdgeschoß die Besuchszimmer, im oberen das Schlaf zimmer; für die Zofe gab cs ein Unterkommen in einem freundlichen Giebelstübchen. Frau Rispori bossle, das; Enrico, wenn er am blumciinmraiitlcn Paricrrcscnstcrchen die an- miitbige Eousinc erblickte, gewiss sich bingczogeii fühlen würde, sie dort zu besuchen. Unk ein solches Zwiegespräch unter Blumen konitte doch nur dazu sübrcn, daß der Spruch: „Eine Hütte und Ein Herz" für» ganze Leben eine Wakrheit würde. Scbr wichtig aber war » vor Allem, daß Frau Locca nicht durch ihre "Anwesenheit das Zusammensein der Liebenden störte. So scbr sic auch wünschte, das; Enrico und ihre Tochter ein Paar würden, so quälte sic dock stets die Eifer sucht, wen» der junge Mann sich ihrer "Nora näherte. Sie wagte zwar nickt als "Nebenbuhlerin der Tochter anszutreten; doch sic verlangte, daß der Bewerber um die Hand derselben sich zuerst um die Gunst der Mittler bemühe und ibr geben- übcr eine Liebenswürdigkeit entwickele, die von derjenigen eines Licbbabcrs nickt allzu cntscriil sein dürfte. ES blieb ja immer noch eine schmerzliche Entsagung für sie übrig: denn Frau Locea batte feurige Lebenspulic und sic meinte oft, daß die Tochter bierin nickt mit ikr wetteifern könne. So batte sic sick anck lcbbasl dagegen gesträubt, daß, wäbrend sie selbst die Wandnachbarin der Fra» Rispori in dem eigentlichen Scklosse war, die Tochter im Gartenbause ganz ans eigene Füße gestellt wnrdc nnd sreies Spiel balle bei einem sich etwa ciiljpinnciiden Liebesglück. Doch sie mußte sich den "Anordnungen der Gastgeberin fügen, welche ja zunächst noch immer Herrin von Burerotc war. .Fortiktziinq folgt.)
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