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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921201029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892120102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892120102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-01
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I» der tza»pterp«ditio» od« de» t» EtaLt» Leztrk und den Vororten errichtete» Au«- yabeftellen abgeholt: vierteljährlich^l4.5H bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« » bckO. Durch hie vast bezogen sur Teutschland und Lesterreich: viertel,ahrlich S.—. Directe tägliche ihreuzbandjeabuag d>« Sutland: monatlich ^4 d — DieMorgen^lasqabe »ncheint täglich'/,7 Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentag« 5 Uhr. Ne-action und Erprditiou: Aaha«u,r«gasse 8. DI« Expedition ist Wochentag« ununterbrochr» gevwlet voa früh 8 bi« «bead» 7 Uhr. Filiale»: vtt» «e»»'O Sortiiu. (Alfrep Hat»)» UuiversitätSurabe 1, Laut« Lösche. Eatharineastr. 14. part. »ad König-Platz V. Abend-Ausgabe. 'tlprigtrTagMatt Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschüftsverkehr. Die d gespaltene Petitzeile SO , Reklame» u»ter dem Rtdaettoa-ftrich (4ae^ spalten) bO^, vor den Familirnaachrtchte» (6 gespalten) 40^. 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Daß das unterblieben ist, giebt zu allerhand Gerüchten Veranlassung, von denen jedoch nur das eine Er wähnung verdient, daß der Kaiser cö vermeiden wolle, sich persönlich besonders stark für die Vorlage in ihrer jetzigen Form zu engagiren. Diese Annahme erhält eine gewisse Unterstützung durch den in der Thronrede anSgedrücktcn Wunsch, cs möge sich eine „Einigung" herbcisübren lasse». Man kann nur wünschen, daß diese Deutung des Schweigens teö Kaisers über die Militairvorlage beim Empfange des ReichStagspräsidiums die richtige sei. Ist sie die richtige, so bleibt cS eine offene Frage, ob Graf Eaprivi auf seinem Posten bleiben kann, wenn wesentliche Veränderungen mit der Vorlage vorgeiiommen werden. Vielfach wird cS be zweifelt. Eine Privatmelduiig der „Voss. Ztg." berichtet sogar: „Bon verirauenSivcrther Seite wird dem „Geselligen" mitaelheilt, daß der Lbcrprüsident von Pommern, von Puttkam er, kürzlich eine Audienz bei dem Kaiser gehabt hat, in der die politische Lage im Reiche und in Preußen, wie sie hauptsächlich durch di« Militairvorlage geschaffen worden ist, und die folgerichtig« Möglichkeit einer Ministerkrijis zum Gegenstände der Unter- Haltung gemacht worden sein soll." Unmöglich ist es ja nicht, daß der Kaiser mit Herrn v. Pnltkamer über die Lage sich unterhalten hat. Aber daraus den Schluß zu ziehen, daß eventuell der ehemalige preußische Minister des Innern berufen sein werde, im neuen EurS eine Rolle am Steuer zu spielen, erscheint unS doch allzuküh». Man ist ja nachgerade an allerlei Ucberraschungen gewöbnt worden, aber wenn der Kaiser eine Einigung über die Militair- srage wünscht, so kann es kaum in seiner Absicht liegen, bei einer eocntnellen Kanzlerkrisis einen Politiker zu berufen, mit dem der Reichstag »och schwerer sich verständigen könnte, als mit dem Grasen Eaprivi. Vorläufig macht dieser nickt den Eindruck eines Manne«, der sich aus den Rücktritt vorbereitet. Zn Wien schwirren die Nachrichten über den AuSgang der parlamentarischen Krisis immer noch bunt durch einander. Während die Einen in Folge der Haltung des Grasen Taaffc nicht« mebr erboffen und den Bruch zwischen der Regierung und der vereinigten deutschen Linken als un heilbar erklären, behaupten Andere, daß