GRETES BRAUTFAHRT „Gretchen“ war kein Backfisch mehr, als sich der Leipziger Zoo mit dem Berliner über ihre künftigen Familienverhältnisse in Verbindung setzte. Nein, nein; sie war bereits zu einer vollkräftigen Flußpferdfrau herangereift, und die verkleinernde Form „Gretel“ wollte sich für sie bei schätzungsweise dreißig Zentnern nicht mehr recht schicken. Das war vor zwanzig Jahren noch was anderes. Jugenderinner ungen Damals — also 1929 — war sie im Dresdener Zoologischen Garten gerade zur Welt gekommen, am 28. Juni; im Sternbild des Krebses, wie sich das für ein Wassertier gehört. Wir schrieben den 23. Dezember 1932. Da brachte man sie bei Nacht und Nebel nach Leipzig. Natürlich wollte sie zunächst nicht aus ihrem Kasten; das haben Flußpferde so an sich. Im neuen Raum, zumal ge trennt von den Eltern und Geschwistern, war sie äußerst schreckhaft; sie fuhr zusammen, wenn sie an einen klappernden Eimer stieß oder wenn die damals ihr benachbarten Nashornvögel flatterten. Dann traten ihre ohnehin schon etwas glotzigen Augen vor, und sie wollte fliehen. Als ich eine halbe Stunde später mit dem Tierpfleger vor ihr stand, griff sie uns plötzlich an, wütend. Sie rannte, ja schoß auf uns zu wie ein Hund, erstaunlich rasch, aufgerichtet, mit angehobenem Kopf und aufgerissenem Rachen, so schnell, daß wir nicht hätten ausweichen können. Da wird man rettungslos überrannt und, wenn eine Wand dahinter steht, zerquetscht. Yumbo, Gretes „Zukünftiger“, war auf der Gegenseite abgesteckt. Mit den Vorderfüßen hatte er sich auf eine Querstange gestellt und ihre Ankunft beob achtet. Nun stieß er eine prustende Grunzlautfolge aus. Sofort ward die „Ent fernte“ aufmerksam, nahm den Kopf hoch und war sichtlich betroffen. Viel leicht heimelte sie das Gehörte auch an. 95