02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921214024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-14
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8694 Siege zu verhelfen, und deshalb wird Carl Schurz zweifel los einen hervorragende» diplomatischen Posten erhalten. Aber, wie uns die compcientesten Beurtheiler der amerikanische» Vcr- bältniffe versichern, entspricht eS den anierikanischen Gepflogen beiten nicht, einen Angehörigen des Mutterlandes zum ge sandten in demselben zu machen; der Amerikaner gehl von der Voraussetzung aus, daß dock einmal Verhältnisse ein- lreten können, wo die alte Liebe zum Mutterland? den Ge sandten in einen schweren Conflict n»t seinen Aufgaben bringen könnte; und deshalb dürste Carl Schur; wohl kaum als Nach folger des Herrn Phelps nach Berlin tonime». Viel näher liegt die Annahme, daß er zum Gesandten in England bestimmt sei. Wie Carl Schurz, so hat auch ein anderer Deutsch- Amerikaner, Henry Billard, der bekannte Eisenbahn erbauer, in der Wahlagitation sür Cleveland ganz Hervor ragendes geleistet, und der zukünftige Präsident dürste daher auch ihm einen einflußreichen Posten verleihen. UnS Deutsche kann dies nur mit aufrichtiger Genugthunng und Freude erfüllen. — Dem BundeSrath ist ein Antrag Preußens, be treffend die Gestaltung des Gerichtsverfassungsgesetzes in Helgo land, zugeaangcn. Der Gesetzentwurf bezweckt die Errich tung eines Schöffengerichts auf Helgoland. — Den Stände-Jnhabern auf dem Weihnachtsmarkte ist nach einer Mittheilung der „Nat.-Ztg." gestattet worden, am nächsten Sonntag, mit Ausnahme der Hauptkirchen stunden, ihre Buden bis 11 Uhr Abends offen zu balten. Ebenso soll es ihnen gestattet sein, am ersten Weibnachtsseiertage, der auf einen Sonntag fällt, bis Abends IV Uhr offen zu halten, als Entschädigung dafür, daß der 11. December, an welchem Tage der Wcibnachtsmarkt stets aufgebaut zu werden pflegt, ihnen als ein Sonntag verloren ging. Begründet wirb dieses Entgegenkommen damit, daß die umherziebendcn Händler durch die Cbolerazeit und den damit verbundenen Ausfall der Märkte schwere Einbuße er litten. Diese Entscheidung wird überall Beisall finden. — Zu den Mitunterzeichnern der von Herrn von Hell dorf aus dem conservativen Parteitage abgegebenen Er klärung gehört auch der Regierungspräsident Stein mann. Er war zu Beginn der Verhandlungen des Parteitages erschienen, entfernte sich aber schon während der ein leitenden Rede des Herrn v. Manteuffel. — Die „National-Ztg." dcmentirt die Meldung, daß der Berliner Magistrat angewiesen sei, die Wählerlisten zur Reichstazswahl bis zum 20. Januar sertigzustellen. — Im Centralbureau dernationalliberalen Partei, Berlins, Köthenerstraßc 4ti, werden Ende dieser Woche ausgegeben: „Flugschrift en d er nationallib eralen Partei. ElsteS Heft. ReichstagSreden der Abgeordneten l)r. Buhl und Ür. von Bennigsen über Reichshaushalt und Militair- vorlage vom 1. December und 13. December. Ferner derselben Sammlung, Zwölftes Heft. Reichstagsrede des Abgeordneten vr. Büsing vom 12 December über die Währungssrage. Die Wiedergabe der Reden ersolgt auf Grund des amtlichen stenographischen Berichts. Jedes Heft kostet im Einzelnen bei postsreier Zusendung 25 »f, 20 Stück 3 100 Stück 10 jedes weitere Hundert 0 Den nationalliberalen Vereinen ist zu empfehlen, diese Schriften den Vertrauensmännern in Stadt und Land überall zugänglich zu macken. — In Bezug auf die Frage der gesetzlichen Regelung des Auenrechts erfahren die „B. P. N", daß die Er örterungen darüber, ob eine solche Vorlage unmittelbar an den Landtag zu bringen oder ob vor der näheren Feststellung derselben die Provinziallandtage der zumeist betheiligten Provinzen darüber gehört werden