die einmüthige Haltung der Linken nicht ohne liefen Eindruck auf die leitenden Kreise geblieben und vom Ministerium selbst die Initiative ergriffen worden sei, um die abgebrochenen Beziehungen zur Linken wieder anzuknüpfen, Zeit für Neuverhandlungcn zu gewinnen und Uber die Krise vorläufig wegzukoniine». Graf Taafse betreibe selbst den Plan, die Budgetberathung abzu- brcchen und dis nach Neujahr zu vertagen. Dazu bedürfe er aber der Bewilligung eines BudgctprovisoriumS und eines Steuerei nhebungsgesrtzes. Die einfache Mebr- heit hierfür sei ihm sicher, aber die Gcschästsordnnng Hilde ein Hinderniß, da sie zur Absetzung der ans der Tages ordnung befindlichen Gegenstände die Zweidrittelmehrheit verlangt. Die Polen seien sckvn für den Plan gewonnen; Plener widerstrebe noch, dürste aber schließlich zn- slimiiien. Die Entscheidung hänge vom Hohcnwartclub ab, der lebhaften Widerstand erbebe» dürste. Den Deutschen stelle die Regierung nur die Bedingung, daß Minister Kuenburg vorläufig sein Rücklrittögesnch zuriickziebe. Es muß nun zunächst abgewartet werden, ob diese Angaben sich bestätigen. Möglicherweise ist Gras Taafse im letzten Augen blick durch den Starrsinn der Iungczechen zum Einlenken in ein anderes Fahrwasser bewogen worden. Deren Organ „Narodny Listy" meldet jnämlick, daß der Iungczcchcn- clnb beschlossen habe, bei Berathung dcS Dispositionsfonds vollzählig ii» Abgeordnetcnhause zu erscheinen und gegen de» Dispositionsfonds zu stimmen, welcher dann mit 105 gegen 147 Stimmen fallen werde. Weiler wird ge meldet, man erwarte in der heutigen Sitzung de« Abgcord- > netenhauses eine Erklärung des Grafen Taafse, in welcher er die „Grundlosigkeit" der Mißstimmung der Linken darlegen wolle. Lange kann und wird die Ungewißheit über den AuS gang der KrisiS nicht mehr dauern. In Paris stehen die Dinge seit gestern noch auf dem alten Fleck Für Ministerkrisen, die dort mit wunderbarer Schnelligkeit auf einander folgen, existirt bereits ein be- timmteS Herkommen, das auch diese» Mal genau befolgt wird. Präsident Earnot berieth sich mit Loubet und den Vorsitzenden des Senates und der Deputirlenkammer und lud dann Brisson zu sich, um ihm die Bildung deS neuen Cabinets anzubieten. Ebenfalls dem Her kommen entsprechend, erwiderte Brisson, er müsse sich zuerst mit seinen Freunden besprechen. Inzwischen mag er sich entschlossen haben, dem an ihn ergangenen Auftrag zu entsprechen, da seine Parteifreunde versichern, Brisson sei entschlossen, ein Eabinet zu bilden, selbst wenn die Betheiligung gewisser Personen an dem neuen Ministerium, welche Brisson erwartet habe, unterbleiben sollte. Das Eabinet werde jedoch erst im Laufe des heutigen Tage« eonstruirt werden können. Gestern wurde vielfach ver sichert, Brisson werde zwar daS Cabinet bilden, nicht aber selbst an dessen Spitze treten, vielmehr die eigent liche Leitung des Cabinets dem früheren Minister Bour geois überlassen. Diese Idee hat aber bereits rin Theil der Pariser Presse mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Bourgeois sei als früherer UnterstaatSsecretair wie Floquet heute, wo gewissermaßen daS Land sich in einer allgemeinen Tugendbeaeisterung befinde, unmöglich; ein Mann, der Floquet vor der Panama-Commission von der schweren Anklage ent lasten müsse, welche theilweise auch gegen ihn selbst erhoben sei, sei regierungSunsähig. Im Parlament spricht man von dem Wiedereintritte von Goblet» Lockloy und Ave-, sowie von Guyot in daS Eabinet. Daß nicht von allen Leuten die Sendung des Gene rals Brialmont nach Konstantinoprl mit