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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921210029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-10
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December d. I«. erlassene Bekanntmachung wird hierdurch al« erledigt zurückgezogen. Lraueberg, deu 8. December 1892. Herzoglich G. «»tagerlcht ll- PoMische Tagesschau. * Leipzig, 10. December. „Wenn es Hunderte von Ahlwardt« gäbe, so würde bald Niemand mehr ruhig aus der Straße gehen können", so wird in der Begründung Unheils 0 de« rtheil« gesagt, da« gestern in dem Ablwardt- Proceffe gefällt worden ist und eine Grfängnißstrafe von Hüus Monaten über den Angeklagten verhängt. Der Gericht«hof hatte noch weiter sagen dürfen: ,Menn e« Hunderte von Ahlwardt'« in Deutschland gäbe, so würden dessen Feinde nicht lange mit einem Angriff zögern und gar leicht einen Sieg über eine Armee er ringen, in der das Vertrauen auf die eigenen Waffen sammt der Di«ciplin unheilbar zerstört wären." DaS mögensich die Freunde deS „kühnen Mannes" vergegenwärtige», die mit ihm trotz seiner Berurtheiluna daran sesthalten, daß er nur das Gute gewollt, nur au« Patriotismus gehandelt und im Grunde nur zur Klarstellung von Vorgängen bei getragen habe, die ans Licht gezogen werden mußten. Wir wollen nicht bestreiten, daß Ahlwardt, al« er seine un geheuren Anschuldigungen gegen Löwe und die ^llianea israöUts universelle in die Masten schlenverte, sich eingeredet habe, er erfülle nur »ine patriotische Pflicht und babe nur das Wohl des Vaterlandes im Auge. Jedenfalls bat es in seiner Absicht nicht gelegen, das Vaterland zu schädigen und Leute, die er für schuldlos gehalten, zu verdächtigen. Aber eS genügt nicht, etwa- Gutes gewollt oder wenigstens Schlechtes nicht gewollt zu haben. Wer dem Vaterland« einen rechten Dienst erweisen unv Ueble« von ihm abwenden will, muß auch sorgfältig die Mittel prüfen, die er zur Erreichung seiner Absicht in Anwendung bringt. Er darf weder dem Grund sätze huldigen: „der Zweck heiligt das Mittel", noch darf er wie der Bar mit dem Steine das Haupt zerschlagen, von dem er eia giftiges Insect abwehren will. Und so hat Ahlwardt gehaavelt, entweder wie ein Jesuit, der nichts für unerlaubt hält, waS seinem vermeintlich heiligen Zwecke dienen kann, oder wie der Bär, der blind zuschlagt und erschlägt, wa« er schützen will. Und bandelten nur noch einige Hundert Männer so wie er. so würde in der That bald Niemand mehr ruhig auf der Straße gehen, kein Deutscher mehr mit der Hoffnung aus Erhaltung des Friedens und der DiSciplin in der deutschen Armee sich trösten können. Jeder müßte beständig in der Angst schweben, daß ein Fanatiker plötzlich auf offener Straße die gröbsten Vorwürfe und Verleumdungen gegen ihn schleuderte, um irgend ein vermutheteS Complot aufzudecken, jeder in der Sorge leben, daß plötzlich ein zweiter Ahlwardt aus den unzureichendsten Gründen daS Ausland durch dir Behauptung, die deutsche Armee sei mit krieg-unbrauchbaren Gewehren bewaffnet, zu einem Urberfallc herau-fordern werde. ES ist schlimm, daß deutsche Gerichte Deutschland in Schutz nehmen müssen gegen solche Ausschreitungen, schlimm, daß die rücksichtsloseste Anwendung der ungeheuer lichsten Mittel bei uns als Beweis eines Heide nt hum« und gar als Beweis eines besonders lebendigen Christen- thum» angepriesen werden kann. Vielleicht niemals hat e» sich so offenkundig gezeigt, wohin e» führt, wenn ein Christ lediglich de-balb, weil er Christ ist, sich und seine GlaubcnSgrnoffrn für vollkommen hält, die Wurzel aller Uebrl in den Angehörigen eine- anderen Glauben« oder eine« anderen Stammes sucht und nun sich ein