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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921125026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892112502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892112502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-25
- Monat1892-11
- Jahr1892
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N-mmement-prelS <» d« Haupterpedittoa vd« den kn Stadt- beriet und den Bororten errichteten Aus- aabestellen abgeholt: vierteljährlich ^44.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« HauS »i 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierleliährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsenduug inS Ausland: monatlich ^4 9.— Tie Morgen-AuSgobe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Abend-NuSgabe Wochentag- 5 Uhr. Nedaction und Expedition: JohamirSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geon'uet von früh 8 bis AbeudS 7 Uhr. Filialen: ktt« Rlem«'- Lortim. (AlsreV Hahn), UniversitätSfiraße 1, Louis Lösche. Satharinenstr. 14, pari, und SönigSplatz 7. Abend-Ausgabe. MkMr.TaMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschWverkehr. J«sert1o»-Pretr Die S gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter dem RedoctiouSstrich (4ge- jpalten) 50-H, vor den Familienuachrichte» (6 gespalten) 40 »L- Größere Schriften laut unser«» PrriS- verzrichutß. Tabellarischer und Ztfferasatz nach höherem Tarif. Extra-vetl«,ea (gesalzt), uur mit de» Morgen.«uSgabe. ohne Poslbeförderung ^4 SO.-, m»t Postbesörderung 70.-^. Annahmeschlnß fLr Inserate: Abeud-AuSgab«: Bormittags 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- «nd Festtags früh '/,S Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle» je ems halbe Stunde früher. Inserat« sind stets au die Er-rNtttaN zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» ta Leipzig. ,Zi° KV. Areitag den 25. November 1892. 86. ZchMNg Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. November. Die Eindrücke, welche die große Rede des Reichs kanzlers in politischen Kreisen binterlassen, werden viel besprochen. Allseitig wird anerkannt, daß der Vortrag in manchen Stücken glücklich und wirksam gewesen, so namentlich in der Zurückweisung des widerlichen PreßtrcibenS, welches sich über die Einser Depesche erhoben, und in der energischen und patriotischen Feststellung des wahren Hergangs bei dem Ausbruch des uns ausgczwungcnen Krieges. Auch die Darstellung unseres Verhältnisses zu unseren östlichen und westlichen Nachbarn wird als treffend und überzeugend anerkannt; ohne absichtliche Schwarzmalerei und unberechtigten Pessimismus habe Graf Eaprivi doch eindringlich den hohen Ernst hervorgehoben, der nun einmal in der gegenwärtigen und voraussichtlich noch lang andauernden europäische» Situation liege und uns allerdings nöthigc, in unseren Zu lüftungen zur Abwehr nicht zu erschlaffen. ES waren im Wesentlichen die GesichtSpuncte, die auch Fürst Bismarck bervorzukeben pflegte und die sich jedem unbefangenen Beobachter der Weltlage von selbst aufdrängen. Weniger glücklich war nach allgemeinem Unheil der Reichskanzler in der eigentlichen militairischen Begründung seiner Vorlage. „Daß" — schreibt die „Nat.