sollen, noch nicht zum Abschluß gelangt sind. Es ist mithin zur Zeit mit Sicherheit nicht zu sagen, ob und wann eine Vorlage des gedachten Inhalt« dem Landtage zugehen wird. — Einige Zeitungen bringen angebliche Inhaltsangaben au« der geplanten, aus die Handwerkerorganisation bezüglichen Vorlage. Wer die vor Kurzem ftattgehablen Reichstagsverhandlungen über die Handwerkcrfrage verfolgt und die von dem Vertreter der verbündeten Regierungen ab gegebenen Erklärungen genau gelesen hat, wird sich schon gesagt haben, daß die neuen Meldungen der wirklichen Sach lage nicht entsprechen. Die „Bert. Pol. Nachr." können denn auch noch auf Grund besonderer Information mit theilen, daß die Meldungen theilS ungenau, theils geradezu unrichtig sind. — Die Gesellschaft für Verbreitung von Volks bildung wird ihrenächsteGeneralversammlung Mitte Mai oder Anfang Juni n. I. in Weimar abhallen. Für dir Tagesordnung sind nach den Verhandlungen des Central- auSschufseS vom 11. d. M. vorläufig folgende Gegenstände in Aussicht genommen: 1) Stiftungen für Unterrichts- und Bildungszwecke. Referenten dir Herren Rickert und Tewes. 2) Welche Veranstaltungen sind für das nachschul pflichtige Alter zu treffen, damit die Resultate des Schulunterrichts gesichert werden und die durch die socialen Verhältnisse der Gegenwart bedingte Ausgestaltung erfahren, und welche Veranstaltungen dieser Art muß die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung zur Zeit ganz besonders zu fördern suchen? Referenten die Herren Sagner und v. d. Velde-Görlitz. 3) Die allgemeine Volksschule. Refe renten bleiben noch zu bestimmen. Der Gesellschaft sind in jüngster Zeit zahlreiche Mitglieder beigetreten; u. A. hat der Gemeinderath der Stadt Stuttgart seinen Beitritt erklärt, von den Magistraten einiger größeren Städte ist der An schluß mit jährlichem Beitrag in Aussicht gestellt. — Gras Herbert Bismarck ist uebst Gemahlin hier ein- getroffen. — Der Präsident des Herrenhauses, Herzog von Ratibor, ist soweit wieder hergestellt, daß er die Leitung seiner Geschäfte wieder übernommen hat. * Hainburs, 13- December. Wie die „Hamb. Nachr." kören, sind die Berathungen über den Bau des Hamburger Central-Bahn böses jetzt endlich zuin Abschluß ge bracht. Im preußischen Etat für 1893/94 wird die erste Baurate mit 2 Millionen Mark eingestellt werden. * FriedrtchSruh, 13. December. Seitdem Fürst Bismarck hier wieder residirt, ist es bedeutend lebhafter geworden. Täglich kommt Besuch an oder reist wieder ab. Die Babn- verwaltung läßt ganz wie früher zu diesem Zwecke sämmt- lichc Schnellzüge »ach Bedarf wieder anhalten Ganz wie gewöhnlich macht auch Fürst Bismarck täglich Mittags und Nachmittags wieder seinen Spaziergang. Graf Herbert, welcher einige Tage hier verweilte, ist mit Gemahlin wieder nach Schönbausen abgereist. Aus Hannover ist die freudige Botschaft eingetrofsen, daß die Gräfin Wilhem BiSmarck ihrem Gatten ein Töchterchcn geschenkt hat. * Thor», 12. December. Ein außerordentlicher west preußischer Städtetag wird hier in der ersten Hälfte des Januar stattfinden, um Stellung zum Commuualsteuer-Geietzeiitwurf zu nehmen. * Posen, 13. December. Die Ansiedlungscomniission be schäftigte sich in ihren Sitzungen mit dem dem Abgeordneten haufe vorzulegendcn Rechenschaftsbericht. * L-rotta», 13. December. In Folge einer Herabsetzung der Löhne um 10 Proc. stellten aus dem naben Eisenhütten werk WilhelmShütte sämmtliche Schmiedearbeiter ihre Arbeit ein. Falls keine Einigung erzielt wird, ist eine größere Ausdehnung des Ausstandes zu befürchten. * Hannover, 12. December. Ter sogenannte W elfen - proceß wird am 11. Januar vor dem hiesigen Schöffen gericht gegen den Buchdruckereibesitzer Jacob und 04 Ge nossen wegen