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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921214024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-14
- Monat1892-12
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AbormemeittspreiS A> tz« Hauptexpediston oder den im Stadt« deztrt und den Bororten errichteten Au»« Ladestellen abgeholt: vierteljährlich ^l4.üO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ö.äO. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 8.—. Direkte tägliche ltreuzbanLiendung tu» Autland: mouallich Sk— Dte Morgen-Au-gabe erscheint täglich '/,7Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag« S Uhr. Redaktion und Lrpeditiou: JahanueSgaffe 8. DI« Ervedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend» ? Uhr. ' Filiale«: Vit» «kr««'» e-rti>». <«lfre» Haha). Universitatsstrab« 1, Louis Lösche. «atharinenstr. 1», part. nad «öntg-platz 7. Abend-Ausgabe. eimM TaMaü Anzeiger. Organ für Politik, LocalgesMe, Handels- «nd GeMstsverkehr. JnsertionSprerS Die 6 gespaltene Pctitzeile 20 ssffg) Reklamen unter demRedactionsstrich (4ge« spalten) 50^, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. Gröberr Schriften laut unsere«» Preis« verzeichniß. 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Der Reichskanzler. In Vertretung: v. Boetticher. Amtliche Bekanntmachungen. Concursverfahren. In dem Concursverfahren über das Vermögen der verw. Schuh fabrikant Sack» Lonffe geb. Feierabend, zu Wcttzrnfrls ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß der bei der Ber» theilung zu berücksichtigenden Forderungen der Schlußtermin aus den 11». Januar 1892 Mittags 12 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte Hierselbst, Zimmer Nr. 7, bestimmt. Weißensel», den lO. December 1892. Königlichrs Amtsgericht, Abthrilung I. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. December. Der gestrige zweite Tag der Generaldebatte im Reichs tage über die Militairvorlage war ungleich interessanter als der erste am Sonnabend, und so sehr dasselbe Thema auch bereits in der Discussion über den Etat erörtert worden war, erschöpft ist eS noch lange nicht. Das zeigt auch die große Zahl von Namen, welche noch aus der Rednerliste stehen. Mit Schärfe und Bestimmtheit trat gestern zunächst der sächsische Kriegsministcr, General v. d. Planitz, den Gerüchten entgegen, daß irgend eine der verbündeten Regie rungen der Vorlage Opposition zu machen geneigt sei. Zumal die königlich sächsische Regierung stehe „voll und ganz" auf dem Boden der Vorlage und sei vollständig überzeugt, daß die Vorlage zur Stärkung unserer Armee beitragen werde. General v. d. Planitz bestätigte bei dieser Gelegenheit auch unsere wieder holt begründete Behauptung, daß der Entwurf rechtzeitig den verbündeten Regierungen mitgetheilt worden ist. Insbesondere haben die speciellen Wünsche Sachsens durchweg Berücksichti gung gesunden. Sodann nahm das Wort der Abg. von Stumm, der bedingungslos für die Vorlage eintrat, aber gerade deshalb einen Eindruck aus das Haus nicht machte. Um so eindrucksvoller wirkte darauf der Aba. v. Bennigsen, der in seiner gewohnten vornehmen, ruhigen und leiden schaftslosen Weise alle Gründe für und wider die Vorlage abwog. Der Reichskanzler anerkannte selbst an, daß Herr von Bennigsen die Verhandlungen aus Detailbetrachtungen wieder aus die Höhe großer nationaler Gesichtspunkte gehoben habe. Ob er damit auch