-Lib. Eorr." in Uebereinstim- mung mit Blättern anderer Parteien — „die vorgeschlagcnen Maßregeln die Stärkung unserer Wehrkraft in dem erhofften Maße herbeisührcn werden, daß sie im gegenwärtigen Augen blick des wirthschaftlichen Drucks und in so gewaltigem Um fang notbwendig sind, das hat auch der Reichskanzler nicht überzeugender nachzuweisen vermocht, als eS bisher von den Vcrtheidigern der Reorganisation geschehen. Auch die Hoff nungen, daß die Regierung ihre Forderungen angesichts des starken Widerstandes im Volk und Reichstag einzuschränken sich entschließen werde, haben durch die Rede des Reichs kanzlers keine Bekräftigung erfahren. Keine Andeutung von einer Herabsetzung der Recrutenzahlerhöbung, noch auch von einer gesetzlichen Festlegung der zweijährigen Dienst zeit. Die Aussichten auf das Zustandekommen einer Ver ständigung zu verbessern — darin stimmen wohl alle Par teien überein —, hat die Rede des Kanzlers kaum etwas beigctragen. Die Ankündigung schroffster Opposition, die alsbald Herr Richter anbrachte, mag ja freilich nur für die Stimmung der äußersten Linken bezeichnend sein, aber auch gemäßigtere Parteien, die an und für sich gern zu einer Ver ständigung die Hand bieten würden, sind durch die Dar legungen des Reichskanzlers in der Hoffnung, die Angelegen heit zu einem günstigen Ende zu führen, kaum crmuthigt worden. Auch die Hinausschiebung der Berathung der Militair- vorlage hinter die EtatSbcrathung dürfte nicht in den Wünschen der Regierung liegen und nicht als ein Entgegenkommen des Reichstags gegen sic zu deuten sein." Leider hat Graf Eaprivi in seiner großen Rede cS unter lassen, den Militair- und Eivil-Os sic lösen, die ihm und seiner Vorlage schon so üble Dienste geleistet und ganz wesentlich dazu beigctragen haben, die herrschende Äiiß- stimmung zu vermehren, etwas größere Vorsicht in der Stimmungsmachcrci anzuempfeklen. So wird denn das be denkliche Geschäft mit ungeschwächten Kräften fortgesetzt. Wie ungeschickt dabei die „Nordd. Allgem. Ztg." verfährt, crgiebt sich daraus, daß sie folgende, ihr auö Leipzig zugcgangene und „offenbar von schwieliger Faust geschriebene" Zuschrift abdruckt und den Gegnern der Vorlage zur Beherzigung empfiehlt: „Hiermit wollte ich Ihnen nur sagen, daß, wenn die Militair- Vorlage nicht unverändert durchgeht, die Auslösung des Reichstages LaS beste Mittel ist, um zu beweisen, daß man im Volke denn doch ganz andcrs denkt, als die Zeitungen Stimmung zu machen be müht sind und ihren Willen sainint dem einiger sich Hervorthuciidcn dem ganzen übrigen Volke ausdrängen wollen, thcils aus Sepa ratismus und bösem Willen znr Regierung und sonst welchen Gründen, wie z. B.: „Wahlen", wovon selbst unser löbliches Tageblatt nicht frei ist, dessen Richtung ich und meine Be kannten sonst zur unsrigen machten. Möchte man immer nur bedenken: 1) würde heute sämmtliches Militair entlassen werden, welche Concnrrenz und Ucbersluß mehr am Arbeitsmarkt cintreten würde. 