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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921205024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892120502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892120502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-05
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Die im deutsch konservativen Lager immer sichtbarer werdende Spannung, die auf dem bevorstehenden conser- vativen Parteitage möglicherweise zu einer Spaltung fuhrt, wird von der Presse keiner anderen Partei mit so unver- I,»bleuer Schadenfreude verfolgt, wie von der Presse der Deutschfreisinnigen. Und doch sieht es mit der Einigkeit und Geschlossenheit in dem Lager, in dem Herr Eugen Richter das Commando führt, nicht anders und besser bestellt, als im deutschconservativen. DaS gebt am deutlichsten aus den steno graphischen Berichten nbcrdie Elalsdcbatte im Reichstage hervor. Die beiden Seelen, die im Fractionsbusen der Deulschfreisinnigen wohnen und sich von einander trennen möchte», geriethen in dieser Debatte in offenen Streit. Die eine dieser Seelen, die sich in Herrn Eugen Richter verkörpert, will die Opposition gegen den neuen Kanzler in derselben principiellen Weise führen, wie früher gegen den Fürsten Bismarck; die andere, die aus Herrn Ricke rt spricht, ist dieser principiellen Opposition müde und möchte sich namentlich in Bezug auf die Militairvorlage die Hände nicht binden lassen. Die Rede des Herrn Rickert am letzten Tage der Etalsdebatten hat eine ganz andere Färbung als die des Abg. Richter vom 30. November. Während bei Richter alles nur herbe und herbste Kritik war, ging sein Fractionscollegc so weit, einen günstigen Wandel in der auswärtigen Politik seil dem Ausscheiden des Fürsten Bismarck zu constatiren; auch wollte er als Freisinniger nur vom Jahre 188 t ab an- gesprochen sein und die Abstimmungen aus seiner früheren »ationaltiberalen und seccssionistischen Zeit zu Gunsten wichtiger Reichsgesetze,! wie z. B. des SeprcnnatS von 1880, nicht übergangen wissen. An einer Stelledcö Lobes für den gegen wärtigen Kanzler rief derAbg. Richter dazwischen: „Solches Ver trauen habe ich nickt", und zum Schluß der Sitzung erklärte er im Namen seiner Freunde „persönlich", daß sie überhaupt keine Politik persönlichen Wohlwollens oder Mißwollens trieben. Zu einer vollständigen Spaltung werden diese Differenzen min allerdings schwerlich führen, denn dazu übt der „frei sinnige" Herr Richter ein viel zu strammes Regiment. Aber gar nicht unmöglich ist cS, daß die dcutschfrcisinnigc Partei bei der Abstimmung über die Militairvorlage sich wenigstens insofern trennt, als ein Theil durch Abwesenheit glänzt, um nicke gegen den Fractionspapst und nicht mit ihm stimmen zu müssen. Im Parteiinteresse mag es ja liegen, auf solche Weise über innere Gegensätze hinwegzukommen, aber weit mehr würde cs im Interesse einer Klärung der politischen Gesammllagc liegen, wenn offen sich trennte, was nicht innerlich zusammeii- gehörl. Offener und ehrlicher ist es jedenfalls, wenn die Dcutsch- conservaliven nicht eine Einigkeit heucheln, die in ihrem Lager nicht herrscht, und unser zerfahrenes Parteileben kann nur gesunden, wenn die Unwahrheit aufhört, die in der Ver tuschung tiefgehender Gegensätze liegt In der am Sonnabend in Wien abgehallenen Clubsitzung der vereinigten deutschen Linken wurde Herrn