oo willig aufgenommen, ja selbst der romanische Stil, den man hier wie in den Niederlanden für römisch nahm, wurde herangezogen. Hatte doch die Eyck schule mit ihren reichen Architekturen an die Aufnahme romanischer Formen gewöhnt, war es doch bei der Unkenntnis der Formen leicht erklärlich, daß romanische Monumente auf deutschem Boden vielfach für Abkömmlinge der römischen Antike gehalten und als Vorbilder angeschaut wurden 1 ). Ein Beispiel dafür bietet das Portal am Eingänge zum großen Saal in Torgau (Abb. 21 u. 22), welches in seiner Nebeinanderstellung gleichartiger Profile im Gewände, ihrer Verkröpfung im Kämpfergesims, der Ausbildung der Archivolte starke Anklänge an romanische Kunstweise aufweist. Wie fanden jedoch die andersgearteten Form gestalten Eingang in das deutsche Kunstschaffen? Es ist erklärlich, daß nicht die florentiner oder römische Kunst den Ausgangspunkt für die neuen Anregungen bildete, sondern daß die „wälsche“, die „antikische“ Art fast ausschließlich die oberitalienische war. Denn die deutschen „Malerknaben“, Steinmetzen, Bauleute und Kunsthandwerker, die damals über die Alpen zogen, kamen schon aus dem prosaischen Grunde des Geldmangels meist kaum weiter gegen Süden als zur lombardischen Ebene und nach Venedig. Doch auch ein innerer Grund rechtfertigt dieses Verhalten der deutschen Renaissance zu Oberitalien. Dasselbe wurzelt in der Verwandtschaft der nationalen Phantasie. Die malerische Neigung der oberitalienischen Kunst fand in dem nordisch-germanischen Kunstgeist freudigsten Widerhall 2 ). Daß deutsche Steinmetzen schon im 15. Jahrhundert in Italien tätig waren, ist bekannt, bei der großen Wanderlust derselben auch weiter nicht verwunderlich. Auf ihrer Wanderschaft werden viele die welschen Formen kennen gelernt und Er innerungen, vielleicht der eine und der andere auch eine im Arbeiten im neuen Stile geübte Hand in ihre Heimat zurückgebracht haben. Vor allem aber sind es die Werke der Plastik und Malerei, des Buch- und Kunstdruckes, welche bahn brechend und stilverbreitend auf die Architektur wirkten, Vischer durch seine Grabdenkmäler, Dürer, Burkmair und Holbein, in Sachsen vor allem der Italiener Jacopo de Barbari und durch ihn beeinflußt Lucas Cranach, dann die Kleinmeister durch ihre zahlreichen Zeichnungen, die im Holzschnitt und Kupferstich die weiteste Verbreitung fanden und in der Ornamentik den be deutendsten Einfluß ausübten. Mit der Frfindung der Buchdruckerkunst tritt im Kunstleben eine bisher unbekannte Erscheinung ein, nämlich, daß Kunstbücher und kunstgewerbliche Blätter von Meistern verfaßt und herausgegeben wurden, welche zwar nicht Vorlagen, aber doch eine große Anzahl von Motiven allen Interessenten bieten wollen. Gelingt es nicht selten, eine Entlehnung von Einzel motiven nachzuweisen, so sind doch direkte Kopien italienischer Vorlagen bei deutschen Stechern vor 1550 mit Ausnahme der Hopfer überaus selten, „aber die wenigen Fälle, in denen ein Zusammenhang über jedem Zweifel steht, beweisen nur, wie frei man mit den fremden Anregungen schaltete*)“. Das Ornament am Schlosse zu Torgau, welches schon zu einer Zeit ausgeführt *) Das Zurückgreifen auf Motive des romanischen Stiles bei Dürer, siehe Valentin Scherer, Die Ornamentik bei Albrecht Dürer. Straßburg 1902, S. 86. 2 ) A. G. Meyer a. a. O., S. 6. 8 ) Alfred Lichtwark, Der Ornamentstich der deutschen Frührenaissance. Berlin 1888, S. 8.