2) Der Staat unterhält die Mannschaften viel billiger, als diese sich im Civil zu unterhalten ver mögen, und wenn heute dreimal mehr active Soldaten einberufen würden, so haben die Zurückbleibenden bessere Erwerbsverhältnisse und tragen viel leichter die Wehrlast als jene Concurrenz!" Dem Herrn Verfasser dieser Zuschrift machen wir keinen Vorwurf aus diesem Herzenscrguß; er leidet offenbar unter schwerer Eoncurrcnz und meint, diese beseitigen zu können, wenn er die Einberufung von „dreimal mehr activen Soldaten" empsichst. Aber wenn ein Blatt, wie die „Nordd. Allgem. Ztg.", Stimmung für die Militairvorlage dadurch macken zu können glaubt, daß sie die Existenz von Leuten nachwcist, die aus „wirtkschafklickcn" Gründen gar nicht genug Soldaten unter die Fahne gerufen sehen könne», so bat Graf Eaprivi wahrlich alle Ursache zu dem Stoßseufzer: „Gott behüte mich vor meinen Freunden!" Zur Abwechselung zählt eö wieder einmal innerhalb der schwarzgelben Greuzpsäble in einer Weise, die schwere Kämpfe zwischen den Deutschliberalen auf der einen und dem antideutschen Völkergemisch auf der anderen Seite vorauS- schen läßt. Die Veranlassung, daß dieser Nationalitäten kampf sich zu einer heftigen Krisis zuzuspitzen droht, hat der österreichische Ministerpräsident Graf Taaffc mit seiner ewigen Schaukelpolitik gegeben. Dem Grafen Taaffe ist das nothdürftig zu Stande gebrachte Einvernehmen mit der deutschen Linken augenscheinlich schon lästig geworden, und obwohl der Führer der Linken, I),-. von Plener, in seiner Budgetredc mehr als' versöhnlich gesprochen und nur die Notbwendigkcit betont batte, die Sprachcnregelung nickt auf Böhmen zu beschränken, sondern auf ganz Oesterreich auözudebncn, scheint schon dieser Hinweis dem Versöhnungsgrasen unangenehm gewesen zu sein. ES ist auch möglich, daß er glaubt, der geborstene eiserne Ring der Rechten sei wieder zusammengeschweißt, nachdem diese Seite des Abgeordnetenhauses einmüthig für die Mißbilligung des I)r. Mcnger stimmte, der den Jungezechcn in echt dendscken Worten die Wahrheit gesagt hatte. Sicher ist, daß die Negierung sich wieder den Slave» mehr nähert. Die Czechen erhalten ihren Landsmannminister, dessen Posten seit dem Abgänge Prazak's verwaist ist, und in der Sprachensragc bleibt es wie bisher. Das ist der kurze Sinn der langen Rede, die Graf Taafc in der Mittwochsitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses hielt. Die deutsche Linke ist mit Reckt erbittert, obgleich sie nur die Früchte ihrer schwächlichen Nachgiebigkeit erntet. Die Oppo sition durfte nickt ihre rühmliche Vergangenheit vergessen, nicht mit einem Eabinet pactiren, daS dem Dcutschthum seit zwölf Jahren die schwersten Schädigungen zufügte, und sie durfte nie einen LandSmaniiministcr in ein Ministerium Taaffe senden. Die Lehre, die sic jetzt erhält, ist bitter, aber verdient. — lieber die Ansfassung, welche die Taaffe'schc Rede in Wien finket, wird gemeldet, daß die liberalen Blätter au- kündigcn, die Rede habe eine parlamentarische Krisis hervorge rufen. Die „N. Fr. Pr." sagt, die Rede schneide die ganze unter unsäglichen Schwierigkeiten angeknüpfte und mit den schwersten Opfern weitergesponnenc Verbindung der Regierung mit der Linken ab. Das „N. W. Tagebl." hebt den peinlichen Ein druck der Rede auf die Linke hervor und erklärt, derselbe sei viel zu nachhaltig, als daß er mit bloßen Worten verwischt werden könnte. Von den regierungsfreundlichen Blättern verweist das „Fremdenbl." auf die Stellungnahme Taaffe'S gegen die Linke. In Abgeordnetcnkreisen wird übrigens der Bruch der Linken mit der Regierung als bereits vollzogen angesehen. Wie erzählt wird, schritt nach der Rede Taaffe'S der Antisemiteuführcr Lueger auf ihn mit den Worten ju: „Ich gratulirc, das war der alte Taaffe!" Taaffe erwiderte: „Sagen Sie das nicht so