günstigen Blicken betrachtet wird, bedarf wohl nicht erst der ausdrück lichen Versicherung, ebensowenig, daß die Wißbegicrtc rastlos bemüht gewesen ist, hinter da« Geheimniß der Vorschläge de» belgischen IngenicurgenicS zu kommen. Jndcß bis jetzt ohne Erfolg, da seiten« der osficiellen türkischen Kreise über den Inhalt der dem Sultan unterbreiteten Denkschrift de« belgischen Gene ral- strengste Amtsverschwiegenheit beobachtet wird. Umsomehr gilt eS als ausgemacht, daß die vom General Brialmont an«- gearbeitetcn Pläne von höchster strategischer Be deutung sind und, wenn sie zur Durchführung gelangen sollten, aus der Dardanellenposition eine uneinnehm bare Stellung machen werden. Es läßt sich also denken, daß Zetleluiigrii vorbereitet werde«, bezw. schon im Gange sind, eine» strick durch daS ganze Unternehmen zu machen. Ihr Erfolg hängt allerdings wesentlich von vorgängiger Konntniß der Brialmont'schcn Projectr ab, ohne welche die Gegenzüge des anderen Theils völlig in der Luft hängen und mehr aus« Gerathewohl als mit überlegter Eonsequenz gcthan werden müssen. Bemerkt zu werden verdient, taß dem General von türkischer Seite die Be schaffung alle- de« informatorischen Materials, dessen er zur Abfassung eines gründlichen, erschöpfenden Memorandum« bedurfte, auf alle Weise erleichtert worden ist. Der General durfte alle festen Plätze, alle Etablissements und Arsenale aus das Eingcbendste besichtigen, deren Kenntnißnahme sonst den ausländischen Militairs obne AuSnakme vorcnthalten wird, desgleichen selbst den Officiereii der Armee des Sultans selber, soweit letztere nicht dienstlich dazu veranlaßt sind. Nach dem, was der General gesehen bat, zu urtheilen, würde seine Denkschrift das Problem der Vcrtheidigung Konstanti- nopels im weitesten Umfange des Wortes zu lösen unter nehmen, nicht nur soweit die User des Bosporus in Betracht kommen, sondern unter Einbeziehung der ganzen europäischen und des größten Theils der klrinasiatischen Türkei. Unter nahm Loch der General RecognoScirungSreisen bis nach Der erste Tag der Etatsdebatte im Reichstage. O Berlin, 30. November. Der erste Tag der Etatsdebatte im Reichstage hat noch nicht gehalten, was die Nation von dieser herkömmlichen Gelegenheit, die Rebierungspolitik im Allgemeinen zum Gegenstände der Erörterung zu machen, sich verspreche» durste. DaS Centrum, daS zuerst von den Parteien zu Worte kam, halte vorerst, vielleicht aus triftigen Gründe», von der Boranstellnng einer führenden Persönlichkeit abgesehen. Herrn Fritzen's Ausführungen gingen eindruckslos am Hause vorüber, eS erregte nicht einmal Heiterkeit, als er nach dem Vorgänge Or. Liebers den Papst als Schiedsrichter in den europäischen Streitigkeiten empfahl. Der ihm folgende Abz. Richter, seinem Wesen nach mehr zum Ausgrcifen und AuSpreffen von Einzelheiten, als zu der zusammenfaffende» Betrachtung eines Ganzen veranlagt, ließ große und selbst nur allgemeine Gesichtspunkte vermissen. Da eS dem Reichs kanzler heute offenbar hauptsächlich darum zu thun war, Herrn Richter zu widerlegen, verstand es sich von selbst, daß auch er sich überwiegend polemisch erging. Nur als er die Nothwendigkeit einer Verjüngung der Armee darzuthun ver suchte, erhob sich Graf Eaprivi mehr zum Positiven. Von dem Reichsschatzsecretair Freiherrn von Malt- zahn hätten wir fast zu sprechen vergessen, obwokl er der allererste Redner war und zweimal sprach. Seine EtatSrede war von der hergebrachten Dürftigkeit, nur daß in einem Augenblick, wo die RcichSregierung mit dem Ver langen dreifacher Steuererhöhung im Betrag