eingestehen wollte, daß der nationalliberale Redner das Reckte getroffen, als er die schweren Fehler rügte, welche die Regierung vor der Einbringungder Vorlage durch zwecklose Beunruhigung der öffentlichen Meinung begangen? Wir wollen es hoffen. Jedenfalls muß Graf Caprivi eingestehen, daß Herr v. Bennigsen auch so gerecht war, die Schwierigkeiten her- vorzuheben, vor denen der Nachfolger des Fürsten Bismarck steht und die das Bersallen in Fehler begreiflich, wenn nicht unabwendbar machen. Wir theilen die Rede des national liberalen Führers in der nächsten Nummer in möglichster Aus führlichkeit mit und heben hier nur noch hervor, daß eS an ihm und seinen politischen Freunden nicht liegen wird, wenn eine Einigung und Verständigung nicht zu erzielen ist und ein Couflict entsteht, dessen Folgen unübersehbar sind. Herr v. Bennigsen wies nach, daß zur Durchführung der ganzen Vorlage die nötkigen Mittel durch die neuen Steuerprojecle gar nicht aufzubringen seien und daß schon aus diesem Grunde ein Entgegenkommen der verbündeten Regierungen nöthig sei. Dann bezeichnte er genau die Puncte, an denen ein solches Entgegenkommen möglich und wünschenSwerth ist. Aus den DetailauSsührungen, in die der Herr Reichskanzler in seiner Antwort auf die Rede Bennigsen's sich verlor, läßt sich leider nicht klar erkennen, ob aus ein solches Entgegenkommen zu rechnen ist. Aber aus seinem Wunsche, die Rede Bennigsen's möge in weitere Kreise dringen, darf man wenigstens annehmen, daß er auch seinerseits den Wunsch bat, einem Conflicte auSzuweichen. — Heute wird die Generaldebatte voraussichtlich geschloffen; die erste Berathung der Steuervorlagen wird bis nach Neujahr verschoben. Heute ist nur noch eine Nachlese zu erwarten, dafür dürfte vielleicht die Debatte, welche sich an den Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens gegen Ahlwardt knüpft, um so „interessanter" sich gestalten. In der gegenwärtigen Reichstagssession sind bereit- un gewöhnlich viele Interpellationen zur Verhandlung ge kommen und eS werden Gegenstände aus diesem Wege der Geschäftsbehandlung erledigt, welche paffender und zweck mäßiger im Wege gewöhnlicher Anträge zur Verhandlung känicn. Die Form der Interpellationen hat den Zweck, über besonders dringende Anliegen schleunigst die Negierung zu einer Aeußerung zu veranlassen und, je nach den Umständen, daran ohne Säumen eine parlamentarische Erörterung zu knüpfen. In An betracht ber Dringlichkeit der Gegenstände, die auf solche Weise zur Sprache gebrächt werden sollen, ist den Interpellationen der besondere Vorzug in der Gcschäftsbehandlung eingeräumt, daß sie in der nächsten Reichstagssitzung aus die Tages ordnung gesetzt werden. Dabei ist aber auch wirkliche Dring lichkeit und Unaufschiebbarkeit die Voraussetzung. Eine solche war der Interpellation über die Gewehre ohne Zweifel zu zuerkennen, nicht zu billigen aber ist es, wenn alle möglichen Anliegen etwa der Geweroepolitik oder Münzwäbrung, jetzt auf dem Weg der Interpellation zur Besprechung gebracht werden. Ueber diese Dinge kann man sich unterhalten, wenn sie in der Reih« der gewöhnlichen Anträge zur Verhandlung kommen, oder es bietet auch die zweite Etatsberathung hierzu manche Gelegenheit. Der Weg der Interpellationen aber ist für solche Anliegen nicht das correcte Verfahren und stört un- nöthiger Weise die geschäftlichen Anordnungen. Es muß ge wiß einen seltsamen Eindruck machen, wenn die