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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921207027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892120702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892120702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-07
- Monat1892-12
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Am Monlag Abend bereits, wenige Stunden nach Uebernahnie seiner Mission, war er in der Lage, dein Präsidenten der Re publik eine vollständige Cabiiiclölisie vorzulegcn und die Glückwünsche Earnot'S zu dem Ergebnisse seiner Be mühungen entgegen zu nehme». Tie Lösung, die Ribot sür die achttägige Krisis gesunden hat. erinnert an das Ei des Columbus; das neue Ministerium ist im Grunde kein anderes, als das durck Selbstmord gestürzte Eabinet > Loubet, das bloS den Namen gewechselt und nur den Urheber der gegenwärtigen Wirrnisse, Herrn Ricard, über Bord geworfen bat. Daß nebenbei auch der HrndelSininister Noche abgestoßen und durch den Elsässer Israeliten Herrn Siegfried ersetzt wurde, ist von geringere». Belange. Die Zusammensetzung oes aus diese Weise wieder in das Leben zurückgerufenen Ministeriums ist folgende: den Borsitz und das Aeußere bat Nibot, das Innere und den CultuS Loubet, die Justiz Bourgeois, den Unterricht TupuiS, die Finanzen Rouvier, den Krieg Freycinel, die Marine Burdeau, die Arbeiten Vielte, den Handel Siegfried, den Ackerbau Develle übernommen. Wir haben gemeldet, welche Beurtheilung das neu fran zösische Cabinet in England erfahren hat. In Berliner politischen Kreisen wird dasselbe, wie man uns von dort mittbeilt, nicht unsympathisch besprochen. Man verfolgt in Berlin schon geraume Zeit mit leicht begreiflichem Interesse, wie die französische Republik, also doch ein getreuer Ausdruck demokratischer Skaatsikeen, mehr und mehr daran arbeitet, die Staats- und Polizeigewalt zu verstärken, um sich der radikalen Unterströmungen wirksamer erwehren zu können, und die überwiegende Ansicht der Berliner Kreise geht dabin, daß das Ministerium Nibot mindestens die Hand nicht dazu bieten werde, neu gewonnene Machtmittel des Staates um der schönen Augen der radikalen Dema gogen willen wieder zu veräußern. Für die Republik würde im Falle solcher Stetigkeit in der Regierung wohl auch größere Ruhe im politischen Leben wieberkehren, was diesseits der Vogesen ebenfalls nur gewünscht werden kann. In Paris selbst bat die einfache Wiederkehr deS gestürzten EabinetS Loubet vielfach Ueberraschung und Erstaunen hcr- vorgerufen, und die »leisten Blätter glauben nicht an den Bestand deS EabinetS und kalten die Krisis sür fort dauernd offen. Zn den Wandelgängen der Kammer wird erzählt, daß Carnot nolhgedrungen zu diesem Aus- bilfsmittel griff, weil sonst die Kammerauflösung un vermeidlich geworden wäre. Bereits beule oder morgen wird Vas Cabinet eine Feuerprobe zu bestehen baden und zwar aus Anlaß deS Antrages deS Abg. Pourguery de Boissevin, die Uebertragung der richterlichen Gewalt an den Panama-Ausschuß. TaS frühere Ministerium bekämpfte den Antrag, daS neue Ministerium, das aus denselben Mit gliedern besteht, muß dem Anträge Pourquerh gleichfalls feindlich cntgegcntreten, während die Kammermehrheit den Antrag annehmcn wird. In einem gestern Abend unter dem Vorsitz Carnot's ab gehaltenen Ministerrath wurde beschlossen. Laß das