Vergehens gegen das Vereinsgesetz beginnen. Für die Verhandlung, die im Schwurgerichtssaal stattfinden wird, sind 10—11 Tage in Aussicht genommen. Es soll nachgewiesen werden, daß die welfischen Vereine politischer Natur sind und den, Gesetz zuwider mit einander in Ver bindung stehen. ES sind eine Menge Zeugen geladen. * Stuttgart, 13. December. Am Donnerstag werden zum Besuch des Königspaares der Großherzog und die Groß- Herzogin von Baden eivtreffen. * Murrhardt, 12. December. Bei der auf heute hier anberaumten Bürgerausschußwahl bat, wie der „Schw. Merk." mittheilt, von 667 wahlberechtigten Bürgern nicht eia einziger abgestimmt. * Aus Plsatz-Lothringen, 12. December. Nicht ohne Interesse sind die Auseinandersetzungen der in Metz er scheinenden Blätter „Metzer Presse", „Vorrain" und „Messin" bezüglich der vom „katholischen VolkSverein" in Straßburg und Metz gehaltenen Volksversammlungen. Die beiden ersteren Blätter suchen offenbar, um bei ihren Gesinnungsgenossen jenseits der Grenze nicht anzustoßen, der Sache jeden politischen Hintergrund mit der Be hauptung abzusprcchen, jener Verein habe weiter keinen Zweck, als den der Bekämpfung des SocialismuS; auf diesem Gebiete glaubt man mit den Eingewanderten, bezw. den altdeutschen Katholiken gehen zu dürfen, ohne sich sonst nach irgend einer Seite bin zu binden. Etwas weniger ge wunden drückt sich der „Mesfin" aus, der die Ansicht vertritt, durch den genannten Verein könnten Spaltungen unter der alteinheimischen Bevölkerung herbeigesührt und Bestandtheile der Letzteren, die einen wissentlich, die andern unwissentlich, in das deutsche Lager hinübergelockt werden. — Aehnlich wie kürzlich den Notaren ist jetzt auch den Gerichtsvollziehern besohlen worden, ihre Bekanntmachungen deutsch zu erlassen; im gemischten und französischen Spypchgebiet kann noch eine französische Uebersetzuug beigesügt werben. Mit Ausnahme einer Anzahl von Gemeindeverwaltungen im rein französische» Sprachgebiet beherrscht jetzt das Deutsche den aefammten amtlichen Geschäftsverkehr. Auch die Zahl der vomaHebrauch des Deutschen dispensirten Gemeindeverwaltungen nimmt von Jahr zu Jahr ab. Oesterreich - Ungarn. * Wien, 14. December. (Telegramm.) Erzherzog Franz Ferdinand bat heute früh, nachdem er sich gestern vom Kaiser und den hier weilenden Mitgliedern des Hoses verabschiedet hatte, die Reise nach Triest angetreten, von wo er morgen Mittag mit dem Kreuzer „Kaiserin Elisabeth" die geplante Weltreise antritt. Die erste Station, welche er zu machen gedenkt, wird Port Said sein. * Wien. 13. December. Abgeordnetenhaus. Bei der ortgesetztea Berathung des Budgets beantragte Abg. Ruß nach, olgende Resolution: Das Abgeordnetenhaus erkennt dea-Grund der Auflösung der Stodtvertretung in Reichenberg nicht als aus- reichend an, fordert die Regierung auf, bei der Ausübung des Staatsaussichtsrechtes sich jedes nicht unerläßlichen Eingriffes in di« Geineinveautonomie zu enthalten und spricht die Rechts- Überzeugung aus, daß im Falle der Auslösung der Gemeinde- Vertretung dir bestellten Staatsorgane nur die dringenden laufenden Geschäfte zu besorgen haben. — Strinwender überreichte eine Resolution, in welcher er die Regierung aussordert, die Sprachrn- verordnungen für Reichenberg. Klagensurt und Lilli dem Hause vorzulegen. Nack längerer Debatte lehnte es den von Stein wender und Genossen Angebrachten Dringlichkeitsantrag auf Prüfung sämmtlicher Sprochenverordnungen mit 127 gegen 86 Stimmen ab. Für den Dringlichkeitsantrag stimmten die Linke, die Deutschnationalen und die Antifemiten. * Pest, 14. December. (Telegramm) Gerüchtweise verlautet, daß auf den Fürstprimas ein Attentat ver sucht worden sei. Von gut unterrichteter Seite hört man hierüber, daß