von Plen er einstimmig der Dank für die staatsmännische und kräftige Führung in den letzten großen Debatten, welche das Ansehen der Partei wesentlich gehoben habe, ausgesprochen. Herr von Plener erwiderte, der Erfolg sei vor Allem der unerschütterlichen Einigkeit der Partei znzuschreiben. Zahl- reicheZustimmungstelegramme wurden verlesen, die insgesammt die Aufforderung des VerharrenS in der Opposition enthalten. Telegramme aus Linz insbesondere, wo Graf Kuenburg vor seiner Berufung in das Ministerium seinen Wohnsitz hatte, sprechen demselben den wärmsten Dank aus für die selbstlose, encrgischeVcrtretung der Interessen desDeutschthnms. InBetreff der Gründe, die den Grafen Kuenburg zur Demission veranlaßt haben, wird jetzt bekannt, daß er sich bereits durch die Auflösung der Rcichenberger Gemeindevertretung, welche geplant und auS- geführt war, um zwischen die Deutschen Oesterreichs den Zankapfel zu Wersen, tief berührt fühlte. Als der Minister präsident dann noch dazu hinter seinem Rücken mit dem Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. Ü4j ' Nachdruck «erboten. (Fortsetzung.) „Dazu bin ich gern bereit — und daß ich die Wahrheit spreche, dafür stelle ick einen Bürgen, den Sie nicht ver werfen werden, den Grafen selbst! Meine Freundin war ein armes schönes Fischermädchen i» Zell am See im Ocsterreichischen; der Graf lernte sie kennen; sie war ihm in leidenschaftlicher Liebe ergeben; er verließ sie und sie stürzte sich in die F.nthen des Sees; vorder aber schenkte sie mir diesen Ring zum Angedenken. So wenig batte sich der Gras um die Geliebte gekümmert, daß er dies alles erst vor Kurzem von mir erfahren." Marie war erblaßt; sie kämpfte eine schmerzliche Be wegung nieder; in der That, der Schatten aus der Ver gangenheit warf sich über ihre Zukunft. Ein Ehrenmann — wenn sic auch daran nickt mehr glauben durste... war ihr Opfer noch möglich? Konnte sie es noch rechtfertigen vor sich selbst? Frau Abraham schien zufrieden mit dem Eindruck, den ihre Miltbeilnng gemacht; der geizige Graf mochte zuseben, was er mit seiner hochmütkigcn Zurückhaltung angericklet. Der Ring, den er nicht zurückkaufen wollte, batte seine Schuldigkeit gctban. Wie ein Täubcken, dem ein Wetter guß die zarten Schwingen verregnet, stand Marie vor ibr; „LaS ist eben das Leben", dachte Frau Abraham, „mag sie'S kennen lernen, die bolde Unschuld ... sie wird ihre Engels flügel schon etwas zusamiiiensaiten müssen. Ick sch' es gern, wenn Mehltbau aus solche Blumen fällt, die so beleidigend weil ihre Lilienkelche öffnen, als siele nur Thau vom Himmel." Schadenfroh betrachtete Frau Abraham die gestörten Züge de» Mädchen-; sie kicherte vor sich hin; noch hatte sie rin Fürsten Schwarzenberg über politische Erklärungen und Be setzungen von Ministerposten verhandelte und bindend abschlvß, da hielt Graf Kuenburg es mit seiner politischen Ehre un verträglich, als politischer Strohmann zu fluigircn. Diese Gründe der nolhwendig gewordenen Trennung vom Grafen Taaffe sind auch in dem Abschiedsgesuche des Ministers an den Kaiser nniimwuiideii ausgesprochen; lünzugefügt ist nock, daß Sttienburg den Inhalt der letzte» Rede des Grafen Taaffe nicht zu billigen vermöge und voraussehen müsse, daß seine politische» Freunde sich durch dieselbe veranlaßt scben werden, sich von dem Cabinet abzuwenden. Besonders bervorgehoben muß noch werde», daß Graf Kuenburg seine