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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921212021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
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Am Herzoglichen Marstall hterselbst sind folgende Pferde: Dunkelbrauner Wallach. 8 Jahre alt, 1,72 m groß, Mothbrauner Wallach, 9 Jahre alt, 1,74 w groß, beide gefahren, Fnchswallach, 6 Jahre alt, 1.59 m groß, geritten und ge- fahren, zum Verkauf au« freier Hand gestellt und können daselbst täglich nach Meldung beim Herzoglichen Wageumetster Wagner besichtigt werden. Dessau, den 11. December 1892. Herzogliche« Hos-Marftall-Amt. Freiherr von Weichs. Politische Tagesschau. * Leipzig, l2. December. „Die Militairvorlage ist gefallen!" so ist in fetter Schrift an der Spitze der „Freis. Ztq." zu lesen und merk würdigerweise steht in gleich fetter Schrift dasselbe an der Spitze des „Berliner Tageblattes" Herr Richter hält sogar dafür, daß es nach dem Ergebniß der Sonnabends- berathung für den Reichskanzler konstitutionell sein würde, entweder die Militairvorlage zurückzurieben oder selbst zurück zutreten. Herr Richter hat es möglicherweise nur deshalb so eilig, weil noch ein zweiter Deutschfreisinniger zum Worte vorgemerkt ist (Frhr. v. Stauffenberg) und er von der Etats debatte her weiß, daß die Parteigeigen doch nicht mehr so ganz auf den gleichen Ton gestimmt sind. Wahrscheinlicher aber liegt den rednerischen und publizistischen Beinübungen Richter'S, die Erklärungen des Frbrn. v. Huene als durchaus ablehnende hinzustellen, die Absicht zu Grunde, vor den Parteigenoffen im Lande zu verschleiern, um was es sich in dem gegenwärtigen Stadium der Angelegenheit eigentlich bandelt. Es handelt sich aber — und daS ist dem deutsch- freisinnigen Führer wohlbekannt — nicht mehr um die Vor lage de« Grafen Caprivi, sondern um die Ermöglichung der zweijährigen Dienstzeit für die Fußtruppen. Zu derCaprivi'schen Vorlage hat sich Frhr. v. Huene am Sonnabend in der Hauptsache wörtlich so geäußert, wie in der Etatsdebatte der Nationalliberale vr. Buhl, nämlich, daß si« „in ihrem vollen Nmfang unannehmbar sei". Die Unanuehmbarkrit und Aussichtslosigkeit des Entwurfes stand übrigens schon vor beiden Erklärungen und zwar von dem Augenblicke an fest, als die „Kölnische Zeitung" seinen Jnbalt veröffentlicht halte. Nun hat allerdings der Centrumsführcr die Linie, bis zu der er cntaegenzukommen bereit ist, etwa- näher bezeichnet, er will die jährliche Recrutenaushebung soweit erhöhen, als nöthig ist, um das Manko zu decken, das durch den Wegfall derLeute im dritten Dicnstjahre entsteht, daS wäre jährlich,da alle Fußlruppen in Betracht kommen, gegen 20 000 Mann. Herr Richter, und darauf kommt cS an, fand dieUebereinstimmunl hinsichtlich der „Grundvoraussetzung", die er zwischen sich und Freiherrn v. Huene so bastig feststellen zu sollen glaubte, nicht etwa in seiner Neigung, vie rund 30 000 Mann gleich falls zu bewilligen, sondern in der Abneigung des Freiherr« v. Huene, über die gegenwärtige Friedenspräsenzstärke hinauS- zugehcn. Dies ergiebt sich deutlich aus dem Berichte, den die „Freisinnige Zeitung" über Richter'S Rede bringt. Herr Richter —wir sagen vorerst noch nicht: der Deutschfreisinn — möchte durch einen vorzeitigen Fall der Vorlage der