sich rin junger Mann bei dem Fürstprima habe melden lassen, und daß, nachdem er von demselben einpsangeo worden, der Fremde mit dem Revolver in der Hand eine größere Geldsumme verlangt habe. Der Fürst- primaS bat diese auch verabfolgt. Bis spät Abend« ist über den Vorfall bei der Polizei noch keine Meldung hinterbracht gewesen Frankreich. * PsrtS, 13. December. Den Beschlüssen der Panama- Untersuchungscommission, Zeugenaussagen entgegen- zunehmcn, die mit der Panama-Angelegenheit nichts zu lhun haben, und die Mittheilung der GerichtSacten über die An gelegenheiten der „8ocists centrale ile ckz namite" zu verlangen, in welcher der mehrfach genannte Agent des Barons Reinach, Arten, verwickelt ist, scheint die republikanische Mehrheit derKammer nicht geneigt. Mehrere republikanische Deputirte haben zu morgen ihre Parteifreunde zusammengerufen, um die früheren Gruppen wiederberzustellen und dadurch der Ansicht der republikanischen Majorität in der Kammer Ausdruck zu geben. — Nach einer Meldung desselben Blattes istLicutenat Segonzac, der Begleiter des im vorigen Jahre aus einer Reise in Afrika verunglückten Lieutenants Ouiquörez, vom Kricgminister in Nichtactivität versetzt worden. — Im Ministerratb theilte Loubet mit, er habe den Deputirten Ferroul als Maire von Narbonne abzesetzt. (Es ist das derjenige socialdemokratische französische Bürgermeister, von dem wir gemeldet haben, daß er sein Amt zur Verübung grober Ausschreitungen benütze.) Belgien« * Brüssel, 13. December. Nach hier eingetroffencn Privat briefen aus dem Lager deS CapitainS Jacques sollen die Araber mit einer großen Anzahl moderner Gewehre und Munition durch die Engländer versehen worden sein. — An der franrösischen Grenze wurden 8 Anarchisten verhaftet, die 120 Dynamitpatronrn nach Frankreich rinschmuggeln wollten. Schweiz. * Bern, 13. December. Der Nationalrath beschloß, die letzte Entscheidung in confessionellen Streitfragen dem Bundesgericht zu überlassen. Bisher entschieden hierüber BundeSrath und Bundesversammlung. Italien. * Rom, 15. December. Die sür das Verwaltungsjahr 1893/94 vorgelegten Etats für das Heer und die Marine weisen gegen das Vorjahr eine Verminderung von 13 bezw. 2 Millionen auf. Der Kriegsetat beläuft sich nunmehr auf 276, der Marinectat aus 100 Millionen Lire. — Wie ver lautet, beabsichtigt die Regierung von der Berufung der Senatoren Pcllegrini, Collucci, Tanglongo', über deren Häuptern das Ausscklicßungsurtbeil schwebt, abzusehen. — Die italienischen Blätter fahren fort, den deutschen Antisemitismus mit den bittersten Worten zu verurtbeilen. Der „Oorriere äella sera", das Hauptorgan der Mailänder Conservativen, schreibt: „UnS Italienern klingt der Antisemitismus wie ein Wort ans barbarischen Zeiten und Völkern. Wir fragen uns darum, ob sich in Deutsch land nicht dieselben wilden Scenen abspielen werden, wie in Rußland und anderen uncivilisirten Ländern." Großbritannien. * London, 13. December. Die Bergleute von Süd- Wales beschlossen gestern, von Neujahr an der großen National-Föteration der britischen Bergarbeiter beizutreten. Der letztere Verband wird dann alle Bergleute Englands, mit Ausnahme derjenigen von Northumbcrland, umfassen. Rußland. * Petersburg, 13. December. Das CaffationS-Departe- menl des Senats für Criminalsachen hat in einer Klage- fache des bekannten Stuttgarter Professors Jäger gegen einen hiesigen Arzt die principiell wichtige Entscheidung ge troffen. Laß außerhalb Rußlands befindliche Angehörige eines fremden Staates in Rußland denselben Rechtsschutz genießen wie russische Unterthanen. Die Entscheidung richtet sich gegen einen Beschluß des Petersburger Gerichtshofes, welcher die Klage Jäger's zurückgewiesen hatte, weil dieser im