laut." Die Rede wird als ein mit Hohenwart vereinbarter Schlag gegen die Linke betrachtet, wovon die Führer der Linken und auch Minister Kuenburg vollkommen überrascht waren. Der fortgeschrittene Flügel der Linken drängt auf Uebertritt in die Opposition und will den Dispositionsfonds verweigern. Dies hätte auch den Rücktritt Kuenburg's zur Folge. Gestern Abend hat eine Clubsitzung der deutsch-liberalen Partei stattgesunden, in der über die Stellungnahme gegenüber dem Ministerpräsidenten Grasen Taaffe verhandelt worden ist, doch liegt eine Nachricht über den Verlauf und daö Ergebniß der Sitzung noch nicht vor. In Paris bildet andauernd der Panama-Scandal den Gegenstand des politischen Tagesgespräches. Nach den neuesten Nachrichten ist der Abg. Brissvn zum Präsidenten der parlamentarischen Untersuchungs-Commission gewählt, doch gedenkt die Eommission in Wirklichkeit ihre Arbeiten erst auszunehmen, wenn die Kammer über den Umfang der Voll machten der Eommission bcrathen haben wird. Bezeichnend ist, daß der bekannte Abgeordnete Deroulede seine Entlassung als Mitglied der Eommission nahm. Auf fallend muß es auch erscheinen, daß weder Floquet, der Präsident der Dcputirtenkammer>, noch der KricgS- ministcr Frey ein et Miene machen, ihre Angreifer in der Presse gerichtlich verfolgen zu^ lassen. Die „Cocarde" gab dem Erstgenannten noch 48 Stunden Bedenkzeit, und die „Libre Parole" fügt ihren Anklagen gegen den Kricgs- minister eine weitere hinzu, wonach sich derselbe bei staatlichen Grund- und Bodenantäufen, welche aus „strategischen Zwecken" angeordnet wurden, persönliche Vor- theilc gesichert haben soll. Es ist übrigens thatsächlich unmöglich, auf alle die Beschuldigungen und mit mehr oder weniger Bestimmtheit abgegebenen Ableugnungen einzugehen, welche die Pariser Zeitungen füllen. Ihre Wiedergabe würde unendlich mehr Raum beanspruchen, als uns zu Gebote steht. Es genügt auch zunächst — zumal, da allerlei Untersuchungen in Aussicht stehen —, auf die sittengeschichtlich bedeutsame Tbatsache aufmerksam zu machen, daß daS bloße Wort „Panama" größere Wunder verrichtet, als alle Zauberstäbe der Märchenpoesie, mit dem Unterschiede freilich, daß seine Wunder alle in einer Atmosphäre der Verwesung bei leben digem Leibe sich vollziehen. — Von den Vorgängen in der Dcputirtenkammer, in welcher der Abgeordnete Delahaye die Panama-Angelegenheit ausrührte, gicbt folgender Bericht ein interessantes Bild: Ganz anders wird die Physiognomie des Hauses beim nächsten Redner, dem rcactionärcn Delahaye. Bon einer Todtenstille um geben, beginnt er: Ich komme, Sie zu einer öffentlichen Reini gungsarbeit einzuladen, indem ich Sie bitte, eine Commission zu wühlen zur Untersuchung der Thatsachen, die ich angeben will auf die Gefahr meiner Ehre »nd der Ihrigen. (Unruhe.) Man hat die Paiiama-Affaire mit der Wilson's verglichen; nun denn, der Ordensschacher war eine Bagatelle gegen Panama. Da hat es eine ganze Camarilla gegeben, ein politisches Syndicat, auf welchem die öffentliche Verdammung lastet. Wilson's Affaire war nur ein kleines Symptom. Panama ist die Krankheit selber, von welcher der ganze sociale Körper ergriffen ist. Panama war das Beulemachen am Hellen Tage. Im Jahre 1888 circulirten die be unruhigendste» Gerüchte über den Stand der Panamacanal-Arbeiten, über Defraudationen. Ferdinand