Ministerium ,n der Panamafrage mit aller Energie auf einer strengen Scheidung der richterlichen und gesetzgeberischen Gewalten be stehen und ferner die Friedfertigkeit Frankreichs unter dem gegenwärtigen Eabinet Ribot öffentlich betont werden müsse, da in der Leitung der auswärtigen Politik Frankreichs keinerlei Wandel eingetrcten sei oder eintreten werbe. — Das neueste Telegramm von beute lautet: Paris» 7. Teccinber. Die Morgenblätter besprechen das Cabinel Ribot. Tie Blätter der gemäßigten Republikaner fordern das Eabinet aus, Festigkeit und Energie zu zeigen. Die opvositio- »cllen Blätter sind mit der Lösung nicht zufrieden, da die Zusammen setzung des EabinetS den Regeln deS parlamentarischen Regiments zuwidcrlause. politische Tagesschall. * Lci-fig, 7. December. Seltsam! Ein preußischer Landrath, der von seinem Oberpräsidenten und dem Minister des Innern leicht und bequem über seine Pflicht als politischer Beamter hätte auf geklärt werten können, agilirl mit eben so viel Eifer als Erfolg sür die Eandidatur Aklwardt's im Wahlkreise ArnSwalbe-Friedeberg, »nd vas Leiborgan desRcichSka »rlers, die „Nortt. Allgem. Ztg.", sieht in der Wahl deS „RcctorS aller Deutschen" den unerfreulichen Beweis, daß cs zur Erlangung einer Candidalur und eines Mandats sür den deutschen Reichstag genüge, jegliche Autorität auf das Heftigste und Unbegründetste anzugreifen. Ein preußischer, fast unter den Augen des Grasen Eulenburg amtircnder Landrath fungirt als Agitator für Ablwartt — und das Leibblatt deS Reichskanzlers prophezeit nach der Wahl dieses Mannes, „bei der Neigung der Massen, dem lauteste» Schreier nachzulaufen", werde Ahlwardt bald von noch ge fährlicheren Schreiern überflügelt werden. Ein preußischer Landrath erachtet den Verfasser der „Iudenflinten" eines Reichs tagsmandats für würdig, und die kan zlerisch osficiöse „Nordd. Allgem. Ztg." fübrt aus, eS müsse ernstlich erwogen werden, ob cs mit dem Gefüge deS Staates auf die Dauer vereinbar sei, wenn als Belohnung für berufsmäßig verhetzende, alle Autorität in den Staub ziehende Agitation Rcichstagsmandatc winken! Diese Thalsache spricht lauter als Tausende von Gerüchten über die verschiedene» Seelen, die im Palais des preußischen Ministerpräsidenten und Ministers deS Innern und im Reichskanzlerpalais wohnen; sie beweist schlagender als Tausende von Leitartikeln, daß in Berlin durch den Rücktritt des Grafen Caprivi vom Posten des preußischen Minister präsidenten abermals etwas aus dem Leime gegangen ist, nachdem seit dem Rücktritt des Fürsten Bismarck schon so viel Anderes auö dem Leime gegangen war. Und eben weil man das im ganzen Reiche längst fühlt, weil man überall die kräftig führende, einheitlich leitende Hand vermißt, drängt sich die Masse den lautesten Schreiern zu. die wieder und wieder verkünde», „es sei etwas faul im Staate Däne mark". Und wenn die Frage gelöst werden soll, ob es mit dem Gesüge des Staates au, die Tauer unvereinbar fei, wenn als Belohnung für berufsmäßig verhetzende, alle Autorität in den Staub ziehende Agitation Reichstags mandate winken, so muß vorerst die Frage beantwortet werden, ob eS sich mit dem Gefüge des Staates verträgt, wenn die ersten Beamten des Reickies und des preußischen Staates, statt an einem Strange zu ziehen, nach ver schiedenen Richtungen entweder selbst wirten, oder doch von ikren