AuSlande wohnhaft sei. Orient. * Bukarest, 14. December. (Telegramm.) Der Senat beschloß beute mit großer Majorität, den Adreßentwurf in Erwägung zu ziehen. Die Ausführungen der Minister Alexander Lahovary, General Lahovary und Carps wurden mit großem Beifall ausgenommen. Die Regierung legte den Handelsvertrag mit England vor. * Belgrad, 13. December. Gegen den Präsidenten des obersten Rechnungshofes, MehalovicS, sowie gegen das Mitglied des CassationShofes, NovacovicS, Beides Radikale, ist der Strafproceß wegen Widerstandes gegen behörd liche Anordnungen eingeleitet worden. * Sofia, 13. December. Der Ministerpräsident Stam- bnlow bat in einer von zahlreichen Deputirten besuchten Versammlung den Entwurf zur Abänderung der Ver fassung vorgelegt. Der Hauptpunct desselben bestimmt, daß sowohl der erste erwählte Fürst als auch der erste Thronerbe in der Religionsgemeinschaft, welcher sie angc hören, verbleiben können. Die anwesenden Deputirten ver pflichteten. sich, den Entwurf zu unterstützen. — Die Blätter meldung, Bulgarien beabsichtige eine Kriegsflotte zu bauen, wird von gut unterrichteter Seite als erfunden bezeichnet. Bevor Bulgarien an die Errichtung einer Flotte denken könne, müsse cs vielmehr befestigte Häsen besitzen. Amerika. * London, 14. December. (Telegramm.) Dem „Standard" wird aus New-Aork gemeldet, die Handels kammer sprach sich zu Gunsten des Erlasses allgemeiner Quarantainemaßregeln aus, da die Localbehorden nicht in der Lage seien, wirksam vorzugehen. Reichstag. * Der Präsident der Physikalisch-Technischen Reichs anstalt, vr. von Helmholtz, hat eine Denkschrift über die Thätiqkeit dieser Anstalt in den Jahren 1891 und 1892 dem Reichs- kanzler und dieser dem Reichstage zugehen lassen. Die Anstalt hat auch in den letzten beiden Jahren wissenschaftliche und technische Arbeiten innerhalb ihres in der Denkschrift vom 13. December 1800 dargestellten Auigabenkreijes ausgesührt. Die Ergebnisse derselbe» sind sowohl durch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften wie durch schriftliche» und mündlichen Verkehr de» betheiliaten Kreisen zu gänglich gemacht. Namentlich hat die Anstalt auf die letzteren auch fördernd gewirkt durch ihre umfassende Betheiliguug an Len Ein- richtungs- und Prüfungsarbeiten aus der vorjährigen e 1 ektro - techniichen Ausstellung zu Frankfurt a. M., sowie in öffent lichen Versammlungen durch Vorträge und Anregung in Fragen der Glassabrikation. der elektrische» Meßgeräthe, der Lichtmessung, der Härteversuche, des Anlaßverfahrens bei Metallen und der einheit lichen Schraubengewinde. Insbesondere muß hierbei die unermüd liche Thätigkeit des leider im October dieses Jahres durch Len Tod abberusenen Direktors vr. Löwenherz hervorgehoben werden. Die weitläufigeren und mühsameren Aufgaben fallen der sogenannten ersten oder physikalischen Abtheilung zu. Sie hat die Fehlerquellen der angewandten Methoden auszuipüren und zu beseitigen, möglichst große Sicherheit der Methoden und wissenschaftlichen Ergebnisse zu erstreben, soweit solche mit de» besten Hilfsmitteln und durch angestrengte Arbeit kenntnißreicher und gut geschulter Arbeiter zu erreichen sind. Tie erste Abtheilnng ist so vollständig mit den durch die Technik ge stellten Ausgaben beschäftigt gewesen, daß alle Zeit ihrer Mitglieder und Hilfsarbeiter in Anspruch genommen war. Vor Beginn der Anstalt wurde als das größte Arbeitsfeld das der Wärmemechanik in Angriff genommen. Die zweite Arbeitsgruppe umfaßte elektrische und magnetische, die dritte optische Arbeiten. — Die Arbeiten der weiten Abtheilung sind auf derselben Grundlage, wie sie in er Denkschrift vom 13. Deceinber 1890 dargelegt worden sind, weitergesührt worden, haben aber nicht unwesentlich an