erste Lesung der alle Welt in Erregung haltenden Militairvorlage plötzlich durch eine unnütze und gleichgiltige Unterhaltung über die Silberfrage unterbrochen werden muß. In Paris zieht der Panamaskandal immer weitere Kreise und bei der allgemeinen Verdächtigungssucht glaubt man bereits mit einer Präsidentschafts-Krisis rechnen zu müssen. Daß Baron Reinach sich vergiftet hat, wird nirgends mehr bezweifelt. Der Kammerdiener Neinach's sagte vor dem Untersuchungsrichter aus, er habe bei dem Leichnam seines Herrn ein Fläschchen mit Gift gefunden, und wie der „Temps" meldet, haben die Sach verständigen festgcstellt, daß Baron Reinach sich mit Atropin vergiftet hat. Ebenso sicher ist, das Cornelius Herz, der übrigens der Vorladung vor die Panama-Commission nicht Folge geleistet hat, die ihm von Reinach überwiesenen zwei Millionen an Abgeordnete und ZcilungSdirectoren vertheilt hat. Der Ausschuß der Panamacomnnssion von 7 Mitgliedern begab sich gestern unter Führung Brisson's nach der Kanzlei des Appellgerichts behufs Einsichtnahme in die Untersuchungs acten im Panamaproceß. Briffon ordnete die Abschrift von 24 Aktenstücken an, die sich auf die Bestechung von Parla mentsmitgliedern beziehen. Vielfache Zeugenaussagen bestätigen, daß Rouvier und Clemenceau große Anstrengungen machten, den Panamaproceß zu verhindern, und insbesondere die Verfolgung des Barons Reinach. Soviel steht fest, daß beide Ge nannten, Rouvier und Clemenceau, mit Reinach und dem viel genannten Cornelius Herz in Verkehr standen, und dieser Ent hüllung istRouvier zumOpser gefallen. PräsidentCarnot konnte gar nicht anders, als die Demission Rouvier's sofort anzu nehmen. Ministerpräsident Ribot ließ sich nach der Annahme des Rücktrittsgesuches sofort durch da- Telephon mit dem in Brüssel als Vertreter Frankreichs aus der Münzconserenz weilenden Deputirten Tirard verbinden, um ihm das Porte feuille der Finanzen anzubieten. Tirard erklärte sich bereit, »ach Lage der Sache ins Cabinet einzutreten, woraus ihm Ribot mittheilte, daß dann am Mittwoch die Ernennung im „Moniteur" veröffentlicht werden wird. In Gent sind neue Versuche der Socialisten, in den Straßen Umzüge zu veranstalten, an dem Einschreiten der Polizei gescheitert. Die verwundeten Beamten befinden sich nach den neuesten Meldungen in verhältnißmäßig befriedi gendem Zustande. Die Polizei hatte bis Montag Abend viele Meuterer nicht entdecken können, weil deren Kameraden sie versteckt hielten. Für den Dienstag Abend wurden die umfassendsten Maßnahmen zur Verhütung neuer Aus schreitungen getroffen, auch die Bürgergarde unter die Waffen gerufen. Die socialistischen Blätter behaupten, Polizei und Gendarmerie hätten ohne besondere Veranlassung von ihren Waffen in umfassendster Weise Gebrauch gemacht und der Widerstand der Arbeitslosen sei nur Nothwehr gewesen. Die verhafteten Tumultuanten sind unter starker Bedeckung in das Justizgefängniß gebracht worden. — Diese Vorgänge bilden eine schneidende Ironie zu dem im Morgenblatt milgetbeilten Verhalten des belgischen Justizministers, der bei einem Besuch des belgischen Centralzuchthauses in Löwen den Züchtlingen eine förmliche Lobrede hielt, die Gefänznißdirectoren und NechtSbeistände ausforderte, ihm ja recht viele Begnadigungs gesuche zuzusenden, und hinzufügte, er werde große« Entgegen kommen zeigen. Der neue spanische Ministerpräsident Sagasta bat das Parlament vertagt, ukt eS jedenfalls in