v. Lesseps unternahm eine Reise durch Frankreich, um das Publicum zu begeistern, das hatte wenig Erfolg. Ta verfiel ein Finanzier auf den Gedanken, Loose aus- zugcben; dieser Finanzier lebt heute nicht mehr und angesichts der Trauer seiner Familie werde» Sie begreifen, daß ich seinen Namen nicht nenne. (Baron Rcinach ist gemeint.) Tie Verwaltungsräthe haben anderthalbMilliarden todal vcrwirthschastet, aber diese Ausbeuter wurden ihrerseits von Politikern ausgebeutet. Jener Finanzier verlangte fünf Millionen, umAlle, die im Paria- mente käuflich waren, zu kaufe». Jeder Deputirte hatte seinen Tarif, je nach seinen Schulden oder seinem Ein- sluß. Ein gewisser Arton, der jetzt großer Betrügereien wegen steckbrieflich verfolgt, aber nicht gefangen wird, könnte darüber viel erzählen. Drei Millionen Francs wurden unter 150 Volks- Vertreter vcrtheilt. (Rufe links: Tie Name»! Tie Namen!) D ela« haye (schreit): Die Enquetep'In der Untersuchung wird man sie er fahren. Unter den 150 waren nur wenige Senatoren. Jener Finanzier mußte öfters Nachträge verlangen, denn eine Meute v on Politikern war hinterher. Man mußte die Tassen in deren Hände leeren. (Vereinzelte Rufe UnkS: Die Namen!) Einer steht auf und ruft dem Redner mit lauter Stimme zu: Sie müssen Alles sagen» Alles, Alles, Alles! — Delahaye antwortet: Die Untersuchung! (Sonderbar ist in diesem Augenblick das Aussehen der Kammer; eS ist sozusagen eine blasse Aufregung, keine rothe; eS herrscht auffällig wenig Lärm, denn nicht ganze Seiten des Hause- schreien, sondern nur Einzelue da und dort.) Delahaye (fortsahrend): Eines Tages war Wahl im Nord- Departement, für die man Geld verlangte. — Republikaner Morceau: Wer verlangte eS? — Präsident Floquet steht auf und sagt: Zu jener Zeit hatte ich die Ehre, Minister des Innern zu sein. (Lärm rechts und Rufe: Auf die Tribüne! Untersuchung!) Floquet (gelassen): Ich bin bereit, mich vor jedem Gericht zu ver antworten. Delahaye: Dreimalhundertlausend Francs wurden da mals hergeaeben. Durch wessen Hand sie vertheilt wurden, weiß ich nicht, aber sie wurden vertheilt. Ein inzwischen verstorbener Minister bekam viermalhunderttauscnd Francs durch die Banque de Frau« ausbezahlt. Ein Blatt, das keine zwanzig Francs werth war, wurde um zweimalhunderttausend Francs angeraust. (Rufe: Welche- Blatt?) Delahaye: Die Unteriuchung! Ein anderes Blatt im Auslande bekam sünsmalhunderttausend Francs. Ein schauerliches Bild der Immorolttät I Es wurde eine parlamentarische Commission für die Panama-Loose eingesetzt. Bon elf Mitgliedern waren fünf für, fünf gegen die Bewilligung, der Elfte, von dem Alles abhing, verlangte zweimalhunderttausend Francs; man wollte sie ihm nicht geben. Daraufhin bildete er ein Syndicat mit einigen befreundeten Teputirten und einem Bankier, um Panama zu contremiuirenk (Peinliche Stille im Saale.) Ta kam es zur Verhandlung hier im Hause. Der Elfte wurde für einen Moment hinausgerusen. Es hatte sich ein Abgesandter der Panama-Gcsellschast eingesuuden. „Wollen Sie Hunderttausend?" — „Nein, Zweimalhunderttausend!" Der Elfte ging in den Saal zurück und einige Minuten spät« rief man ihn nochmals hinaus und bewilligte ihm zweimalhundert tausend Francs. Daraus wurde dasProject in der Kammer angenommen, aber der Deputirte vergaß in der Eile, seinen Freund, den Bankier, zu verständigen, und