von etwa 60 Millionen Mark jährlich auf den Plan tritt, dieser Mangel besonders übel empfunden werden mußte. Der Abgeordnete Richter sprach wirklich dem ganzen Hause aus der Seele, als er dem Eindruck die Worte verlieh, man glaube eher einen subalternen Calculator als den Ehef eines Fuianz- refsortS gehört zu haben. In dem größeren Uebrigen wird der deutschsreisinnige Führer Wohl selbst kaum den heutigen Tag zu den vielen glück lichen rechnen, die er als wirksamer Parlamentsredner schon zu verzeichnen gehabt bat. ES trat denn doch zu deutlick^hervor, daß die Rede auf die Massen berechnet war, und dir Reclame, die wir spätestens übermorgen für die gedruckte Rede (L 25 ^s, im Massenvertrieb billiger) io der »Freis. Ztg." zu lese» be kommen werden, schwebte säst während de« ganzen Vortrag« vor dem geistigen Auge de« Zuhörers. Offenbar um den Absatz der Broschüre nicht zu verzögern, hielt sich der Viel- gewandte die-mal an lange Auszeichnungen — er nahm häufig rin förmliche- Leporello-Register vor« Auge —, und dieser selbstauserlcgte Zwang beeinträchtigte die freien Ein gebungen, die gewohnten „Schlager", wenigstens qualitativ. Ein Hauptgedanke, den Herr Richter lange auSspann, war, daß Gras Eaprivi in seiner „großen" Rede da« Aus land förmlich eingeladcn habe, un» jetzt, wo wir „alt, schwach und lose" seien, zu überfallen. Und da muß man zugestchen: es ist die verkehrte Welt, wenn ei» Civilist und Oppositions führer gegen einen General und deutschen Reichskanzler mit Recht den Vorwurf erheben darf, daß Letzterer unterlassen habe, im AuSlaude den Eindruck zu erhallen, daß wir zur Noth auch obne die geplante (erst später zur Wirkung ge- lanaende) HeereSverstärkuna einem Angriffe gewachsen seien. Recht interessant, aber gänzlich wirkungslos war die Er scheinung, daß gerade das Haupt der deutschsreisinnigen Partei sich berufen fühlte, da« Wort des Reichs kanzler» von der Verweigerung der Gelder, während die Vor fahren ihr Blut gegeben, zurückzuweisen. Dem gegenüber war eS dem Grafen Eaprivi ein Leichtes, an der Hand des deutschfreisinnigen Sündenregister« den Mangel der sub jektiven Berechtigung zu dem Hinweise auf früher für die Wehrkraft gebrachte Opfer darzuthun, und hier trug der Kanzler auch einen vollen Erfolg davon. Ebenso, als er Herrn Richter eine allerdings überraschende Unkenntniß in Dämmerungen. Roma» in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. bl I Nachdruck »erdeten. (Fortsetzung.) „Ich höre", versetzte diese gleichgiltig vor sich binbrütend. „Mein neuer Roman führt den Titel „Dynamit". Du brauchst dabei nicht an die Spreiiggeschosse ver Nihilisten zu denken, an den niedlichen Kaisermord, den das schöne Fräulein von der Newa in der Schürze trug! Nein, es bandelt sich nur um geistige Sprengstoffe. Die ganze Gesellschaft ist faul, die sogenannte Familie, die Politik, die Börse, die Kunst — eS kommt der Lroßc Krach — und das Genie legt die Lunte an! O es ist ein Unglück, ein Genie zu sein — eine Kassandra, wenn man auch keine Priesterbinde hinzuwerfen braucht! Doch in der That, Teresa — ich finde, daß Du Dich wenig um mein schöpferisches Streben kümmerst; denk' an Heine: Wenn Du meine Verse nicht lobst, Laß ich mich von Dir scheiden. Doch ia, die Sorgen, die alltäglichen Sorgen — wir wohnen einmal nicht im Himmel deSZeuS, sondern auf der musfigen Erde." „Doch wir können im Himmel wobncn", versetzte Teresa, „wenn treue Liebe unS vereinigt halt." Lotbar setzte sich an« Clavier und spielte einige wilde Phantasien, au- deren Umrankungen sich zuletzt als eine Blume die