redet, er dürfe zur größeren Ehre des ChristenthumS mit den ungeheuerlichsten Anschuldigungen gegen jene vermeintliche Wurzel aller Uebel Vorgehen. Jene Unregelmäßigkeiten, die der Proceß erwiesen hat, beweisen aus da« Klarste, wie ungerecht und gefährlich e« ist, nur da- Judenthum verantwort lich zu machen für wirkliche oder vermeintliche Uebel, und seinem Hasse soweit die Zügel schießen zu lassen, daß nicht nur da« öffentliche Wohl darunter leidet,sondern auch ein häßlicherFleck auf das Cbristenthum der sich am meisten mit ihrer Reinheit brüstenden Christen fallt. Hätte Ahlwardt ohne antisemitische Voreingenommenheit da- Uebel zu erkennen getrachtet, ohne Fanatismus die Fäden verfolgt, die sich ihm darboten, die Untersuchung mit der Besonnenheit und der die Mög lichkeit eine» JrrthumS rinsehrnden Bescheidenheit eines wahren Christen in die Wege geleitet, statt mit einer fulminanten Brand- und Anklageschrift eine Flamme zu entzünden, die den Juden verbrennen sollte, so wäre chm und Deutschland eine ungeheure Aufregung, eine» der widerlichsten Schauspiele, «ine Herabsetzung vor dem AuSlande und eine Verurthrilung erspart geblieben, die zu gleich eine Beruitheilung jener antisemitischen Bewegung ist, di« nickt da» Schleckte, wo es sich findet, sondern alle« Schlechte mir an einem andersgläubigen Stamme ver folgen und strafen will. Leider ist nur geringe Aussicht vorhanden, daß Ahlwardt au« dem Proceffe und seiner Ber- urtheilung die rechte Lehre ziehen wird. Seine Vertheidigung bat gezeigt, daß er nicht nur von der Redlichkeit seine« Wollen-, sondern auch von der rechten Wahl seiner Mittel überzeugt ist und überdies nach wie vor der Ansicht lebt, da« Judenthum sei nie Wurzel aller Uebel und müsse daher vor Allem, wenn nicht ausschließlich bekämpft werden. Der auS- gebildete Fanatismus ist eben unheilbar. Es bleibt also nur zu wünschen und zu hoffen, daß Ahlwardt eine vereinzelte Erscheinung bleibt, und daß seine Anhänger rechtzeitig auf den rechten Weg sich zurückfinden, den gelauterter Patriotismus, strenge Gewissenhaftigkeit und wahre» Christrnthum vor» schreiben. Da-Cenirum hat diesmal seine gewerbepolitischen Anregungen im Reichstag auf den Weg der Jnter- vrllationen geleitet und daniit den Vorsprung vor einem die selben Gegenstände behandelnden Antrag der Conservativen erlangt, worüber die Letzteren einige Empfindlichkeit nicht unterdrücken konnten. Jedenfalls hat die Einschlagung de« JnterprllationSwegeS die Folge gehabt, daß die Absichten der Regierung auf gewerbepolitischem Gebiet um so rascher wieder einmal eine klare Beleuchtung erfahren haben und die Sicherheit gegeben wurde, daß die Regierung, ihren vorjährigen Erklärungen getreu, nicht von der Linie einer maßvollen besonnenen Politik in diesen Fragen abzugehrn gedenkt. JnnungSzwang und obligatorischer Befähigungsnachweis sind auch jetzt ent schieden zurückgrwiesen worden, weil sie unter den modernen WirtbschaftSverhältniffen einfach nicht mehr durchführbar sind und der Versuch, solche abgestorbenen Einrichtungen wieder zu beleben, nur nachtveilig auf eine gesuuve Entwicklung de- Handwerk- wirken könnte. So weit aber praktisch durchführbare und wirklichen Nutzen versprechende Wünsche oder berechtigte Klage» de« Handwerkerstandes vorliegen, hat die Regierung auch jetzt da« bereitwilligste Entgegenkommen zugesagt und damit den Beifall aller wahren Handwerkerfreundc gefunden. Sie hat auch ganz bestimmte gesetzgeberische Maßnahmen für eine nahe Zukunft, zum Theil vielleicht schon für die jetzige Session, in Aussicht gestellt. DaS ganze Handwerk soll danach in terri torial abgegrenzte Handwerkerkammrrn mit obligatorischen und fakultativen