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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921213023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-13
- Monat1892-12
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Terember in der „Rose ' zu Eckartsberga lBahnverb. nach Freyburg 2 Nachm„ 6^5 Abends), der Verlaus beginnt 9'/« Uhr mit deu starken Eiche» (rot. 100 Stück mit 300 km dis OS cm, 18,6 w) auS Lckartsberga und Probsteig, das übrige Material schließt von 12 Uhr ab an: Revier EckartSberga (Bahnstation, Revierförster Lehmann) neue Frankrodaer Straße: 87 Eichen, 118 Rothduchcn bis 70 ew, 1b m — 110 Kn, auf den neuen Districtslinien (Distr. 83, 88, 92, 23) 36 Stück vorzügliche Eichen — 86,SO km. Revier Prodftetg (Revierförster Lehmann^kckartsberga, Bahn stationen Kissen, Laucha). Distr. 96»: 21 Eichen --- 49 km, 62 Aspen. Distr. 100 b: 39 Eichen --- 54 km. Tot. (Wegeaushied Gutzschbach- thal): 47 Eichen ---- 39 km, 24 Aspen. 2 t. December im „JahnshauS" EckartSberga, zu Freyburg a. U. Der Verkauf beginnt von 9'/,—12'/, Uhr mit den starke» Eichen in nachstehender Folge der Reviere, LaS übrige Material schließt um 1 Ubr in gleicher Folge an: Revier Tchlebrrode (Förster Hartung-Schleberode, b lun Bhf. Freyburg a. U., 10 üm Bhf. Mücheln). Distr. 53, 60 (Schläge) 52, 58, 60, 68 (Districtlinien), 72: SO Stück extra starke Eiche» bis 117 om, 13,4 m --- 150 km. Revier Püdelift (Förster Köring-Pödelist bei Naumburg a. S.) Distr. 38: 22 starke Eichen -- 110 km bis 102 om, 15,6 m. Revier Wilsdorf (Förster Reinhardt-Wilsdorf bei Naumburg a. S.) Distr. 26: 63 theilweise stärkere (bis 62 em, 13 w) Eichen ---- 54,5 km. Distr. 27 : 99 theilweise stärkere (bis 69 em, 9 m) Eichen. Besichtigung der Schläge, Fuhrwerksnachweis rc. vermitteln die genannten Forstbramte». Districtskundige Führer in Freyburg a. U.: K. Wahrlich, Schloßgasse, B. Helblg, Oberstr. 43. Zahlungsfrist: 12 Wochen (bei Abnahme größerer Posten längere Stundung gegen 5 Verzinsung). «bfuhrsrist: 3 Monate. Ausländer und unbekannte Käufer leisten 25 "/o Anzahlung. Nächster größerer Nutzholzverkaus (größere Loose schästiger langer Weidbuchen von 30 bis 4o ew, ca. 250 km) Ende Januar 1893. Schlag Arehburg a. u., den 10. December 1892 Ter königliche (Oberförster kitrnu. Die gestrige Neichötagsdebatte. 88 Berlin, 12. December. Die parlamentarischen Propheten hatten sich geirrt, welche für heute bereits den Höhepunct der Discusston über die Militairvorlage durch eine Rede, de« Herrn v. Bennigsen erwarteten. Denn die Militair vorlage stand zwar auf der Tagesordnung, aber erst als dritte Nummer, und sie kam nicht mehr an die Reibe. Borher wurden vielmehr zwei Interpellationen erledigt. Aber die parlamentarischen Feinschmecker, welche heute in dichten Schaaren dem Reichstage zugeeilt waren, um Bennigsen'S Rede zu hören, kamen gleichwohl auf ihre Kosten. Zunächst begründete Aba. v. Marquardsen in kurzen, markigen Worten die Anfrage über die Brauchbarkeit der neuen Gewehre, indem er es als nothwendig bezeichnete, daß nach den wiederholten Verleumdungen eine Beruhigung erfolge gegenüber dem Reichstage und auch gegenüber der Nation durch den amtlichen Vertreter der Regierung. Der Reichskanzler Graf Caprivi gab kurze und bestimmte Er klärungen ab, welche hoffentlich den lügenhaften Aus streuungen antisemitischer Correspondenten, soweit sie die deutschen Waffen berühren, für immer ein Ende