XV. Vom Dorf- zum Stadtbild ür den Oberflächlichen sind die alten Dörfer, die in einem blühenden Kranze ur sprünglich die Stadt Leipzig umgaben, den alten Stadtkern, rettungslos und un unterscheidbar in die Erotzstadt Leipzig aufgegangen. Weil man sich in die Meinung versetzt, daß die Entwicklung des neuen Leipzig eine amerikanische sein werde, möchte man sogar die alten Dorfbezeichnungen überhaupt verschwinden lassen, man möchte die Stadtteile nicht nur nach den Himmelsrichtungen, wie man sie teilweise zur Kenntnis der Lage auch gebraucht, sondern auch nach römischen Ziffern benennen. Damit würde dem geschichtlichen Sinne ein bedenklicher Stotz versetzt, sind doch die alten Namen vielfach die einzigen Ge schichtsreste eines Orts, die noch zur Erinnerung gepflegt werden wollen, wenn alles andere verschwunden ist. Das kümmert aber die Modernen nicht; historische Pietät gehört für sie zu dem Gerümpel, mit dem aufgeräumt werden mutz. Und doch hat der bekannte gefrätzige Grotzstadtmoloch in den Vororten um den Stadtkern, der seine Grenzen heute ja weit über sie ausgedehnt hat, keineswegs alle ge schichtlichen Spuren austilgen können. Es gehört nur eine genauere Beobachtung, ein freundliches Verständnis und vor allem Liebe dazu, und man entdeckt diese Spuren und wird ihrer ansichtig. Dies ist besonders auch in dem alten Gohlis der Fall. Wie der Erundritz eines Hauses das Wichtigste ist, von den: alles übrige, der Aufbau über der Erde, bestimmt wird, so ist auch in Stadt und Dorf der Grundritz der Fluren und Stratzen das Wichtigste, das sich dann gesetzmätzig auf die Anlage der Gebäude und den ganzen Wohnbezirk auswirkt. Es ist zuzugeben, datz in dem alten Gohlis diese Ver hältnisse für den Uneingeweihten etwas verdeckt sind, datz sie sich der Erkenntnis etwas entziehen, vorhanden sind sie aber auch, und bei tieferem Eindringen enthüllt sich ohne weiteres ihre Bedeutung. Es offenbart sich nicht nur die Bedingtheit der vrvgraphischen Lagerung des alten Dorfkerns, mit seinen Hauptadern, den wenigen alten Dorfstratzen, sondern es zeigt sich auch, datz sich in diesen Planverhältnissen die Entwicklung Gohlis' von der alten Dorfflur zum modernen Stadtbild genau ausspricht, der Grundplan ist ein wesentliches Dokument für die geschichtliche Entwicklung des Vororts, in dem mir wohnen, und er mutz um so sorgsamer beachtet werden, als sich in eigentlichen Urkunden diese Entwicklung von Gohlis nur ganz dürftig ausspricht. Es gehört zu der Gunst der Lage, datz von allen Vororten um Leipzig Gohlis derjenige ist, der noch am meisten Grün enthält, hier ist man der Natur noch am nächsten, der Landhaus- und Wohnbaucharakter ist vorwiegend, nur in einzelnen Quartieren sind Industrien stärker emporgewachsen, eigentlich nur Felsche im alten Dorfkern, und Bleichert, auf neuem Boden nördlich vom alten oberen Gohlis. Der Charakter von Gohlis als Wohnbezirk wird von ihnen jedoch kaum berührt.