Befugnissen zusammengefaßt werden; diese Handwerkerkammrrn sollen unter Anderem die Pflicht der Aussicht über da« Lehrlingswesen und die Befugniß der Errichtung von PrüfungSbehördrn haben, vor denen die Lehrlinge auf ihren Antrag ge prüft werden. Die Regelung de« LebrlingSwesenS wird einem besonderen Gesetze Vorbehalten. Gesetzentwürfe über die Regelung der Abzahlungsgeschäfte und de- Hausirhandel« liegen dem Bundesrathe bereits vor. Wer, auf dem Boden der Gewerbefreiheit stehend» doch Verbesserungen in der Lage der Handwerker und die Abstellung mancher berechtigten Klagen durch die Mittel der Gesetzgebung für möglich hält, wird die von der Regierung eingeschlagroe Gewerbepolitik im Ganzen für richtig hasten müssen. Nach den neuesten Nachrichten au« Wien thut Graf Ta affe alles Mögliche, um den Verdacht von sich abzu wehren, als ob er auch nur im geringsten geneigt sei, der deutschen Linken die Hand zur Versöhnung zu bieten, im Gegenthril, alle seine parlamentarischen und gesetzgeberischen Maßnahmen sind nur darauf berechnet, die Deutschen zu verletzen, die Slawen und Klerikalen zu begünstigen und dadurch den beraufbeschworenen Conflict auf das Acußerste zuzuspitzen. Man meldet von gestern zunächst, daß die Ent heb u n g deS Minister« G r a f e n K u e n b u r g unter gleichzeitiger Ernennung zum SenatSpräsideoten bei dem obersten Gerichtshöfe bereit- erfolgt ist und die amtliche Verlautbarung dieser Entlastung heut« in der „Wiener Zeitung" erscheinen wird. Weiter wird gemeldet, daß gestern Abend bei Graf Taaffe eine Conferenz wegen Ernennung eine« ezechischrn LandSmann-Ministers stattfand, der der böhmische Statthalter Graf Thun und hervorragende Mitglieder de« Hohenwart-Clubs beiwobntcn. Graf Taaffe bat e« demnach mit derjenigen Maßnabme, deren Ankündigung in den Reihen der vereinigten deutschen Linken tiefe Ver stimmung hervorbrachte, sehr eilig. Und nun ferner der Versuch, den Nationalitätrnkampf auch in der letzten bisher davon unberührt gebliebenen Provinz, in Kärnthen, zu entfesseln. In dieser rein deutschen Provinz, die bis vor ganz kurzer Zeit selbst den angriffswüthigsten Slowencnsührern al« unangreifbar erschien, in der man das Wort „Sprachenstreit" nur aus Zeitungen und Parlamentsreden kannte, soll künftig der Stadtmaaistrat in Klagenfurt nach einer Verfügung de« Grafen Taaffe gezwungen sein, Eingaben in slowenischer Sprache nicht nur anzunehmen, sondern auch in derselben Sprache zu beant worten. In gleicher Weise wurde ein Recur« der Stadtgemeinde Cilli beschieden. Nun, Graf Taaffe wird schon auch noch an sich erfahren, daß, wer Sturm säet, Sturm erntet, und wir hoffen dir Zeit und zwar bald zu erleben, in welcher die Taaffe'sche Staatskunst vor dem unheil baren Bankerott steht. Inzwischen hat er gestern schon wieder, wie bereits kurz aemelket, eine parlamentarische Niederlage erlitten. Graf Toaste hatte zu Beginn der Sitzung de« Abge ordnetenhauses die Anfragen der Antisemiten wegen angeb licher Mißstände bei der Versicherungsgesellschaft „Phönix" dabin beantwortet, daß die Prüfung der Verwaltung der Gesell schaft da« Vorhandensein der behaupteten Mißstände ergeben habe. Darauf beantragte Abg. Geßmann die Eröffnung der Besprechung über die Antwort de« Minister«, da er die Richtigkeit seiner Behauptungen ziffernmäßig beweise» wolle. Der Antrag wurde mit den Stimmen der gesammten Linke», der Jungczechen und der Antisemiten gegen die Stimmen der Polen und deS HohenwartclubS angenommen. Uebereifrige Commentatorrn der gegenwärtigen poli- tischen Lage in Ungarn ziehen aus dem Umstande, daß in den parlamentarischen Verhandlungen und in dem Brr« hältniß der Parteien zu einaodrr ein besserer, man