Untergebenen wirken lassen und dadurch die herrschende Eonfusion, den Mangel an Vertrauen noch vermehren. Hoffentlich giebt die ReichStagSwahl in Arnswalde-Friedeberg mit ihren höchst seltsamen Erscheinungen den in Berlin ver sammelten parlamentarischen Körperschaften Anlaß, die letztere Frage anzuregen und mit allem Nachdruck daraus zu dringen, daß endlich der allgemeinen Beunruhigung ein Ende gemacht werde, die eine Folge ist davon, daß der neue EurS kein Eurs ist und^selbst an den rechten Versuchen es fehlen läßt, ein CurS zu werden. Graf Taaffe hat mit seiner Beantwortung der Inter pellation, die Auflösung des Neichenberger Ge meind erathes betreffend, kein Glück gehabt und seine Darlegungen waren nicht geeignet, die gegen ihn aus Anlaß jener Gewaltmaßregel gerichteten Vorwürfe zu entkräften. Selbst angcnomme», in Rcichenberg hätten sich in Wirklich keit reichsseinbliche Bestrebungen gellend gemacht, was in dessen auf das Entschiedenste zu bestreiten ist, so wäre nur Gras Taaffe's slawen-frenndliche Politik Schuld daran, und wenn er die Rcichenberger Stadtverwaltung eines beinabe terroristischen Parteigcistes beschuldigte, dann möchten wir wissen, was er von den Gemeinde behörden in Prag und anderen Czechenstädtcn denkt, die ganz unbedclligt fortwirthschasten dürfen. Wenn gar den Minister die Reichenberger Polizei-Uniform nach deutschem Muster ärgert, so war er lange genug Statthalter in Tirol. Weiß er nichts von den Uniformen der Polizisten in Rovcrcdo, die ganz italienischen Zuschnitt haben, ohne daß die österreichische Regierung auf den Einfall ge- tommen wäre, deshalb die dortige Stadtvertretung zu maßregeln? Gestern hat nun, wie übereinstimmend von niedreren Seiten gemeldet wird, Graf Taaffe dem Kaiser das Demissionsgesuch deS Grasen Kuc» bürg überreicht, und es ist wohl nicht länger daran zu zweifeln, daß, da der Kaiser vor der Hand immer noch nicht glaubt, auf die Dienste des Grafen Taaffe verzichten zu tonnen, das Gesuch Berücksichtigung finden wird. Wie sich dann die Dinge weiter entwickeln werden, daS ist die große, ini Augenblick nicht zu entscheidende Frage der Zukunft. Polnische Stimmen erklären, die Auslösung des Reichsraths ei unausbleiblich. Andererseits wird gemeldet, die Regierung werke in den WeibnachtSfcricn bemübt sein, neue Fäden mit der Linken anzuknüpfen. Die Nachricht eines Blattes, die Linke unterhandle mit den Jungczechcn wegen Erzielung einer Verständigung, ist völlig unbegründet. Die betreffs deS Schicksals der nach dem äquatorialen Seengebiel entsandten congostaatlichen Expeditionen gehegten Befürchtungen scheinen durch daS neueste, an die Brüsseler „Resormc" gelangte Privatschreiben aus Boma im vollsten Umfange bestätigt zu werben. Alle drei, von den Forschern Iacgucs und Ioubert be fehligten Unternehmungen wären darnach zu Grunde ge gangen, ikre Führer und Mitglieder den aufständischen arabischen Sclavenjäger» zum Opfer gefalle». Leider ent spricht diese Version, so sehr man im Interesse der Mensch lichkeit wünschen möchte, daß ihre amtliche Bestätigung aus- btiebe, zu sebr dem wahrscheinlichen Verlaufe der Dinge im fernen, schwer zugänglichen Binncnafrika, als daß man ihr, okne gewichtige Anballspunkte, eine zuversichtlichere Auffassung cntgcgensleUen könnte. Die Geschickte der kulturellen Er schließung deS schwarzen WelttheilS ist um ein blutiges