schon früher anerkannten Pflicht, den durch die zweijährige Dienstzeit entstehenden Ausfall zu decken, enthoben sein. Mit dem Verschwinden der Angelegenheit von der Tagesordnung bliebe aber nicht nur die Mebrrecrutirungen ferne, sondern auch die — zweijährige Dienstpflicht. Für das Letztere kann und will Herr Richter die Verantwortung vor vcm Lande nicht tragen, während er andererseits sich doch wieder das „Ver dienst" (und bei den Wahlen den Loh») erwerben möchte, nichts oder soviel wie nichts an Mannschaften und Geld bewilligt zu haben. Aus diesem Dilemma soll die Darstellung helfen, daß die Vorlage falle, eigentlich scbvn gefallen sei, weil a» die 83 000 Mann und 58—04 Millionen Mark jährlich nicht zu denken sei. So aber liege» die Dinge nicht, so haben sie, von den überschwänglichen Hoffnungen de« Grasen Caprivi abgesehen, wohl nie gelegen. So wenig die verbündeten Re gierungen — man redet in diesem Zusammenhänge zu treffender von ihnen, als der ReichSregierung — auf ihren Zahlen bestehen werden, so wenig laßt sich nach dem Tone, den Freiherr von Huene vorgestern angeschlagen, annehmen, daß das Centrum abgeneigt sei, um eine — wahr scheinlich nicht scbr große — Mannschaslszahl über die durch die zweijährige Dienstzeit ausfallende hinauszugehen und dadurch ein Abkommen mit den Negierungen zu ermöglichen, welches den Charakter des CompromisscS und nicht der nackten Unterwerfung der Regierungen trägt. Nicht ohne Absicht hat der CentrumSführer darauf hmgewiescn, daß ja auch die Thronrede von einer „Einigung" über dir Militairvorlage spreche; er hat damit zu erkennen gegeben, daß er selbst eine „Einigung" wünsche. Wollen die verbün deten Regierungen eine solche, so wird sie möglich sein, wabr- scheinlich sogar mit einem Theile der Teulschfreisinnigen. Ob Graf Caprivi das Opfer einer solchen Einigung wird, muß einstweilen dahingestellt bleiben. Aber jedenfalls wird er Herrn Richter nicht den Gefallen thun, jetzt zurückzutreten ober seine Vorlage zurückzuziehen und dadurch die dem extremen „Freisinn"unbequeme Einigung unmöglich zu machen. Aus Wien liegt heute eine Meldung vor, die beweist, daß Graf Taaffe cs immer noch mit der Kunst des LavirenS und Tiplomatisirens bält. Die halbamtliche „Montagsrevue" bezeichnet alle Mittbeilungen von bevor stehenden Ministerernennungen einschlicßtich der von der Ernennung eines böhmischen LandömannministerS als erfunden. Der Ministerpräsident werde die Zeit des Budgetprovisoriums zur Bildung einer neuen Mebrhrit benutzen. Wie viel an dieser officiosen Meldung Wahres ist, das läßt sich im Augenblick nicht entscheiden. — Von dem nach einjähriger Amtsdauer von seiner Eigenschaft als Minister zurückgetretcnen Grafen K uenburg geben selbst seine politischen Gegner zu, daß es noch nicht viele öster reichische Minister gegeben hat, die in solchem Maße die Ucktuna der Gegner sich zu erzwingen wußten und unter so cinmüthiger Anerkennung bei Freund und Feind aus dem Amte schieden. Der Partei, den, Staate und der Gesundung der öffentlichen Verhältnisse zu nutzen, wie eS sein redliche« Bemühen war, das lag nickt in der Mackt des Grafen Kuenburg; aber Ehre bat er der deutsch liberalen Partei gemackt, und ein Abglanz der allgemeinen Anerkennung, die ihn in seinen richterlichen Wirkungskreis begleitet, fällt auch auf