könnt« sagen friedlicherer Ton platzgegriffen hat, gleich den Schluß, e« stehe eine Vereinigung der Regierungspartei mit der Partei de« Grafen Apponyi vor der Thüre. Auf Grund sicherer Informationen kann constatirt werden, daß jene Darstellung der that- sächlichen Unterlage entbehrt. Wohl haben die Reichs tagsverhandlungen der verflossenen Woche gezeigt, daß der Ministerpräsident vr. Weierle sich bei allen Parteien, die äußerste Linke nicht ausgenommen, der höchsten persönlichen Werthschätzung erfreut, allein zur Erklärung dieser seiner all- seitigen Beliebtheit ist da» bisherige überaus erfolgreich« Wirken vr. Wekerle'S al- Fioanzminister sowie sein ActionS- Programm al« CabinetSchrf völlig ausreichend. DaS Verdienst bleibt dem neuen Ministerpräsidenten ungeschmälert, daß er eine neue, versöhnliche Aera io dem parlamentarischen Leben Ungarn« «ingcleitrt hat. Diese« Verdienst muß um so höher geschätzt werden, al« mannigfache, deutlich bemerkbare Anzeichen dafür sprechen, daß die Besserung der Parteibrziehungrn de« Reichstage« auch auf di« Ge staltung de« socialen Lebens ihre heilsamen Wirkungen z« üben beginnt. Hierin möchte einstweilen der springend« Punkt der neuen Wandlung zu finden sein. Die weitere Folgerung, als wären damit auch die Vorbedingungen für rin« Verschiebung der thatsächlichen Parteiverhältniffe und für Bildung neuer Partrigruppirungen gegeben, entspricht nicht der in den unterrichteten Prster Kreise» obwaltende» Auffassung. Die internationale Münzconferrnz in Brüssel kann, obwohl sie vielleicht noch einige Sitzungen halten und sich möglicherweise über Weihnachten vertagen wird, schon, heute al« beendet und — gescheitert angesehen werden. Die letzte Sitzung hat ihr de« Todesstoß versetzt, indem die Thatsache klar zu Tage getreten ist, daß kein Antrag und kein vorgeschlagrncS System zur Beseitigung der Silberkrist« Aussicht auf Annahme besitzt. Nachdem die amerikanische« Vorschläge, der Antrag de« Baron« Alfred v. Rothschild und da« System Moritz Levy der Reihe nach abgelehnt worden sind, bleibt nicht« Andere« übrig, als die Schließung der Conferenz, und wenn nicht alle Anzeichen trügen, so wird sie auch sehr bald ohne da« geringste praktische Ergebniß auSeinandergrhen. In Frankreich verlief das erste Auftreten de« Mi nisterium« Ri bot in der Deputirtenkammer mit der Präcision eine« vorher abgekarteten Tbeatrrcoup«. Bi« auf zwei AuSnabmen die alten ActeurS mit stellenweise vertauschten Rollen, auf den Deputirtensitzen da« alte Publicum und draußen im Lande die alte Verwirrung und Zerfahrenheit. Herr Ribot hätte mit übermenschlichen Fähigkeiten und Kräften auSgestattet sein müssen, um den Bann von den Gemüthern zu nehmen, den der Panamascandal auf sie herabbeschworen hat. Daß e« Herrn Ribot und seinen Collegen nicht an dem ehrlichen Willen fehlt, ibre Sache so gut zu machen wie nur irgend möglich, erscheint so selbstverständlich, daß e« dazu der ausdrücklichen Er klärung nicht erst bedurft hätte. Weit interessanter wäre e- gewesen, wenn der neue Conseilvorsitzende einen Finger zeig gegeben hätte, wie er e« anzustellen gedenkt, da« Staat«- schiff um dir Klipvrn und Untiefen berumzusteuern, welcher den Panamascandal mitten in dem Fahrwaffrr hat entstehen lassen. Aber über diesen wichtigsten Punct gerade schweigt sich Herr Ribot vollständig aus, und nicht minder thut «S Feuilleton. Dämmerungen. Roman iu drei Vücheru von Rudolf von Gottschall. b9) »racherue »«»»t«». (Fortsetzung.) DaS bange von Wolken verhüllte Mondlicht fluthete jetzt voll in den Kiosk, und auf dem breiten Lichtschein, der sich über dir Mosaik de» Fußbodens ergoß, zitterten hin und her die Schatten der sturmgrschüttelten