Blatt vermehrt worden, das seinerseits auch wohl kaum den Abschluß der Opfer bilven dürste, um deren Preis die Er reichung des aus afrikanischem Boden von den Culturvölkern Europas angestreblen Zieles allein zu ermöglichen ist. Wenn in Wahrheit daS Araderlbum im Innern ein EckreckenS- regiinent aufgerichtet Kat, so wirb ibm auf gewaltsamem Wege unter den herrschenden Umstände» entweder gar nicht oder dock nur mit Darangcbung ganz iinvcrbältniß- »läßiger Aliswendunzen von Mciifchenkrästcii und Gelb bci- zukommen sein. Man bedenke, was für Schwierigkeiten der französische Feldzug in Daboniey zu überwinden hatte, ebe General Dodds seinen Einzug in Abonzeb halten konnte, und dabei lag der Schauplatz dieser Action noch verbältniß- mäßig nabe der Küste, ermöglichte also den Franzosen die ungehinderte Ausnutzung ihrer rückwärtigen Ver bindung behnss AbschnbeS der Verwundeten »nd Heran ziehung von Ersatzmannschaften, Kriegs- und Verpstegungs- dedürsnisse. Es ist nickt abzuseben, wie der Congostaat, bei seinen so äußerst beschränkten Machtmitteln, gegen einen zum Aeußersten entschlossenen Feind, ohne eine gesicherte OpcrationSbasiS und ein geregeltes Etappenwesen, tief im Innern deS Landes Erfolge erringen will, welche ibm die dauernde Herrschaft des SeeengebieteS verbürgen und den Trotz der arabischen Sclavenjäger brechen! Die Ausrüstung neuer Einzclexpeditionen verbietet sich von selber. Wäre das Mittel erfolgversprechend, so würde man sich seiner wohl schon zum Entsätze der jetzt nieLergemetzelte» Abthcilungen bedient habe», deren mißliche Lage den Behörden des Congostaatcs gewiß längst bekannt war. Bon hier aus betrachtet, stellt sich sonach die Situation am Eongo als ungemein kritisch dar. ES werden die Hilfsmittel des jungen Staatswesens iiiSgesanimt in Anspruch genommen werden müssen, um nur den zeitigen Besitzstand zu behaupten. Von einer Wieder gewinnung der im Innern verloren gegangenen Stellung aber dürfte in absehbarer Zeit kaum die Rede sein können. — Zu diesen Hiobsmeldungen gesellt sich noch folgendes neueste Telegramm aus Brüssel: Brüssel, 6. December. Nach weiteren Privatbriesen auS Boma wären beim Untergang der Expeditionen unter Jacques und Ioubert 700 Personen, darunter 84 Europäer, getödtet worden, lieber das Schicksal der Expeditionen van KerkhovenS und DelcommuneS taufen beunruhigende Gerüchte um. Die Araber sind derzeit die unbestrittenen Herren von Jnneratrtka. Die geplante Verfassungsänderung in Bulgarien wird, soweit bisher Meinungsäußerungen vorliegen, in den dem Fürstentbum besreundeten Staaten überwiegend ungünstig beurtheilt. So wirb aus Wien und Pest berichtet, daß man dort, im Gegensatz zu den officivsen Behauptungen, die Vorschläge der Regierung sür gefährlich hält, daß besonder« die mit Rücksicht auf den Fürsten beabsichtigte Neuerung bezüglich deS Glaubensbekenntnisses der Nachkommen den Keim zu inneren Wirren in sich trage. Auch in England kann man de» Vorschlägen Stambulow'S keinen rechten Geschmack abgewinnen. Die englische Presse findet die Vor schläge sämmrlich reactionair, und einer laufe, so wird be- bauptet, sogar auf Vertragsbruch hinaus. Würden die Vorschläge ausgesührt, dann gebe es keine Fehler mehr zu begeben. Man darf wohl hoffen, daß der leitende bulgarische Staatsmann durch den allgemeinen Widerstand, den feine Pläne finden, gewarnt sein