die Linke zurück, die von ihren Feinden so gern als eine Partei der «Streber und Portefeuillejäger dargestellt wird. Nichts kann aber auch eine deutlichere Vorstellung von dem Fluche geben, der auf den öffentlichen Zuständen lastet, als die Thatsacke, daß ein Mann von solchen Eigenschaften binnen Jahresfrist sich verbrauchen mußte und die Zahl der politischen Leichen vermehrt, welche seit jeher den unfrucht baren Acker des Grafen Taaffe düngen. Die Frage, warum Graf Kuenburg siel und fallen mußte, ist nur zu leicht zu beantworten. Auf Unwahrheit und Unklarheit, wie alle poli tischen Conceptionen des Grafen Taaffe, war seine Be rufung in das Cabinet gebaut, und daran ging er auch zu Grunde. Er hatte seine ÄmlSwirksamkcit noch nicht begonnen, als er seine Person sckon in ein Netz von Entstellungen und falschen Darstellungen verstrickt sah, welches ihm die Regierung ii ftm, ,,b,u»^ L!" Taaffe seit dre.zebn J-bren °»^nS g Majorität, in welcher Wolf und L inastreue und ander weide». Liberale undKl-r.kale.VenafsungStreue Staatsrechtler, alle Gegensätze, (Ichheit reich.sche G°sckichte kennt, zu e.ner parlamcnarnckn^ veM uden sein sollten, war auch durch d e Berufung v Grasen Kuenburg n.chl zu Stande gekommen. ^ Minister-Präsident glaubte trotzdem, ^ r g ^ scheiterte ats ob sie ,u Stande gekommen wäre, und daran scheitert auch das Experiment. Darüber kann nunmebr kein Zweifel -bwalt-n d»b der in de» Panamaslandal verwickelte ^aron Rc,n > sich nicht mehr ,n de» R-.hen der Lebenden befindet V).e chon gemeldet, ist seine Leiche ausaearaden wort'n das Ergebnis der Leichenscka» soll in dre, Wochen bekann g gkben werden Inzwischen tritt mit immer größerer Bcstimmtbcit d!>s Gerücht aus/ Reinach habe durch Selbstmord geendet. DaS Blatt Libre Parole" will darüber folgende Einzel he,tcu crsahr'c» haben: Baron Reinach sah urjpruiiglich dem Panamaskandal ruhig entgegen; er glaubte, vag er weder als Angeklagter, noch als Zeuge vor Gerickl gerufen würbe, weil er intime ^-ziedungen zum Generalprocurator Quesnay de ^"""daire la und auch auf den Einfluß seine« Schwiegersöhne-, des Abgeordneten Josef Reinach, rechnete. Diese wurde jedoch getäuscht. Die Untersuchung ergab, daß Baron Reinach nicht mir Senatoren und Abgeordnete bchach- iouderu sogar einen großen Tbeil der von der Panani-rgeseUschaft empfangenen Gelder für sich behielt Als der Bawn am 20. November eine Vorladung zum Erscheinen vor Gerick als «„geklagter erhielt, hatte er einen erregten Wortwechsel mit seinem Schwiegersöhne. Dann zog er sich in sein schws- zimmer zurück und vergiftete sich mit einer Aconitlosung. Di« Zeitung „Libre Parole" versichert, die Leichenschau werde die,e ihre Angaben bestätigen. Schon wiederholt konnten wir darauf Hinweisen, daß im diplomatischen CorpS des heiligen Stuhles eine . .... The '—^ Organe derselben Regierung über den Kops geworfen batten, deren Mitglied er geworden war, und die crjte Aufgabe, die ihm als Minister zufiel, bestand darin, dieses Netz zu zerreißen. Diese innere Unwahrheit des Verhältnisses zwischen der Regierung und der deutsch-liberalen Partei, diese mit Absicht Feurlletsn. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 60) Nachdruck vrrdoien. (Fortsetzung.) Nora schien in Gedanken versunken, ihre Augen leuchteten auf mit einem schwärmcriscken Glanz: „Es giebt einen dunkeln Trieb in der Menschenseele — den Trieb zu erfinden, zu schaffen und wenn er auch vom Wege abirrt, so geht er doch auS derselben Wurzel bervor, wie alles Große, Bedeutende, was die Welt vorwärts bringt. Es ist ein kläglicher Hohn, daß die Gemeinheit gesund bleibt und der cdelslrebende Sinn erkrankt; doch das sind alles vorüberfliebcnde Schatten, welche da« irdische Spiegelbild deS göttlichen Wesens trüben. Wer den Blick hat, Fernes zu ergründen, der sieht auch schon hier die Seele des Menschen in ihrem Seelenleib, über den die vergängliche Hülle sich legt, der aber selbst unvergänglich fortdauert auf anderen Gestirnen." „Und haben Sie diesen Blick, Fräulein?" fragte der Doctor, indem er seine Nachbarin forschend und prüfend ansah. „Ich bin bisweilen damit begnadigt", versetzte Nora; „auch Vergangenes und Künftiges kann ich erkennen, wcnn'S mich iibcrkommt wie ein göttlich Schauen. DaS befremdet Sie als einen Mann, der mit den Werkzeugen der alltäglichen Wissenschaft die Dinge und die Menschen zu ergründen sucht? Doch es hat zu allen Zeiten eine Gcheimwiffenschast gegeben, welche ihre begabten Jünger hatte. Ich kenne sie nicht — aber mir ist Manche« offenbar, waS Anderen geheim ist, und zwischen Erd und Himmel bewegt sich mehr als die meßbaren Gase... das sagt schon der Danenprinz, ein Held der Dichterphantasie, deren Auge oft in schönem Wahn sinn rollte." ,E« gereicht Niemandem zum Heil", versetzte der Doctor, „über solchen Räthseln zu brüten. Wenn e« einen prophe tischen Blick in die Zukunft gäbe, so müßte diese etwas Fertiges sein und wir hätten nichts auf Erden zu thun, als eine vorgezcichnete Rolle willenlos abzuspielen." „Der seherblick", sagte Nora, „erfaßt nur auf einmal mit blitzartigem Schaun, wobin die stille Nothwendigkeit der Dinge treibt. Das ist nichts Verstandloses, nichts Wunder bares — es ist höchster Verstand, der im Werden schon das Gewordene sieht, der zeitlos der Zeit vorauseilt." Enrico war hinzugetrelen. „O, bester Herr Doctor", sagte er, „'etzen Sic nur meiner lieben Braut etwas ven Kopf zurecht! Mich beängstigen ihre Traumgesichter, ihre nervösen Aufregungen. Ihr Äeist ist so oft m die Ferne gewandt — unk darauf bin ick eifer süchtig; denn die näckste Nähe soll ihr das Glück bringen." Er streichelte ihr da« Haupthaar und sie sagte mit glück lichem Lächeln: „Laß mich doch mein doppeltes Leben führen! Als Du mick den Flammen entrissest, da wurde ick Dein eigen ... Du weißt eS ja, daß ich Dir gehöre. Doch etwas lebt in mir, daS hinausstrebt über Alles, waS mich umgiebt, in die Ferne, aber auch in der Nähe in den tiefsten Grund der Wesen blickt. Du mußt mich nehmen, Enrico, wie ich eben bin, und nichts Unedles, Unwürdige- liegt in der Sebcrzabe, die mir verliehen worden. Ich bin anders als die Anderen; ist eS meine Schuld? Ich höre die Stimme meines Schutzengels, die rathende, die warnende — und ich sehe zuweilen mit seinen Augen. Es giebt ein Reich der Geister und sei eS noch so fern im All droben . . . und ist's ein größere« Wunder, daß da» Licht von dort mir in die Seele strahlt, als daß im Körperreich das Licht der Sonne zur Erde dringt? Und wie dies hinausgcht über das Maß irdischer Schnellig keit. so giebt » kein solches Maß für den Geistergruß der Ferne und die unmittelbare