bereiten werden. Der Gedanke, der Firma Löwe etwa die Gewehre zurückzugeben oder künftig nicht bei ihr zu bestellen, sei der Reichsverwaltung noch nie gekommen. Die Repara turen, welche erforderlich geworden, seien bedeutungslos, die Löwe'schen Gewehre seien eine gute Waffe und entsprächen allen Anforderungen der modernen Kriegskunst. Aufs Ent schiedenste brandmarkte Graf Caprivi die unverantwortlichen und gewissenlosen Verleumdungen, welche vor Gericht statt gefunden haben. Der sächsische Kriegsminister, General v. d. Planitz, batte beute unmittelbar neben dem Reichs kanzler seinen Platz und nahm auch unmittelbar nach ihm das Wort, um besonders für die sächsische Armee die Dar legungen des Grafen Caprivi ru bestätigen, da bei den gerügten Verleumdungen man sich besonder« aus sächsische Erfahrungen berufen batte. Der schneidige General zeigte sich als ein ebenso schneidiger Redner, und Schlag auf Schlag bezeichnete er eine Behauptung des Herrn Ahlwardt nach der andern als unwahr, als vollständig unwahr, als erfunden und fügte „zur Charakteristik von dessen Angaben" noch besonderes statistisches Material bei. Erschloß unter dem Beifall des Hauses mit der Versicherung, daß die Löwe'schen Gewehre vollständig kriegsbrauchhar seien und die deutsche Nation sich in dieser Beziehung aller Sorge entschlagen könne. Die Antisemiten und diejenigen Conservativen, welche ihnen etwa nahe stehen, vermieden eS, eine Besprechung an diese Interpellation zu knüpfen, was sonst regelmäßig nach einer solchen geschieht, und so kam denn die folgende Inter pellation, welche den Bimetallismus betrifft, an die Reihe. Mit dankenSwerther Bestimmtheit erklärte sich Graf Caprivi gegen die Bestrebungen der Bimetalisten und auch gegen diejenigen, welche „den Bimetallismusund den Antisemitis mus vor denselben Wagen zu spannen bestrebt sind". Der Reichskanzler wiederholte alsdann, daß er Werth darauf lege, die Stellung der Reichsrrgierung dem Anti semitismus und Bimetallismus draußen dem Lande gegenüber festzustellen. „Die Ereignisse der letzten Woche, die zu dem Betrübendsten gehören, was ich in meinem Leben erfahren habe, haben mich bestimmt, nicht hinter dem Berge zu halten." Im Foyer des Reichstags wurde versichert, daß es in Regierungskreisen und an höchster Stelle ganz besonders peinlich berührt hohe, daß, während Ahlwardt zwei Mal gerichtsnotorisch gebrandmarkt ist, sich der conservalive Parteitag nicht gescheut habe, ihm gewissermaßen Sympathien zu bekunden, daß unter dem Jubel dieses „Parteitags" nicht nur die Stimmabgabe für einen solchen Mann gerühmt, sondern sogar eine demagogische Art des Vorgehens empfohlen wurde. In dieser klaren und präcisen Stellungnahme der Re gierung, welche durch den Reichskanzler zum Ausdruck kam» liegt das wichtigste Moment der heutigen Sitzung und wir wünschen lebhaft, daß der größere Theil der conservativen Partei sich wieder auf sich selbst besinne und den Makel des letzten „Parteitags" bald verwische. In der heutigen Sitzung des Reichstags wenigstens fand kein Mitgliedder conservativen Partei den „Math", sich zum Ahlwardt'schen Antisemi tismus zu bekennen, und Graf Mirbach legte Verwahrung ein gegen die Verquickung des Antisemitismus mit dem BimetallismuS, ebenso wie Graf Ballestrem den letzteren nicht unter den Sckutz des Centrums gestellt wissen wollte. Es blieb Herrn v. Liebermann Vorbehalten, di« Berech tigung des Antisemitismus zu vertreten — allerdings in seiner Weise. Für Herrn Ahlwardt eine Lanze einzulcgen, hielt aber auch er nicht für rathsam. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. December. Zu derselben Zeit, in welcher gestern im Reichstage der Reichskanzler Graf Caprivi mit dem „demagogischen" Antisemitismus ins Gericht ging, hat der Vorsitzende de« conservativen Landesvereins im Königreich Sachsen, Frhr. v. Friesen, es für angezeigt gehalten, gegen den „Radau-AntisemitiSmus" eine entschiedene Absage zu richten. Allerdings ist diese Absage in die Form eines Protestes gegen die officiöse „Leipziger Zeitung" gekleidet, bleibt aber trotzdem eine Absage gegen Ahlwardt und den übrigen „Radau-Antisemitismus". Die schon im heutigen Morgenblatte telegraphisch avisirte, in der „Kreuz zeitung" veröffentlichte Erklärung de« Herrn v. Friesen lautet wörtlich: „Die „Leipziger Zeitung" hat es in der jüngsten Zeit für an- gezeigt erachte», über cie Revision de» conservativen Partrivroaramm» und den conservativen Parteitag wtedrrbol» Au-laffungrn »u bringen, welch« ebenso «inseitig, alS den Thatsachen widersprechend waren. Der Unterzeichnete hat hisher hterzu geschwiegen. In der Nr. 287 vom 10. December schleudert dieselbe aber der „großen Mehr- heit der conservativen Partei" eine derartige Beleidigung i» das Gesicht, daß ich mich Mißverständnissen au-gesetzt sehen würde, wen» ich daraus nicht eine Antwort geben wollte. Die Zeitung schreibt zunächst: . , „ . „Wenn die große Mehrheit der (conservativen) Partei eS fetzt für die Summe aller politischen Weisheit hält, den Radau» AntijemitismuS zu übertrumpfen" u. s. w. und sodann: „während die jetzt sieghaften „Jüngsten" (der conservativen Partei! nur Lärm machen und daher von dem wirklich gefährlichen Theil der jüdischen Bevölkerung schon längst als ungefährlich erkannt sind." Ich habe die Ehre, der Mehrheit der conservativen Partei, wenn man überhaupt die Ausdrücke Mehrheit und Minderheit gelten lassen will — anzngehören. Ich befinde mich dabei in sehr guter Gesell schaft. Außer dem Kern unserer Partei, dem conservativen Mittel- stände — Handwerker, Gewerbetreibende, Landwirthe u. s. w. — gehören mit mir der Mehrheit di« höchsten Staatsbeamten, hohe Officiere a. D.< die gesammten aristokratischen Kreise Sachsen« an. Der Beweis hierfür ist durch die auf dem conservativen sächsischen Parteitage zu Dresden erwigte ein stimmige Annahme meiner vorgeschlagenen Resolutionen, durch die Theilnahme zahlreicher Angehörigen dieser Kreise an'dem weiteren allgemeine» deutschen Parteitag tn Berlin erbrach». Diese That sachen sind der Leitung der „Leipziger Zeitung" bekannt. Ich habe nicht nur auf dem sächsischen Parteitag zu Dresden unsere Stellung zu dem Radau-Antisemitts- muS aus eine Weis« gekennzeichnet, die keine Mißdeu tung zuließ, sondern habe in dem heißen unerquicklichen Kampf gegen diesen Radau-Antisemitismus bis auf den heutigen Tag die Gesinnungen der Mehrheit der conservativen Partei bethätiat. Auch diese Thatsachen sind der Leitung der „Leipziger Zeitung" bekannt. Die Verdächtigung, daß die Mehrheit der conservativen Partei eS für die Summe aller politischen Weisheit hielte, den Radau- NntisemittsmuS zu tibertrumpfen, widerspricht obigen, der Leitung der „Leipziger Zeitung" bekannten Thatsachen, kenuzcichntt sich des- halb als eine bewußte Unwahrheit. Zum Schluß habe ich noch im Hinblick aus meine außer- sächsischen Parteigenossen