Umfang zugenommen und nach mehreren Richtungen hin auch Erweiterungen erfahren. Im Fotgenden soll zur leichteren Orientirung die in der erwähnten Denkjchrist bereits eingesührte Gliederung in sechs Gruppen wieder sestgehalten werden, nämlich: 1) in solche, welche sich auf Messung von Wärme und Druck beziehen, 2) in elektrische, 3) in optische, 4) in präcisionsmechanischc Untersuchungen, an welche sich technische Prüfungen von Materialien der Feintechnik, sowie von Stimmgabeln und Constructionstheilen anschließen, 5) in Arbeiten der mechanischen Werkstatt und 6) des chemischen Laboratoriums. — Angesichts der jüngsten Vorgänge auf Samoa ist die Lolonialabtheilung deS Auswärtigen Amts mit der Ausarbeitung eines Samoa-Weißbuches beschäftigt, das dem Reichstage nach Neujahr zugehen soll. Marine. WithelShaven. 13. December. Das Uebungsgeschwader, Chef Contre-Admiral Karcher, ist, von Norwegen kommend, vor Helgoland geankert. Lonservativer Verein. -g- Leipzig, 14. December. In Wiegner's Gesellschaftsbaus« hielt gestern Abend der Conservative Verein eine Versammlung ab, die von Herrn Generalconjul vr. Schober nach '/,9 Uhr mit einer Begrüßung der Erschienene» eröffnet wurde. Sodann sprach Herr Diakouus Ebeling über die Organi sation der christlichen Gemeindepflege. Der Redner wies im Eingang daraus hin, daß es verwunderlich erscheinen lönute, in einem politischen Vereine über ein kirchliches Thema zu sprechen. Allein, es rechtfertigt sich dies damit, daß die Kirche tief eingreist in das Volksleben, daß sie eine staatserhaltende Macht ist, einer der mächtigsten Faktoren des Staatslebens. Allenthalben macht sie ihren Einfluß geltend: in den höheren Schichten der Gesellschaft, wie in den niederen Bolkskreisen. Durch die Notd der Zeit kam die evangelische Kirche in die Hand des Staates, der LvnLesfnrst führt die Oberhoheit über sie. Im Lause ihrer Entwickelung beschränkte sich die evangelische Kirche immer mehr aus die Pflege ausschließlich kirchlicher Interessen, worüber ihr nicht mit Unrecht Vorwürfe gemacht worden sind. Erst in unserem Jahrhundert hat die evangelische Kirche on- gesangen, aus sich selbst herauszugehen nnd in der Erfüllung ver schiedener Liebeswerke eine besondere Au'gabe z» erkennen. Dazu war allerdings nöthig, daß sich nicht zu umsangreichc Gemeinden bildeten Hatte sich der Unglauve organisirt, so sollte sich nun auch der Glaube organisiren. Den Gefahren, die im socialen Leben der großen Städte zu Tage traten, stand die Kirche völlig unvorbereitet gegenüber. In Berlin hat die Kirche erst unter der Regierung des jetzigen Kaisers, be sonders aber unter der Fürsorge der Kaiserin energischer einge- griffen, um das große Elend zu lindern. Auch in Leipzig hat man mit der inneren Colonisalion Fortschritte gemacht, auch hier ent- „Unser Wissen ist Stückwerk und unser Weissagen ist Stück werk", erwiderte der Arzt; „bei plötzlichen acuten Fällen von Tobsucht ist die Prognose nicht ungünstig; aber hier scheint eine versteckte Tobsucht schon seit einer Reihe von Jahren gewaltet zu haben, bi« sie jetzt zum vollen ÄuSbruch kam. Doch vorläufig ist er ein Verbrecher, und Niemand kann wissen, ob sie nickt zunächst ganze Aktenstöße vollschreiben, ehe er in unsere Hände kommt" „Ich glaube das nicht", meinte der Bankdirector, „bei solchen hockstehenden Herren liegt die Sache anders als beim gemeinen Volk. Man ist schon glücklich, einen Vorwand zu haben, sie den Händen der Justiz zu entziehen, und wo wirk liche Thatsachen vorliegen, da greift man fröhlich zu." Inzwischen leerte sich der Saal; die Reihen der Anwesen den lichteten sich; zuletzt blieb nur ein kleines Häuflein übrig, welches nicht von der Unglücksstätte geflohen war. Leonliue batte sich als