Demission anS eigener Initiative einreichte, ohne vorher die Partei freunde befragt zu haben — ein durchaus correcter und würdiger Standpunkt für einen vom Kaiser ernannten Staats-Minister, als welchen Graf Kuenburg sich be kanntlich vom ersten Augenblicke seiner Thäligkeit an be trachtete. — Die ofsiciöse „MontagSrevue" schreibt: „Wie sehr Graf Taaffe bemüht ist, alle Folgerungen aus dem Zwischenfalle der letzten Woche hinlanzuhatten, beweist der Umstand, daß er trotz der Verweigerung des Dcposilenfond« durch die Linke bis heute das Entlassungsgesuch Kuen- burg's dem Kaiser nicht vorgelegt hat. Kuenburg erhielt sowohl von dem CabinetSchef, als von allen Mitgliedern der Regierung wiederholt die Versicherung, daß sich an der Politik des Cabinels nichts geändert habe und nicktS ändern werde. Taaffe will Kuenburg nicht ziehen lassen. Die Deutschliberalen können ibn freilich auS deni Cabinct herauSzcrren, aber erst wenn die Partei auch nach der jüngsten Erklärung der Regierung auf die Ausscheidung ihres Vertrauensmannes besteht, wird Taaffe nicht umhin können, dem Kaiser das EntlassiiiigSgesnch vorzu legen; erst dann wird der Bruch zwischen Taaffe und der deutschliberalen Partei unheilbar vollzogen sein." DaS offi- ciöse Blatt erinnert an die entschiedene Ablehnung des An sturms der Klerikalen aus die confessionslose Schule und fügt geheimnißvoll drobend binzu, „nach Taaffe können Andere kommen, die weniger zähe an einem einmal gefaßten Ent schluß festhalten." — Zn der heutigen Sitzung wird Taaffe die Anfrage wegen der Auflösung des Rcichenberger Sladt- rerordnetcn-CollcgiumS beantworten nnd es ist sehr wahr scheinlich, daß dabei die Gegensätze wieder stark aufeinander treffen werden. Graf Taaffe bemüht sich krampfhaft, seine Stellung zu behaupten, schließlich aber werden ihn aber doch alle diplomatischen Künste nicht vor dem Falle bewahren. Bei Beratbung des Kriegsbudgets in den Ausschüssen der niederländischen Kammern zeigte sich, daß eine sehr ungünstige Stimmung für den Kriegsminister Oberst Seyfsardt herrscht. Es wird demselben vor- geworsen, daß er außer dem Gesetze über die HecrcSorganisation keine einzige der von ihm in Aussicht gestellten Vorlage» eingebracht habe, und cs machen sich Bestrebungen kund, den Kriegsminister durch Verweigerung seines Budgets zu Falle zu bringen. Dem gegenüber wird aber betont, daß die Einbringung der übrigen Gesetzentwürfe in Folge gemeinsamen Beschlusses des Ministerratkes unterblieben ist, und daß aus diesem Grunde das Cabinet den Kriegsminister nicht allein fallen lassen werde. Zu der Mißstimmung gegen Letzteren bat insbesondere der Umstand beigetragen, daß derselbe sich über das Princip der allgemeinen Wehrpflicht weder pro, »och contra ausgesprochen hat. Bei der Blidgetberatbling war auch der militairische Hofstaat der Königin Gegenstand neuerlicher Angriffe. Das gesainntte Mehrersorderniß für die Durch führung der neuen Heeres-Organisation beträgt nicht mehr als 88 120 Frcs., aber auch dieser geringfügige Betrag scheint den Deputieren zu hoch, denn der Ausschuß beschloß eine Reso lution, daß zede, wie immer geartete Mehrausgabe vermieden werden soll. Nach dem neuen Entwürfe soll die Eintbeilung der Armee in die eigentliche Truppe, die Landwehr und den Landsturm, welche bisher von der Krone abbing, nunmehr gesetzlich durch die Gcncralstaaten geregelt werden. Gift in