Zweige der nahen Platane. Wiederum wieherte draußen der Rapp«, ungeduldig den Boden stampfend. „Rein muß der Schild des König« sei», den ich wähle! Da« draußen ist kein prophetische« Roß, nicht Heil verkündet sein Gewieher; eS ist da« Roß de« wilden Jägers, gewohnt die Saaten zu zerstampfen ... und Unheil sprüht e« au« seinen Nüstern. Kennst Du diesen Ring?" Sie zog rin Etui hervor und au« demselben den im Mondenschein funkelnden Rubinring. „Du mußt ihn kennen; er trägt Dein Wappen I" „Wie kommst Du zu dem Ring? — Doch ich frage »och? Dir Gaunerin — die Zigeunerin — daß der Blitz sie zer schmettere I" „Ich habe nicht blo« den Ring in meinen Händen — ich kenne auch sein« Geschichte." Jetzt überflog den Grafen ein» glühend« Hitze .. . seine Muskeln zuckten ... er stützte sich auf den Mannortisch. .Wa« weiter ... «in Abenteuer . . . «eine Vergangen heit gehört mir." „Sie gehört un« Beiden; denn Dein« Ehre ist «ein« Ehrel" „Der tastet meine Ehre an?" „Nicht um diejmige hauvelt es sich, di« man mit einer Engel »erlheidigt! Sch spreche nur v«a «««,« Gefühl —- und das Gefühl sagt mir, daß Du etwas Rücksichtsloses, Grausames, Unmenschliche- gethan hast. Ich darf« nicht näher berühren ... ich hege Scheu davor. Doch die man geliebt bat, weiht man nicht dem Tode! ES ist ein Gespenst, da« zwischen un« tritt ... ein Gespenst, das Dich anklagt, da« mich zurückschrrckt. Ich kann nicht fort von Dir . . . Du hast mein Wort. Du bist der Retter der Meinigen . . . doch mein Vertrauen zu dem hochherzigen Manne ist dahin. In den Schutz de« Freunde- konor ich mein Leben stellen; wenn aber auch der Stab der FrHlndschaft zerbricht — wo ist da eine Stütze für einen Bund, den nicht die Liebe weiht und segnet! Noch weiß ich nichu ob ich Unverträgliches ertragen kann; da« aber seh* ick, daß die Zukunft mich an- fröstrlt und daß es jetzt in diesem Augenblick mich wie mit Geisterhänden von Dir forttreibt!" Sie nahm den Ring vom Tisch und verließ den Kiosk mit einer abwehrenden Bewegung. Doch der Graf machte nicht Miene, sic zurückzuhalten, ihr zu folgen — er stanv wir gelähmt — alle« Blut drang ihm ^um Herzen — er riß die Thür de« KioSk« auf . . . der Nachtsturm wehte ihm Kühlung zu. Wa- sollte er heute noch in Heimersheim? Er bestieg den Rappen und stürmte wieder in die Nacht hinan». Die Flurhüter aber erzählten am nächsten Tag von einem wilden Reittr, der Über die Felder gejagt auf einem schnaubenden Roß, dem, wie eS schien, Dampf au» den Nüstern sprühte und der dabei mit mächtiger, writballender Stimme Fluch« auSgrstoßrn und böse Reden geführt, al« war"« der höllische Feind selbst, welcher der Windsbraut nach- iagte, die mit wehendem Gewand vor ihm über Berge und Thäler floh. Vierte« Eapitel. Im Salon der Frau Locta war der Kronleuchter an- grUindet; sie liebt, di« Geselligkeit und versammelte in ihre» gastlichen Räumen öfter« «inen kleineren oder größeren Kreis. Di« Gesellschaft war in der Regel sehr zusammengewürfelt: »in paar jünger« Osflcierr, welch« da« Recht hatten, ihr de» Hok zu machen und dafür mit den ausgesuchten Weinen und Leaerbissen ihrer reich auSgestatteten Tafel bewirthrt wurden, waren bunt herringrlprenkrlt i» angesehene Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft, und auch einige Berühmtheiten fehlten nicht. Der Sanitätsratb, der sich erst vor nicht langer Zeit vom HrlmeSbeimer Kafscetisch rrbobrn batte, funkelt« vier schon wieder herum mit seinen Geistesblitzen. Der reiche Bankier Seiter vertrat die liautv llnanee, Rentier Faber den wohlhabenden Mittelstand des bauSbesitzenken BUrgertbumS, der Architekt Wolf di« bildende Kunst. Auch vr. Oswald Bingen batte der Einladung der liebenswürdigen