gutherzige Pflegerin ,m Boudoir der Frau Abraham niedergelassen. Der Doctor sah hin und wieder nach der Patientin nnd winkte dann der Sängerin, sie möchte ihm in den Salon folgen. „Wie geht es Ihrer Freundin Teresa Stern?" fragte er. „Sie sind ja eine der Wenigen, welche mit ihr verkehren und treu bei ihr auSbarren." „Es ist ein eigentbümlicheS Geschöpf", versetzte Leontine; „ihre Lebensflamme ist jetzt in eigenthümlicker Weise rmpor- geflackert, während sic früher immer zu verlöschen drobte; aber jetzt schwebt noch viel undurchsichtiger Qualm über dem auflodernden Feuer. Ick bin ihr von Herzen gut, obschon sie auch vor mir ihre Geheimnisse hat. Ich glaube, sie ist sich selbst ein Räthsel und will es bleiben O, rühret nicht daran, ruft sie deo Andern zu. und auch sie selbst will nicht daran rühren " „Besucht sie mein Bruder noch?" fragte der Arzt. ,^'eider! oft genug, wenn er auch jetzt für einige Tage sich beurlaubt hat; er folgt einer Einladung deS Barons v. Senden!" ,Zeidrr! sagten Sie?"' „Sie lebt in seinem Banne ... er hat eine Gewalt über fie, wie ein Beschwörer oder Geisterbanner — eine wilde «ngebändigte Natur . . . und dazu ihr stille», bisbrr un berührtes Gemüth. ES ist jetzt ander» geworden, aber zum Heil wird'S ihr nimmer gereichen Er ist ein Freigeist, der immer weiter stürmt . wer vermag ihn zu fesseln? Sie könnt' eS sich doch zu Herzen nehmen und wer weiß ." Sie erschrak säst über des Doctors tiefbekümmerte Miene; sie wagte nicht fortzufahren und unterbrach achselzuckend ihren Redefluß. Leontine war ein gutes Mädchen, wenn sie auch bisweilen saß, wo die Spötter sitzen; es lag ihr fern, an zuklagen oder gar zu verleumden, sie sprach mit warmem Mitgefühl . . und als der Doctor längere Zeit schwieg, fuhr sie fort: „Ich fürchte fast, daß sie in Noth gerathcn wird . . ihr Contract ist bald abgelaufen. Ihr Bruder hat sich zwar vielfach für sie verwendet, doch wie es scheint, ohne Erfolg. Anfang- wandte er sich an Theaterdirectionen in den Städten, in denen er selbst erwarten konnte, eine journalistische Thätig keit zu finden: er dachte daran, sie dorthin zu begleiten; setzi scheint er diesen Gedanken schon aufgegeben zu baden; denn er bat sich auch an Directoren gewendet, die in einer literarischen Einöde ihren Kunsttempel errichtet haben Und Teresa merkt das Alles nicht." Der Doctor blickte immer finsterer darein. „Ich danke Ihnen, mein Kind, für ihre Mittheilungen . ich werde mit meinem Bruder Rücksprache nehmen; das arme Mädchen darf nicht in s Elend gerathen." Leontine drückte ihm mit herzlicher Dankbarkeit die Hand; der Doctor begab sich noch einmal zu Frau Abrabam, der allmälig «in klares Bewußtsein zurückgekebrl war, sie bat die Anwesenden, auch ihren Gatten, sich zu entfernen; sie wollte mit dem Arzt allein sein. „Geht's an « Leben, Doctor?" sagte sie. „Wir wollen'» nicht boffen, liebe Frau " „Ich wünsche volle Wahrheit . die Aerzte »haben da« Vorrecht zu lügen ; ick weiß es wohl, man nennt da« menschen freundlich; vielleicht wäre e« ojt menschenfreundlicher, wenn sie die Wahrheit sagten." „Wir sind selten im vollen Besitz derselben, am wenigsten, wo r» Voraussagen gilt. Was wir von der Zukunft wissen, ist unsicher; doch wir erwarten das Beste — und warum sollten wir die gleiche Hoffnung nicht bei unseren Patienten erwecken? Ihr Fall ist schwierig, Frau Abraham, und nicht leicht zu entscheiden, doch, ich wiederhole, ich hoffe, daß Sie wieder genesen werden." Frau Abraham warf sich stöhnend auf ihrem Lager bin und her; das Sprechen wurde ihr schwer; eS bedurfte eines berzbasren Entschlusses dazu. Sic begann, indem sie fast binter jedem Worte eine Pause machte; der Doctor wollt' es ihr wehren; dock er sah bald ein. daß es sich bei