Bereitschaft, welches seine zersetzende Wirkung nicht verfehlen würde. „Uebrigens, da ich einmal im Plaudern bin ... nicht die ganze Liebesgeschichte, von der ich erzählte, ruht im Grunde des tiefsten Alpensees. Es ist etwas davon übrig geblieben — eine kleine Mahnung an die vergeßlichen Männer ... eine Tocktcr!" Marie drückte die Hand auss Herz. „Das ist aber mein Gehcimniß", versetzte Frau Abrakam; „einen Trumpf muß man in der Hinterhand halten, wenn man das Spiel gewinnen will." „Sie lebt... und hier?" „Ich könnte sie jeden Augenblick bcrbeizaubern. Von dem waö ick weiß, hat weder sie selbst, noch der Gras eine Ahnung." „Es ist gut", sagte Marie nnd wollte sich entfernen nach kurzem Gruß; doch an der Thür drehte sie sich noch ein mal um. „Was kostet der Rubin mit dem Wappen?" „Tausend Mark, gnädiges Fräulein — soviel ist er mir Werth . .. und das ist der Preis für den Liebhaber. „Soviel Geld besitze ich nicht .. . doch ich kann einen Tausch anbietcn. Meines Vaters Güte hat mich mit mehreren Brillantringen ausgestattet. .. hier ist der eine davon. Mein Vater macht aus seinen Kaufgeschäften keine Geheimnisse; er freut sich billiger Einkäufe.. . nnd so hat er mir damals Len Preis genannt; er entspricht demjenigen, den Sie für den Rubin verlangen." Frau Abraham nahm den Brillantring und betrachtete ihn mit kundig prüfenden Blicken. Der Tausch gegen den Rubin war immerhin ein beträcht licher Gewinn; sie nickte zustimmend und so wurden die Ringe gelauscht. „Ich werde Susette rufen", sagte Marie, „sie mag Sie aus dem Park hinauSgeleiten." Marie verließ den KioSk . .. wieder ging sie an den Trauerweiden vorüber ... o, sich so hinabzuneigen tief, lies in die alle- vergrabende Flulh. Ihr war web ums Herz und todesbang — in welche Hand hatte sie sich und ihre Tie Lösung der Cabinetskrisis in Paris wird von Tag zu Tag schwieriger. Nachdem am Sonnabend Abend Casimir Perier de» Auftrag zur CabinetSbildung dem Präsidenten Carnot zurückgeaeben hatte — seine Bemühungen waren hauptsächlich deshalb gescheitert, weil er darauf be stand, Frcycinet im Ministerium beizubehalten —, so ließ Carnot noch am Sonnabend Bourgeois in das Elysve zu sich bescheiden, doch auch mit diesen! kam es zu keiner Ver einbarung. Am Sonntag Vormittag batte alsdann Präsident Carnol eine Beratbung mit Lonbet, Brisson, Bourgeois und ConslanS; er forderte sie auf, ihren ganzen Einfluß zur Lösung der Ministerkrise aufzubietcn, da sonst eine Kammer-Auflösung unvermeidlich sein würde; Neuwableii in diesen« Augenblicke wären aber der Republik gefährlich. Nach den neuesten Nachrichten hat sich, Carnot im letzien Augenblick an den bisherigen Äckerbauminisler Develle gewandt und dieser war gestern den ganzen Tag über bemüht, i»it Bourgeois, Ribot und Casimir Perier ein Cabinet zu Stande zu bringen, in dem Ribot den Borsitz führen würde. Rach einem soeben cinlausendcn Telegramm hatte Develle gestern Abend eine Besprechung mit Lonbet nnd stattete daraus dem Präsidenten Carnot einen Besuch ab. Lonbet gebachte sich heute gleichfalls zu», Präsi denten zu begeben. — Tie Namen von mehreren Abgeordneten, die durch Strohmänner Checks von der Panama ge scllschast eincassiren ließen, werden von dem Blatte „Libre Parole" jetzt mitgetbcilt; so versteckt sich hinter dem Namen Goldschmidt der Handels- Minister Roche, hinter dem Bureaudiener Davoust der Kriegs minister Frcycinet und der