Melodie des Liede« von der Liebe ohne Treue auS „Boccaccio" heraushob. Teresa kannte dies Lick ... sie hatte es oft genug gesungen — doch diesmal schnitt cs ibr in'« Herz. Ein müde« Echo von dem Beifallssturm, den sie damit erregt, zog durch ihre Seele; doch jetzt klang ibr daS Alle- wie bitterer Hohn. Liebe ohne Treue — das war ja jetzt ibr Untergang „Laß Dich'« nicht grämen", sagte Lothar, „es kam mir so Dingen der HeereSverfaffnng Nachweisen konnte. (Richter meinte,die Neservedivisionen beständen aus Reservisten, während sie von Landwehrleuten gebildet sind.) In seinen Bemerkungen zum Etat eignete sich Herr Richter die alte Forderung deS Herrn v. Bennigsen nach einem verant wortlichen Reichsfinanzmiiiister an, ei» Bedürfnis), daS, aller dings obne cS zu wollen, Frhr. v. Maltzabn schon vorher als ein schreiendes dargetkan batte. WaS Herr Richter über die Belastung der Bevölkerung durch die indirecten Stenern zu bemerken für gut fand, zeigte besonders deutlich, daß der Vortrag weniger auf da« Parlament al« auf die Gasse berechnet war. ES ist eine demagogische Leistung, wie sie selbst einen Bebel beschämen muß, wenn Herr Richter behauptet, die indirecten Steuern beschwerten daS Volk derart, daß der gemeine Mann, der fünf Kinder zu ernähren bat, 35 Tage im Jahre arbeiten muß, nur uni den auf ibn entfallenden Stenerbetrag zu ver dienen! „Briugt'S keine Ebr', so bringt'« doch — Mandate." Graf Eaprivi war sichtlich gereizt, als er sich zu der Er widerung erhob; er begegnete dem deutschsreisinnigen Fübrer in einem Tone, der die Vermuthnng rechtfertigt, der Kanzler habe nicht begriffen, daß sein Gegner vornebmiich zum Fenster hinaus sprechen wollte. Nach ihm übersührte Freiherr v. Malpalm, diesmal glücklicher, Herrn Richter einer irrthüm» tichen Auffassung der die Matricularbciträge betreffenden Stelle der Thronrede und rechtfertigte seine Reisen zu den mittelstaatlichen Finanzministern, die keine Bettelreiscn ge wesen seien. Als sich sodann der Reichsparteiler Herr v. Kardorff erhob, entleerte sich daS ermüdete HauS mit großer Geschwin digkeit. Der Redner sprach, gleich Herrn Richter, vorzugs weise über die Militairvorlage. Ob er sie aber anuchmrn oder abtehncn wird, ging aus seinen Worten nicht bervor, doch scheint da« Erstere daS Wahrscheinlichere. DaS Beste, wa« Herr von Kardorff an ihr findet, ist die Beibebaltung der gesetz lichen dreijährigen Dienstpflicht, „so daß auf sie zurückgegriffcn werden kann, wenn sich das Experiment nicht bewährt." Es ist recht dankenswerth, daß von einer solchen Seite klipp und klar — und zutreffend — erklärt worden ist, daß daS in der Begründung der Militairvorlage gegebene halbe Versprechen gar nichts zu bedeuten bat und die zweijährige Dienstpflicht m dem Entwürfe selbst keineswegs garantirt ist. Die Mah nung des Redners an die Ullramontanen, mit Rücksicht auf die italienischen Empfindungen und den Dreibund m ibrcn Versammlungen nicht von der Wiederherstellung des Kirchen staate- zu reden, ist natürlich in den Wind gesprochen. Seine Feststellung aber, daß in Italien eine größere Hinneigung zu Frankreich Platz greife, hatte die Wirkung, die immer ein- tritt, wenn ein ernstes öffentliche- Geheimniß zum ersten Male in Worte gekleidet wird. Daß Herr v. Kardorff sich auch bei dieser Gelegenheit mit kühnem Schwung auf sein Steckenpferd, die Doppel währung, schwang, kann nicht Wunder nehmen. Die Be hauptung: „mit der Goldwährung wächst das Capital und mit ihm der Antisemitismus" ist jedoch allzu kühn. In Oesterreich, wo die AhlwardtS dutzendweise >n ReickSrath