kurzer Zeit ganz aufzulösen und Neuwahlen stattfinden zu lassen. Bei dieser Gelegenheit ist es sowohl im Senat, als auch in der Kammer zu republikanischen Kundgebungen gekommen, indem, als nach Verlesung des VertagungSdecreteS da- übliche Hoch auf den König auSgebrackt wurde, auch Hochs auf die Republik ertönten. Sagasta hat schwierige Ausgaben zu erfüllen, aber man muß cs ihm lassen, daß er sich mit Eifer und Geschick an deren Erledigung macht. Bei der in Spanien bestehenden strengen Parteiberrschaft ist der Umstand sehr bemerkenswerth, daß Sagasta die Stellung des Maires von Madrid dem Marquis CubaS angeboten hat, demselben Manne, der erst soeben von diesem Posten zurückgetreten ist, und dessen Rücktritt den Sturz der conservativen Regie rung zur unmittelbaren Folge hatte. Ueber die Energie, welche Marquis CubaS während seiner kurzen AmtSdauer bei der Reinigung des vom Alkalden Bosch hinterlassenen städtischen Augiasstalles entfaltete, haben wir bereits berichtet. Durch die Wiederernennung des Marquis CubaS zum Bürger meister von Madrid wird Sagasta sich auch die Conservativen verbinden. Marquis Cubas ist nominell conservativ, doch ist er in den Parteikämpfcn niemals hervorgetreten, und durch seine ehrliche Amtsführung hat er sich die Sympathien der Liberalen erworben. — Nach der neuesten Meldung hat Sagasta dem Führer der sogenannten gemäßigten Republikaner, Ca st klar, einen Sitz im Ministerium angeboten »nd dieser behielt sich die Entscheidung bis nach den CorteSwahlen vor. Aus London wird gemeldet, daß am nächsten Sonnabend ein Ministcrrath zur endgiltigen Feststellung der bereits aus- gearbeitetcn Homerule-Vorlage stattfinden wird, Glad- ston e aber am Montag nach Biarritz abzureisen gedenkt, wo er die Weibnachtsferieu zubringen will. Es war vor Kurzem über Meinungsverschiedenheiten berichtet worden, die im britischen Cabinet wegen Homerule entstanden sein sollten, und eS wurde namentlich Lord Rosebery als Derjenige bezeichnet, der gegen verschiedene, ihm als zu weitgehend er scheinende Bestimmungen der Vorlage Widerspruch erhebe. Mit großer Entschiedenheit hat jetzt Lord Rosebery diese Be hauptungen als unbegründet erklärt. Anläßlich der Ent hüllung eines von liberalen Politikern in Canaba geschenkten Bildnisses Gladstone's fand im nationalliberalen Club ein Festmahl statt, bei dem Lord Rosebery in Beant wortung eines Trinkspruches aus das Wohl Gladstone's eine Rede hielt, in deren Verlause er nach einem Hinweis auf die jüngsten Gerückte über Spaltungen im liberalen Lager sagte: „Unsere Mehrheit ist klein und wir haben ge hört, daß wir bei gewissen Gelegenheiten die Unterstützung verschiedener Fractionen unserer Partei einbüßen würden. Wenn dies der Fall wäre, dann wehe der Regierung, aber wehe auch Denjenigen, die gewählt wurden, das Ministerium zu unterstützen, und die es bei oer ersten Gelegenheit stürzen würden. In einem solchen Falle würde ich einen Appell an das Land nicht fürchten." Schließlich be merkte der Redner, die Vorlagen der Regierung würden ihrem ehrlichen, eifrigen Liberalismus Ehre machen, ihr Be streben bekunden, die Versprechungen, die die liberale Partei während der letzten sechs Jahre gemacht hat, und insbesondere die Pfänder, die sie Irland über die Homerulefrage gegeben, einlösen. Den Gipfel socialrevolutionairer Niedertracht hat die internationale Arbeiterbewegung in Amerika mit der Giftmordaffaire in Homestcad erklommen. Der