Finanzminister Rouvier, hinter Dufter der Abgeordnete Antonin Proust, hinter Cbevillard der frühere Minister Barbe. Weiter nennt „Libre Parole" die Abgeordneten Baron Dufour und den Senator Albert Grcvy, Bruder des früheren Präsidenten. Wie verlautet, erhielt Professor Brouardel bereits Auftrag, die Untersuchung der Leiche des BarvnS Rein ach vorzu- nehmcn; sie wird im Pariser Hotel Dien in Gegenwart von Zeugen stallfinben. In Spanien bat sich in den letzten Tagen wieder ein mal eine partielle Ministerkrisis abgespielt, die von der liberalen Opposition mit großem Geschrei als der Vor bote einer allgemeinen Krisis bezeichnet wird. Den Anlaß bildeten die mannigfachen Mißbräuche in der Madrider Stadt-Verwaltung. Bor Kurzem erst hatte der Bürger meister Bosck liiiter der Entrüstung der Bevölkerung über die schlechte Leitung der Iabrbundertfesle seinen Posten aufgeben müssen, obgleich er sich des Schutzes des Eoloiiialministers Römer» Roblevo erfreute; an seine Stelle war der Marquis von Cnbaö getreten, der eine gründliche Säuberung des städtischen Augiasstalles in Aussicht gestellt hatte. Der Minister des Innern Villaverde wollte mit der Hilfe des neuen Bürgermeisters noch weiter gehen, indem er auf Grund einer eingehenden Untersuchung seines Unlerstaatssecrctairs die sofortige Auslösung des Sladtralbs und das Einschreiten der Gerichte vorschlug. Römer» Robledo aber widcrsetzte sich dem, wie es scheint, um seine» Freund Bosch zu schonen, und wußte den Minister präsidenten Ca novaS dafür zu gewinnen, daß die Angelegen heit vor den Staatsrath gebracht, also auf die lange Bank geschoben wurde. Villaverde ist nun zurückgctreten und durch oen bisherigen Kammerpräsidenten Tanvitla ersetzt worden. Mit dem Austritt Villaverde'S hat Canovas sich den linken Flügel seiner Partei unter der Führung Silvela's verfeindet, und die ausländischen Inhaber von Äiadridcr Loosen sehen die xndliche Erfüllung ihrer berechtigen Ansprüche wieder einmal verschoben. Eine mit der Miene der Zuverlässigkeit auftretcnde Meldung aus Sofia fübrt den Rücktritt des Finanz ministers Ratsche witsch auf einen schon seil längerer Zeit bestehenden latenten Gegensatz zu dem Ministerpräsi denten Stambulow zurück, dem jedoch keineswegs politische, Zukunft gegeben!... Und da stieg das unvergeßliche Bild in ihrer Seele auf .. . und die rauschenden Zweige, die leise ans Ufer plätschernden Wellen, der Wind, der von den fernen Höhen herüberkam, sie alle riefen nur den einen Namen: „Enrico!" Susette hatte ihrem Gefangenen einige Trostesworte zu- gcslüstert, war aber noch rechtzeitig erschienen, um ihrer Gebieterin die Mübc des Suchens z» ersparen. „Nun, etwas ausgericktet, Frau Abraham?" fragte sie. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Handel", versetzte diese; „meinen Ring habe ich verkauft, einen anderen cingchandclt." „Vielleicht wird noch einmal ein Brautring feil für mich." Als das rothe Tuch der Frau Abraham wieder hinter den Büschen des Landwegs verschwunden war, hörte Susette, die eben an ihre Parkecke zurückkehren wollte, ihren Namen rufe». Es war Jean, das Factotum dcS Hauses, und diesmal in glänzender Livrce. „Es ist Besuch angekommen — das Fräulein möchte der Frau Baronin zur Hand gehen ..." „Wer ist denn da auf einmal hereingeschneit?" fragte Susette ärgerlich; „cs ist ja bei uns sonst so einsiedlerisch wie im dicksten Urwald ... was für ein Wind