und zur Vermeidung von Mißverständnissen " i«n: Die „Leipziger Zeitung" ist das Organ der königlich sächsischen Regierung. Aber auch ohne mit den hohen Vertretern dieser Regierung über diesen speciellen Fall in Vernehmen getreten zu sein, weiß ich, daß die königlich sächsische Regierung der Leitung der Zeitung keinerlei Befugnisse ertheilt Hai, Personen, welche in unverbrüch licher Treue zu König und Vaterland stehen, in obiger, aller Begründung entbehrenden Weise öffentlich zu beleidigen und zu verdächtigen. Berlin, den 12. December 1892. Heinrich Frhr. v. Friesen, Vorsitzender des Conservativen LandeSvereinS im Königreich Sachsen." ES geht auS dieser Erklärung mit aller nur wünschens- wertben Deutlichkeit hervor, daß Herr v. Friesen nicht nur den Vorwurf der „Leipz. Ztg", er halte eS mit der großen Mehrheit der Conservativen für die Summe aller politischen Weisheit, den Radau-AntisemitiSmus zu übertrumpfen, höchst peinlich empfindet, sondern nicht einmal den Verdacht auf sich sitzen lasten mag, er mißbillige das Treiben dieser Art deS Antisemitismus keineswegs. Am peinlichsten ist ihm der Gedanke, von der sächsischen Regierung verkannt und für einen Protektor Ahlwardl'S und seiner Agi tationsweise gehalten zu werden. Freilich hat er diese Verkennung selbst verschuldet. Er hat, so viel bisher bekannt geworden, nichts gethan, um den Beweis zu liefern, daß er dahin gewirkt hahe, den conservativen Parteitag zu der in Vorschlag gebrachten ausdrücklichen Mißbilligung der antisemitischen Ausschreitungen zu veranlassen und von sym pathischen Kundgebungen für Ablwardt zurückzubalten. Er hat bisher, so weit bekannt geworden, weder gegen diese Kund gebungen protestirt, noch dafür gesorgt, daß man seine Zustimmung zu der Streichung deS die antisemitischen Ausschreitungen mißbilligenden Passus deS neuen Pro grammentwurfs nicht als eine Unterwerfung unter die Protektoren Ablwardt's deuten könne. Der „Leipz. Ztg." und ihren Auftraggebern wird eS daher nickt schwer fallen, den Borwnrs „bewußter Unwahrheit" abznwchren. Herr v. Friesen aber hat bewiesen, daß nicht nur zwischen Majorität und Minorität der conservativen Partei, sondern auch innerhalb der Majorität ein großer, unüberbrückbarer Gegensatz in Bezug auf die Beurtheilung und die Stellung nahme zu dem Antisemitismus besteht, ein Gegensatz, der immer schärfer zu Tage treten wird, je mehr der „Radau- AntisemitismuS" durck, die Beschlüsse des conservativen Parteitages sich zum Weiterschreiten auf der betretenen Bahn bestärkt fühlt. Vor einer schweren Aufgabe stand gestern der iatlie- nische Ministerpräsident Herr Giolitti, welcher im Senat die Anfrage Guarneri's wegen der jüngsten Senatoren-Ernennungen zu beantworten batte. Den Anlaß zu dem Conflict zwischen dem Senat und der Regie rung hat bekanntlich die von dem Ersteren zurückgewicsenc Ernennung des Deputirten Zuccari zum Senator gegeben. Die italienische Regierung hatte in einen, der gestrigen Scnats- sitzung vorausgegangenen Ministerrath beschlossen, die Er klärung abzugeben, daß dem Senat lediglich das Recht zustehe, nur jene neu ernannten Senatoren abzulehnen, welche sich nicht im Besitze der ihnen von der Regierung beiaelegten RechtStilel befinden sollten. Wie sehr sich der Conflict zu gespitzt hatte, erhellt aus der Meldung, daß König Humbert sich weigerte, die Deputation des Senats und der Kammer, welche die Adressen zur Beantwortung der Thronrede über