wahnsinnige Haß der socialdemokratischen Arbeiter gegen jed weden ihrer Organisation nicht angehörigen Kameraden mag noch wilderer Orgien der Grausamkeit, der Bestialität fähig sein, ein verworfeneres und gräßlicheres Beginnen, als der Meuchelmord durch Gift, läßt sich nicht wohl denken. Selbst das Dynamit erscheint im Vergleich mit Arsenik oder Strychnin, das ein von den Führern der Socialdemokratie gedungenes Subject unter die Speisen der dem Verderben geweihten freien Arbeiter mischt, noch als ritterliche Waffe. Die in unserer diesseitigen Umsturzpreffe tagtäglich in den Himmel erhobenen Institutionen des „freien Amerika" sind als solche an der Entartung der Menschennatur gewiß unschuldig, obwohl das absolute Gehen- und Geschehenlaffen, die völlige Passivität, womit BundeS- und Staatsbehörden dem Claffenkampfe, selbst wo er sich zu den gräulichsten Ausschreitungen verirrt, zuschauen, dem Fanatis mus des Verbrechens mindesten« nicht imponirt. Für die früheren Mordtbaten der Rebellen von Homestcad haben unsere diesseitigen Arbeiterführer immer nur Worte der Be schönigung, der Entschuldigung, ja der Anerkennung und Auf munterung gehabt^ desgleichen sie auch solche Banditen, wie die berüchtigten Chicagoer Tynamitbombenwerfer, die ver dientermaßen am Galgen endeten, als „Märtyrer der guten Sache" feiern und ihrem Andenken zu Ehren Demonstrationen veranstalte». Gegen den Meuchelmord durch Gift, nach amerikanischem Muster, wird hoffentlich auch die Weisheit eines „Weisheit" protcsliren. Deutsches Reich. 6. II. Berlin, 13. December. Hier und da iss in der Presse die Nachricht aufgetauckt, Carl Schurz sei von dem zukünftigen Präsidenten Cleveland zum Gesandten der Ver einigten Staaten in Berlin bestimmt Gewiß schuldet Cleve land Herrn Schurz außerordentlich viel; in der Wahl agitation hat Letzterer und mit ihm das gesammte deutsche Element Alles daran gesetzt, um Cleveland zum Feuilleton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern von Rudolf von Slottschall. 82s Nachdruck »erbolk». (Fortsetzung.) Es war ein neuer Triumph der Frau Abraham, daß sie auch zwei Damen der Gesellschaft in ihre Kreise gezogen, eine flotte, junge Wittwe und ein reiches Mädchen, das zwar dicht an der Grenzlinie der Dreißig stand, aber noch immer den Reiz jugendlicher Schönheit besaß. Sie verkehrten in den ersten Salons der Stadt; über ihren nächtlichen Abenteuern waltete tieseS Geheimniß. Der Graf hatte anfangs aus alle diese Damen nicht geachtet, wortlos, düster brütend zog er seinen Gewinn ein und schob seine Verluste von sich. Dabei berührte er einmal LcontincnS zarte Hand und zuckte zusammen wie von wirrem Grausen erfaßt. Jetzt erst blickte er zur Rechten und zur Linken, jetzt erst schien eAs zu bemerke», daß auch Frauen sich an dem Spiele be- tbeiligten. Da klappte er seine Brieftasche zu und stand mit gekreuzten Armen, aber seine Blicke ruhten starr auf Leontine und den Genossinnen am Spieltisch. Der Bankvirector, der mit ihm an der Spitze des neuen Unternehmens stand und gern einmal am Spieltisch dem Schutzzoll desselben, dem Gotte Hazard, seine Huldigung zu- iommen ließ, saß dem Grafen gegenüber, der aufrecht stehend hinter einem andern Spieler die ganze Gruppe mit den zusammengcstecklen Köpfen und fieberisch erregten Gesichtern beherrschte. Der Direktor flüsterte seinem Nachbar, einem Hauptactionair des neuen Unternehmens, zu: „Seben Sie nur den Grafen