wird. Schon in der Morgennummer koiinten wir melden, daß die auf die völlige zeitweise Verhinderung der Ein wanderung in den Vereinigten Staaten von Nord amerika gerichteten Bemübungen voraussichtlich im Repräsen- tarttenbause auf kräftigen Widerstand stoßen werben. Heute liegt eine Kundgebung darüber vor, wie man seitens einzelner europäischen Regierungen die Dinge ansieht. Ein Leitartikel des osficiösen Wiener „Fremdenblatt" bespricht in abfälliger Weise den Antrag des Senators Eha ndlrr, die Einwanderung nach Len Bereinigten Staaten auf ein Jahr zu verbieten. „Die« ist geeignet", bemerkt hierzu daS genannte Blatt, „nicht nur Befremden, sondern auch Ent rüstung hervorzuruscn. Er erinnert die« an da» Ab- schließungSversahren Ebinas." Zwar würden durch solche Maßregeln die europäischen Staaten nicht schwer getroffen, da es Länder genug gebe, die nicht mit ihrer wirlhschastlichen Ueberlegenheit prunken aber sich nicht auch vor jedem Manne fürchten, der arbeitsfähig sei; die auch nicht republikanisch regiert werden, dafür aber sich keine Verletzung der Frei zügigkeit zu Schulden kommen lassen. Von Washington auS werbe das Publicum ersucht, sich nach Cbicago zu bemühen, ui» dort die Machtentsallung und die Eitelkeit der Amerikaner kennen zu lernen und seinen Geldbeutel bis auf die Neige zu leeren, dann aber schleunigst wieder heimzukehren. Jetzt, nach Chandler's Antrag würden es viele Europäer vorziehen, zu Hause zu bleiben. Hoffentlich sei Elcveland tlug genug, EhandlerS Idee zu durchschauen und andere Bahnen einzuschlagcn, als Harrison und seine Regierung. Elcveland werde damit sich und seinem Cabinel die peinlichste» Mißerfolge ersparen. — Nach einem soeben eingelausenen Telegramm von beute aus Washington bat der Präsident der EinwanderungScommission, Chandler, gestern die angckündigte Vorlage eingebracht, nach der dir Einwanderung vom 3. Januar 1893 ab auf ein Jahr unter sagt wird. Deutsches Reich. 88 Berlin, 6. December. Wie wir telegraphisch gemeldet, sind die Novellen zu den Branntwein-, Bier- und Börsenstcucrgesetzen beute Nachmst'ag gegen 4 Uhr dem Reichstag zugcgange». Diese Gesetzentwürfe sind vorher in den Ausfchüssen einer zweimaligen Berathung unterworfen worden, während die Berhandlung im Plenum des BundeS- ratbs in der heutigen außerordentlichen Sitzung desselben, welche um 2 Uhr anberaumt war, nur kurze Zeit in Anspruch nahm. Die Vorlagen sind zwar sofort in Druck gegeben worden, ihre Vertheilung an die Ab- Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Bücher» von Rudolf von Gottschall. 56! Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.! Jetzt öffnete sich die Tbür des Salons und herein trat der Baron, an seiner Seite Lotbar Bingen, das dichterische und musikalische Genie, in diesen Salons auch als Prcßbandit bekannt. Er war eine TagcSberükmtbeit und sein Erscheinen ries die Neugier aller Evastöchter wach. Tie beiden Fräulein Merzet reckten ihre Köpfe, um daS junge Genie zu seben. Fräulein Schlänget begrüßte ihn mit einem Lächeln, welches ausdrückcn sollte, daß sie in ihm einen geistig verwandten Kameraden zu finden glaube. Die Baronin war zunächst von der geringe» Aebntickkeit zwischen den beiden Brüdern überrascht; dieser Bingen sah ja aus wie eine Mischung von Paganini unk Liszt: Marie aber fühlte sick sogleich ab- aestoßen von seinem Wesen, wie