Berührung de« Dort und Hier. Und unwürdig des MenschengcisteS sollte so tiefere Erkenntniß sein? Ist er doch vielfach in schmachwürdige Bande ge schlagen! sie sind ein großer Forscher, He§r Doctor — aber mir allen Ihren Gläsern und Spiegeln können Sie doch nicht in die Menschen hineinseben, nicht einmal in sich selbst! Ist eS nicht ein grausamer Hohn, daß der Mensch, der de»» Mond seine Berge und dem Mars seine Meere absiehk, kein in welcher Weise diese Schiebung sich wahrscheinlich gestalten wird. Msgr. Galimberti wird auf dem Nuntiuspvsten m Wien durch den gegenwärtigen Nuntius in München, Msgr. Agliardi, ersetzt werden und letzterer in München den Secretair der Conaregation der außerordentlichen geistlichen Angelegenheiten. Msgr. Segna, oder einen anderen Fnnctionair dieser Conaregation, Msgr. Ajuti, zum Nach folger erhalten. An die Stelle des NuntiuS in Madrid, Msgr. Di Pietro, soll der Assessor der Congregation der In quisition, Msgr. Cretoni, treten. Der päpstliche Unterstaals- secretair Msgr. Mocenni, der nach seiner Erhebung zum Cardinal zum Präfecten der apostolischen Paläste ernannt werden soll, wird im Unterstaats Secrctariat durch den päpst lichen JnternuntiuS im Haag, Msgr. Ninalvini, ersetzt werden. Der Ubitore santissimo, Msgr. Fausti, ist an Stelle des Msgr. Cretoni rum Aessessor der Congregation der Inquisition beslinimt. Der Secretair der Propaganda, Msgr. Persico, wird den Präfecten der Archivare der apostolischen Bibliothek, Msgr. Ciasca, zum Nachfolger erhalten. Außer den bereits genannten Kirckcnfürsten werden nock andere im nächsten Consistorium die Cardinalswürde erhalten. So ist dem Erzbischof von Sevilla schon die amtliche Ver ständigung von seiner bevorstehenden Ernennung zum Car dinal zugegangen. Des Ferneren ist die Verleihung de« Purpurs an den Erzbischof von Dublin, Msgr. Walsh, inö Auge gefaßt. Dieses Erzbisthum ist nach alter Tradition immer mit der Cardinalswürde verknüpft. Unter dem Cabinet Salisbury hätte jedoch die Ernennung des Msgr. Walsh, der früher an den Kämpfen der irischen Nalionalpartei hervorragend belheiligt war, zum Cardinal auf gewisse Schwierigkeiten stoßen können, welche durch den inzwischen in England cingctretcnen Cabinetswechsel als be seitigt erscheinen. Es sei übrigens bisher noch nicht ent schieden, ob die Ernennung deS Erzbischofs Walsh zum Car dinal im Januar-Coiisistorium, oder in dem späteren erfolgen soll, welches wahrscheinlich im März abgehalten werden dürfte. Ob und in wie weit die deutschen Erzbischöfe, wie der Fürstbischof Kopp und der Erzbischof Crementz, bei dieser Bewegung mit in Berücksichtigung gezogen werden, da« läßt sich auS dem Vorstehenden nicht erkennen. In Bukarest taucht die alte Geschichte von den Ab» pankungSabsichten de- Königs in neuer Form auf. In gouvernementalen Kreisen soll neuerdings das Gerücht circuliren, König Carol sei entschlossen, zu Gunsten seine« Neffen, des Prinzen Ferdinand, abzubanken, weil seine Ab dankung die erste Bedingung gewesen sei, unter welcher die Königin von England ihre Zustimmung zur Vermählung ihrer Enkelin mit dem Prinzen Ferdinand von Hohcnzollern gab. Die Königin hätte ihre Enkelin nur einem solchen Prinzen zur Gattin geben wollen, der sichere Aussicht auf eine Krone babe. Der König Carol könne aber noch einen Sohn