hat uns denn den Staub aus der Stadt hergeblasen?" „Ich weiß nicht ... der Geheime Sanitätsrath Merzel ist mit zwei Damen gekommen und gleichzeitig ist der Baron aus der Stadt zurückgekehrt nnd hat einen fremden Herrn mitgebracht." „Ich komme schon", versetzte Susette und eilte noch rasch nach dem Gartenhäuschen. Ach, sic batte sich noch ein paar schone Stunden geträumt; denn Basilio batte jetzt Zeit, end los viel Zeit — nnd trotzdem mußte sie ihn verabschieden. Sie hatte sich, als sie nicht weit vom KioSk Wache hielt, damit beschäftigt, einige blaue Pflaumen und Reineclauden von den Bäumen zu schütteln, und aus der Nummer eines Modejournals, die sie in der Tasche trug, eine Düte gemacht und darin die Herzstärkung versteckt, die sie jetzt dem Freunde mit stiller Wehmulh überreichte. „Wir müssen uns für beute trennen, Basilio", sagte sie und der Feuermolch begriff ihren Schmerz; er hatte eine hohe sondern rein persönliche Motive zu Grunde lagen. Obschon Nalsckewitsch schon vor Monaten aus seinen Rücktrittsabsichten kein Geheimniß gemacht habe, sei seine Demission in letzter Linie allerdings darauf zurückzuführen, daß derselbe die Quelle der gegen ihn gerichtete» beleidigenden Angriffe des Philippopeler Journals „Malak Westnik", dessen Herausgeber zu den intimsten Freunden und Parteigängern Stambutow'S gehören, auf die Umgebung des Ministerpräsidenten zurück- fükren zu sollen glaubte und sich von dieser Annahme auch nickt abbriiigen ließ, als Stambulow in dem „Swoboda" ein Communiquv erscheinen ließ, in welchem dem Be dauern über die Angriffe des „Malak Westnik" Ausdruck gegeben wurde. Prinz Ferdinand enthielt sich mit Rück sicht darauf, daß es vorwiegend Gründe ganz privater Natur nnd persönliche Gefühle waren, die das Ausscheiden des von ihm hochgeschätzten Finanzministers aus dem Cabinet veran- taßten, jeder persönlichen Einflußnahme in dieser Angelegenheit. Deutsches Reich. Berlin, 4. December. Unter der Form eines ziemlich unscheinbaren Gesetzentwurfs kam gestern im Reichstage eine die wichtigsten staatsrechtlichen Verhältnisse berührende Frage zur Verhandlung. Die Regierung schlägt bekanntlich vor, aus dem Capitalbeskande des Re ickS-I »validen sondS einen Betrag von 67 000 000 ^ flüssig zu machen und der RrichS- casse zurVerstärkung desBetrlebSso » ds zu überweisen. Bisher, erklärt sie, habe aus eine derartige Verstärkung der Betriebsfonds nur mir Hilfe dcS bergebrachten Zahlungs modus der Matricularbeiträge verzichtet werden können. Diese Zablunz ersolgt monatlich in verschiedenen Raten pränu merando, während die auf Grund der Frankenstein'schen Clausel vom Reich an die Einzelstaaten abzuführenden Einnahmen erst postnumerando auf Grund vierteljähr licher Feststellung — etwa 8 bis 8 Wochen nach dem Schluffe des Quartals, in welchem sie aufkommen — über wiesen, bis zu diesem Zeilpuncte aber für das Reich genutzt werden. Nach der Meinnng der Regierung ist durch die» Berhältniß den Einzelstaalen die Hergabe von Betriebs mitteln im Borschußwege für die ReichSfinanzvcrwaltung in einem mit dem Anwachsen der Matricularbeiträge zunehmen den Umfange anserlegt, und cS wird die Beseitigung dieses Zustandes, die man im Interesse der Haushaltsführung der Einzelstaaten für dringend geboten hält, in der Weise in Aussicht genommen, daß die Vvranszablung der Matricularbeiträge in Fortfall gebracht und dieselben nach Feststellung