und Landtagen sitzen, hat man zur Zeit die Goldwährung noch nicht. Wie jchon bemerkt, der heutige Tag bietet geringe politische Ausbeute. Wir baden guten Grund zu der An nahme, daß die morgige Debatte aus ein höheres Niveau ge bracht werden wird. Als zweiter Redner wird morgen der natioaalliberale vr. Buhl das Wort nehmen. Politische Tagesschau. * Leipzig, l. December. ES hat allgemeines Aussehen erregt, daß beim Empfange des Präsidiums deS Reichstags durch den Kaiser kein Wort über die Militairvorlage gefallen ist. Aller dings hat die Thronrede, mit welcher der Kaiser den Reichs tag eröffnete, mit allem Nachdruck das große Gewicht in die Finger. Liebe und Treue sind jedenfalls zweierlei; dock eS ist ganz schön, wenn sie bcsammen sind! Komm, Te- reSchen, Stern meines Leben- — setz' Dick zu mir, schmolle nickt! Du vor dem Standesamt, eine gewöhnliche Sterbliche — eine Stobitzer — oder wie der alte Bäcker beißt — cs ist traurig, daß Einem der Herr Standesbeamte oder Geist liche einen solchen Namen in- Gesicht sagen darf! Dir ge fiele das wobl, Teresa? Es wäre ein schlechter Geschmack!" Sie hörte — und glaubte nicht recht zu Horen; sie sab ihn mit großen, fragenden Blicken an. Wer konnle de» reckten Ton hcran-hören aus diesem Wirrwarr von Töne», welche Lothar sprunghaft anscklng? Dock durfte er so bei läufig ihr Innerste- berühren, ihren heiligsten Hoffnungen zu nahe treten, der gepflückten Blume sagen, daß er sie in den Staub werfen wolle? „Der Scherz hört auf", sagte sie, „wo cS sich um ernste Lebensfrage» bandelt!" „Nicht so empfindlich, mein Herz! Der Spaßmacher möge da verabschiedet werden; aber der Humor, die lächelnde Thräne im Wappen, bat auch da sein gutes Reckt. Im Uebrigen muß ich Dir sagen, daß ich Dick einige Tage nickt ärgern werde; eine kleine Trennung, welche die Sehnsucht weckt und die Freude des Wiedersehens in Aussicht stellt." „Du willst fort von hier?" „Nur auf kurze Zeit — und nur aufs Land hier in der Nähe! HelmerSheim . . . beißt das Nest. Es ist nur ein Dorf und bat einen dicken Kirchthurm, der auSsieht, als säße er ans einer Stadtmauer — Du wirst ihn Wohl schon ein mal bei einem Spaziergang gesehen haben. Ich aber werde aus dem Schloß einquarliert sein" „WaS führt Dich dort bin?" „Stoffmangel, mein Kind — daS Schlimmste, WaS einem Journalisten begegnen kann; ich habe kein Holz, a»S dem man Artikel schnitzt. Da war mir« sehr willkommen, daß die Redaction unseres Haiiptblattc« mir einen solchen Stoff an die Hand gab. Der Herr von Helmersheim, ein Baron von Senden, wünscht, daß einmal in unserem Feuilleton sein Sckloß mit allen seinen Kunstschähen geschildert werde. Der Mann soll sck'öne Sammlungen haben — und die Redaction hat mich als Berichterstatter vorgrschlage». Bildende Kunst ist gerade nickt mein Steckenpferd — doch die Hauptsache ist, daß man über Alles schreiben kann. Auch wird sick's wohl weniger um die Kunst, als uni das Kunstgewerbe handeln — und da entscheidet ja bloS der gute Geschmack. Ick habe den Baron beute kennen lernen . .. nun, c« muß auch solche Käuze geben! Er verträgt, glaub' ick, die dickste Tinte, wenn eö sein Lob und daS Lob seines Besitzes gilt . . . und ick werde mir einen Manrerpinsel mituchmcn, um Alles nach Wunsch anzusticichen." „HelmcrSbeim?" sagte Teresa; „ich glaube, Dein Bruder ist dort Hausarzt." „Deshalb wurde ich so freundlich von dem Baron be grüßt ... er fand zwar keine Spur von Achnlickteit zwischen unS Beiden, doch ich flößte ihn, gleich großes Vertrauen ein." „Es soll dort eine hübsche Tochter sein?" „Doch sie ist schon