reichen sollten, zu empfangen, ehe jener Zwist beigelegt sei. Nach einer vorliegenden telegraphischen Meldung von gestern Abend erklärte Giolit ti, er wolle aus Achtung vor dem Senat und vor sich selbst die an ibn gerichteten Phrasen Guarneri's über gehen und sich blos aus die Ausklärung derAbsichten der Regierung beschränken; die Behauptungen Guarneri's betreffs der Art und der Zahl der in letzter Zeit erfolgten Ernennungen von Senatoren müsse er zurückweisen. Nachdem noch zwei andere Redner gesprochen, wurde der Zwischenfall geschlossen und die Sitzung aufgehoben. Es gebt aus dieser lakonischen Fassung dev Meldung über den Verlaus der gestrigen Scnatssitzung hervor, daß von hüben und drüben scharfe Worte gewechselt worden sind, man kann aber nicht ersehen, ob der Conflict wirklich als beseitigt angesehen werden kann, oder ob es doch noch zur Stellung der Vertrauensfrage kommen wird. Der Ministerwechsel in Spanien, welcher zur Er setzung deS conservativen CabinetS CanovaS del Gastillo durch ein liberales Cabinet Sagasta geführt hat, scheint an und für sich zur Erregung besonderer Aufmerksamkeit weiterer Kreise kaum angethan. In Spanien ist die politische Zwietracht unter den Parteien recht eigentlich zu Hause, wie de»» a»ck> Spanien geraume Zeit hindurch der klassische Boden für Militairvcr- schwöruligcn, PronunziamentoS, Bürgerkrieg rc. war. Erst die jüngere Vergangenheit hat hierin eine Wendung zum Besseren insofern eingeführt, als seit der Thronbesteigung AlfonS XII. wenigstens die Aera der gewaltsamen Ausbrüche inneren HaderS geschlossen worden ist. Daß unter einer äußerlich ruhigen Oberfläche die Leidenschaften »och geraume Frist fort toben und sich, in Erniangelung deS altherkömmlichen Ver fahrens, auf dem minder kritischen Wege parlamen tarischer Kämpfe, beziebungswcisc »linistericller Krise», Luft machen, ist rin vergleichsweise harmloser Zustand, der im concretcn Einzelfalle keine übermäßig großen Be denken nach sich zu ziehen braucht. Wenn der gegenwärtige gouvernementale Scenenwechsel in Madrid gleichwohl von mehr als örtlichem Interesse ist, so erklärt sich das ganz ein- Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Gottschall. 61) Nachdruck rertöten. (Fortsetzung.) „Man gebt aber doch nicht in Gesellschaften, um geistreich zu sein", meinte der Rentier Faber. „Sonst müßten manche überhaupt zu Hause bleiben", fügte sein Baumeister Wolf hinzu. Da mischte sich Nora in'S Gespräch: „Ich glaube nicht, daß unsere Geselligkeit zum Fortschritt der Menschheit auch nur das Geringste beizutragen vermag; sic verflacht nur, wie die Wellen der Bäche die Steine glätten; eS gehört zum guten Ton, daß jeder dem andern Zugeständ nisse macht, und so bleiben zuletzt nur die Nichtigkeiten übrig, über welche sich Alle leicbt verständigen. Die einsamen Denker und Propheten sind die Träger de- Fortschrittes — die Ein samkeit ist die Mutter der Offenbarungen; und ohne Offen barungen ist alles geistige Leben stumpf und dnmps und versinkt im Moder der Verwesung. Alles Große ist einsam und einzig, und spät erst begreif; eS die Menge. Wo aber ein verklärtes Auge da» Ewige schaut — da stört der Lärm des Tages." ES waren weniger die Worte Nora'« als der Ton, in dem ste sprach, die Gebilden ver Seherin, der verzückte Blick der Augen, wa« aus die Gesellschaft einen fast Ehrfurcht ge bietenden Eindruck machte, so daß nach Nora'S Worten eine Pause allgemeinen