der viertel jährlichen Abrechnungen mit den Ueberweisungen comßensirt werden sollen. Die alsdann nothwendig werdende Verstärkung der Betriebsfonds der ReichScasse glaubt man, da man eine Steigerung der Anleihecredite vermeiden möchte, dem Reichs- iiivalidensondS cntnebmei, zu können, da dieActivmaffe desselben de» Capilalwerth der Verbindlichkeiten um rund 117 Millionen überschreite. So Plausibel diese Motivirung auch klingen mag, so stieß doch die Vorlage in der gestrigen Verhandlung ans einen doppelten Widerspruch. Zunächst — und dies Bedenken wurde namentlich von den Herren Osann, von Stauffenberg und Lucius entwickelt — fand man es nicht ralbsam, über die Bestände des InvalidensondS in einer solchen Weise zu verfügen, bevor man wisse, wieviel man au« der selben noch für die in Aussicht genommene Erhöhung und Ent wickelung der Pensionsberechtigungen brauchen werde. Der Umstand, das StaatSsecretair von Maltzahn die Novelle zum PcnsionSgesctz bestimmt noch für diese Session ankündigte, mußte diese Erwägung eher bestärken, als abschwächen. Sodann aber wurde besonders von Herrn Richter die Anschauung von einer bisher bestehenden Vorschußleistung der Einzelstaalen an das Reich principiell angefochlen. Slaalssccretair von Maltzahn meinte, es finde sich nirgends eine gesetzliche Verpflichtung der Einzelstaaten, die Matricularbeiträge früher zu zahlen, als sich ergeben hat, daß die eigenen Einnahmen des Reichs zur Bestreitung der Ausgaben nicht auSreichen. Er übersah dabei aber wunderbarer Weise, daß die Matricularbeiträge Meinung von sich, und die arme Susette war in der That zu bedauern, daß sie heute auf seine Gesellschaft verzichten mußte. Sein eigenes Weh wurde indeß durch den Anblick der inbaltreichcn Düte einigermaßen gemildert. Noch einige Küsse — und er machte sich auf den Weg. Susette gönnte sich noch die Muße, ihn mit ihren Blicken zu verfolgen, bis der Stern ihrer Zukunft hinter den letzten Schlehdornbüschen verschwunden war. Drittes Capitel. Im Salon des Helmersheimer Schlosses herrschte rin ungewohntes gesellschaftliches Leben: der Geheime Sanitäts rath Merzet war mit seiner Frau und Tochter beim Vorüber- sahre» voraesprochen und batte auch die Freundin des HauseS, Fräulein Marlba Schlänget, mitgevrachl. Die Baronin war natürlich auf solchen Besuch nicht vorbereitet, und die Gäste mußten einige Zeit im Salon warten, bis die Toilette der Hausfrau in Stand gesetzt war. Auch Marie und Susette, mit ihren Gartenabenleuern beschäftigt, mußten erst herbei- geholt werden. Martha Schlänge!, eine Walkyre von Gestalt, welche durch keine wabernde Lobe geschützt zu werden brauchte, da sie mit ihrer scharfen Zunge wie mit einem schneidenden Schwert sich vertheidigte, ging ungeduldig im Salon auf und ab. „ES sieht ja noch ganz honnct hier aus", sagte sie; „ich glaubte, das Schloß würde einer großen Rumpelkammer mit ausrangirten Möbeln gleichen; die Gläubiger würden alles Gute mit sortgenommcn haben." „Aber, mein Fräulein", versetzte der Medicinalrath, seine Brillengläser putzend, „es ist ja alles geordnet, ausgeglichen — der künftige Schwiegersohn hat den Sturm der Gläubiger abgeschlagen." „Küßt solch ein Dornröschen, wie Fräulein Marie, dieser Riese von einem Prinzen ... ich glaubte, er werde sich etwa» Besseres aussuchen, das mehr für ihn paßt!" (Fortsetzung folgt.)
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