verlobt und zwar mit dein wilden Naugrasen. Du kannst ganz ruhig sein." „Ich glaube überbaupt nicht", sagte Teresa lächelnd, „daß Du einer jungen vornebmen Dame vom Lande gefährlich werden könntest. Dein Genie weiß sie nicht zu würdigen und Deine Manieren werden mit den Grundsätzen, nach denen sie erzogen ist, wenig im Einklang sein." Siebes Kind", sagte Lotbar, sein Haupthaar schüttelnd, unangenehm von dieiem Zweisel an seiner ttnwiderstrblichkeit bcrübrt, „ick gehe nichl auf Eroberungen auS, das thu' ich Dir nickt an; sonst, glaube mir, nichts leichter, al« über eine solche Unschuld vom Lanke zu triumphiren. Hat sie ein euipsänglichcs Gemütb, so wird sie sich der wunderthätigen Macht de« Genius nickt entfiel,cii; ist sie aber beschränkt in den alten Geleisen thörichker Gewohnbeit ausgewachsen, so wird gerade daS Neue, Aparte ihre Neugier erwecken. Und bei derartigen Märchen wohnen Neugier und Liebe nur »in die Ecke. Ileberhaupt bat die Liebe sehr viel mit der Neugier gemein — und wenn diese befriedigt ist, bleibt für die -andere nicht mebr viel übrig " „Aber sie wird Dich für einen Bären ... für einen Hinter wäldler halten." „DaS wäre nicht so schlimm, denn mir fällt ein, daß sie ja früher ;» einem an« Nordamerika zurückgekehrten Jüng ling eine zarte Neigung gehabt baben soll — dem Sokne ke großen Zauberers und Goldmachers, den sie ja jetzt in« Irrenhaus gebracht haben, weil er seine eigenen Scheuern in Brand gesteckt hat." „Und mit einem Andern bat sie sich verlobt?" „Die Ehe ist eine Versorgung — wenn der Alte den Stein der Weisen gefunden hätte — da wäre eS ander« ge kommen. Der Baron brauchte Geld, viel Geld — da nahm er sich einen steinreichen Schwiegersohn, und das Mädchen, das dabei auch einigermaßen in Betracht kam, mußte seine Zustimmung geben — sonst war der Vater ruinirt." „Die Aermste!" seufzte Teresa. „DaS ist einmal nicht ander« bei unseren Ehen. Ich habe von der Liebe eine bessere Meinung. Dock nun, lebe wohl, Teresa. Ich schreibe nachher noch einige Briefe, ehe ich nach HelmcrSbcim ausbrecke; ich lege überall den Artikel bei, den ich für da« kiesiae Modejournal über Dich geschrieben habe, — mit Deinem Bilde. Dir ist darin etwa- geschmeichelt, im Bilde, mein' ich, nicht in der Kritik. Da sprüht Dir noch etwas der Operettenteufcl auö den Augen. Du siehst nicht ganz so schmachtend aus wie jetzt. Vielleicht erhalt' ich in» zwijcken bessere Nachricht. Singe nur fleißig, daß Du die musikalischen Tücken nickt verlernst — eS ist ja zunächst Dein einziger Vroderwerb. Noch einen Kuß, Teresa und — auf baldige- Wiedersehen!" Kaum batte Lothar das Zimmer verlassen, als eine tiefe Schwermutb die Sängerin ergriff; das Gefühl grenzenloser Oede und Vereinsamung kam über sie; es lockerte sich da« Band zwischen ihrem Herzen und demjenigen des Freunde«. Lothar machte ibr den Eindruck eines Flüchtlings; er strebte schon fort, weit fort von ihr. Warum hatte sie gewagt, dem Genius Fesseln anzulegcn, der unaufhaltsam weiter stürmt? Er kennl nur den Augenblick — Alles, wa« Dauer verlangt, läbmt ihn und quält ihn? aber sie, selbst mit dem Herzen voll bingebender Liebe, welche keine Schranke der Zeit kennt — WaS stickte sie bei ihm? Sie hatte der Welt ferngestanden; er hatte sie gelehrt, was Leben und Liebe sei — sollte sie daS mit dem Preise eines zerstörten Dasein« bezahlen? Lotbar selbst hatte ihr vorgelrsen au« dem Werke eine« ilalienischen Gelebrten, daß da« Genie, der Wahnsinn und da» Verbrechen Grenznachbarn sind — und in diesen un»
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