Grctchcn vom Grasaffen, dem Mephisto. Der Geheime Rath kannte Lothar Bingen; er war ihm oft in den Salons begegnet. Sei» Liebling war er gerade nicht, denn er machte auch Anspruch aus Witz und Geist, und solche Concurrenz war dem alten Mediciner nicht genebm. Der Baron stellte den neuen Gast in der heitersten Laune vor. „Herr Lotbar Bingen . . wer kennt ihn nicht, meine Damen? TaS Genie giebt Rang und Titel . . der Name sagt Alles. Tie gewandteste Feder in Stabt und Land . . und er will mich so stolz machen und unserem HelmerSbcim ein Feuilleton widmen. Er wird einige Tage mein Gast sein, und ich werde ibm alle meine Schätze zeigen. Er wird sic schildern wie Homer den Schild des Achilles . . und was wäre dieser ohne Homer gewesen?" „In der That", sagte der Sanitätsratb, eine Prise nehmend, „selbst Schliemann bat vergessen, diese» Schild auszugraben." „Nehmen Sie Platz, Herr Bingen .. bitte, neben meiner Frau." Der Schriftsteller hatte mit raschem Blick die Versamm lung gemustert, als er sich gegen die Damen verneigte, und wie der Landmanu bei einem Kornfeld, den Ertrag geschätzt, den sie ibm sür seine Salonbilder abwerfcn würden, lieber die beiden Fräulein Merzel und auch über die Tochter deS Hauses ging Lolbar rasch zur Tagesordnung über; solche junge Mädchen gekörten ja zur Dutzendwaarc, und wenn sic auch schön und lieblick waren wie Marie, so brauchte man solche Modelle doch nicht weiter zu studiren; eS genügte, sie anzusehcn. Martka Schlänget siel etwas mehr in's Gewicht — aus solchen jungsräulichen Dragonern lassen sich sogar Ronianhelbinnen machen; eö war dies ja neuerdings öfter geschehe». Lothar hätte auch diesem weiblichen Kraftexemplar mehr Antbeil zugewendet, wenn nicht seine'Nachbarin ihn alsbald ganz in Anspruch genommen hätte. Die Baronin — das war die unverstandene Frau, daS sab er auf den ersten Blick; sie war nicht mehr jung, aber was kümmerte ihn die unreife Jugend! Einige Feldzüge muß die Frau mitgcmachl haben, welcher das Genie seinen Orden ertheilt. Was unsterblich im Gesang soll leben, Muß im Leben untergehn oder untcrgegangcn sein, wie die neufranzösischon Dichter meinen, wenn eS sich um ihre Heldinnen handelt; Lothar war genügsamer; er fand auch die Frauen schon interessant und romansäbig, welche stolz und unzufrieden aussahen und allerlei Kämpfe ahnen ließe», die ihr Her; bewegten. Freilich, die Baronin erschien so kühl und gleichgiltig in ibrem Wesen, daß eS eines scharfen Blickes bedurfte, um die Tiefe dieses stillen Wassers sogleich zu erkennen; dock so unpraktisch Lotbar i» (eder anderen Hinsicht, so unaufmerksam und kurz sichtig zerstreut er war — er hatte einen überaus raschen Blick, die Eigenart der Frauen zu erfassen; eS war der Blick deS Raubvogels, der seine Beute erspäht. „Wie anders sind Sie doch, als Ihr Bruder", sagte die Baronin ; „man siebt, Sie sind eine Künstlernatur, er ist ein ruhig forschender Gelehrter. Vertragen sich denn die feind lichen Brüder?" „Gewiß — Kunst und Wissenschaft sollen ja immer Hand in Hand geben. Die Welt erscheint uns freilich sebr ver schicken : er siebt sie mit dem Auge des Forschers, ich sebe sie mit des Dichters Auge „im schönen Wahnsinn rollend."" „Ich bewundere diese ruhigen Naturen", versetzte die Baronin, „welche von allem, wa« die Gefühle und Wünsche der andern erregt und das Blut in Wallung setzt, nicht be