dieser Baissier wurde durch das Hinausschnellen der Panama - Actien gänzlich ruinirt. iRufe: Die Namen!) Delahaye: Hier sind mehr als Hundert, denn ineine Zuhörer sind zweierlei Art: solche, die bekommen haben, und solche, die nichts bekoinmen hoben. (Lut rüstungsrufe.) — Präsident Floquet: Sie können unmöglich hun dert Ihrer College» so schwer aaklagen, ohne sie zu nennen. Nennen Sie »e. — Delahaye: Tic Untersuchung! — Ein Deputirter im Centrum schreit: Ich will nicht warten! Gleich! Augenblicklich! — An zwanzig Stellen im Hause werden erregte Zwiegespräche laut. Tie Republikaner schreien einander an und gcsticuliren wild. Di» Rechte erquickt sich schweigend an dem Schauspiel. „Abomey ist erobert." Seit dem 17. November be findet sich General Dodds, wie nunmebr von amtlicher Seite bestätigt worden ist, im Besitze der Hauptstadt König Behanzin's, aber es scheint, als ob er nur einen rauchenden Schutthaufen vorgefunden habe. Es wird berichtet. Behanzin habe, als die Franzosen am 16. nach Abbruch der FriedcnS- verhandlungcn die Hauptstadt zu umgehen und seine Rück- zugölinie zu bedrohen besannen, alle seine Paläste und die Häuser sämiutlicher Prinzen und Häuptlinge nieder- brcnnen lassen, worauf General Dodds am l7. in Abomey eingezogcn sei. Hoffentlich wird das brennende Abomey nicht ein afrikanisches Seitcnstück zu dem brennenden Moskau werden; immerhin dürfte noch einige Zeit vergehen, ehe der Feldzug in Dahomey thatsächlich beendet sein wird, denn König Behanzin ist noch ungebrochenen Muthes; er bat die von Dodds aufgestellten Vorbedingungen für die Friedensverhandlungen von der Hand gewiesen und steht mit seinem Heere drei Tagemärsche nördlich von Abomey. Dodds hat, wie die amtliche Meldung binzusügt, Maßregeln ergriffen, um das ganze Gebiet von Dahomey zu besetzen. Dazu dürsten seine Streitkräftc denn doch kaum ausreichen. Der „Figaro" spottet übrigens selbst über die auS Paris sogar telegraphisch verbreitete Meldung, wonach General Dodds in Abomey de» „goldenen Thron" des Königs Behanzin ge sunden und dem Bundesgenossen Frankreichs, dem Könige Toffa, FeuiUetsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 46j Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Das Gefühl kindlicher Liebe war in dem Sohne so stark, daß er sich dcni Vater gegenüber schwer zu einem ent scheidenden Schritt entschließen konnte. Er hegte das tiefste Mitleid mit ibm; welche Fülle an Geist, ja an energischer Willenskraft war hier zu Grunde gerichtet durch einen un seligen Wahn. Und dock — wenn er auch mit der Familie einen solchen äußersten Schritt tbun wollte... war es nickt vielleicht schon zu spät'? Wie viele nicht cinzulösende Wechsel mochten im Umlauf sein, und da gab cS ja keine Rettung... keine... als Nora'S Hand. Voll tiefer Bekümmerniß legte sich Enrico zur Rübe: aber daS Glück der Jugend, der gesunde Schlaf, floh ihn nickt; batte er sich doch denselben durch seiner Hände tüchtige Arbeit verdient. Der alte Rispori aber fand keine Ruhe. Er löschte die Lampe... dann saß er stundenlang am offenen Fenster und blickte den vollen Mond an, der jetzt die weite Welt mit seinem träumerischen Glanz erfüllte. Alles ein ungelöstes Rätbsel — droben die blaue Sternenkarte des AethcrS und diese Grimasse von einem Wcltkörper, der sich lustlos, wesenlos, leblos mit seinen wüsten