Schweigen« eintral. Da wurde deftig a» der Hau«klingrl gerissen, daß fast Alle erschreckt zusammen fuhren. Bald daraus wurde Herr vr. Bingen derauSzerusen und kebrte wieder, mit der Bitte, ibn zu entschuldigen: ei» ernster und, wie eS ihm schien, merkwürdiger Fall verlange sein augen blickliche« Erscheinen an der Unglvck«stättk. Man hätte gern mehr ertragt; koch Vr. Binzen war nach kurzer Verabschiedung von der Dame des Hauses rasch verschwunden. „Wir Aerzte sind verschwiegen", meinte der SanitätSratb, „besonders wenn wir selbst nichts wissen." Obsckon er seine Praxis ausgegeben, batte er doch immer das Gefühl, als ob ein vielbeschäftigter Arzt ihn selbst in Schatten stelle. Es ist ja bekannt, daß nach einer Amputation der Verstümmelte noch dort Schmerzen zu empfinden glaubt, als wenn da« ab genommene Glied noch seinem Körper zugehörte — so war dem Doctor noch nach amputirter Praxis noch der Con- currenzneid geblieben, der ihm früher oft wehgethan. „Wenn wir indeß auch so glücklich sind, keine Patienten zu haben, die sich zur Unzeit melden, so mahnt uns doch vr. Bingen, daß die Stunde deS Aufbruchs geschlagen hat. Ich wenigstens sage unserer liebenswürdigen Wirthin Lebe wohl, um mich nach Hause zu begeben, wohin mich der wenig merkwürdige Fall ruft, daß ein etwas müder Mann sich nach Ruhe sehnt." In der Thal brach jetzt die Gesellschaft auf; nur Enrico blieb zurück, einem Wunsch der Frau Lvcca entsprechend; sie zog ibn zu sich aujS Sopha, während Nora am Fenster in die stürmische Nacht hinaussah. Die Laternen draußen klirrten, die Läden raffelten, mäckitigeS Brausen ging durch die Linden» Wipfel vor dem Hanse; doch der Himmel war rcingesegt vom Sturm, wolkenlos, und der klare volle Mond blickte ruhig bcrnicdcr auf die Unruhe, die in den niedrigen Regionen des irdischen Lnftkrciscs herrschte. „Wie gebt cS Ihrcr Mutter?" fragte Frau Lorca, „wie findet sie sich in ihre trostlose Lage? Wir waren, wie Sie wissen, lange nicht draußen. Da» Land ist mir verleidet worden durch de» Schreck, und ich war mehrmals nicht zu Hause, als Sie bei Nora vorsprachen." „Meine arm« gute Mutter", sagte Enrico seufzend: „so viel HesjknSgü'.e unk so grausamer roh» dafür, Sic hofft, auf res Vater» Wiedeegenesung und wünscht dann taS Gut mir ganz zu üdcrlassen. niit den, Vater sich au« dieser Gegend zurlickzuzieben, an irgend eine stille Stätte." „lind der Scharen, Enrico ... der Brandschaden." „Nock, schwebt der Prcccß, eie Versicherungsgesellschaften sind schwierig, weil der Vater selbst seine eigenen Gebäude angezündet, im besten Falle tritt eine todte Ziffer an Stelle des Ertrags, dm der lebendige Fleiß geschafft." „Ach, Enrico", sagte Frau Locca, indem sie ihm zärtlich die Hände drückte, „eS giebt in der Welt so viel Unbegreif liches! Glücklich, wer seine gesunden Sinne hat. Doch auch diese verlangen so viel, was unerreichbar ist . . leider! uner reichbar; sie verlangen'- oft so glühend, daß unser Innerstes versengt wird! O eS ist schön, die Schwiegermutter eines Sohnes zu sein, der so viele Vorzüge in sich vereint, der Alle, ich sage Alle zur Bewunderung, ja zur Liebe zwingt — es ist schön, aber auch trostlo«; denn niemals wird uns der Ab sagebrief auf alles Glück der Erde so nabe gelegt, daß wir mit zitternder Hand ihn unterschreiben müssen. Sie verstehn mich, Enrico"— und ihn traf ein schmachtender Blick aus den Augen der noch immer schönen Frau. Enrico verstand sie wohl, doch