bekommen, in welchem Falle die Hoffnungen des Prinzen Ferdinand gescheitert wären. Um also sicher zu sein, daß der jetzige Kronprinz den rumänischen Thron be steigen werde, hätte die Königin von England die Abdankung des Königs verlangt , und der letztere hätte sich zu diesem Entschlusfe um so leichter bewegen lassen, als er in der letzten Zeit vielfach kränklich und mißgestimmt war. Selbstverständ lich dementiren die officiosen Blätter diese abenteuerliche Sensations-Geschichte. In der Brüsseler „Jndependance belge" finden wir einen beachtenwerthen Bericht aus Konstantinopel vom 1. d. M., wonach die türkische Regierung im Einklänge mit dem General Brialmont und dem türkischen Generalstab sich ent schlossen hat, Konstantinopel zu Wasser und zu Laude zu befestigen. Di« Befestigungen zu Lande, im Norden und Westen der Hauptstadt, sollen auch Bulgarien in Rcfpect halten. Jetzt steht die Pforte mit Bulgarien gut, aber man muß allen Eventualitäten Vorbeugen. Die militairischc Organisation Bulgariens überragt weit die türkische. Bulgarien kann über eine Feldarmee von 120 000 bis 150 000 Mann und über Reserven von 50 000 bis 100 000 Mann verfügen, seine Armee Dank seinen Eisenbahnen schnell concentriren und über das nur schwach gesicherte Adrianopcl, wo kaum 20 000 Mann stehen, nach Konstantinopel Vordringen. Die Landbesestigungen Konstan tinopels haben aber nur einen Werth, wenn sie nicht vom Wasser aus umgangen werden können. Die Meerengen, der Bosporus, sollen so gesichert werden, daß die Türkei di« Dardanellen beherrschen kann. Organ hat, um zu erkennen, wie e« im Innern seines Körpers aussieht, daß dies Nächste, das er überall mit sich hcrum- schleppt, ihm so fremd ist wie der unentdccktc Nord- und Südpol. Da muß er herumratben und herumräthseln, wie sein Hirn, sein Herz, seine Lunge beschaffen ist — und Andere horchen und tasten an ihm herum, um'S zu erkennen. Ist's da nicht ein glorreicher Triumph deS Menschengeistes, wenn er diese nichtswürdig beschämende Schranke zu Boden wirst und in gehobenem Seher zustande seinen Körper durchschaut, als wär' er von Glas und alle seine Organe wie mit feurigen Linien um- sckrieben, lichtfunkelnd sich vor seinem Geiste abzcichnen. So bat'S ein begeisterter Scher verkündet, und auch ich habe ein Mal. wenn auch weniger hell Gleiches geschaut!" Enrico schüttelte zweifelnd den Kopf. Oswald aber meinte, der Mensch sei hierin allerdings stiefmütterlich behandelt und ein solcher sechster Sinn würde unsere geistige Ausstattung sehr vervollständigen; aber er fürchte, daß hier eine Täuschung obwalte, der allerdings nur hochstrebende wiffensburstiqe Geister verfallen könnten. " Mitten in dies Gespräch klang eine lustige Operetten- melodie, welche Käthe Blau am Clavicr sang, schalkhaft tibermuthig. ,n weinseliger Laune. Die Füßchen verschmähten da« Pedal und tänzelten hin und ber — und auch die Tasten diese« Musikkastens, den sie mit Richard Wagner verachtete erschienen ,br bald ein unwillkommene- Hcmmniß; sie svrana auf vom S.tze und sich mit dem Chic ihrcS MctierS hin- und berwiegcnd und die Fußspitzen ein wenig in die Höhe werfend ? Rhythmen eine- verschämte» CancanS sich ihr °b« " Archste'k'tem Rentier Faber zu seinem »M»n siebt S ,hr nicht an", meinte dieser, „jedenfalls sivt ihr« s«le m einem Schmollwinkel - und nur wen» d. bunderttaujtnv Teufel de« Champagner« dort einkebren. wird daran« ausgtjagt! «eben Sie, wie sie jetzt schon wieder die L.ppe hangt und so verdrossen drein sieht/ wie eine vom Deutsches Reich. * Berlin, I I. December. Ein osficiöser Berliner Bericht erstatter der Wiener „Polit. Corr." erörtert die Aussichten der zwischen Deutschland und Rußland schwebenden wirthschaftlichen Verhandlungen und stellt fest, daß die Stimmen der russischen Presse über diese Verhandlungen auf wenig Neigung zu einem wirthschaftlichen Einvernehmen schließen lassen. „Besonders bemerkenSwerth" heißt eS in der erwähnte» Berliner Correspondenz, „erschien indieserBeziehung ein Artikel der „Moskauer Zeitung", welcher ankündigte, daß man in Rußland beabsichtige, zweierlei Tarife einzuführen, einen mit weniger hoben Zöllen für Länder, die Rußland Einsuhrbcgiinstigungen bieten, und einen anderen mit höheren Zöllen für Länder, die solckeS nicht thun. Als ermäßigter Tarif, und darin liegt der Kern der Sache, soll der gegen wärtige Zolltarif gelten, für den erhöhten Tarif sollen Procent- ^eanteu zur Ordnung gewiesene Cancaneuse, die über die Schnur gehauen hat." Der angeheiterte Bankier Seiter aber, der am lebhaftesten applaudirt hatte, ajng im Zimmer herum von dem Einen zum Anderen, eitel und stolz, wie der Herr eines Pudels, der seine Künste gezeigt hatte. „Nicht wahr . . . eine brillante Künstlerin", sagte er hier und dort; einem Lieutenant flüsterte er das Wort: „Race" in'S Ohr und zu Oswald meine er: „Das erfrischt . . . nach so vielen Patienten endlich einmal etwas Gefundes ... da- ist für einen Arzt die beste Medicin . . ." ^ Nun setzte sich ffrau Locca ans Clavier, ehrgeizig mit der Soubrette zu wetteifern. Darum spielte sie weder Beethoven noch Mozart, sondern das Neueste vom Operettenmarkt, mit einem Chic, der Anerkennung verdiente^ gleichwohl war der Beifall geringer: denn zu ihrem reiferen Alter und zu ihrer üppigen, aber etwa- schwerfälligen Erscheinung wollten diese lcichtarflügelten Lieder nicht paffen. Die Schmetterlinge schienen sich in Maikäfer zu verwandeln und die keck spielenden Frivolitäten plumpsten als dumpfe CyniSmen aus die Erde. Frau Locca befand sich indeß in gebobenster Stimmung als die Beherrscherin dieses Salons, der ihr wie ein buroau ä'esprit aus der Glanzzeit de« französischen Geistes erschien. Ergriff doch jetzt der geistreiche Sanitätsrath das Wort zu einer Auseinandersetzung über die Bedeutung de- Salons als deS gesellschaftlichen Mjttejpunctes Fortschritt der Cultur, indem hier alle gesonderten Kreise der Bildung ver schmolzen würden zu einem schönen Zusammenwirken. Vom Salon müßten die Losungen auSgehcn für die Presse: im Salon müßten die Talente gefördert werden; die Laufbahn der Staatsmänner müßte von bier ihren AuSganz nehmen; die feinsten diplomatischen Verwickelungen zwischen den Nationen hier im Aetker der höheren Geselligkeit eine Stätte finden, ehe die grobe Arbeit der Cabinelte beginne» das bou mol, ehe es in langweilige ExposoS auScinandergefasert würde, müsse hier zünden und tonangebend wirken; kurz, der Salon habe in Deutschland noch eine Sendung zu erfüllen, und hier bei Frau Locca werde damit ein vielversprechender Anfang gemacht. (Fortsetzung folgt.!
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