FelSmasscn um die Erke dreht... kein Mensch weiß warum, und er selbst weiß cs am wenigsten. Räthsel überall ... nickt bloS in der Mischung der irdischen Stoffe; doch wer sie zu lösen sucht, der gilt für einen Wahnsinnigen — und man zieht ihm den Boten unter den Füße» fort. Rispori zündete eine Laterne an, nahm einen Schlüssel bund und begab sich in sein Laboratorium. Vor der Tbür desselben ans einer steinernen Bank fand er Basilio schlafend. Es gab ja nichts mebr zu tbnn — und so öde sah es auch darin auS; die Glut erloschen, der Kessel leer ... in den Zaubcrtöpfen aber, in denen sich die Kohle zum Diamant verdickten sollte, war keine Spur fort schreitender Verhärtung zu sehen. Es sträubte sich der Stofs gegen die ihm angctbanc Gewalt ... und unerreichbar für den Menschengeisl erschien, was die Natur in stillem Wollen vollbringt. Basilio hatte seine Wohnung im Dorf . . . aber auch ibm ließ es dort keine Ruhe. Es zog ihn zur verwaisten Stätte seines Wirkens . . . und wie ein treuer Hund lag er vor der Tbürc. Rispori störle seinen Schlaf nicht. Er ging durch den Garten über den Hofranm, die Laterne in der Hand, während Alles ringsum im hellsten Monden schein lag. Wie scharf zeichneten sich die Dächer der Hof- gcbäude, die vollen Scheunen i» seinem Lichte ab. Volle Scheunen ... da bat der Fleiß seinen Lohn. Tie leichte Arbeit kommt zum Ziel; aber der Geist, der in die Tiefen gräbt, wird verschüttet von der Erde, die er aufgewühlt. Und wie sind diese Scheunen gefüllt worden? Durch die Lebens kraft, die seinem eigenen Werk entzogen wurde. Ein grenzen loses Gefühl von Verachtung, Haß, Neid gegen daS Glück der gcmeinen Arbeit ergriff ilm .^. und gab cs denn keinen Schutzgcist mehr für ein höbcrcS Streben? Er dachte nickt daran, die Laterne auSzulösckcn, er suchte zwar nickt Menschen wie Diogenes; doch er suchte seinen Schutzgcist. Und sieb' . . . zwischen den Beeten dort bewegte sich eine weiße Gestalt, bell und hehr, wie aus Monkcnlickt gesponnen. Es war keine Vision ; denn wenn sie auch hinter einem TaruS- bnsche verschwand, tauchte sie bald wieder hervor. Langsam und feierlich war ihr Gang. Rispori erkannte die Nachtwandlerin — cs war Nora. Aus dem Blumengarten ibreS Hauses führte eine stets offene Tbüre in den herrschaftliche». Schlief sie oder wackle sie? Nicht ohne Scheu näherte sich der Alte der geisterhaften Er scheinung. Er stand, wo zwei Wege sich kreuzten .. sic blieb sieben; sie sprach, ob mit ihm, ob mit sich selber ... er wußte eS nicht! „Mein GcninS schweigt, dock ick liebe ihn ... ich will ihn lieben. Warum hast Du mich inö Leben verwiesen, er habener Geist, in die Hülle von Fleisch und Blut gekleidet? Sterne stürzen aus ihren Bahnen, wenn ein mächtigeres Gestirn sie an sich reißt. . . und so werd' ich fortgerisscn willenlos. Alles ist in mir wie erleuchtet von einem Astrallicht ... ich sehe die Bluttropfen kreisen, ich höre die Pulse klopfen. Alles Blut drängt zum Herzen . . . und das Herz drängt zu ihm." Und Rispori hob seine Laterne unwillkürlich, als wolle er der Nachtwandlerin ins Gesicht leuchten, deren Züge aber schon der Mondschein bell und scharf abzeichncte. Sic hatten etwas Starres. Das Auge sah nichts AcußercS, der Blick war wie nach innen gerichtet. „Wo bist Du, mein Schutzgeist?" rief sie die Arme auS- strcckend, „Du erscheinst mir nicht mehr zur