ihren Ent hüllungen um Wichtiges, um das Heil ihrer eigenen Seele bandle und daß dagegen zurücktreten mußte, was rathsam war für ihre körperliche Wohlfahrt. Wie sie da vor ihm lag, mit den schmerzentstellten Zügen, der durchfurchten Stirn, den tiefen Schatten unter den schwarzen brennenden Augen, dem rabenschwarzen Haar, mochte sie ihn an eine Zigeunermutter gemahnen, die, bei einem Kampf mit der bewaffneten Macht von einer verirrten Kugel getroffen, von ibren Genossen auf dem Waldrasen gebettet, irgend ein Märchen aus ihrer Vergangenheit er zählen will, welches verhängnißvoll in die Geschicke der Lebenden eingreist. „Sie sind ein Ehrenmann, Doctor, ich weiß cS . . nicht einer von Denen, die selbst diesen Namen in Verruf gebracht haben, nicht einer von den Biedermännern, die man um ihre» Geldbeutels willen respectirt und die das sogenannte Ver trauen ihrer Mitbürger genießen — nein, sie sind hilfsbereit und gut, und aus ihr Wort kann man bauen!" »Zur Sache, Frau Abrabam! Schonen Sie Ihre Lunge .. wozu dies überflüssige Lob?" „Nehmen Sie diesen Schlüssel. . den ich stets bei mir trage . öffnen Sie damit den obersten Schub des Schrankes bier . . Sie finden links vorn in der Ecke ein Couvert mit Briefen." Der Arzt beeilte sich, die Wünsche der Kranken zu er füllen . sie winkte ihm, ihr die Briefe zu bringen und den Schlüssel, nachdem er den Schrank wieder zugeschlossen. „Es ist um Lebens und Sterbenswillen", sagte Frau Abraham, „ich vertraue Jbnen diese Briefe an. Wenn ich wieder genesen sollte, erbitte ich sie mir von Ihne» zurück. Sollte ick aber sterben — nun, so übergeben Sie dieselben dem Grasen Fehrentdal." „Dem Grafen!" fragte der Doctor erstaunt. „Wir sind arme Leute, Doctor . . einen Augenblick . . ich muß Athem schöpfen . . o, wie mich Alles hier schmerzt . . icdeS Wort muß ich tbeuer bezahlen, vielleicht nicht zu theuer für die Ruhe meiner Seele." Bingen ging im Zimmer auf und ab; er vergaß den Arzt über die Nolle des Beichtvaters, die ihm ausgedrängt wurde. Als er sich wieder an das Sopha gesetzt, begann Frau Abraham: „Wir sind arme Leute . . wir sind wie die Lumpen sammler, die im Kehricht wühlen und bisweilen tragen wir in unserer Hucke etwas Werthvollcs mit nach Hause, denn eS ist ja nicht der Kehricht auf der Straße, sondern der, welcher aus den Salons und dem Leben ihrer Bewohner zu- sammengefegt wird. Wir finden Geheimnisse und setzen unfern Preis dafür. Ich hatte deren zwei . . der Gras schätzte sie nicht hoch genug . . da gab ick das eine preis, dort, wo es ibm die größten Unannehmlichkeiten bereiten mußte; er sollte den Preis des andern nnd wichtigeren um so höher schätzen lernen. Ich hatte auf Alles gerechnet, auch aus seinen Zorn . . nicht aus seinen Wahnsinn ... und das muß ich büßen." „ Sie schwieg wieder; ibr Athem stockte; angstvoll stöbnenk warf sie sich auf die Seite. Nach einer Pause fragte der Doctor: .Und daß andere, wichtigere Geheimniß?" „Liegt in diesen Briefen. Bei Gott, ich werde es dem Grasen theuer verkaufen, wenn ick genese. Sterb' ich, so will ich'S nicht als Erbstück meinem Manne kinterlassen. Er bat'S nicht um mich verdient; er feilscht mit mir um jeden Groschen und weiß Gott, was er sür einen Gebrauch davon machen würde. Ich leg's in die Hände eine« braven Mannes, wo eS gut cuffgeboben ist ... und eS ist eine edle Tbat, einem armen Wesen die Unterstützung eines reichbegüterten Mannes zu sichern." „Wenn Sie mich zum Wächter Ihres Schatzes machen", versetzte der Doctor, „so will ich doch nicht über seinen Wertk und Inhalt im Dunkeln tappen." „Sie geloben mir größte Verschwiegenheit, auf Ihr Manneswort?" „Ich gelobe sie", sagte Bingen. (Fortsetzung folgt.)
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