rührt werden. Leben oder Tod —das gilt ilmcn gleich, d»n Naturforschern, den Acrzten! Sie nebmen's kaltblütig unter die Lupe, und selbst wir Frauen sind ihnen wie die Vögel, die Schmetterlinge und andere Creatur, die da kreucht und fleucht!" „Sie haben Recht", versetzte Lotbar, dem vielsagendem Angenaufschlag der Baronin vcrstäntnißvoll begegnend, „die Frauen wollen mit anderen Augen angesehen werden, nicht weil sie himmlische Rosen in'S irdische Leben flechten — eS giebt darunter viele himmlische Rosen mit böllischen Dornen — sondern weil sic eben das Meisterstück der Schöpfung sind und weil wir nie in der Lage sind, Lies Meisterstück kalt zu bewundern." Das Gespräch nabm fast einen vertraulichen Charakter an und wurde kalb im Flüsterton geführt, während sür die übrige Tafelrunde der SanitätSratk den Ton angab und Martha Schlänget daS schwere Geschütz ihrer Logik mit herein feuerte. Zuletzt wurde cS ihr unerträglich, daß die Baronin den interessanten Gast ganz allein mit Beschlag belegte — und sie legte daber ihre Sturmleitern an, um ihn der ganzen Gesellschaft zurückzuerobern. ,^>err Bingen", rief sic mit ibrem kräftig durchdringenden Organ, als gerade eine kleine Pause im Gespräch der Beiden eingetrcten war und die Baronin den kaltgewordcncn Kaffee schlürfte; „Sie sind vor einiger Zeit sebr ritterlich sür eine Dame eingetrcten — und daS hat mir Wohlgefallen. Sie sind dem ganzen Publicum gegenüber aus die Mensur ge treten und haben ihm einige Quarten und Terzen herunter gehauen." „Aba, Sie meinen die Teresa Stern", sagte der Sanitäts ratb, eine Prise nehmend. Diese Wendung des Gesprächs war dem Schriftsteller sehr wenig angenehm. „Ack diese Theaterangelegenheiten", sagte er, sein langes Gelock schüttelnd, „das ist mein Metier — man spricht nicht gern darüber, wie ja auch der Arzt nicht gern von seinen Kranken spricht." „Und haben Sie deshalb keine Anfechtungen erlitten?" meinte der Baron, „bat Sie nicht irgend ein Gegner der schönen Dame vor die Pistole gefordert? Ich hörte, daß Derartiges vorgekommen!" Der Baron wußte um daS Duell des Grafen. „Ich bi» unbelästigt geblieben", versetzte Lothar; „es hat sich Niemand gefunden, der die Sünden des PublicumS, die ich so scharf verurtheilte, auf sich genommen hätte." „ES gehörte in der Tbat", versetzte Martba mit heraus forderndem Ton, „ein anerkcnilenSwerther Mulb dazu, für eine angegriffene Dame in solcher Weise in die Schranken zu treten. Nicht wegen drohender Pistolcnmündung — die Schüsse verknallen und das hat weiter nicht Vielaus sich. Ich meine nur, wer so sür eine Dame einlritt, der erweckt den Verdacht, daß er ihr sebr nabe stebt — die Leute sind einmal so, sie glauben an keine reine» Motive, und einen Ritter ohne Furcht und Tadel hält man heurigen Tags sür einen Don Quixote." Lothar füblte sich durck diese Bemerkung sehr peinlich berührt; er faßte das energische Fräulein schärfer ins Auge, das mit einem tiefen Cvntraalt seine spitzigen Bemerkungen vorbrachte. „Man sollte der Meinung der Welt nicht vorgreifen", versetzte er, „indem man ibr selbst beredte Worte leiht, noch ebe sie sich geäußert bat. Wir Männer der Presse haben die Pflicht, die Schuldlosen gegen unberechtigte Angriffe zu ver- tbeibigen und wir haben den Muth, der Verleumdung zu trotzen." (Fortsetzung folgt.)
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