Nachtzeit, Du sprichst nickt mebr mit niir bei Tage: doch borch ... horch! Ein AeolSharfcnklang von fern ... immer näher ziehend . . . jetzt hör' ich ihn deutlich. Er liebt mich nickt . . . Du sagst cS selbst . . . es ist die Stimme der Wahrheit, die sich nicht täuschen läßt! O geh' zu ihm ... Du hast Macht über ikn . . . sag' ihm, daß mein Her; sich ver zehrt in grenzenloser Liebe zu ihm . . . das wird ihn rühren: er soll nickt mehr an die Andere denken; sie ist todt für ihn. Aber ich bin nickt todt für ihn. Trug und Lüge ist diese Starrheit, diese Unnahbarkeit... ein Wort von ihm, Alles schmilzt dahin. Der geisterhafte Schein verscbwebt in den Lüsten —, ick fühle mich selbst an Leib und Leben durckströint vom Erdgeist, erzitternd in seinen Entzückungen ... ick gewinne mich selbst zum ersten Male, indem ich mich an ihn verliere!" Und die Gestalt bewegte sich langsam vorwärts. War's eine wahrsagende Ncrnc? De» Alten ergriff abergläubische Gewalt; ihm war's, als müßte er ihr Orakel befragen, denn in seinem Innern waren Gedanken ausgetaucht, die ihn quälten und marterten, und er rang mit einem furchtbaren Entschluß. Rasch sprang er über die Beete, um ihr einen Vorsprung abnigewinnen, und vertrat ihr daun den Weg . .. „Antworte mir . .. soll ick vollbringen, was sich mir in der Seele regt?" Nora schwieg einen Augenblick; kann sagte sic mit geisterhaftem Tone: „Was srägst Du mich? Folge Deinem Genius!" Und sie wandte sich ab von ihm und kehrte über den knisternden Kies der Gartenwege langsam dahinschreitend durch die geöffnete Pforte des Nebengärtchcns in ihr rcben- umsponnencs Heim zurück. „Folge Deinem Genius!" Der alte Rispori wiederholte, vor sich binmurmelnd, die Worte, die ibm so deutungsschwer erschienen: dann richtete er sich auf einmal auf, ballte die Faust, zerschmetterte die Laterne am eisernen Gitter des Gartens: „So haben sic mein Werk zerschlagen und mein Lickt verlöscht. Folge Deinem Genius! Ja, ich will ihm folgen., dock da ibm das Licht versperrt ist, so sichre» seine Wege in die Nacht... in den Abgrund. Ihr habt ihm verwehrt, Segen zu bringen; so soll sein Werk, mit Eurem Fluche be haftet, ein Werk dcS Hasses und der Rache sein. Er winkt.. er winkt... ich folge ihm." Rispori hatte einen festen Entschluß gefaßt, besten Aus führung er indcß ans die nächste "Nackt verschob: denn am Tage drauf sollte die Ernte abgeschlossen und daS große Erntefest gefeiert werden. Das war ei» Abschluß, den Rispori abwartcn wollte, ebe er seinem Genius folgte. Ein prachtvoller Sommcrtag brütete mit wachsender Hitze über den abgeernteten Stoppelfeldern und über den sich bock erbebenden Aebrenhäuptern, die noch am heutigen Tage fallen mußten. Trotz der großen Hitze ging die Arbeit rüstig von statten: die freudige Hoffnung aus den ,rcstabend wirkte anregend aus die Schnitter und frohe Lieder tönle» hinaus in die lastende Schwüle, die von keinem srisckcn Lusthauch gemildert wurde. Trotzdem befand sich Enrico wieder mittcn unter den Arbeitern, crniüvclc nickt, obschon ibm der Helle Sckwciß aus der Stirn stand, und war ei» Vorsänger, dem der folgsame Ebor den Refrain nickt schuldig blieb. Schon in den ersten Mittags stunden war das Tagewerk vollbracht unk Alles bereitet« sich vor zum Genuß des Festabends. (Fortsetzung folgt.)
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