ihre Nähe wurde ihm unheimlich. Er blickte auf Nora hin; diese stand noch immer am Fenster, starr, bewegungslos. „Und auch diese ist unbegreiflich", sagte die Mutter, auf die Tochter zeigend; „nicht wahr, ein schönes Mädchen, ein herrliches Mädchen, eine Göttergestalt — aber Marmor, kühler Marmor — und dabei eine Sternseherinl Welche Verschwendung der Natur, so viel Schönheit an ein Wese» zu verleihen, das sie nicht zu schätzen weiß! Sie spricht immer von ihrem Seelenleib — und dabei hat sie einen irdischen Leib, der ja nach de« Dichters Ausspruch auch seine Seele hat — und eine entzückende Seele!" „Bisweilen zweisl' ich, daß sie mich liebt", sagte Enrico düster. „O nein! Sie batte Ihnen schon ihr Herz geweiht, als Sie noch mit Marie verlobt waren; eS war eine innige, zärtliche Liebe, aber mit Vorbehalt! Ja, wenn die Hochzeit ans dem Sirius oder einem andern Fixstern stattfinden und die Seelen verniählt werden könnten ohne die Leiber, da hätte sie schon damals gewünscht, ihre Braut zu sein. Nun aber kam der entscheidende Lag, rer Brand in Buderode — sie wurde von Ihnen auS dem Bett gerissen, auS den Flammen getragen in der Hast der Lebrn«rettuaa» für die es keine ängstlick»en Rücksichten giebt — da fühlte sie zum ersten Male, vaß ibr ein Leid geschah, weil sie «in alhmcnd Wesen war von Fleisch und Blut, ein sterblich Weib — und nicht dem Lebensretter reichte sie ihre Hand aus Dankgcfühl, sondern dem Verbrecher, dem Tempelschändcr, der da« Palladium ihrer Sittsamkeit, ihrer Jungfräulichkeit entweiht und der nur so seine Schuld zu sühnen vermochte." „Sie erschrecken mich — ich will ja weder Dank noch Sühne, ich will ihre Liebe!" „Und soll ich'S Ihnen wiederholen, daß Nora sie liebt — schon lange, schon immer — doch nur wie dies Mädchen lieben kann. Sie wissen es ja, wie zärtlich sie Ihnen zu- gcthan ist. wie treu sie an Ihnen bängt! Und doch . . sie erschreckt bei dem Gedanken, ganz Ihr eigen zu werden. Es ist die Angst einer hochgestimmten Seele vor der Berührung mit dem Irdischen, vor dem Triumph, den die Natur mit ihrer rohen Gewalt davon trägt, über die aus die Erve ver irrte Tochter des Himmels." Da hatte Enrico das Gefühl, daß etwas unbesiegbar Fremdes zwischen Nora und ihm stehe; eine gewisse Scheu vor ibrem Wesen überkam ibn, und doch — wie rührend die Zärtlichkeit dieses weltfremden Mädchens, das aus ihren höheren Sphären gleichsam Herabstieg, um an seinem Herzen menschlich zu fühlen und irdischem Glücke sich zu erschließen; doch die Mutter hatte Recht; eS war ein Glück mit Vor behalt, ein Glück, daS nur den Tausch der Seele.. wollte. Und da tauchte das liebliche Bild von Marie in ihm aus — da war nichts Fremdes, nichts Unnahbare-, baS war die Blume, die duslet und blüht, und ihr Duft, ibre Farbe, ihre Gestalt — cs ist Alles in Einem und Alles gekört dem Einen, der sie für sich» für seine Liebe pflückt. Diese Blume, hervorblühend auS den, Schutte eines zertrümmerten Lebens — wie unendlich wehmüthig batte ihn oft da» Bild gestimmt, und er konnte eS nicht glauben, daß er sie für immer ver loren hatte. Seine Blicke wandten sich dem edrln schönen Mädchen z», welchem er jetzt Wort und Ring gegeben; doch Nora schien es ia vergessen zn haben, daß er >n ihrer Nähe sei — oder wußte sie e- nicht? Lebte sie jetzt ganz im Banne ihrer Geister? Sie war vom Fenster zurückgetreten, sie hatte sich in den
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