Fehrenthal an! Wenn er mit so starren Augen und Mienen sicht, da droht irgend ein Unheil. Da hört er seine Stimme..., und wie Don Quixote auf die Windmühlenflügel. fährt er auf die Spuk gestalten loS, die ihm vor Aug' und Seele schweben." Und der Director versäumte fast, auf die Karten zu seben; er konnte den Blick nicht von dem Grafen abwenden, der wie eine verderbenschwangere Gewitterwolke einen immer drohenderen Eindruck machte. Plötzlich schlug er mit der Faust auf den Tisch, daß alle Spieler und Spielerinnen erschreckt zurückfuhren. „Was will das Wcibergesindcl hier? Verspielt Ihr Eure Ringe, Canaillen? Hexen rechts und links — wie sie mich angrinsen, wie sie nur mein Liebstes stehlen! Den Besenstiel auf Euren Rücken, Hexenzunft vom Rabenstein!" Alle waren aufgesprungen; die Herren drangen auf den Grafen ein; da zog er einen Revolver hervor. „Keinen Schritt weiter... ich schone Niemand!" Als Alle bestürzt zurücktraten, schritt er zur Thür hinaus und über den Corridor in den Salon gegenüber. Sie drängten nach, wen» auch zögernd. Da siel ein Schuß — Hilferuf und Angstgeschrei. Der Graf trat heraus ... feuerroth ... die Augen stier... doch mit festem, energischem Schritt. „Ich habe Gericht gehalten", sagte er, „Niemand lege die Hand an mich!" Und über die Häupter des bestürzten Spielerclub«, der sich im Flur zusammeudrängte, unter dem angstvollen Gekreisch der Frauen, brauste eine zweite Kugel in die Wand. Baron Born wollte dem Wütbenden Nacheilen, als er die Treppe herunterschritt... man hielt ihn zurück. „Wer kennt nicht den Grafen Fehrenthal?" sagte der Bankdirector, „er entgeht der Justiz nicht." Die Andern waren, inzwischen in den vorder» Salon ge eilt, wo die größte Verwirrung herrschte. Alles stürzte durcheinander; dock als die Gruppen sich etwa« lichteten, bot sich den Eintretenden ein schreckhaft Bild dar. Jammernd und stöhnend, blutüberströmt, lag Frau Abraham auf dem Sopha. Alle« war um sie beschäftigt; rin kundiger Samariter legte den ersten Verband an; viele waren zun, Doclor Bingen geeilt, von dem man wußte, daß er in der Stadt weilte. Auch Herr Abraham erschien, anfgrregt und jammernd — er batte sich noch niemals in diesen Salons sehen lassen; sein Erscheinen würde da- größte Aufsehen erregt haben, wenn nickt alle Gemütber von den unerhörten Vorgängen aus schließlich in Anspruch genommen worden wären. Man brachte Frau Abraham in ihr Boudoir — sie war halb be wußtlos; nur die Worte: der Ring, der Ring, kamen über ihre Lippen. In den Salon- blieben alle Gäste in immer lauter werdendem Meinungsaustausch zurück: man wollte das Urtheil des ArzteS abwarten, um sich über die Gefährlichkeit ver Wunde zu unterrichten. Am aufgeregtesten war der Bankdirector. Graf Fehrenthal war die Seele de- neuen großen Actien-Unternehmens — was sollte daraus werden, wenn er in lange Haft gerieth oder ihm die Verfügung über sein Vermögen entzogen wurde? Baron Born war auf die Polizei geeilt, und noch vor dem Doctor erschien ein Criminalbeamter, der sich die Vor gänge notirte, nach Mittheilung einzelner Zeugen, die sich im Boudoir der Frau Abraham befanden. Man hatte ihn durch den verdunkelten Corridor direct in da« Gemach der schwcrverwundeten Frau geführt; man wünschte nicht, daß er seine Augen überall hinwürfe und die Anwesenheit einer so großen Zahl von Gästen bemerkte. Deshalb war Allen in den Salons das tiefste Schweigen geboten. Schlimm genug, daß die Aussagen