Frau Locca Folge geleistet, wenngleich der vielbeschäftigte Arzt sein Zuspät- kommen schon im Voran« entschuldigt batte und erst eintraf, al« das Abendessen bereit« in vollem Gang war. Ein Salon ohne ,,etwas vom Theater" wäre aber sehr nüchtern und unfertig erschienen und da die Kunst der Sünden Menge deckt, so war man nicht sehr wählerisch mit Bezug auf guten Ruf, und Frau Locca hatte Fräulein Käthe Blau eingeladen, obschon die Beziehungen derselben zum Bankier Seiter ein öffentliche« Geheimnitz waren. Da Käthe Blau die schwierige Aufgabe batte, alle Theaterdamen zu vertreten, so eröffnet« sie ein concentrirte« Feuer auf die anwesende bewaffnete Macht und suchte soviel al« möglich den verdrossenen Zug um ihre Mundwinkel durch ein kokette» Lächeln zu verdecken. Leider! konnte sie nicht frei über ihre fämmtlichrn Kampf mittel verfügen; denn die Anwesenheit de« Bankier« Seiter lähmte ihre Kühnheit und gestattete nur gelegentlich, daß sie alle ihr« Batterien spielen ließ, wen« der Bankier anderweitig lebhaft in Anspruch genommen war. Zur Krieg führung gehört Geld unv wiederum Geld — und die Finanz macht mußte geschont werden. Außer Kätbe Blau, di« al« Künstlerin standesamtlich fast »njurechnunassiihig war, fanden sich keine jungen Mädchen in der Gesellschaft. Nora hatte kein« Freundinnen; ibr ganze« Wesen war zu eigenartig, zu befremdlich; solch ein« Mädchen- freundschast Mit ihren vertraulichen Zärtlichkeiten, ibrrn ge- schenkten Stickereien und Albumversen wäre ihr lästig ge wesen; sie hatte keine Sympathie mit ihre« Alter«- arnossinnen. Diese aber blickten auf sie mit einer gewissen Scheu und fühlten sich unbehaglich in ihrer Nähr. Eine Nachtwandlerin . .. eine Geisterseher!» ... eS hatte etwa« UnbeimlicheS. Die Töchter de« SanitätSrath« batten deshalb auch die Einladung zum heutigen Abend abgclehnt, und di« wohlbeleibte SanitalSräthin hatte sich ebenfalls mit Unwohlsein entschuldigt. Die Frau Locca war ihr zu eroberungslustig, und wenn sie selbst auch alle Ansprüche auf „Eroberungen" aufgegeben hatte, so war eS ihr doch unbequem, mit anzuseyen, wie eine Dame, der sie nicht alliuviele Jahre vorzugebea hatte, noch eine glänzende Rolle ln der Gesellschaft spiele« wollte. Das Souper war beendigt ... hier und dort bildete« sich Gruppen, und bei Kaffee und Liqueur nahm die Unter haltung einen lebhaften Verlauf. Nora saß mit dem vr. Oswald Bingen zusammen itt einer Fensternische. DaS Auge deS scharfen Beobachter- ruht« auf dem schönen Mädchen, da- in seinem ganzen Wesen etwas Sprödes, Unnahbare« hatte. „Wie geht eS dem Vater meines Enrico?" fragte sie. Bingen hatte in allen Fragen der Seelenhrilkundr durch seine Schriften großen Ruf und obwohl kein eigentlicher Fach» arrt» wurde er doch von dem DezirkSarzt und dem Eigen- thumer der Heilanstalt stets zu Rathe gezogen. So hatte er auch den alten Rispori mehrmals gesehen und gesprochen. „Unsicher ist unsere Voraussicht, und wir werden bisweilen durch ganz unerwartete Heilungen überrascht; doch Herd Risport wandelte schon lange zwischen dem geistigen Tag und der geistigen Nacht, die >etzt Plötzlich ganz über ihn hrreingetzrochen ist und ob er den Weg noch zurückfltidru wird — wer kann e« wissen I Jetzt beginnt er bereit« sich selbst für einen der berühmten Entdecker zu kalten, heute für Galilei, morgen für Newton und beschäftigt sich damit, da« perpvtvun» wvduv ru construiren. DaS ist Größenwahn in einer sehr bedenklichen Form, und eS ist zu befürchte«» daß bei seiner Fortdauer jene verhängnißvollen Lähmungen eintreten, h« denen jede Aussicht aus Genesung auSgeschloffr» ist." (Forts«,luig fol,t.)
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