der Zeugen mehr verrathen mußten, als der Veranstalterin dieser geheimen Zusammenkünfte und den Theilnehmern wünschenSwerth war. Endlich erschien auch Doclor Bingen — gespannt harrte die Versammlung aus den Ausspruch des Arztes, der viel zu lange sür ihre Ungeduld in dem Cabinet der Frau Abraham verweilte. Endlich erschien er im Salon und Alle umringten ihn. „Die Verwundung ist nicht unbedenklich; doch ich hoffe, daß die Lunge nicht verletzt ist; eS wäre freilich einer jener seltenen Fälle, wo eine mitten hindurchgehende Kugel nicht den Proceß des Athmens und Lebens gefährdet." Baron Born und der Bankdirector bemächtigten sich als bald des DoctorS und zogen ihn in eine Fensternische. „Und der Graf? WaS wird mit ihm?" „Nun. zunächst bemächtigt sich seiner jedenfalls die blinde Gerechtigkeit, die an ihren Paragraphen sesthält nach dem alten Grundsatz: kiat justitiu, pereut muuüu». Nur ungern rust sie die Schwestersacultät, die Medicin, zu Hilfe ... und eS wird unS schwer genug gemacht, wenn wir ihr ein Opfer entreißen sollen. Ja wir Aerzte sind arge Ketzer und sind der Ansicht, daß die meisten Verbrechen aus angeborener oder erworbener Entartung entstehen, nicht im moralischen, sondern im physischen Sinne. Die Frage der Zurechnungsfähigkeit, über welche die Juristen sich den Kopf zerbrechen, ist für uns ein für alle Mal entschieden und zwar in einer Weise, welche dem Strafgesetzbuch nickt zu Statten kommt; die schönen Theorien über die Strafe als das gute Recht de« Verbrechers oder die sich durch die Sühne der Unthat wieder kerstellende Gerechtigkeit sind sür unS nur pkilosvphische Flunkerei. Auch die Abschreckungstheorie, mit welcher das Recht der Bestrafung begründet wird, gehört für uns zum alten Eisen der Katheder weisheit. Wir kennen nur eine SlaatSraison und eine traurige: es gilt den Verbrecher unschädlich zu machen — und Labei stehen Zuchthäuser und Irrenhäuser in gleicher Linie. Auch das ist grausam genug für die Lchulvigcn, die meistens einem blinden Triebe willenlos folgen: doch die Ge setze der Menschen sind nicht grausamer als diejenigen der Natur, welche, wie sie manches blühende Leben durch einen geheimen Todcskeim dabinrasft, auch ein Geist und Gemüth zerrüttendes Gift bisweilen selbst in edeln Naturen ablagert, welche» dann als Verbrechen hervorwuchert. Da wirkt vieles insgeheim und ver Seelenarzt findet's kaum heraus, während der Jurist mit rohen Händen die Frucht abpflückt, ohne sich um den Keim z» bekümmern. Verlangen die Juristen doch stets eine nachweisbare geistige Störung und Verwirrung, wo es sich um Unzurechnungsfähigkeit handelt, und wollen nicht zugebcn, daß viele bei vollkommen geistiger Klarheit durch einen unwiderstehlichen Trieb zu einer verbrecherischen That sortgeriffen werden: dazu geboren auch die oft ganz grundlosen Selbstmorde. Nun, mit so geheimen Seelen regungen braucht sich diesmal die Justiz nicht zn beschäftigen, hier ist dir Tobsucht mit ihren Sinnestäuschungen zweifellos, und an Vorboten hat es wahrlich nickt gefehlt. Dieser Graf war ein echter Dämmerfalter, dessen sonderbarer Zickzackflug zwischen Tag und Nacht schon befremdlich genug gemalmte. Die Justiz wird bald einsehen, daß eS sich hier um völlige geistige Umnachtung handelt und in dem Strafwürdigen eine» der Heilung Bedürftigen erkennen!" „Und ist solche Heilung möglich?" fragte der Bankdirector
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